Tod, Gericht, Himmel oder Hölle – Die „Letzten Dinge“ nach Papst Franziskus


"Jüngstes Gericht" (Kuppelmosaik), Baptisterium San Giovanni, Florenz, um 1260.
"Jüngstes Gericht" (Kuppelmosaik), Baptisterium San Giovanni, Florenz, um 1260.

(Rom) „Quat­tu­or novi­s­si­ma“, das sind die vier letz­ten Din­ge im Sein des Men­schen: der Tod, das Gericht und Him­mel oder Höl­le. Was aber lehrt Papst Fran­zis­kus über die letz­ten Din­ge, denen jeder Men­schen unent­rinn­bar zustrebt und von denen die Kir­che lehrt, daß das irdi­sche Leben über das See­len­heil eines Men­schen ent­schei­det, das heißt, ob er in den Him­mel kommt und ewi­ges Leben in der Glück­se­lig­keit der Anschau­ung Got­tes erlangt oder ewi­ge Ver­damm­nis in der Hölle?

Scalfari: „Papst Franziskus hat die Hölle abgeschafft“

Anzei­ge

Am 9. Okto­ber trat Euge­nio Scal­fa­ri in der links­li­be­ra­len Tages­zei­tung La Repubbli­ca als Papst­spre­cher auf. Scal­fa­ri, beken­nen­der Athe­ist aus frei­mau­re­ri­schem Haus, ist der Grün­der der Repubbli­ca. Die­se wie­der­um ist die ein­zi­ge Tages­zei­tung, die Papst Fran­zis­kus laut eige­nen Anga­ben regel­mä­ßig liest. Laut Scal­fa­ri sind er und der Papst „Freun­de“ gewor­den. Seit dem Som­mer 2013 ste­hen sie in mehr oder weni­ger regel­mä­ßi­gem Kon­takt, ob schrift­lich, tele­fo­nisch oder bei per­sön­li­chen Gesprächen.

Vor elf Tagen berich­te­te Scal­fa­ri aus den Spal­ten sei­ner Zeitung:

Papst Fran­zis­kus hat die Höl­le abge­schafft.

Bei den gemein­sa­men Gesprä­chen habe Papst Fran­zis­kus fol­gen­des gesagt:

„Papst Fran­zis­kus – ich wie­der­ho­le es – hat die Orte einer ewi­gen Wohn­statt der See­len im Jen­seits abge­schafft. Die von ihm ver­tre­te­ne The­se ist, daß die vom Bösen beherrsch­ten und nicht reu­igen See­len auf­hö­ren zu exi­stie­ren, wäh­rend jene, die sich vom Bösen befreit haben, in die Selig­keit auf­ge­nom­men wer­den, wo sie Gott schauen.“

Scal­fa­ri füg­te scharf­sin­nig hin­zu, was für einen revo­lu­tio­nä­ren Schnitt das bedeute:

„Das ist die The­se von Fran­zis­kus […]. Hier füge ich eine Anmer­kung ein: Das Jüng­ste Gericht, das zur Tra­di­ti­on der Kir­che gehört, wird sinn­los. Die See­len, die das Böse gewählt und prak­ti­ziert haben, ver­schwin­den, und das Jüng­ste Gericht bleibt eine blo­ße Vor­la­ge für groß­ar­ti­ge Bil­der der Kunstgeschichte.“

Zwei­fel an die­ser Dar­stel­lung äußer­te nun der Vati­ka­nist San­dro Magister:

„Es ist ernst­haft zu bezwei­feln, daß Papst Fran­zis­kus wirk­lich die ‚novi­s­si­ma‘ in dem von Scal­fa­ri genann­ten Sinn abschaf­fen will.“

Magister: „Franziskus hat Neigung, das Gericht verschwimmen zu lassen“

„Aller­dings“, äußert Magi­ster auch einen Zwei­fel, habe Fran­zis­kus in sei­nen Aus­sa­gen „schon eine Nei­gung, das Gericht am Ende der Tage tat­säch­lich ver­schwom­men“ dar­zu­stel­len. Das gel­te vor allem, was das „gegen­sätz­li­che Schick­sal der Seli­gen und der Ver­damm­ten“ betreffe.

