Roberto de Mattei über die „Weltweite Auswirkung und Bedeutung der Correctio filialis“


Der Apostel Paulus trifft den Apostel Petrus in Rom (Cappella Palatina, Normannenpalast, Palermo, ca. 1160)
Der Apostel Paulus trifft den Apostel Petrus in Rom (Cappella Palatina, Normannenpalast, Palermo, ca. 1160)

Von Rober­to de Mattei*

Anzei­ge

Die an Papst Fran­zis­kus gerich­te­te Zurecht­wei­sung von mehr als 60 katho­li­schen Gelehr­ten und Hir­ten ist welt­weit von außer­ge­wöhn­li­cher Wir­kung. Es fehlt nicht an jenen, die ver­su­chen, die Initia­ti­ve her­un­ter­zu­spie­len, indem sie auf die „begrenz­te und mar­gi­na­le“ Zahl der Unter­zeich­ner ver­wei­sen. Wenn die Initia­ti­ve irrele­vant wäre, war­um hät­te sie dann aber einen so gro­ßen Wider­hall in den Medi­en aller fünf Kon­ti­nen­te gefun­den ein­schließ­lich Ruß­land und der Volks­re­pu­blik Chi­na? Eine Abfra­ge bei Goog­le News, so Ste­ve Sko­jec von One­Pe­ter­Fi­ve, ergab mehr als 5.000 Nach­rich­ten, wäh­rend die Sei­te www​.cor​rec​tiofi​lia​lis​.org inner­halb von 48 Stun­den mehr als 100.000 Ein­zel­be­su­cher regi­strier­te. Die Mög­lich­keit, sich auf die­ser Sei­te der Initia­ti­ve anzu­schlie­ßen, ist noch offen, wenn auch nur aus­ge­wähl­te Unter­schrif­ten ver­öf­fent­licht wer­den sol­len. Man wird zuge­ben müs­sen, daß der Grund für die­ses welt­wei­te Echo nur einer ist: Die Wahr­heit kann igno­riert oder unter­drückt wer­den, wenn sie aber mit Klar­heit auf­ge­zeigt wird, ver­fügt sie über eine eige­ne Kraft und fin­det ihre Ver­brei­tung. Der Haupt­feind der Wahr­heit ist nicht der Irr­tum, son­dern die Zwei­deu­tig­keit. Die Ursa­che für die Ver­brei­tung von Irr­tü­mern und Häre­si­en in der Kir­che ist nicht der Kraft die­ser Irr­tü­mer geschul­det, son­dern dem schuld­haf­ten Schwei­gen derer, die die Wahr­heit des Evan­ge­li­ums mit offe­nem Visier zu ver­tei­di­gen hätten.

Die durch die Cor­rec­tio filia­lis ver­kün­de­te Wahr­heit ist, daß Papst Fran­zis­kus durch eine lan­ge Rei­he von Wor­ten, Taten und Unter­las­sun­gen, „auf direk­te oder indi­rek­te Wei­se (mit wel­chem und wie­viel Bewusst­sein wis­sen wir nicht noch wol­len wir das beur­tei­len)“, mindestens

„sie­ben fal­sche und häre­ti­sche The­sen in der Kir­che sowohl mit dem offi­zi­el­len Amt als auch durch pri­va­te Hand­lun­gen unter­stützt hat“.

