Kardinal Müller: Luthers Reformation war „kein Ereignis des Heiligen Geistes“


Kardinal Müller widerspricht, ohne Namen zu nennen, "zu begeisterten Stimmen zu Luther". Die Bildmontage stammt von "Cronica de Papa Francisco" und zeigt Franziskus im Gewand des thesenanschlagenden Luthers umgeben (v.l.) von Kardinal Reinhard Marx, Antonio Spadaro (Chef der römischen Jesuitenzeitschrift "Civiltà  Cattolica"), Kardinal Walter Kasper, Bischof Nunzio Galantino (Generalsekretär der Italienischen Bischofskonferenz) und Arturo Sosa Abascal (Generaloberer des Jesuitenordens).
Kardinal Müller widerspricht, ohne Namen zu nennen, "zu begeisterten Stimmen zu Luther". Die Bildmontage stammt von "Cronica de Papa Francisco" und zeigt Franziskus im Gewand des thesenanschlagenden Luthers umgeben (v.l.) von Kardinal Reinhard Marx, Antonio Spadaro (Chef der römischen Jesuitenzeitschrift "Civiltà  Cattolica"), Kardinal Walter Kasper, Bischof Nunzio Galantino (Generalsekretär der Italienischen Bischofskonferenz) und Arturo Sosa Abascal (Generaloberer des Jesuitenordens).

(Rom) „Das von Luther?“ Das war kei­ne Reform, son­dern eine Revo­lu­ti­on.“ Unter die­sem Titel nahm Kar­di­nal Ger­hard Mül­ler heu­te gegen eine Ver­klä­rung der Geschich­te Stel­lung, die zu einem fal­schen Geschichts­bild füh­ren kann. Denn:

Anzei­ge

„Es herrscht gro­ße Ver­wir­rung, wenn heu­te von Luther die Rede ist, und man muß klar sagen, daß vom Gesichts­punkt der Dog­ma­tik, dem Gesichts­punkt der Leh­re der Kir­che es mit­nich­ten eine Reform, son­dern eine Revo­lu­ti­on war.“

Kardinal Gerhard Müller
Kar­di­nal Ger­hard Müller

Die Kir­che sei durch die Refor­ma­ti­on nicht „erneu­ert“, son­dern die Fun­da­men­te des Glau­bens „völ­lig ver­än­dert“ worden.

Anlaß für die Stel­lung­nah­me in der katho­li­schen Inter­net­zei­tung Nuo­va Bus­so­la Quo­ti­dia­na ist offen­bar der nahen­de Höhe­punkt des Refor­ma­ti­ons­ge­den­kens am 31. Okto­ber. Aktu­el­ler Anstoß dürf­ten aber irri­tie­ren­de Stel­lung­nah­men von Kir­chen­ver­tre­tern gewe­sen sein wie jene von Bischof Nun­zio Galan­ti­no, dem Gene­ral­se­kre­tär der Ita­lie­ni­schen Bischofs­kon­fe­renz. Ihn erwähnt Kar­di­nal Mül­ler nicht nament­lich, wider­spricht aber wört­lich einer Behaup­tung Galan­ti­nos. Der von Papst Fran­zis­kus hand­ver­le­se­ne ita­lie­ni­sche Bischof hat­te am ver­gan­ge­nen Don­ners­tag auf einer Tagung an der Late­ran­uni­ver­si­tät erkärt, Luthers Refor­ma­ti­on sei „ein Ereig­nis des Hei­li­gen Gei­stes“ gewe­sen. Sei­ne Geschichts­deu­tung, die allem wider­spricht, was die Kir­che seit 500 Jah­ren dazu sagt, begrün­de­te Galan­ti­no mit dem sinn­ge­mä­ßen, aber befremd­li­chen Hin­weis: „Weil Luther das sel­ber so gesagt hat“.