Generalaudienz, 11. Oktober 2017
Gene­ral­au­di­enz, 11. Okto­ber 2017

Ein wei­te­rer Aspekt ist, Magi­ster nennt ihn nicht, daß weder die­se noch ande­re sehr kon­kre­te Aus­sa­gen Scal­fa­ris „im Namen des Pap­stes“ in der Ver­gan­gen­heit vom Vati­kan demen­tiert wur­den. „Qui tacet, con­sen­ti­re videtur.“

Der Vati­ka­nist nennt Bele­ge für die „Ver­schwom­men­heit“, mit der Papst Fran­zis­kus über die Letz­ten Din­ge spricht. Am 11. Okto­ber sag­te Fran­zis­kus bei der Gene­ral­au­di­enz auf dem Peters­platz, daß nie­mand das Gericht fürch­ten müsse:

„Wann das gesche­hen wird, weiß nie­mand, aber der Gedan­ke, dass am Ende unse­rer Geschich­te der barm­her­zi­ge Jesus steht, genügt, um Ver­trau­en zu haben und das Leben nicht zu ver­flu­chen. Alles wird geret­tet wer­den. Alles.“

Fran­zis­kus sagt zwar nicht, daß „alle“ geret­tet wer­den, aber da es nicht um Objek­te, son­dern Sub­jek­te geht, ist aus dem Kon­text unzwei­deu­tig zu schlie­ßen, daß „alles“ „alle“ meint. Und in der Tat hat es Fran­zis­kus so gemeint, wie gleich zu zei­gen sein wird.

Daß es Fran­zis­kus bewußt um das Wort „alles“ geht, weiß Magi­ster zu bestätigen:

„Die­ses letz­te Wort ‚alles‘ war in dem vom vati­ka­ni­schen Pres­se­amt an die akkre­di­tier­ten Jour­na­li­sten ver­teil­ten Text fett hervorgehoben.“

„Gott wird alle Menschen aufnehmen, für immer“

Ähn­lich hat­te sich Fran­zis­kus bereits bei der Gene­ral­au­di­enz am ver­gan­ge­nen 23. August geäu­ßert. Vom Ende der Geschich­te zeich­ne­te er ein völ­lig und aus­schließ­lich tröst­li­ches Bild. Er sprach von einer „uner­meß­li­chen Wohnung“:

„in die Gott alle Men­schen auf­neh­men wird, um für immer bei ihnen zu sein“.

„Alle“ Men­schen?

Das Bild hat Fran­zis­kus aus der Gehei­men Offen­ba­rung (Offb 21,3) über­nom­men, sich dabei aber gehü­tet, die nach­fol­gen­den Wor­te zu zitieren:

„Aber die Feig­lin­ge und Treu­lo­sen, die Befleck­ten, die Mör­der und Unzüch­ti­gen, die Zau­be­rer, Göt­zen­die­ner und alle Lüg­ner – ihr Los wird der See von bren­nen­dem Schwe­fel sein. Dies ist der zwei­te Tod.“

Von „allen“ ist also nicht die Rede.

Das abgewürgte Herrenwort

"Jüngstes Gericht", Baptisterium di San Giovanni, Florenz, um 1260
„Jüng­stes Gericht“, Bap­ti­ste­ri­um di San Gio­van­ni, Flo­renz, um 1260

Am ver­gan­ge­nen Sonn­tag, 15. Okto­ber, kün­dig­te Fran­zis­kus in sei­ner kur­zen Anspra­che vor dem Ange­lus die Ein­be­ru­fung einer Son­der­syn­ode für Ama­zo­ni­en an. Zugleich kom­men­tier­te er das Gleich­nis vom könig­li­chen Hoch­zeits­mahl (Mt 22,1–14), das an die­sem Tag in allen Kir­chen ver­le­sen wur­de. Auch in die­sem Fall hüte­te sich Fran­zis­kus, die ern­sten und mah­nen­den Stel­len zu zitie­ren, die da lauten:

„Da wur­de der König zor­nig; er schick­te sein Heer, ließ die Mör­der töten und ihre Stadt in Schutt und Asche legen.“

Eben­so­we­nig erwähn­te Fran­zis­kus die Stel­le vom Mann „ohne Hoch­zeits­ge­wand“. Und schon gar nicht, was dann geschieht:

„Da befahl der König sei­nen Die­nern: Bin­det ihm Hän­de und Füße und werft ihn hin­aus in die äußer­ste Fin­ster­nis! Dort wird er heu­len und mit den Zäh­nen knirschen.“

„Gott rächt sich nicht“

Bereits am Sonn­tag davor, dem 8. Okto­ber, als es um die bösen Win­zer ging (Mt 21,33–46), erleb­te das Gleich­nis beim Ange­lus eine sehr selek­ti­ve Dar­stel­lung durch das Kir­chen­ober­haupt. Fran­zis­kus erwähn­te nicht, was der Guts­be­sit­zer denen tut, die sei­ne Knech­te geprü­gelt, ermor­det und gestei­nigt haben. Jesus selbst fragt im Gleich­nis die Hohen­prie­ster und Älte­sten des Volkes:

