Kommt Vatileaks 3? Wer bestimmt über die Vatikanfinanzen? – „Ermittelt, ermittelt!“


Vatkanische Finanzinformationsbehörde (AIF): "Direktoren, Präsidenten, Wirtschaftsprüfer werden entlassen, aber die, die alles zu kontrollieren hätten, die AIF bleibt immer unangetastet und unbeachtet, als würde sie gar nicht existieren?"
Vatkanische Finanzinformationsbehörde (AIF): "Direktoren, Präsidenten, Wirtschaftsprüfer werden entlassen, aber die, die alles zu kontrollieren hätten, die AIF bleibt immer unangetastet und unbeachtet, als würde sie gar nicht existieren?"

(Rom) Der Vati­ka­nist Mar­co Tosat­ti lenk­te heu­te den Blick kurz von der Cor­rec­tio filia­lis ab. Grund ist ein Schrei­ben, des­sen Autor er nicht nament­lich nann­te, son­dern als „hohes Tier“ bezeich­net. Die­ses „hohe Tier“ befas­se sich weni­ger mit Theo­lo­gie, dafür aber um so mehr mit Poli­tik. Durch die Cor­rec­tio filia­lis sei ein ande­res The­ma aus den Schlag­zei­len ver­schwun­den: Das Inter­view von Libe­ro Milo­ne. Milo­ne war von Papst Fran­zis­kus 2015 zum Gene­ral­wirt­schafts­prü­fer des Hei­li­gen Stuhls und aller sei­ner Insti­tu­tio­nen ernannt wor­den. Am ver­gan­ge­nen 19. Juni wur­de Milo­ne plötz­lich frist­los vor die Tür gesetzt. Ein Grund wur­de vom vati­ka­ni­schen Pres­se­amt und Kuri­en­erz­bi­schof Ange­lo Becciu, Sub­sti­tut im Staats­se­kre­ta­ri­at, erst nach dem Inter­view genannt: Milo­ne habe „eini­ge Ver­tre­ter des Hei­li­gen Stuhls ausspioniert“.

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Dazu nahm das „hohe Tier“ in einem Schrei­ben an Mar­co Tosat­ti Stel­lung, das nur für„fünf Minu­ten unse­re Auf­merk­sam­keit von der Cor­rec­tio filia­lis und den mit ihr ver­bun­de­nen Peti­tio­nen ablenkt“.

„Mein Ein­druck, den ich gewon­nen habe, ist der gewohn­te (wie bei Vatik­leaks 1 und Vati­leaks 2): daß man die­ses Argu­ment [die Cor­rec­tio filia­lis], genützt hat, um die Auf­merk­sam­keit vom soge­nann­ten ‚Fall Milo­ne‘ und den Vati­kan­finan­zen abzu­len­ken, von dem ich nur weiß, was ich in den Zei­tun­gen lese, ein­schließ­lich Milo­nes Inter­view im Cor­rie­re del­la Sera.

Nach fünf Jah­ren sehen wir, daß die ‚Unru­he‘ wegen der Vati­kan­finan­zen expo­nen­ti­ell wächst. Ich weiß nicht viel, wenn ich dem Papst und vor allem dem Staats­se­kre­tär aber einen Rat gege­ben könn­te, wür­de ich sie bit­ten, zu jenen Ermitt­lun­gen anzu­stel­len, die der Kon­troll­be­hör­de der Vati­kan­finan­zen vor­ste­hen und die­se ver­wal­ten. Ist es mög­lich, daß Direk­to­ren, Prä­si­den­ten, Wirt­schafts­prü­fer ent­las­sen wer­den, aber die, die alles zu kon­trol­lie­ren hät­te, die AIF [Vati­ka­ni­sche Finanz­in­for­ma­ti­ons­be­hör­de], immer unan­ge­ta­stet und unbe­ach­tet bleibt, als wür­de sie gar nicht exi­stie­ren? Haben aber wirk­lich die Spit­zen der AIF das Kom­man­do? Im Auf­trag von wem?