Klarstellung

Von sol­chen und ähn­li­chen Aus­sa­gen dürf­te sich Kar­di­nal Mül­ler her­aus­ge­for­dert gefühlt haben, eini­ge Din­ge klarzustellen:

„Es ist nicht rea­li­stisch, zu behaup­ten, daß es nur sei­ne Absicht gewe­sen sei, eini­ge Ablaß­miß­bräu­che zu bekämp­fen oder gegen die Sün­den der Renais­sance-Kir­che. Miß­brauch und schlech­te Hand­lun­gen hat es immer in der Kir­che gege­ben, nicht nur in der Renais­sance, und auch heu­te gibt es sie. Wir sind die hei­li­ge Kir­che durch die Gna­de Got­tes und der Sakra­men­te, aber alle Män­ner der Kir­che sind Sün­der, alle bedür­fen der Ver­ge­bung, der Reue und der Buße.“

Luthers Bruch mit dem katholischen Glauben

In sei­nem Buch „De cap­ti­vi­ta­te Baby­lo­ni­ca eccle­siae“ erschei­ne „abso­lut klar, daß Luther alle Grund­sät­ze des katho­li­schen Glau­bens, der Hei­li­gen Schrift, der apo­sto­li­schen Tra­di­ti­on, des Lehr­am­tes des Pap­stes und der Kon­zi­le und des Epi­sko­pats hin­ter sich gelas­sen hat. In die­sem Sinn hat er das Ver­ständ­nis von der homo­ge­nen Ent­wick­lung der christ­li­chen Leh­re umgestürzt.“

Er ging soweit, das Sakra­ment als wirk­sa­mes Zei­chen der dar­in ent­hal­te­nen Gna­de zu leugnen.

„Er hat die­se objek­ti­ve Wirk­sam­keit der Sakra­men­te durch einen sub­jek­ti­ven Glau­ben ersetzt. Luther hat fünf Sakra­men­te abge­schafft und auch die Eucha­ri­stie geleug­net: den Opfer­cha­rak­ter des Sakra­men­tes der Eucha­ri­stie und die wirk­li­che Wand­lung von Brot und Wein in den Leib und das Blut Jesu Chri­sti. Und noch mehr: Er hat das Sakra­ment der bischöf­li­chen Wei­he, das Wei­he­sa­kra­ment, als Erfin­dung des Pap­stes bezeich­net – den er den Anti­chri­sten nann­te – und nicht als Teil der Kir­che Jesu Chri­sti. Wir sagen hin­ge­gen, daß die sakra­men­ta­le Hier­ar­chie, in Gemein­schaft mit dem Nach­fol­ger des Petrus, Wesens­merk­mal der katho­li­schen Kir­che ist und nicht nur ein Prin­zip einer mensch­li­chen Organisation.“

Luthers Reformation war eine Reform der Kirche? „Inakzeptabel“

Kar­di­nal Mül­ler nennt Bischof Galan­ti­no nicht nament­lich, daß er des­sen Behaup­tung wider­spricht, ist jedoch eindeutig:

„Des­halb ist es inak­zep­ta­bel, zu behaup­ten, daß Luthers Refor­ma­ti­on ‚ein Ereig­nis des Hei­li­gen Gei­stes war‘. Sie ist das Gegen­teil: Sie war gegen den Hei­li­gen Geist. Der Hei­li­ge Geist hilft näm­lich der Kir­che ihre Kon­ti­nui­tät durch das Lehr­amt der Kir­che zu bewah­ren, vor allem im Dienst des Petrus­am­tes: auf Petrus allein hat Jesus Sei­ne Kir­che gegrün­det (Mt 16,18), die „die Kir­che des leben­di­gen Got­tes ist, Säu­le und Fun­da­ment der Wahr­heit (1 Tim 3,15). Der Hei­li­ge Geist wider­spricht sich nicht selbst.“

Viele Stimmen reden „zu begeistert“ von Luther

„Man hört vie­le Stim­men, die zu begei­stert von Luther spre­chen, weil sie sei­ne Theo­lo­gie, sei­ne Pole­mik und die ver­hee­ren­den Fol­gen die­ser Bewe­gung nicht genau ken­nen, die für die Zer­stö­rung der Ein­heit von Mil­lio­nen Chri­sten mit der katho­li­schen Kir­che steht. Wir kön­nen sei­nen guten Wil­len posi­tiv bewer­ten, die kla­re Erklä­rung der Geheim­nis­se des all­ge­mei­nen Glau­bens, aber nicht sei­ne Behaup­tun­gen gegen den katho­li­schen Glau­ben, schon gar nicht, was die Sakra­men­te und die hier­ar­chi­sche, apo­sto­li­sche Struk­tur der Kir­che betrifft.“

Es sei auch nicht rich­tig, zu behaup­ten, Luther habe anfangs gute Absicht gehabt.