„Wenn nun der Besit­zer des Wein­bergs kommt: Was wird er mit sol­chen Win­zern tun?“

Sie ant­wor­te­ten ihm:

„Er wird die­sen bösen Men­schen ein böses Ende bereiten.“

Auch die Wor­te Jesu über den „Eck­stein“ erwähn­te Fran­zis­kus nicht:

„Und wer auf die­sen Stein fällt, der wird zer­schel­len; auf wen der Stein aber fällt, den wird er zermalmen.“

Fran­zis­kus beharr­te hin­ge­gen dar­auf, Gott vor dem Vor­wurf zu ver­tei­di­gen, zu ver­gel­ten, denn Gott „rächt sich nicht!“

Und noch einmal:

„Dar­in liegt die gro­ße Neu­heit des Chri­sten­tums: ein Gott, der – zwar ent­täuscht von unse­ren Feh­lern und von unse­ren Sün­den – nicht sein gege­be­nes Wort ver­gißt, nicht halt­macht und vor allem sich nicht rächt! Brü­der und Schwe­stern, Gott rächt sich nicht! Gott liebt, er rächt sich nicht, er war­tet auf uns, um uns zu ver­ge­ben, um uns zu umarmen.“

Verkürzung der Worte Jesu mit System?

Zu Pfing­sten, am 4. Juni, pole­mi­sier­te Fran­zis­kus wie so oft gegen jene, „die urtei­len“. Als er dazu die Wor­te des auf­er­stan­de­nen Jesus an die Apo­stel und ihre Nach­fol­ger in der Kir­che zitier­te (Joh 20,22f), würg­te er sie zur Hälf­te ab. „Bewußt“, wie Magi­ster meint.

„Emp­fangt den Hei­li­gen Geist! Denen ihr die Sün­den erlaßt, denen sind sie erlassen;“

Die Wor­te des Herrn hören damit aber nicht auf. Das war nur der erste Teil des Sat­zes, auf den ein zwei­ter folgt:

„wem ihr die Ver­ge­bung ver­wei­gert, dem ist sie verweigert.“

„Daß das Abwür­gen der Her­ren­wor­te wil­lent­lich geschieht, wird dadurch belegt, daß es schon wie­der­holt so gesche­hen ist“, so Magi­ster. Genau den­sel­ben Schnitt bei den­sel­ben Her­ren­wor­ten nahm Fran­zis­kus am ver­gan­ge­nen 23. April, in sei­ner Anspra­che zum Regi­na Coeli, am ersten Sonn­tag nach Ostern vor.

Warnung vor falschem Marienbild – in Fatima

Am ver­gan­ge­nen 12. Mai war Papst Fran­zis­kus zum 100. Jah­res­tag der Mari­en­er­schei­nun­gen in Fati­ma. Auch dort, viel­leicht gera­de dort, ging es ihm dar­um, Jesus Chri­stus vom Ruf zu „befrei­en“, am Ende der Zei­ten ein unbeug­sa­mer Rich­ter zu sein. Des­halb warn­te Fran­zis­kus, wohl­ge­merkt in Fati­ma, vor einem fal­schen Marienbild:

„Eine Maria nach sub­jek­ti­ven Emp­fin­dun­gen gezeich­net, die sie zei­gen, wie sie den Rich­ter­arm Got­tes zurück­hält, der zur Bestra­fung aus­holt. Eine Maria, die bes­ser ist als Chri­stus, der als grau­sa­mer Rich­ter gese­hen wird.“[1]Die­se Über­set­zung folgt dem Ori­gi­nal und nicht der offi­zi­el­len, vom Vati­kan ver­öf­fent­lich­ten deut­schen Über­set­zung.

Magi­ster fügt noch einen Nach­trag hinzu:

„Es ist anzu­fü­gen, daß die Frei­heit, mit der Papst Fran­zis­kus die Wor­te der Hei­li­gen Schrift schnei­det und zusam­men­setzt, nicht nur das Welt­ge­richt betrifft. Ohren­be­täu­bend ist zum Bei­spiel das Schwei­gen, in das er immer die Ver­ur­tei­lung gehüllt hat, die Jesus gegen den Ehe­bruch rich­tet (Mt 19,2–11 und par­al­le­le Stellen).“

Jesus verurteilt den Ehebruch – Franziskus kehrt es unter den Teppich

"Jüngstes Gericht", Baptisterium, Florenz, rechts unten der erhängte Judas Iskariot mit einem Dämon; vgl. das Kapitell von Ste-Marie-Madeleine (Vézelay), um 1130.
„Jüng­stes Gericht“, Bap­ti­ste­ri­um, Flo­renz, rechts unten der erhäng­te Judas Iska­ri­ot mit einem Dämon; vgl. das Kapi­tell von Ste-Marie-Made­lei­ne (Vézelay), um 1130.