Papst Fran­zis­kus, Kar­di­nal Paro­lin, wir beschwö­ren euch für das Wohl der Kir­che: Ermit­telt! Ermittelt!“

Die AIF

Die im Schrei­ben an Tosat­ti genann­te Vati­ka­ni­sche Finanz­in­for­ma­ti­ons­be­hör­de (AIF) war 2010 von Papst Bene­dikt XVI. unter dem stän­di­gen Druck inter­na­tio­na­ler Gre­mi­en nach „mehr Trans­pa­renz“ geschaf­fen wor­den. Als Lei­ter der Behör­de ernann­te er einen Kar­di­nal. Den­noch kri­ti­sier­te Money­val, ein Exper­ten­aus­schus­ses des Euro­pa­ra­tes für die Bewer­tung von Maß­nah­men gegen Geld­wä­sche und Ter­ro­ris­mus­fi­nan­zie­rung die Maß­nah­me als unzureichend.

Papst Fran­zis­kus nahm weni­ge Mona­te nach sei­ner Wahl weit­rei­chen­de Ver­än­de­run­gen vor. Der erste Ein­griff erfolg­te am 8. August 2013. Im Novem­ber des­sel­ben Jah­res setz­te er mit einem Motu pro­prio ein neu­es Sta­tut der AIF in Kraft. Par­al­lel zogen mit sei­nem Pon­ti­fi­kat die Glo­bal Play­ers unter den Bera­tungs­fir­men im Vati­kan ein. Katho​li​sches​.info schrieb am 28. Janu­ar 2014:

McK­in­sey, Pro­mon­to­ry, Ernst&Young, KPMG: Mit dem neu­en Pon­ti­fi­kat begann auch im Vati­kan ein Wett­lauf, die erle­sen­sten und kost­spie­lig­sten Bera­ter­fir­men der Welt in Sachen Orga­ni­sa­ti­on und Finan­zen zu enga­gie­ren. Die Welt als „glo­ba­les Dorf“ macht sie unent­behr­lich und vor allem sind es sie selbst, die sich unent­behr­lich machen. Eine System aus Effi­zi­enz und Gewinn­stre­ben, das sich selbst stän­dig neu erfin­det und an Macht stän­dig zunimmt. Kein Finanz­mi­ni­ster kommt mehr ohne sie aus, weil sie längst den Durch­blick ver­lo­ren haben. Aus die­sem Grund schrei­ben die Bera­ter­fir­men bereits die Geset­ze selbst, die von der Poli­tik abge­seg­net wer­den. Auch in der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land. Die Poli­tik am Gän­gel­band eines Dut­zend inter­na­tio­na­ler Bera­tungs­un­ter­neh­men, die in wes­sen Inter­es­se arbeiten?“

Der Schwei­zer René Brül­hart wur­de im Novem­ber 2012 neu­er Direk­tor der AIF, um die For­de­run­gen des Money­val-Reports umzu­set­zen, wie es damals in einer Erklä­rung des vati­ka­ni­schen Pres­se­am­tes hieß. Seit 2014 ist er deren Prä­si­dent. Brül­hart, so leg­te Fran­zis­kus fest, ist nur dem Papst wei­sungs­ge­bun­den und hat ihm Bericht zu erstat­ten. Das galt für Gene­ral­re­vi­sor Milo­ne auch, doch ab Sep­tem­ber 2016 emp­fing ihn Fran­zis­kus nicht mehr. Milo­ne, der mit Fran­zis­kus über sei­ne Ent­las­sung spre­chen woll­te, drang nicht bis zu ihm durch.

Brül­hart mach­te Tom­ma­so Di Ruz­za zu sei­nem Nach­fol­ger als Direk­tor. Neben Brül­hart und Di Ruz­za gehö­ren Maria Bian­ca Fari­na (Ita­li­en), Marc Odend­all (Frank­reich), Joseph Yuva­ray Pil­lay (Sin­ga­pur) und Juan C. Zara­te (USA) dem AIF-Direk­to­ri­um an.

