Bischofskonferenz: „Weniger Geld für Kirchen, mehr Geld für Einwanderer“


An Land gebrachte Bootsmigranten
An Land gebrachte Bootsmigranten

(Rom) Die ita­lie­ni­schen Tages­zei­tun­gen wid­me­ten in ihren Mon­tags­aus­ga­ben dem Aus­gang der öster­rei­chi­schen Par­la­ments­wah­len viel Raum. Neben Frank­reich ist Öster­reich das direkt angren­zen­de EU-Nach­bar­land, das für die Migra­ti­ons­flüs­se von Bedeu­tung ist. 

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Es ist ein offe­nes Geheim­nis, daß man Ita­li­en nichts dage­gen hat, wenn ille­ga­le Ein­wan­de­rer, die über die Mit­tel­le­er­rou­te in Ita­li­en „EU-Boden“ betre­ten, den es recht­lich nicht gibt, dann wei­ter­wan­dern. Genau das tun nicht weni­ge, was ande­re EU-Staa­ten vor Pro­ble­me stellt und die dor­ti­ge Bevöl­ke­rung immer weni­ger begeistert.

In Rom rech­net man mit einem Bun­des­kanz­ler Seba­sti­an Kurz (ÖVP) und einer Regie­rungs­be­tei­li­gung der Frei­heit­li­chen Par­tei (FPÖ). Der Bren­ner und Tar­vis sind die bei­den Grenz­über­gän­ge nach Öster­reich, die laut ita­lie­ni­scher Regie­rung offen blei­ben sol­len. Soll­te eine ÖVP-FPÖ-Bun­des­re­gie­rung den Bren­ner für Migran­ten dicht­ma­chen wol­len, sei Rom zu einer „Kraft­pro­be“ bereit, wie die Medi­en berichten.

Die­se ana­ly­sie­ren auf­merk­sam das Wie­ner Wahl­er­geb­nis. Bei deut­lich unter­schied­li­chem Blick­win­kel sind nicht rechts und links dar­in einig, daß die Ein­wan­de­rungs­fra­ge wahl­ent­schei­dend gewe­sen sei und Öster­reich nun der Visegrad-Grup­pe mit Ungarn, Tsche­chi­en, Polen und der Slo­wa­kei zunei­gen könn­te, die „Brüs­sel erschüttert“.

Zahl­rei­che Kom­men­ta­to­ren schie­len bei ihren Ana­ly­sen bereits auf die kom­men­den Par­la­ments­wah­len in Ita­li­en. Die einen, indem sie begrei­fen wol­len, wel­che Ele­men­te der bei­den Wahl­sie­ger von Wien man über­neh­men könn­te, um „die Rech­ten“ im eige­nen Land „zu stop­pen“, die ande­ren, indem sie begrei­fen wol­len, wel­che Ele­men­te der Wahl­sie­ger man für einen sol­chen Wahl­sieg auch in Ita­li­en nüt­zen könnte.

Anti­zy­klisch wirkt dazu eine Schlag­zei­le, für die Ita­li­ens Bischö­fe ver­ant­wort­lich sind. Die Schlag­zei­le steht in kei­nem direk­ten Zusam­men­hang mit den Wah­len in Öster­reich. Ihr Zusam­men­fal­len wirkt den­noch oder viel­leicht gera­de des­halb beson­ders anachronistisch:

„Die Bischofs­kon­fe­renz ändert Kurs: Weni­ger Geld für die Kir­chen, mehr Geld für die Einwanderer.“

So und ähn­lich lau­ten die Schlagzeilen.

Die Ita­lie­ni­sche Bischofs­kon­fe­renz faß­te Beschlüs­se für die Geld­ver­tei­lung, die als Indi­ka­tor gilt, was ihr wich­tig ist und was weniger.

Im Hei­li­gen Jahr 2000 wur­den ita­li­en­weit Dut­zen­de neue Kir­chen gebaut. Das wer­de es nicht mehr geben. Nun sei die „sozia­le Für­sor­ge“ wich­ti­ger, so der päpst­li­che Haus­va­ti­ka­nist Andrea Tor­ni­el­li in der Tages­zei­tung La Stam­pa. Das sei „eine stra­te­gi­sche Ent­schei­dung“, was wohl hei­ßen soll, daß sie grund­sätz­li­cher Natur ist.