Als ganz erstaun­li­cher Zufall ist zu erwäh­nen, daß genau die­se Stel­le des Evan­ge­li­ums an jenem Sonn­tag, dem 4. Okto­ber 2015, in allen Kir­chen der Welt ver­le­sen wur­de, an dem die zwei­te Bischofs­syn­ode über die Fami­lie eröff­net wur­de. Das kann als Wink der Vor­se­hung gese­hen wer­den. Doch Papst Fran­zis­kus war imstan­de, sie an jenem Tag weder in sei­ner Pre­digt noch in sei­ner Anspra­che zum Ange­lus zu erwähnen.

Eben­so­we­nig erwähn­te er sie, als die­sel­be Stel­le am Sonn­tag, dem 12. Febru­ar 2017 erneut in allen Kir­chen vor­ge­le­sen wur­de. Es geschieht also mit System.

Obwohl es an die­ser Stel­le über­flüs­sig scheint, muß es den­noch erwähnt wer­den. Das Her­ren­wort gegen den Ehe­bruch fand sich in kei­nem ein­zi­gen Syn­oden­be­richt, die von Papst-Ver­trau­ten wie Anto­nio Spa­da­ro und Bru­no For­te ver­faßt wur­den, eben­so­we­nig im nach­syn­oda­len Schrei­ben Amo­ris lae­ti­tia. Und das, obwohl die wie­der­ver­hei­ra­te­ten Geschie­de­nen erklär­ter­ma­ßen im Mit­tel­punkt des gan­zen Auf­wan­des standen.

Oder soll­te man bes­ser sagen, gera­de weil dem so war?

Die verschwundene Verurteilung der Homosexualität

„Glei­ches gilt für die erschüt­tern­den Wor­te, mit denen der Apo­stel Pau­lus im ersten Kapi­tel des Römer-Brie­fes die Homo­se­xua­li­tät ver­ur­teilt“, so Magister.

Auch die­se Stel­le des Neu­en Testa­men­tes, „was für ein Zufall“, wur­de in der zwei­ten Syn­oden­wo­che 2015 gele­sen (so wie erst vor weni­gen Tagen). Aller­dings ist hier der Schnitt schon frü­her voll­zo­gen wor­den, da die Ver­ur­tei­lung selbst nicht in die Lese­ord­nung auf­ge­nom­men wur­de. Tat­sa­che ist, daß weder der Papst noch ande­re hohe Kir­chen­ver­tre­ter die­se Wor­te zitiert haben, obwohl die Syn­ode auch dar­über dis­ku­tier­te. Nicht nur in Sachen Ehe­bruch, Schei­dung und Zweit­ehe, son­dern auch in Sachen Homo­se­xua­li­tät soll­te ein Para­dig­men­wech­sel voll­zo­gen werden.

Die erwähn­te Stel­le im Römer­brief 1,26–32 lautet:

„Dar­um lie­fer­te Gott sie ent­eh­ren­den Lei­den­schaf­ten aus: Ihre Frau­en ver­tausch­ten den natür­li­chen Ver­kehr mit dem wider­na­tür­li­chen; eben­so gaben die Män­ner den natür­li­chen Ver­kehr mit der Frau auf und ent­brann­ten in Begier­de zuein­an­der; Män­ner trie­ben mit Män­nern Unzucht und erhiel­ten den ihnen gebüh­ren­den Lohn für ihre Verirrung.
Und da sie sich wei­ger­ten, Gott anzu­er­ken­nen, lie­fer­te Gott sie einem ver­wor­fe­nen Den­ken aus, sodaß sie tun, was sich nicht gehört:
Sie sind voll Unge­rech­tig­keit, Schlech­tig­keit, Hab­gier und Bos­heit, voll Neid, Mord, Streit, List und Tücke, sie ver­leum­den und trei­ben üble Nach­re­de, sie has­sen Gott, sind über­heb­lich, hoch­mü­tig und prah­le­risch, erfin­de­risch im Bösen und unge­hor­sam gegen die Eltern, sie sind unver­stän­dig und halt­los, ohne Lie­be und Erbarmen.
Sie erken­nen, daß Got­tes Rechts­ord­nung bestimmt: Wer so han­delt, ver­dient den Tod. Trotz­dem tun sie es nicht nur sel­ber, son­dern stim­men bereit­wil­lig auch denen zu, die so handeln.“

Magister: „Manchmal schreibt Franziskus die Bibel sogar um“

„Manch­mal“, so Magi­ster, geht Fran­zis­kus soweit, daß er sich „auch die Frei­heit nimmt, mit sei­nen Wor­ten die Hei­li­ge Schrift umzuschreiben“.