Die Unter­zeich­ner behar­ren respekt­voll dar­auf, daß der Papst

„die­se The­sen öffent­lich zurück­weist und so den Auf­trag erfüllt, den Unser Herr Jesus Chri­stus dem Petrus und durch ihn allen sei­nen Nach­fol­gern über­tra­gen hat bis zum Ende der Welt: ‚Ich aber habe für dich gebe­tet, dass dein Glau­be nicht erlischt. Und wenn du dich wie­der bekehrt hast, dann stär­ke dei­ne Brüder‘.“

Bis­her hat die Zurecht­wei­sung kei­ne Ant­wort erhal­ten, son­dern nur unbe­hol­fe­ne Ver­su­che, die Unter­zeich­ner zu dis­kre­di­tie­ren oder zu spal­ten, indem das Feu­er auf eini­ge der Bekann­te­sten gelenkt wird wie den ehe­ma­li­gen Prä­si­den­ten der Vatik­an­bank IOR, Etto­re Got­ti Tede­schi. In Wirk­lich­keit, wie Got­ti Tede­schi selbst in einem Inter­view mit Mar­co Tosat­ti am 24. Sep­tem­ber erklärt hat, haben die Unter­zeich­ner der Cor­rec­tio einen Akt der Lie­be gegen­über der Kir­che und dem Papst­tum gesetzt. Sowohl Got­ti Tede­schi als auch einem ande­ren illu­stren Unter­zeich­ner, dem deut­schen Schrift­stel­ler Mar­tin Mose­bach, wur­de am ver­gan­ge­nen 14. Sep­tem­ber am Ange­li­cum von einem Publi­kum von mehr als 400 Prie­stern und Lai­en, ein­schließ­lich drei­er Kar­di­nä­le und meh­re­rer Bischö­fe, anläß­lich der Tagung zum zehn­ten Jah­res­tag des Motu pro­prio Sum­morum Pon­ti­fi­cum applau­diert. Zwei wei­te­re Unter­zeich­ner, die Pro­fes­so­ren Clau­dio Pier­an­to­ni und Anna Sil­va, haben die Ideen der Cor­rec­tio bei einer Tagung zum The­ma „Klar­heit schaf­fen“ vor­ge­tra­gen, die am ver­gan­ge­nen 23. April von Nuo­va Bus­so­la Quo­ti­dia­na mit der Unter­stüt­zung von zwei ande­ren Pur­pur­trä­gern ver­an­stal­tet wur­de, dar­un­ter der ver­stor­be­ne Kar­di­nal Car­lo Caf­farra. Vie­le ande­re Unter­zeich­ner des Doku­ments neh­men oder nah­men füh­ren­de Posi­tio­nen in kirch­li­chen Insti­tu­tio­nen ein. Ande­re wie­der­um sind nam­haf­te Uni­ver­si­täts­pro­fes­so­ren. Wären die Autoren der Cor­rec­tio in der katho­li­schen Welt wirk­lich iso­liert, hät­te ihr Doku­ment kein sol­ches Echo gefun­den. Die Cor­rec­tio filia­lis ist nur die Spit­ze eines gro­ßen Eis­ber­ges der Unzu­frie­den­heit über die Ori­en­tie­rungs­lo­sig­keit, die in der Kir­che herrscht. Eine Erge­be­ne Bit­te an Papst Fran­zis­kus wur­de 2015 von rund 900.000 Men­schen unter­zeich­net und ein Treue­be­kennt­nis zur unver­än­der­li­chen Leh­re der Kir­che über die Ehe und zu ihrer unun­ter­bro­che­nen Dis­zi­plin, das 2016 von 80 katho­li­schen Per­sön­lich­kei­ten vor­ge­legt wurde,von 35.000. Vor einem Jahr haben vier Kar­di­nä­le ihre Dubia zum nach­syn­oda­len Schrei­ben Amo­ris lae­ti­tia for­mu­liert. Inzwi­schen unter­gra­ben öko­no­mi­sche und mora­li­sche Skan­da­le das Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus. Der ame­ri­ka­ni­sche Vati­ka­nist John Allen, der gewiß nicht von tra­di­tio­nel­ler Prä­gung ist, schrieb am 25. Sep­tem­ber auf Crux, wie schwie­rig sei­ne Posi­ti­on in die­sen Tagen gewor­den ist.

