Der Fall Mercier und die Abtreibung: Katholiken erstatten Anzeige gegen belgische Bischöfe


Jozef Kardinal De Kesel, Erzbischof von Mecheln-Brüssel, steht wegen des Falles Mercier in der Kritik gläubiger Katholiken.
Jozef Kardinal De Kesel, Erzbischof von Mecheln-Brüssel, steht wegen des Falles Mercier in der Kritik gläubiger Katholiken.

(Brüs­sel) Eine Grup­pe katho­li­scher Bel­gi­er erstat­te­te Anzei­ge in Rom gegen den Erz­bi­schof von Mecheln-Brüs­sel, Jozef Kar­di­nal De Kesel, und die fran­ko­pho­nen Bischö­fe des Landes.

Der Fall Mercier

Anzei­ge

Grund ist die kol­lek­ti­ve Distan­zie­rung die­ser Bischö­fe von Ste­pha­ne Mer­cier, einem jun­gen Dozen­ten der Phi­lo­so­phie, der von der wal­lo­nisch-fran­zö­sisch­spra­chi­gen Katho­li­schen Uni­ver­si­tät Löwen (Neu-Löwen) ent­las­sen wur­de, weil er in einer Lehr­ver­an­stal­tung die Abtrei­bung als Mord bezeich­net hatte.

Die Ein­brin­ger bekla­gen in ihrer Ein­ga­be, die Bischö­fe hät­ten Mer­cier im Stich gelas­sen, anstatt ihn zu unter­stüt­zen, obwohl der Dozent nichts ande­res getan habe, als an einer katho­li­schen Uni­ver­si­tät die Leh­re der katho­li­schen Kir­che in Sachen Abtrei­bung in Erin­ne­rung zu rufen. Mer­cier hat­te die Tötung unge­bo­re­ner Kin­der als mora­lisch beson­ders ver­werf­lich bezeich­net, weil sich die Tat gegen einen völ­lig wehr­lo­sen und unschul­di­gen Men­schen richtet.

Sei­ne Aus­sa­ge gelang­te an die Öffent­lich­keit, Femi­ni­sten erho­ben Pro­test, die lin­ke Tages­zei­tung La Soir mach­te mobil und die Uni­ver­si­tät und die Bischö­fe gin­gen im ver­gan­ge­nen März im Eil­tem­po in die Knie.

Die Uni­ver­si­tät beeil­te sich, zu beto­nen, daß in ihren Lehr­ver­an­stal­tun­gen gel­ten­des Recht (Abtrei­bungs­ge­setz) selbst­ver­ständ­lich aner­kannt wer­de – und offen­bar nicht kri­ti­siert wer­den darf. Tania Van Hemel­ryck, die Uni­ver­si­täts­spre­che­rin, erklär­te am 21. März gegen­über RTL zu Mer­ciers Aus­sa­ge sogar: „Das sind abso­lut inak­zep­ta­ble Argu­men­te. Die Katho­li­sche Uni­ver­si­tät Löwen ver­tei­digt das Grund­recht auf Abtrei­bung.“ Das sei einer der „Wer­te“ der Universität.

Die Bischö­fe ergin­gen sich in Wort­spie­len und waren bemüht, die Sache her­un­ter­zu­spie­len und sich selbst aus der Ver­ant­wor­tung zu neh­men. Man sol­le „nicht über­trei­ben“, lie­ßen sie in Rich­tung Mer­cier wis­sen. Das Wort Mord sei „zu stark“, erklär­te der Spre­cher der Bel­gi­schen Bischofs­kon­fe­renz, Tom­my Schol­tes. In der offi­zi­el­len Erklä­rung der Bischö­fe wur­den Schuld und Ver­ant­wor­tung an einer Abtrei­bung klein­ge­re­det. Und schließ­lich ver­schanz­ten sich die Ober­hir­te hin­ter Papst Fran­zis­kus: „Der Papst ruft aber auch zur Barm­her­zig­keit. Wir müs­sen Ver­ständ­nis zei­gen, Mit­leid.“ Offen­bar nur, im Sin­ne des Zeit­gei­stes, für die abtrei­ben­den Müt­ter, aber nicht für die getö­te­ten Kinder.

Eingabe in Rom wie „ein Hilferuf“

Kar­di­nal De Kesel ist auch Groß­kanz­ler der Uni­ver­si­té catho­li­que de Lou­vain (UCL), so der offi­zi­el­le Name, wes­halb ihn die Grup­pe von Katho­li­ken in einer beson­de­ren Ver­ant­wor­tung sieht. Ihre Ein­ga­ben, Auf­for­de­run­gen und Bit­ten, die katho­li­sche Leh­re öffent­lich zu ver­kün­den, Mer­cier zu unter­stüt­zen und die Uni­ver­si­tät zu tadeln, blie­ben ohne Antwort.

