Nach Frontalangriff auf die „religiöse Rechte“ der USA


Evangelikale
Nach den Angriffen von zwei Papst-Vertrauten, wollen Evangelikale mit dem Papst sprechen, um einiges klarzustellen. Im Bild: Papst Franziskus am Anfang seines Pontifikats mit führenden evangelikalen Vertretern. Das waren noch andere Zeiten

(Rom) Zu den auf­se­hen­er­re­gen­den Initia­ti­ven von Papst Fran­zis­kus am Beginn sei­nes Pon­ti­fi­kats gehör­ten Bemü­hun­gen, Kon­takt zu evan­ge­li­ka­len und pfingst­le­ri­schen Gemein­schaf­ten her­zu­stel­len. Die Bemü­hen betra­fen vor allem die USA, wo die­se pro­te­stan­ti­schen Rich­tun­gen beson­ders star­ken Ein­fluß genie­ßen. Er emp­fing in der Ver­gan­gen­heit, so am 19. Juni 2014 (sie­he Bild), eine Rei­he von evan­ge­li­ka­len Big-Telee­van­ge­li­sten im Vati­kan und sand­te Video-Bot­schaf­ten an evan­ge­li­ka­le Tref­fen. Was Fran­zis­kus auf der einen Sei­te auf­baut, zunächst vor allem über sei­nen „per­sön­li­chen Freun­de“, den frei­kirch­li­chen Angli­ka­ner  Tony Pal­mer, der aller­dings im Juli 2014 einem töd­li­chen Motor­rad­un­fall zum Opfer fiel, scheint Fran­zis­kus auf der ande­ren Sei­te selbst wie­der zunich­te zu machen. Mit erheb­li­chem Miß­mut beob­ach­ten Evan­ge­li­ka­le die Anti-Trump-Hal­tung des Pap­stes, die eine unver­hoh­le­ne Par­tei­nah­me für die poli­ti­sche Lin­ke bedeutet.

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Grund dafür ist der Fron­tal­an­griff der römi­schen Jesui­ten­zeit­schrift La Civil­tà  Cat­to­li­ca gegen den „evan­ge­li­ka­len Fun­da­men­ta­lis­mus“ und gegen die „reli­giö­se Rech­te“ in den USA. Der amm 13. Juli im Heft 4010 ver­öf­fent­lich­te Arti­kel ist vor allem ein Angriff gegen die US-Regie­rung von Prä­si­dent Donald Trump. Die Autoren sind P. Anto­nio Spa­da­ro SJ, der Chef­re­dak­teur der Civil­tà  Cat­to­li­ca und einer der eng­sten Papst-Ver­trau­ten, und Mar­ce­lo Figue­roa, ein pres­by­te­ria­ni­scher Pastor und per­sön­li­che Freund des Pap­stes, den Fran­zis­kus zum Lei­ter der neu­en, argen­ti­ni­schen Aus­ga­be des Osser­va­to­re Roma­no machte.

Zwei Fak­to­ren haben evan­ge­li­ka­le Krei­se in den USA auf­hor­chen las­sen. Das ist ein­mal die Nähe der bei­den Autoren zu Papst Fran­zis­kus, zum ande­ren die Tat­sa­che, daß jeder Arti­kel der römi­schen Jesui­ten­zeit­schrift einer aus­drück­li­chen Druck­erlaub­nis durch den Vati­kan bedarf. Zu wich­ti­gen The­men über­nimmt  Fran­zis­kus die Auf­ga­be des Zen­sors sogar selbst und erteilt direkt das Nulla osta.

Innerkirchliche Kampfansage und Schulterschluß mit Trump-Gegnern

Der Fron­tal­an­griff gegen die „reli­giö­se Rech­te“, ob pro­te­stan­tisch oder katho­lisch, hat offen­bar meh­re­re Stoß­rich­tun­gen. Er han­delt sich zunächst um eine inner­ka­tho­li­sche Kampf­an­sa­ge. Der US-Epi­sko­pat war in den 70er Jah­ren stark pro­gres­siv geprägt. Unter Johan­nes Paul II. begann Rom gegen­zu­steu­ern, bis sich unter Bene­dikt XVI. der Umbau der Kir­chen­spit­ze in den USA kon­so­li­diert hat­te. Aller­dings nur für kur­ze Zeit: pro­gres­si­ve Krei­se sehen unter Papst Fran­zis­kus die Chan­ce, die Uhr wie­der zurückzudrehen.

Der Angriff gilt zudem den Evan­ge­li­ka­len, einer in den USA ent­stan­de­nen pro­te­stan­ti­schen Strö­mung von Frei­kir­chen, die sich in den ver­gan­ge­nen Jahr­zehn­ten auch auf ande­re Kon­ti­nen­te aus­ge­wei­tet hat, vor allem in Latein­ame­ri­ka. Seit US-Prä­si­dent Ronald Rea­gan kommt ihnen bei Wah­len eine nicht unbe­deu­ten­de Rol­le zu. Die Evan­ge­li­ka­len wer­den, neben „kon­ser­va­ti­ven“ Katho­li­ken, von Links­krei­sen für den Wahl­sieg von US-Prä­si­dent Donald Trump ver­ant­wort­lich gemacht.

Nicht zuletzt ist der Spa­da­ro/­Fi­gue­roa-Arti­kel auch ein Signal an die Demo­kra­ti­sche Par­tei der USA und die Trump-Geg­ner, auf wel­cher Sei­te Papst Fran­zis­kus und der Hei­li­ge Stuhl stehen.