Zu den lächer­lich­sten Anschul­di­gun­gen, die gegen die Unter­zeich­ner des Doku­ments vor­ge­bracht wur­den, gehört jene, „Lefeb­vria­ner“ zu sein, weil sich auch Bischof Ber­nard Fel­lay, der Gene­ral­obe­re der Prie­ster­bru­der­schaft St. Pius X., unter ihnen befin­det. Die Unter­schrift von Msgr. Fel­lay unter einem Doku­ment die­ser Art ist ein histo­ri­scher Akt, der ohne jeden Zwei­fel die Miß­ver­ständ­nis­se zur Posi­ti­on der Bru­der­schaft gegen­über dem neu­en Pon­ti­fi­kat klärt. Der „Lefeb­v­ris­mus“ ist eine Wort­schöp­fung, die für die Pro­gres­si­ven die­sel­be Rol­le ein­nimmt, wie sie das Wort „Faschis­mus“ für die Kom­mu­ni­sten seit den 70er Jah­ren hat: den Geg­ner zu dis­kre­di­tie­ren, ohne auf sei­ne Argu­men­te ein­zu­ge­hen. Die Anwe­sen­heit von Msgr. Fell­lay ist zudem für alle Unter­zeich­ner der Cor­rec­tio beru­hi­gend. Wie könn­te der Papst ihnen gegen­über nicht das­sel­be Ver­ständ­nis und Wohl­wol­len haben, das er in den bei­den ver­gan­ge­nen Jah­ren gegen­über der Prie­ster­bru­der­schaft St. Pius X. gezeigt hat?

Der Erz­bi­schof von Chie­ti, Bru­no For­te, der bereits Son­der­se­kre­tär bei der Bischofs­syn­ode über die Fami­lie war, hat erklärt, daß die Cor­rec­tio „eine Hal­tung der vor­ge­faß­ten Abschlie­ßung gegen den Geist des Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zils, den Papst Fran­zis­kus so tief ver­kör­pert“, dar­stel­le (Avve­ni­re, 26. Sep­tem­ber 2017). Der Geist des Zwei­ten Vati­ca­num, von Papst Fran­zis­kus ver­kör­pert, schreibt Msgr. Giu­sep­pe Lori­zio in der­sel­ben Aus­ga­be der Zei­tung der Ita­lie­ni­schen Bischofs­kon­fe­renz, besteht im Vor­rang der Pasto­ral vor der Theo­lo­gie, also der Unter­ord­nung des Natur­rechts unter die Lebens­er­fah­rung, weil, wie er erklärt, „die Pasto­ral die Theo­lo­gie ent­hält und ein­schließt“ und nicht umge­kehrt. Msgr. Lori­zio lehrt Theo­lo­gie an der Theo­lo­gi­schen Fakul­tät der Late­ran­uni­ver­si­tät, deren Dekan Msgr. Bru­ne­ro Gherar­di­ni war, der am 22. Sep­tem­ber am Vor­abend der Cor­rec­tio gestor­ben ist, die er wegen sei­nes schlech­ten Gesund­heits­zu­stan­des nicht mehr unter­zeich­nen konn­te. Der gro­ße Ver­tre­ter der Römi­schen Schu­le der Theo­lo­gie hat in sei­nen letz­ten Büchern auf­ge­zeigt, zu wel­chen ver­häng­nis­vol­len Ergeb­nis­se der vom Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zil ver­kün­de­te und von des­sen ultra­pro­gress­si­ven Her­me­neu­ten pro­pa­gier­te Pri­mat der Pasto­ral  führt, dar­un­ter auch For­te und der impro­vi­sier­te Theo­lo­ge Mas­si­mo Fag­gio­li, der sich zusam­men mit Alber­to Mel­lo­ni durch halt­lo­se Angrif­fe gegen die Cor­rec­tio hervortut.