Ein sol­cher Vor­fall ereig­ne­te sich am 4. Sep­tem­ber 2014. In sei­ner mor­gend­li­chen Pre­digt in San­ta Mar­ta leg­te er wört­lich dem hei­li­gen Pau­lus fol­gen­de Wor­te in den Mund, „die Ärger­nis erregen“:

„Ich prah­le nur mit mei­nen Sünden.“

Fran­zis­kus for­der­te zugleich die Gläu­bi­gen auf, eben­falls mit ihren Sün­den „zu prah­len“, da sie durch den gekreu­zig­ten Jesus ver­ge­ben seien.

Die Wort­wahl erin­nert an Mar­tin Luther, der sei­ne Anhän­ger lehr­te: „Sün­di­ge kräftig“.

Denn in kei­nem Pau­lus­brief fin­det sich die von Fran­zis­kus genann­te Stel­le. Im Zwei­ten Brief an die Korin­ther (2 Kor 11,30) steht etwas ganz anderes:

„Wenn schon geprahlt sein muß, will ich mit mei­ner Schwach­heit prahlen.“

Jüngstes Gericht
Jüng­stes Gericht

Die Stel­le schließt die Auf­li­stung sei­ner Qua­len ab, die der Apo­stel des Glau­bens wegen zu erlei­den hat­te (Gefäng­nis, Fol­ter, Stei­ni­gung, Schiffbruch…).

Die­sel­be Aus­sa­ge fin­det sich auch im 12. Kapi­tel des Zwei­ten Korin­ther­brie­fes, auch in die­sem Fall in Zusam­men­hang mit Müh­sal und Ver­fol­gung, die Pau­lus erlit­ten hatte.

Soll­te Fran­zis­kus die Schwach­heit mit Sün­de ver­wech­selt haben? Der­glei­chen hat tat­säch­lich jemand getan, näm­lich Mar­tin Luther, der die Begier­de bereits als Sün­de betrach­te­te. Sind das Lob von Fran­zis­kus für Mar­tin Luther und die Luther-Sta­tue im Vati­kan mehr als nur eine Höf­lich­keit gegen­über den Luthe­ra­nern und ihrem „500 Jah­re Refor­ma­ti­on“- Geden­ken? Reicht das pro­te­stan­ti­sche Den­ken wesent­lich tie­fer? Und wenn ja, woher kommt es? Mit Sicher­heit weiß man, das ist durch Fran­zis­kus selbst belegt, daß er Kar­di­nal Kas­pers Luther-Buch gele­sen hat.

Benedikt XVI.: „In der Neuzeit verblaßt der Gedanke an das Letzte Gericht“

Bene­dikt XVI. erkann­te, daß das Ver­ständ­nis vom Gericht ver­blaßt. Das Ver­blaßen setzt er im gro­ßen Zeit­raum der Neu­zeit an. Auch damit hat Luther als Initi­al­zün­der zu tun. In der Enzy­kli­ka Spe sal­vi, die zur Gän­ze von ihm per­sön­lich ver­faßt wur­de, sagt er:

„Der Aus­blick auf das Gericht hat die Chri­sten­heit von frü­he­sten Zei­ten an als Maß­stab des gegen­wär­ti­gen Lebens, als For­de­rung an ihr Gewis­sen und zugleich als Hoff­nung auf Got­tes Gerech­tig­keit bis in das all­täg­li­che Leben hin­ein bestimmt. Der Glau­be an Chri­stus hat nie nur nach rück­wärts und nie nur nach oben, son­dern immer auch nach vorn, auf die Stun­de der Gerech­tig­keit hin­ge­blickt, die der Herr wie­der­holt ange­kün­digt hat­te. Die­ser Blick nach vorn hat dem Chri­sten­tum sei­ne Gegen­warts­kraft gege­ben. In der Gestal­tung der christ­li­chen Kir­chen­bau­ten, die die geschicht­li­che und kos­mi­sche Wei­te des Chri­stus-Glau­bens sicht­bar machen woll­ten, wur­de es üblich, an der Ost­sei­te den könig­lich wie­der­kom­men­den Herrn – das Bild der Hoff­nung – dar­zu­stel­len, an der West­sei­te aber das Welt­ge­richt als Bild der Ver­ant­wor­tung unse­res Lebens, das die Gläu­bi­gen gera­de auf ihrem Weg in den All­tag hin­aus anblick­te und begleitete.“

