von Ettore Gotti Tedeschi*
Es gibt einen anderen Heiligen Stuhl, der jenem von Rom die Richtung diktieren will. Es handelt sich um die UNO, die immer mehr den Tonfall, die Ambitionen, die Sprache (und die Macht) eines Agenten der globalen Gnosis angenommen hat. Zu Einwanderung, Umwelt oder Demographie ist es immer schwieriger, dem Mantra der UNO den Gehorsam zu verweigern. Sogar im Vatikan gibt es solche, die sich diese „neue“ Linie zu eigen gemacht haben.
Ich bedauere es in der Sache sehr, es sagen zu müssen, aber ich befürchte wirklich, daß sich Italiens Innenminister Marco Minniti in der Einwanderungsfrage einer Illusion hingibt. Die Einwanderung, die den eigenen Bevölkerungsrückgang kompensiert, scheint „empfohlen“ worden zu sein, und zwar vom „Heiligen Stuhl“ der neuen Weltreligion: der UNO. Diesem „Heiligen Stuhl“ ungehorsam zu sein, scheint um so schwieriger, als er den anderen, den wirklichen Heiligen Stuhl zum Verbündeten zu haben scheint.
Gian Antonio Stella[1]Kolumnist des Corriere della Sera hatte richtig erkannt, als er 2016 schrieb, daß man uns in wenigen Jahren 6,5 Millionen Einwanderer „zugewiesen“ hatte. Bereits mehrere UNO-Generalsekretäre (von Kofi Annan bis Ban Ki Moon) hatten es dank verschiedener Dokumente genau angekündigt, indem sie den Eindruck vermittelten, daß es sich dabei um aus humanitären Gründen beschlossene und nicht erlittene Entscheidungen gehandelt habe. Ein Dokument der UNO lesen, interpretieren und verstehen zu können, ist aber nicht so leicht wie man meinen möchte. Es braucht Erfahrung dafür, Vorbereitung, hermeneutische Geschicklichkeit und so manchen Freund in den Geheimdiensten sowie ein Bewußtsein dafür, was die Gnosis ist. Ein Dokument der UNO zu verstehen, ist heute mehr oder weniger dasselbe, wie einen Text des Lehramtes der Kirche zu verstehen. Man muß in der Lage sein, es innerhalb der heiligen Schriften des Neuen und des Alten Testaments, der Dokumente des Zweiten Vatikanischen Konzils und seiner Rahnerschen Interpretationen zu interpretieren. Man muß das philosophische Denken von Immanuel Kant bis Martin Heidegger über Walter Kasper bis Antonio Spadaro kennen. Im konkreten Fall sollte man zudem wissen, welche Argumente die neomalthusianisch-ökologistischen Propheten (die verschiedenen Jeffrey Sachs‘ und Paul Ehrlichs) mit der Päpstlichen Akademie der Sozialwissenschaften gebrauchen.
Um also die Dokumente der UNO, des großen „Heiligen Stuhls“ der neuen Weltreligion, zu verstehen, muß man die neue Bibel der UNO gelesen und verstanden haben: den Kissinger-Bericht von 1972 – 1974 über die Neue Weltordnung sowie die verschiedenen „Konzilien“, das sind die großen internationalen Konferenzen von Rio de Janeiro bis Johannesburg, und deren „Enzykliken“.
Diese „Enzykliken“, die unter der Obhut der UNO ausgegeben werden, betreffen unzählige Aspekte, die unser Leben verändert haben und es weiter verändern mit der Begründung, uns reifer, besser, weiser und glücklicher zu machen. Und vielleicht auch, um uns vor religiösem Aberglauben bewahren, der uns seit zwei Jahrtausenden beeinflußt…
Die bedeutendsten „Enzykliken“ sind alle miteinander verbunden und scheinen ein einziges, wirkliches Ziel zu haben: die Schöpfung und den Menschen neu zu erschaffen. Sehen wir uns das beispielhaft etwas näher an. Jene, die die Regierungen betrifft, bezieht sich auf die „notwendige“, aber unverständliche und geheimnisvolle Einwanderung nach Europa. Es handelt sich um eine geplante Einwanderung, die angeblich natürlich zu unserem materiellen, kulturellen und geistigen Wohl erfolgt. Es gibt aber noch andere, die noch weit wichtiger sind, die sich auf die Veränderung des Moralverständnisses in Sachen Leben, Tod, Bioethik, Gesundheit und Wohlergehen, Sexualität und Familie beziehen. Andere scheinen die Umwelt zu betreffen, die als zentraler Bestandteil der neuen Weltreligion zu sehen ist, auf das alles Glaubensstreben konzentriert werden soll.