Msgr. For­te hat im Avve­ni­re hin­zu­ge­fügt, daß das Doku­ment eine Ope­ra­ti­on sei, die nicht geteilt wer­den kön­ne von jemand, der „dem Nach­fol­ger des Petrus, in dem er den Hir­ten aner­kennt, den der Herr der Kir­che als Füh­rer der uni­ver­sa­len Gemein­schaft gege­ben hat, treu ist. Die Treue gilt immer dem leben­di­gen Gott, der heu­te in der Kir­che durch den Papst spricht“. Wir sind also soweit gekom­men, Papst Fran­zis­kus als „leben­di­gen Gott“ zu bezeich­nen, indem man ver­gißt, daß die Kir­che auf Jesus Chri­stus gegrün­det ist, des­sen Stell­ver­tre­ter der Papst auf Erden ist, aber nicht ihr gött­li­cher Eigen­tü­mer. Der Papst ist nicht, wie Anto­nio Soc­ci zurecht geschrie­ben hat, ein „zwei­ter Jesus“ (Libe­ro, 24. Sep­tem­ber 2017), son­dern der 266. Nach­fol­ger des Petrus. Sein Auf­trag ist es nicht, die Wor­te Unse­res Herrn zu ändern oder zu „ver­bes­sern“, son­dern sie zu bewah­ren und auf getreue Wei­se wei­ter­zu­ge­ben. Wenn das nicht geschieht, haben die Katho­li­ken die Pflicht, ihn respekt­voll zurecht­zu­wei­sen, indem sie dem Bei­spiel des hei­li­gen Pau­lus gegen­über dem Apo­stel­für­sten Petrus fol­gen (Gal 2,11).

Man staunt schließ­lich, wes­halb die Kar­di­nä­le Wal­ter Brand­mül­ler und Ray­mond Bur­ke das Doku­ment nicht unter­schrie­ben haben, indem man über­sieht, was Rora­te Cà¦li geschrie­ben hat, daß die Cor­rec­tio der Sech­zig einen rein theo­lo­gi­schen Cha­rak­ter hat, wäh­rend jene der Kar­di­nä­le, wenn sie kommt, eine ganz ande­re Auto­ri­tät und Trag­wei­te haben wird, auch auf kir­chen­recht­li­cher Ebe­ne. Die Zurecht­wei­sung des Näch­sten, wie es das Evan­ge­li­um und der gel­ten­de Codex des Kir­chen­rech­tes, (Can. 212 §3) vor­se­hen, kann ver­schie­de­ne For­men haben.

„Die­ser Grund­satz der brü­der­li­chen Zurecht­wei­sung inner­halb der Kir­che“, sag­te Msgr. Atha­na­si­us Schnei­der jüngst in einem Inter­view von Mai­ke Hick­son, „war jeder­zeit gül­tig, auch gegen­über dem Papst, und so soll­te er auch in unse­rer Zeit gül­tig sein. Unglück­li­cher­wei­se wird jeder, der in unse­ren Tagen wagt, die Wahr­heit zu sagen – auch wenn er es mit Respekt gegen­über den Hir­ten der Kir­che tut –, als Feind der Ein­heit ein­ge­stuft, wie es auch dem hei­li­gen Pau­lus wider­fah­ren ist, denn er hat­te gesagt: ‚Bin ich also euer Feind gewor­den, weil ich euch die Wahr­heit sage?‘ (Gal 4,16).“

*Rober­to de Mat­tei, Histo­ri­ker, Vater von fünf Kin­dern, Pro­fes­sor für Neue­re Geschich­te und Geschich­te des Chri­sten­tums an der Euro­päi­schen Uni­ver­si­tät Rom, Vor­sit­zen­der der Stif­tung Lepan­to, Autor zahl­rei­cher Bücher, zuletzt in deut­scher Über­set­zung: Ver­tei­di­gung der Tra­di­ti­on: Die unüber­wind­ba­re Wahr­heit Chri­sti, mit einem Vor­wort von Mar­tin Mose­bach, Alt­öt­ting 2017.

Über­set­zung: Giu­sep­pe Nardi
Bild: MiL

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