Die Katho­li­ken sehen dar­in ein Ver­sa­gen der Bischö­fe, wes­halb sie einen Schritt wei­ter­ge­gan­gen sind und eine for­mel­le Ein­ga­be in Rom ein­brach­ten. Dar­in beschul­di­gen sie Kar­di­nal De Kesel und die wal­lo­ni­schen Bischöfe

  1. nicht der katho­li­schen Moral zu fol­gen, weil sie sich wei­gern, die Abtrei­bung als Ver­bre­chen zu bezeichnen;
  2. ein schwe­res Unrecht began­gen zu haben, weil sie es zuge­las­sen haben, daß ein der kirch­li­chen Leh­re treu­er Dozent bestraft wurde;
  3. öffent­li­ches Ärger­nis gege­ben zu haben, weil sie die Katho­li­sche Uni­ver­si­tät Löwen in der Abtrei­bungs­fra­ge nicht zurecht­ge­wie­sen haben.

In der Ein­ga­be wer­den „ange­mes­se­ne Sank­tio­nen“ gefor­dert: ein öffent­li­cher Wider­ruf durch Kar­di­nal De Kesel und die Bischö­fe und ihre kol­lek­ti­ve Absetzung.

Die Unter­zeich­ner wei­sen in der Ein­ga­be dar­auf hin, daß Bel­gi­en in gesell­schafts­po­li­ti­schen Fra­gen feder­füh­rend in einer Gesetz­ge­bung sei, die der katho­li­schen Leh­re in Sachen Moral, Fami­lie und Lebens­recht wider­spricht. In Brüs­sel sei jede zwei­te Fami­lie von Schei­dung betrof­fen. Das Kon­ku­bi­nat und der Ehe­bruch sei­en zur Bana­li­tät gewor­den. Das reli­giö­se Leben sei weit­ge­hend erlo­schen und der Durch­schnitt der weni­gen Kirch­be­su­cher lie­ge bei 65 Jah­ren. Die Bischö­fe wür­den sich aber nur auf das Ent­wei­hen und den Ver­kauf von Kir­chen konzentrieren.

„Die Semi­na­re lee­ren sich. Die Klö­ster wer­den ver­kauft. Man kann nicht anders, als fest­stel­len, daß die­se Situa­ti­on, die bereits unter Kar­di­nal Dan­neels tra­gisch war, seit dem Amts­an­tritt von Kar­di­nal De Kesel ver­zwei­felt gewor­den ist. Unse­re Bischö­fe schei­nen heu­te mehr dar­an inter­es­siert, den Bank­rott und die Liqui­die­rung der Kir­che von Bel­gi­en zu ver­wal­ten, als für eine Neue­van­ge­li­sie­rung zu arbei­ten. Durch die Pädo­phi­lie-Skan­da­le beschmutzt, ver­su­chen sie, gut ange­se­hen zu sein, indem sie pro­gres­si­ve Posi­tio­nen über­neh­men, die in einem offe­nen Wider­spruch zur Leh­re der Kir­che ste­hen. Sie unter­wer­fen sich der poli­ti­schen Macht, den ‚Dog­men‘ des ‚poli­tisch Kor­rek­ten‘, den ‚huma­ni­sti­schen Wer­ten‘ und wir­ken letzt­lich aktiv am all­ge­mei­nen Glau­bens­ab­fall mit. Das ist so offen­sicht­lich, daß Rom bald das völ­li­ge Ver­schwin­den der Katho­li­zi­tät in Bel­gi­en und die Ver­fol­gung der letz­ten Gläu­bi­gen bekla­gen wird müssen.“

Da Kar­di­nal Mül­ler am 30. Juni von Papst Fran­zis­kus als Prä­fekt der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on ent­las­sen wur­de, haben die bel­gi­schen Katho­li­ken, anders als ursprüng­lich vor­ge­se­hen, ihre Ein­ga­be an Kar­di­nal Marc Ouel­let, dem Prä­fek­ten der Bischofs­kon­gre­ga­ti­on weitergeleitet.

Chri­sto­phe Buf­fin de Cho­sal in der Cor­ri­spon­den­za Roma­na schrieb zur Eingabe:

„Es ist mehr als eine Anzei­ge, es ist ein Hil­fe­ruf. Wird er gehört werden?“

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Cor­ri­spon­den­za Romana

 

 

 

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