Dabei ver­schweigt er nicht in der Ver­gan­gen­heit eine Ver­zer­rung in die fal­sche Richtung:

„In der Ent­wick­lung der Iko­no­gra­phie des Gerichts ist dann frei­lich immer stär­ker das Dro­hen­de und Unheim­li­che des Gerichts her­vor­ge­tre­ten, das die Künst­ler offen­bar mehr fas­zi­nier­te als der Glanz der Hoff­nung, die von der Dro­hung wohl oft all­zu­sehr ver­deckt wurde.“

Heu­te droht jedoch eine Ver­zer­rung in die ent­ge­gen­ge­setz­te fal­sche Richtung:

„In der Neu­zeit ver­blaßt der Gedan­ke an das Letz­te Gericht. […] Eine Welt, die sich selbst Gerech­tig­keit schaf­fen muß, ist eine Welt ohne Hoffnung.“

Und schließ­lich:

„Nur Gott kann Gerech­tig­keit schaf­fen. Und der Glau­be gibt uns die Gewiß­heit: Er tut es. Das Bild des Letz­ten Gerichts ist zual­ler­erst nicht ein Schreck­bild, son­dern Bild der Hoff­nung, für uns viel­leicht sogar das ent­schei­den­de Hoff­nungs­bild. Aber ist es nicht doch auch ein Bild der Furcht? Ich wür­de sagen: ein Bild der Ver­ant­wor­tung. Ein Bild daher für jene Furcht, von der der hei­li­ge Hila­ri­us sagt, daß all unse­re Furcht in der Lie­be ihren Ort hat. Gott ist Gerech­tig­keit und schafft Gerech­tig­keit. Das ist unser Trost und unse­re Hoff­nung. Aber in sei­ner Gerech­tig­keit ist zugleich Gna­de. Das wis­sen wir durch den Blick auf den gekreu­zig­ten und auf­er­stan­de­nen Chri­stus. Bei­des – Gerech­tig­keit und Gna­de – muß in sei­ner rech­ten inne­ren Ver­bin­dung gese­hen wer­den. Die Gna­de löscht die Gerech­tig­keit nicht aus. Sie macht das Unrecht nicht zu Recht. Sie ist nicht ein Schwamm, der alles weg­wischt, so daß am Ende dann eben doch alles gleich gül­tig wird, was einer auf Erden getan hat. Gegen eine sol­che Art von Him­mel und von Gna­de hat zum Bei­spiel Dosto­jew­ski in sei­nen Brü­dern Kara­ma­sow mit Recht Pro­test ein­ge­legt. Die Mis­se­tä­ter sit­zen am Ende nicht neben den Opfern in glei­cher Wei­se an der Tafel des ewi­gen Hoch­zeits­mahls, als ob nichts gewe­sen wäre.“

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Wikicommons

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1 Die­se Über­set­zung folgt dem Ori­gi­nal und nicht der offi­zi­el­len, vom Vati­kan ver­öf­fent­lich­ten deut­schen Übersetzung.
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10 Kommentare

  1. „Denn es ent­spricht der Gerech­tig­keit Got­tes, denen mit Bedräng­nis zu ver­gel­ten, die euch bedrängen
    euch aber, den Bedräng­ten, zusam­men mit uns Ruhe zu schen­ken, wenn Jesus, der Herr, sich vom Him­mel her offen­bart mit sei­nen mäch­ti­gen Engeln in lodern­dem Feuer.
    Dann übt er Ver­gel­tung an denen, die Gott nicht ken­nen und dem Evan­ge­li­um Jesu, unse­res Herrn, nicht gehorchen.
    Fern vom Ange­sicht des Herrn und von sei­ner Macht und Herr­lich­keit müs­sen sie sein, mit ewi­gem Ver­der­ben wer­den sie bestraft, wenn er an jenem Tag kommt, um inmit­ten sei­ner Hei­li­gen gefei­ert und im Kreis aller derer bewun­dert zu wer­den, die den Glau­ben ange­nom­men haben; auch bei euch hat ja unser Zeug­nis Glau­ben gefun­den.“ (2Thess 1,6–10)

    • „Nicht sollst Du Dich rächen,
      denn die Rache ist mein spricht der Herr.“ 

      „und ver­gib mir mei­ne Schuld (in glei­chem Maße), wie auch ich ver­ge­be mei­nen Schuldigern.“

      dar­an ver­su­che ich mich zu halten.