„Es ist auch nicht rich­tig, zu behaup­ten, daß Luther anfangs gute Absich­ten hat­te, wenn man damit meint, daß es dann die har­te Hal­tung der Kir­che gewe­sen sei, die ihn auf den fal­schen Weg gedrängt habe. Das stimmt nicht. Luther hat wohl die Absicht, gegen den Ablaß­han­del zu kämp­fen, doch ging es ihm dabei nicht um den Ablaß als sol­chen, son­dern gegen das Bußsakrament.“

Kirche hat sich dem Dialog nicht verweigert

„Luther hat­te einen Dis­put mit Johan­nes Eck. Der Papst schick­te Kar­di­nal Cajet­an, um mit ihm zu spre­chen. Über die Moda­li­tä­ten kann man dis­ku­tie­ren, aber wenn es um die Sub­stanz der Dok­trin geht, muß man fest­stel­len, daß die kirch­li­che Auto­ri­tät kei­ne Feh­ler gemacht hat. Andern­falls müß­te man behaup­ten, die Kir­che hät­te über tau­send Jah­re Glau­bens­irr­tü­mer gelehrt, obwohl wir wis­sen – und das ist ein Wesens­merk­mal der Dok­trin –, daß die Kir­che in der Heils­ver­mitt­lung in den Sakra­men­ten nicht irren kann.“

Verwirrung zur päpstlichen Unfehlbarkeit

„Man darf nicht per­sön­li­che Feh­ler, Sün­den von Kir­chen­ver­tre­tern, mit Irr­tü­mern in der Leh­re und den Sakra­men­ten ver­wech­seln. Wer das tut, glaubt, daß die Kir­che nur eine Orga­ni­sa­ti­on von Men­schen ist, und leug­net den Grund­satz, daß Jesus selbst Sei­ne Kir­che gegrün­det hat und sie in der Wei­ter­ga­be des Glau­bens und der Gna­de in den Sakra­men­te durch den Hei­li­gen Geist schützt. Sei­ne Kir­che ist nicht ein­fach nur eine mensch­li­che Orga­ni­sa­ti­on: Sie ist der Leib Chri­sti, wo es in prä­zi­se beschrie­be­nen Moda­li­tä­ten die Unfehl­bar­keit des Kon­zils und des Pap­stes gibt. Alle Kon­zi­le spre­chen von der Unfehl­bar­keit des Lehr­am­tes, wenn es um katho­li­sche Glau­bens­sät­ze geht. In der heu­ti­gen Ver­wir­rung gehen vie­le soweit, die Wirk­lich­keit auf den Kopf zu stel­len: Sie hal­ten den Papst für unfehl­bar, wenn er pri­vat spricht, dann aber, wenn es dar­um geht, was die Päp­ste aller Zei­ten als katho­li­schen Glau­ben defi­niert haben, sagen sie, er sei fehlbar.“

Nach 500 Jahren ist es Zeit für Versöhnung, aber nicht auf Kosten der Wahrheit

„Gewiß, es sind 500 Jah­re ver­gan­gen und daher ist nicht mehr die Zeit der Pole­mik, son­dern der Suche nach Ver­söh­nung: nicht aber auf Kosten der Wahr­heit. Man darf kei­ne Ver­wir­rung stif­ten. Wenn wir einer­seits die Wirk­sam­keit des Hei­li­gen Gei­stes in die­sen ande­ren nicht-katho­li­schen Chri­sten guten Wil­lens erken­nen müs­sen, die nicht per­sön­lich die­se Sün­de der Tren­nung von der Kir­che began­gen haben, kön­nen wir ande­rer­seits die Geschich­te, was vor 500 Jah­ren gesche­hen ist, nicht ändern. Eine Sache ist der Wunsch, ein gutes Ver­hält­nis mit den nicht-katho­li­schen Chri­sten von heu­te zu haben mit dem Ziel, uns zu einer vol­len Gemein­schaft mit der katho­li­schen Hier­ar­chie und der Aner­ken­nung auch der apo­sto­li­schen Tra­di­ti­on gemäß der katho­li­schen Dok­trin anzu­nä­hern. Eine ande­re Sache ist das Miß­ver­ste­hen oder die Fäl­schung des­sen, was vor 500 Jah­ren gesche­hen ist und der ver­hee­ren­den Wir­kung, das es hat­te. Eine Wir­kung gegen den Wil­len Got­tes: ‚…Alle sol­len eins sein: Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin, sol­len auch sie in uns sein, damit die Welt glaubt, dass du mich gesandt hast‘ (Joh 17,21).“