Doch siehe da, der Verantwortliche des großen Niedergangs der Natur ist gerade der Mensch, der die Krebserkrankung der Natur ist. Er muß zurückgedrängt werden, um die Erde zu schützen, die – nicht etwa das Leben des Menschen – kurioserweise für „heilig“ erklärt wird. Alle diese Lösungen werden den Staaten von Ablegern der UNO mit moral suasion oder mit eleganten, aber verhüllten Aufforderungen „empfohlen“, die Erpressungen erahnen lassen. Sie werden Regierenden empfohlen, die nicht gewählt, sondern kooptiert sind, indem man Bedingungen geschaffen hat, damit nur jene regieren und entscheiden können, die gewünscht und einverstanden sind.
Es gibt keine große und entscheidende Veränderung, die nicht von der UNO und ihren Satelliten (WHO, UNHCR, UNEP, WWF, FAO, UNESCO, BIRS, IMF, UNIDO usw.) vorbereitet worden zu sein scheint. Vor Jahrzehnten warnte jemand vor den Gefahren einer kommenden Weltregierung und wurde als Verschwörungstheoretiker kritisiert und verlacht. Heute, da sich alles bewahrheitet hat, ist es zu spät, um über die Gefahren zu sprechen. Wenn also, wie in Italien geschehen, heute ein Staatssekretär im Amt des Ministerpräsidenten (Sandro Gozi) erklärt, „Europa braucht 40 Millionen Einwanderer“, und das UNO-Dossier mehr als 35 Millionen Einwanderer (bis 2050) vorsieht, um die europäischen Arbeiter und Angestellten zu ersetzen, staunen wir. Wenn aber die höchste moralische Autorität der Welt erklärt, daß mehr zu tun sei, müssen wir uns fragen, ob unser Problem nicht vielleicht doch die UNO ist, die theoretisch einen großen Wert darstellt, was aber konkret davon abhängt, wer sie kontrolliert und ihr welche Ziele gibt…
Die Frage scheint logisch und naheliegend auch für die vielen europäischen Probleme (und den Euro), die nicht in Europa entstehen, sondern Folgen der sogenannten „Enzykliken“ sind, die von der neuen, großen Weltreligion, dem neuen Tempel der Wahrheit und Quelle der neuen Moral, veröffentlicht werden, die in New York sitzt und UNO heißt. Diese neue, große Weltkirche scheint nun auch die katholische Kirche unter ihre Kontrolle bringen zu wollen, die nicht zu erkennen scheint, daß es diese im Rahmen der UNO entstandenen „Enzykliken“ sind, die jene negativen Effekte provoziert haben, die man nun durch neue „Enzykliken“ lösen will. Das offensichtlichste Beispiel ist die Weltwirtschaftskrise, die durch den Niedergang der Geburtenrate im Westen verursacht ist, die indirekt von den neomalthusianischen, ökologistischen Kreisen produziert wurde, und seinerseits die Voraussetzungen für das Migrationsproblem geschaffen hat, mit denen der Bevölkerungsrückgang kompensiert werden soll.
Alle diese Probleme (Wirtschaftskrise, Umweltkrise, Einwanderungskrise) sind eine Folge der Geburtenkontrolle, die von den Satelliten des „Heiligen Stuhls“ namens UNO betrieben wird. Das Kurioseste daran ist, daß jene, die diese Probleme verschuldet haben, genau dieselben sind, die sie nun lösen sollen. Auch hier überrascht, wie diese Vorgaben sogar vom Heiligen Stuhl der katholischen Kirche in einem besorgniserregenden Gleichschritt akzeptiert zu werden scheinen.
*Ettore Gotti Tedeschi, Wirtschaftswissenschaftler, ehemaliger Präsident der Vatikanbank IOR
Bild: Il Timone (Screenshots)
-
↑1 | Kolumnist des Corriere della Sera |
---|