Mit der poli­ti­schen Lin­ken tei­len die Autoren die Über­zeu­gung, daß der Ein­fluß der „reli­giö­sen Rech­ten“ zu besei­ti­gen sei, um eine Wie­der­ho­lung des „Betriebs­un­fal­les“ Trump aus­zu­schlie­ßen. Was für die poli­ti­sche Ebe­ne gilt, gilt auch für die kirch­li­che und mora­li­sche Ebe­ne. Aus den Spal­ten der New York Times waren einen Monat vor dem Spa­da­ro/­Fi­gue­roa-Arti­kel die „reli­gi­ös Libe­ra­len“, was im US-Sprach­ge­brauch die „reli­giö­se Lin­ke“ meint, auf­ge­ru­fen wor­den, die „Vor­herr­schaft der reli­giö­sen Rech­ten in der Moral-Agen­da des Lan­des zu bre­chen“. Umset­zen sol­len die­sen Umsturz laut New York Times jene „katho­li­schen Akti­vi­sten, die von Papst Fran­zis­kus inspi­riert“ sind. Kon­kret geht es dabei um The­men wie Abtrei­bung, Eutha­na­sie, „Homo-Ehe“ und Einwanderung.

Der von Spa­da­ro und Figue­roa voll­zo­ge­ne Schul­ter­schluß mit den Trump-Geg­nern scheint die Ant­wort auf die­sen Appell zu sein. Weni­ge Tage nach der Ver­öf­fent­li­chung des Auf­sat­zes in der Civil­tà  Cat­to­li­ca beton­te Pater Spa­da­ro, daß der Auf­satz mit „vol­ler Zustim­mung“ des Vati­kans erschie­nen ist.

Evangelikaler Appell an Franziskus – Gesuch um Audienz

Eine Reak­ti­on aus den USA kam nun von den Evan­ge­li­ka­len. Evan­ge­li­ka­le Anfüh­rer, die im Wahl­kampf US-Prä­si­dent Trump unter­stützt haben, möch­ten mit Papst Fran­zis­kus zusam­men­kom­men. Am ver­gan­ge­nen Mon­tag baten sie den Papst um eine Audi­enz, um mit ihm „über einen kri­ti­schen, jüngst in einer Zeit­schrift des Vati­kans erschie­ne­nen Arti­kel“ zu spre­chen, wie The Voice of Ame­ri­ca berichtete.

John­nie Moo­re, Spre­cher des evan­ge­li­ka­len Bei­rats von Donald Trump, gab bekannt, im Namen meh­re­rer füh­ren­der Evan­ge­li­ka­ler eine Peti­ti­on nach Rom geschickt zu haben. Die Peti­ton ist eine Ant­wort auf den Spa­da­ro-Figue­roa-Arti­kel, in dem behaup­tet wird, die ver­ein­te, katho­li­sche und evan­ge­li­ka­le „Rech­te“ in den USA habe mit dem US-Prä­si­den­ten eine „Alli­anz des Has­ses“ gebildet.

Evan­ge­li­ka­le Anfüh­rer hät­ten den Papst um Audi­enz gebe­ten, um über die Ver­su­che zu spre­chen, „einen Keil zwi­schen Katho­li­ken und Evan­ge­li­ka­le trei­ben zu wol­len“, so Moo­re. Dem Papst schrieb er:

„Ich den­ke, es wäre ein gro­ßer Gewinn sich gegen­sei­tig anzu­hö­ren und die­se Sache zu besprechen.“

Spadaro und Figueroa unbeeindruckt von Kritik

Die bei­den Papst-Ver­trau­ten Spa­da­ro und Figue­roa hat­ten in ihrem Arti­kel behaup­tet, daß sich die „poli­ti­sche Alli­anz“ zwi­schen katho­li­schen und evan­ge­li­ka­len Krei­sen „radi­ka­li­siert“ und Kon­flik­te und Haß schü­ren wür­de. Das Autoren­duo wirft der „reli­giö­sen Rech­ten“ vor, „frem­den­feind­lich und isla­mo­phob“ zu sein und Mau­ern errich­ten und „Rein­heit“ durch „Depor­ta­tio­nen“ errei­chen zu wollen.

Für Papst Fran­zis­kus aber, so Spadaro/​Figueroa, sei die Hil­fe für Flücht­lin­ge und Ein­wan­de­rer „eine abso­lu­te Prio­ri­tät“ sei­nes Pontifikats.

Ihr Arti­kel löste eine hef­ti­ge Wel­le der Kri­tik aus, die von katho­li­scher wie evan­ge­li­ka­ler Sei­te vor­ge­bracht wur­de. Den Autoren wird man­geln­de Kennt­nis der US-Geschich­te, Ver­zer­rung der Wirk­lich­keit und ein­sei­ti­ge, ideo­lo­gisch moti­vier­te Par­tei­nah­me vorgeworfen.

Die evan­ge­li­ka­le Ant­wort auf den Arti­kel und das Gesuch evan­ge­li­ka­ler Füh­rer, vom Papst in Audi­enz emp­fan­gen zu wer­den, signa­li­sie­ren, daß Fran­zis­kus ris­kiert, die von ihm geknüpf­ten Kon­tak­te zu den Evan­ge­li­ka­len wie­der zu ver­spie­len – geop­fert auf dem Altar der Politik.

Davon unbe­ein­druckt ver­öf­fent­lich­ten die bei­den Autoren Spa­da­ro und Figue­roa den gan­zen ver­gan­ge­nen Monat auf Twit­ter Aus­zü­ge des Aufsatzes.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: The Voice of Ame­ri­ca (Screen­shot)

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