Über­set­zung: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Cro­ni­ca de Papa Francisco/​Nuova Bus­so­la Quotidiana

 

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3 Kommentare

  1. „Man darf nicht per­sön­li­che Feh­ler, Sün­den von Kir­chen­ver­tre­tern, mit Irr­tü­mern in der Leh­re und den Sakra­men­ten ver­wech­seln“, so Kar­di­nal Müller.

    Das sagt sich so leicht, denn mit Wor­ten läßt sich laut Goe­the treff­lich strei­ten, mit Wor­ten ein System bereiten.
    Doch in der Pra­xis ist es gar nicht so ein­fach, die per­sön­li­chen Feh­ler, die Sün­den, die Irr­tü­mer und die Irr­leh­ren eines Pap­stes von­ein­an­der genau abzugrenzen.

    Vom der­zei­ti­gen Papst näm­lich haben vie­le den Ein­druck, daß er nicht gera­de sel­ten eher Irr­leh­ren als per­sön­li­che Feh­ler, Irr­tü­mer und Sün­den an den Tag legt.
    Erin­nert sei da mal an sei­ne Aus­sa­gen über Geschie­de­ne, Homos, Koran­ver­wirr­te, die von ihm gefor­der­te Tole­ranz gegen­über Into­le­ran­ten usw.

  2. Kar­di­nal Mül­lers Beob­ach­tung, dass die ‚Refor­ma­ti­on‚ Luthers nichts mit dem Hei­li­gen Geist zu tun hat ist voll­kom­men richtig.
    Um Luthers Got­tes­bild zu ver­ste­hen soll­te er sich Luthers Trak­tat vom unfrei­en Wil­len zu Gemü­te führen.
    http://​www​.sie​werth​-aka​de​mie​.de/​c​m​s​/​p​d​f​-​d​o​k​u​m​e​n​t​e​.​h​tml
    Die­ses Got­tes­bild, so fin­ster es ist, konn­te tat­säch­lich die letz­ten 500 Jah­re in Deutsch­land nega­tiv beeinflussen.

    Luther stell­te gegen­über Eras­mus von Rot­ter­dam fest dass sein eigent­li­ches Haupt­an­lie­gen im die­sem Trak­tat fest­ge­hal­ten sei und er sich wün­sche, dass ein­zig die­ser Trak­tat Beach­tung fin­den sol­le und für die Nach­welt erhal­ten blei­ben solle.

    Nach sei­ner Flucht in das Klo­ster um dem welt­li­chen Gericht zu ent­ge­hen hat er übri­gens als erstes über das Kir­chen­asyl geschrieben. 

    Sein Umgang mit sei­ner Schuld einen Men­schen getö­tet zu haben brach­te ihn dazu fest­zu­stel­len, dass Gott der nicht nur all­mäch­tig son­dern auch all­wirk­sam, sein Schick­sal vor­her­ge­se­hen habe und es auch vor her­be­stimmt habe, also nicht er son­dern Gott schul­dig sei.

    Um nur eine sei­ner got­tes­lä­ster­li­chen Aus­sa­gen unter vie­len zu nen­nen: WA 31 I,249 Sum­ma, Gott kann nicht Gott sein, er muss zuvor ein Teu­fel werden.“

    Graf Bran­den­stein Zep­pe­lin, Rek­tor der Gustav Sie­wert Aka­de­mie hat ein lesens­wer­tes Buch „Vom unfrei­en Wil­len“ ver­öf­fent­licht das Kar­di­nal Mül­ler offen­bar zur Kennt­nis genom­men hat. Möge er auch die Zeit fin­den es zu lesen.

  3. Luther war ein Kir­chen­spal­ter, der Mil­lio­nen von Gläu­bi­gen vom Leib und Blut Chri­sti abge­hal­ten hat, bis Heu­te! Welch eine Schuld und wenn ich lese, dass es mög­lich ist, Luther,der abtrun­ni­ge Mönch, hei­lig zu spre­chen, könn­te ich mir vor­stel­len, dass die gan­ze Höl­le jubelt…

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