  2. Ein lesens­wer­ter Arti­kel. Beson­ders die Wor­te Papst Bene­dikts XVI. tun in dem Zusam­men­hang direkt gut zu lesen. Er ist vol­ler Klar­heit und Wei­te, das sucht in der Kir­chen­welt sei­nes­glei­chen. Kein Wun­der, dass sei­ne frü­he­ren Vor­le­sun­gen als Pro­fes­sor rest­los über­füllt waren.

  3. Herrn Giu­sep­pe Nar­di herz­lich­sten Dank für die­sen her­vor­ra­gen­den Artikel.
    Eine her­vor­ra­gen­de Illu­stra­ti­on für die zitier­ten Tex­te aus P. Bene­dic­tus XVI Enzy­kli­ka Spe Sal­vi ist die soge­nann­te „Eto­ima­sia“:
    Das Bild eines mit Edel­stei­nen (Gem­men) geschmück­ten Herr­scher­throns, sehr haüf­ig unter einem Kreuz, bedeckt mit sorg­fäl­tig gefal­te­tem pur­pur­nen Tuch (Das Herrscher/​Kaisersymbol) und dar­un­ter mit Büchern – Sym­bol für die kirch­li­che Lehre/​den Glau­ben: die fest­li­che Dar­stel­lung des War­tens auf die Parou­sie, das Wie­der­kom­men des Herrn zu rich­ten die Leben­den und die Toten.
    Eine sol­che Eto­ima­sia fin­det sich in den Mosai­ken der Tauf­ka­pel­le des Neons („Bap­ti­ste­ri­um der Kathe­dra­le“) in Raven­na, eben­so vor­ne ganz hoch in der Apsis von San­ta Maria Magg­gio­re in Rom und im Zen­trum des unter­sten Ban­des in dem Apsis­mo­sa­ik von San Pao­lo fuo­ri Le Mura:
    Zeug­nis­se von älte­ster christ­li­cher Kunst, an her­aus­ge­ho­be­ner Stel­le in wich­tig­sten Kir­chen­ge­bäu­den und zutiefst die Theo­lo­gie widerspiegelnd.
    Der Kon­trast zu dem jet­zi­gen plat­ten Pero­nis­mus kann nicht grö­ßer sein.

  4. Angeb­lich paßt ja kein Blatt Papier zwi­schen den hl. Vater Bene­dikt XVI. und Papst Franziskus …

  5. Papst Fran­zis­kus glaubt an die unbi­bli­sche sog. All­aus­söh­nungs­leh­re, wonach alle Men­schen (ein­schließ­lich Satan und Dämo­nen) geret­tet werden.

    Die­se Leh­re wur­de ursprüng­lich in evan­ge­li­ka­len Krei­sen erdacht und fußt auf bibli­schen falsch ver­stan­de­nen Schrift­stel­len wie z.B. Phil­ip­per 2, 10 + 11, wonach letzt­end­lich alle das Knie vor Jesus beu­gen wer­den oder alle geret­te werden.
    Hier geht es jedoch nicht um alle Men­schen, son­dern um alle, die gemäß ihrem frei­en Wil­len sich dazu ent­schlie­ßen, Chri­stus anzu­be­ten und sei­nen Wil­len zu tun.

    Bei die­ser unbi­bli­schen All­aus­söh­nungs­leh­re wer­den maß­geb­li­che Bibel­stel­len, die sol­che fehl­ge­lei­te­te Aus­le­gun­gen rich­tig­stel­len, ein­fach weg­ge­las­sen. Man schnei­det sich die Bibel zurecht, wie es gera­de passt oder reißt Schrift­stel­len aus dem erklä­ren­den Kon­text. Bibli­sche Leh­ren, die die Höl­le und ihre Lei­den sowie gött­li­che Stra­fen bele­gen, wer­den dabei grund­sätz­lich ignoriert.

    Inner­halb der All­aus­söh­nungs­leh­re (oft auch All­ver­söh­nungs­leh­re genannt), wonach zuletzt alle (ein­schließ­lich Satan und sei­ne Dämo­nen) mit Gott ver­söhnt wer­den, meint man ent­spre­chend, dass so gut wie alles erlaubt ist. Man kann eigent­lich Allen Alles erlau­ben. Auch eini­ge Sata­ni­sten glau­ben an die­se fal­sche Lehre. 

    Die fal­sche Schrift­aus­le­gung („mit sei­nen Sün­den prah­len“ statt „mit sei­ner Schwä­che prah­len auf­grund von schwe­ren erdul­de­ten Lei­den“) gemäß 2 Kor 11,30 passt zu der unbi­bli­schen All­aus­söh­nungs­leh­re, der Fran­zis­kus anhängt, weil man sogar mit sei­nen Sün­den prah­len kann, wenn man letzt­end­lich unter allen Umstän­den am Ende aller Zei­ten, egal was man getan hat, mit Gott ver­söhnt wird.