Das ver­än­der­te sozia­le Enga­ge­ment der Kir­che begei­stert aber nicht alle. Die Hafen­stadt Genua (regiert von der Lega Nord mit einem Mit­te-rechts-Bünd­nis) stellt kei­nen Wohn­raum für ille­ga­le Ein­wan­de­rer zur Ver­fü­gung. Man wol­le weder die Ein­wan­de­rung för­dern noch die Ein­ge­wan­der­ten nach Genua zie­hen, heißt es dazu im Rat­haus. Des­halb beklagt Ste­fa­no Gras­si­ni, Stadt­rat für öffent­li­che Sicher­heit (Lega Nord), kirch­li­che „Inter­fe­ren­zen“:

„Wir als Stadt stel­len kei­ne Wohn­flä­chen für Migran­ten, dann kommt die erz­bi­schöf­li­che Kurie und stellt sol­che zur Verfügung.“

Zur Ver­fü­gung gestellt wer­den sie der links­ge­führ­ten Zen­tral­re­gie­rung in Rom, die sie zur Auf­tei­lung von ille­ga­len Ein­wan­de­rern nützt, bis deren Asyl­an­trag behan­delt ist. In den ver­gan­ge­nen Jah­ren hat­ten weni­ger als fünf Pro­zent der Ankom­men­den nach gel­ten­dem inter­na­tio­na­lem Recht Anspruch auf Asyl. Der Staat ver­gü­tet die Zur­ver­fü­gung­stel­lung einer Immobilie.

Die Kir­che lei­ste in vie­len Berei­chen „groß­ar­ti­ge“ Sozi­al­ar­beit, wie es Genua heißt. Zum Bei­spiel in der Obdach­lo­sen-Betreu­ung: In den ita­lie­ni­schen Städ­ten mit mehr als 80.000 Ein­woh­nern gibt es rund 55.000 „Chlo­chard“, wie man in Ita­li­en sagt, weil es fei­ner klingt. Da es für deren Behand­lung kein ein­heit­li­ches Gesetz gibt, fällt die Haupt­last der Betreu­ung der Kir­che zu.

In der Ein­wan­de­rungs­fra­ge gehe es aber pri­mär um eine poli­ti­sche Fra­ge, wes­halb sich die Kir­che „zurück­hal­ten“ soll­te, wie man es sich im Rat­haus von Genau wün­schen wür­de. Die in Rom regie­ren­de Mit­te-links-Koali­ti­on sieht das natür­lich anders. Die neue Füh­rung der Ita­lie­ni­schen Bischofs­kon­fe­renz sucht in der Migran­ten­fra­ge den Schul­ter­schluß mit regie­ren­den Links­de­mo­kra­ten und folgt damit ganz der Linie von Papst Franziskus.

In Genua stell­te die Kurie eine Immo­bi­lie zur Unter­brin­gung von Migran­ten zur Ver­fü­gung, für die der Staat monat­lich eine „Mie­te“ von 60.000 Euro zahlt. Die ersten 50 Migran­ten soll­ten vor weni­gen Tagen ein­tref­fen. Dage­gen for­mier­te sich unter den Anwoh­nern ein Bür­ger­pro­test, die von der Kurie eine Rück­nah­me der Ent­schei­dung for­dern. Sie füh­len sich miß­ach­tet, über­rum­pelt, ignoriert.

Wel­che Emp­feh­lung wird Papst Fran­zis­kus der Kir­che in Öster­reich geben, ange­sichts des dort sich abzeich­nen­den Regie­rungs­wech­sels? Immer­hin besteht die Gefahr, daß sich die Kir­che kir­chen­fer­nen poli­ti­schen Krei­sen annä­hert, sich aber kir­chen­a­hen Volks­tei­len entfremdet.

Text: Andre­as Becker
Bild: Il Popu­li­sta (Screen­shot)

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