Marc Odendall

Marc Odend­all war zum Jah­res­wech­sel 2016/​2017 im Zusam­men­hang mit dem Kon­flikt im Mal­te­ser­or­den, zwi­schen Groß­kanz­ler Albrecht von Boe­se­la­ger und Groß­mei­ster Fra Fest­ing, genannt wor­den. Papst Fran­zis­kus stell­te sich auf die Sei­te Boe­se­la­gers und setz­te den Groß­mei­ster ab. Dabei stütz­te sich Fran­zis­kus auf den Bericht einer von ihm ein­ge­setz­ten Unter­su­chungs­kom­mis­si­on. Die Kom­mis­si­on hat­te dem damals amts­ent­ho­be­nen Groß­kanz­ler tadel­lo­ses Ver­hal­ten atte­stiert. Odend­all war einer der fünf Kom­mis­si­ons­mit­glie­der. Laut einem Urteil des Ham­bur­ger Land­ge­richts wuß­te Boe­se­la­ger über die Ver­tei­lung von Ver­hü­tungs­mit­teln durch Mal­te­ser Inter­na­tio­nal Bescheid und bil­lig­te dies auch. Somit war, was den Kon­flikt im Mal­te­ser­or­den angeht, das Ver­hal­ten des Groß­kanz­lers gar nicht so tadellos.

Groß­mei­ster Fest­ing hat­te bereits zuvor der Kom­mis­si­on „Befan­gen­heit“ vor­ge­wor­fen, weil min­de­stens drei der fünf Mit­glie­der in geschäft­li­chen Bezie­hun­gen zu Boe­se­la­ger stan­den. Den Papst küm­mer­te es nicht. Bis­her auch nicht, daß das Ham­bur­ger Gericht indi­rekt die Glaub­wür­dig­keit des Kom­mis­si­ons­be­richts in Fra­ge stellt. Immer­hin wur­de damit Fra Fest­ings Vor­wurf bestä­tigt, Papst Fran­zis­kus habe sich ein Gefäl­lig­keits­gut­ach­ten vor­le­gen lassen.

Boe­se­la­ger und Odend­all ste­hen über den in Neu­see­land regi­strier­ten, 120 Mil­lio­nen Schwei­zer Fran­ken umfas­sen­den  Cari­tas Pro Vitae Gra­du Cha­ri­ta­ble Trust (CPVG) in Ver­bin­dung, der von einer Schwei­zer Treu­hand­schaft ver­wal­tet wird.

Die schützende Hand des Staatssekretariats

Über das Staats­se­kre­ta­ri­at, genau gesagt, Sub­sti­tut Becciu, erfolg­te der Raus­wurf des Gene­ral­re­vi­sors Milo­ne. Das Staats­se­kre­ta­ri­at hält die schüt­zen­de Hand über der AIF. Das Staats­se­kre­ta­ri­at wähl­te die fünf Kom­mis­si­ons­mit­glie­der, die Papst Fran­zis­kus das zwei­fel­haf­te Doku­ment zur Hand gaben, mit dem Groß­mei­ster Fest­ing ent­las­sen und Boe­se­la­ger wie­der als Groß­kanz­ler ein­ge­setzt wur­de. Becciu wur­de von Papst Fran­zis­kus als sein per­sön­li­cher Ver­tre­ter im Mal­te­ser­or­den mit kom­mis­sa­ri­schem Durch­griffs­recht ein­ge­setzt und der offi­zi­el­le Ver­tre­ter des Pap­stes, Kar­di­nal­pa­tron Ray­mond Bur­ke, marginalisiert.

Das „hohe Tier“, das Tosat­ti erwähnt, mein­te aber nicht Sub­sti­tut Becciu mit den Fra­gen: „Haben aber wirk­lich die Spit­zen der AIF das Kom­man­do? Im Auf­trag von wem?“

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Vati​can​.va (Screen­shot)

 

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