    Alles, was Fran­zis­kus sagt, passt lei­der voll­um­fäng­lich zur Allaussöhnungslehre.

  6. Alles?
    Was ist damit gemeint? Nahe liegt tat­säch­lich die Deu­tung: alle Men­schen. Aber hät­te dann nicht der Papst auch „alle“ gesagt. Daß „Alles“ sich auf Sub­jek­te und nicht auf Objek­te bezie­hen kön­ne, als Begrün­dung dafür, daß alle Men­schen damit gemeint sind, leuch­tet mir nicht ein. Denn Engel sind doch wohl auch Sub­jek­te. Ich mut­ma­ße, daß Papst Fran­zis­kus hier „Alles“ im Sin­ne einer All­ver­söh­nung gemeint hat, daß Alles, was Gott erschaf­fen hat, durch Jesus Chri­stus geret­tet wer­den wird. Die Poin­te: Dann wür­den selbst die gefal­le­nen Engel mit ihrem Ersten, dem Teu­fel am Ende geret­tet werden! 

    Papst Fran­zis­kus scheint sich im Unrei­nen zu befin­den, ob er die Höl­le mit Epi­kur leer machen möch­te. Das gin­ge so: Epi­kur sagt, daß es mei­nen Tod nicht geben kön­ne, sodaß ich, fürch­te ich mei­nen Tod, etwas fürch­te, was es nicht geben kön­ne, denn wenn ich bin, ist der Tod nicht, und wenn der Tod ist, bin ich nicht, sodaß es nie mei­nen Tod geben kön­ne. Der Papst sag­te nun, daß das Ich, die See­le der Bösen sich auf­lö­se, sich nich­te, sodaß es für sie kei­ne Höl­le mehr geben kann. Indem die Unsterb­lichh­keit der See­le geleug­net wird, wird die Höl­le leer gemacht. (So leh­ren es auch die Zeu­gen Jeho­vas, nach denen es so auch kei­ne Höl­le gibt.) Jetzt dage­gen soll die Barm­her­zig­keit Jesu die Höl­le leer machen, sodaß wohl gar die gefal­le­nen Engel in den Him­mel kommen!

    Das ein­zig Kla­re dabei: Der Papst möch­te eine lee­re Höl­le ver­kün­den- ganz huma­ni­stisch wider das Zeug­nis der hl. Schrift und der Leh­re der Kirche.
    Uwe C. Lay Pro Theol Blogspot

  7. Nach Scal­fa­ri hat Berg­o­glio gesagt, dass die bösen Men­schen beim Jüng­sten gericht auf­hö­ren zu exi­stie­ren. Hier heisst es dann, dass „Alles“ geret­tet wird. Viel­leicht soll­te der Papst ein­mal den Wider­spruch zu Scal­fa­ri einer­seits erklä­ren, und ande­rer­seits den Wider­spruch zum bis­he­ri­gen Lehr­amt, wie hier dargelegt.

  8. Die Aus­sa­ge zur Rol­le Mari­ens sehe ich ein biß­chen ähn­lich. Wenn etwas die Straf­ge­rich­te Got­tes zurück­hält sind es die Gebe­te der Gläu­bi­gen, denen sich Maria sicher­lich anschliesst. So lau­ten jeden­falls die Aus­sa­gen vie­ler Hei­li­ger und Seli­ger wie Tai­gi, Can­ori-Mora oder Emmerick.

  9. „Papst Fran­zis­kus hat die Höl­le abgeschafft.“

    Ja ist er denn zur Höl­le hin­un­ter­ge­stie­gen und hat sie „abge­wickelt“? Hat er sol­che Fähig­kei­ten? Ist er grö­ßer als selbt Erz­engel? Viel­leicht sogar grö­ßer als Gott?
    Wes­sen Ver­nunft Berg­o­lio sol­che gott­glei­chen Fähig­kei­ten zutraut, der kann kann ja sei­nen Wor­ten vetrau­en und ent­spre­chend Han­deln und die Kon­se­quen­zen ernten;

    Wes­sen Ver­nunft aber nicht erlaubt das auch nur im Ansatz zu glau­ben, der also­nicht glaubt, das der Papst sol­che Fähig­kei­ten besitzt, der von sol­chem Wahn­sinn sol­cher Hybris und sol­cher Anma­ßung ent­setzt ist, der flie­he sol­cher Torheit.

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