„Formale Zurechtweisung“, professio fidei, kanonisches Verfahren oder Selbstkorrektur des Papstes – Die Diskussion ist eröffnet


"Der entfesselte Papst" und die "fröhliche Fehlbarkeit" (Der Spiegel) - die Diskussion von Kirchenrechtlern, Theologen und hohen Kirchenvertretern über eine "formale Zurechtweisung" des Papstes ist eröffnet.
"Der entfesselte Papst" und die "fröhliche Fehlbarkeit" (Der Spiegel) - die Diskussion von Kirchenrechtlern, Theologen und hohen Kirchenvertretern über eine "formale Zurechtweisung" des Papstes ist eröffnet.

(Rom) Kar­di­nal Ray­mond Bur­ke, einer der vier Unter­zeich­ner der Dubia (Zwei­fel) zum umstrit­te­nen nach­syn­oda­len Schrei­ben Amo­ris lae­ti­tia, kam jüngst in Inter­views auf die brü­der­li­che Zurecht­wei­sung von Papst Fran­zis­kus zurück. Damit stieß er die Tür zu einer neu­en Dis­kus­si­on auf, die­ses The­mas unter Kir­chen­recht­lern und Theo­lo­gen ernst­haft zu studieren.

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Der Kar­di­nal aus Wis­con­sin, der wie kein ande­rer durch Papst Fran­zis­kus geschnit­ten wird, spricht seit Novem­ber 2016 von einer „for­ma­len Kor­rek­tur“ der irri­gen Leh­ren, die der Papst durch Amo­ris lae­ti­tia ver­brei­te bzw. deren Ver­brei­tung er dulde.

Aidan Nichols: Kanonisches Verfahren, um Papst zur Ordnung zu rufen

In den ver­gan­ge­nen Wochen kam es zu ver­schie­de­nen Reak­tio­nen. Der eng­li­sche Domi­ni­ka­ner und Theo­lo­ge, P. Aidan Nichols, reg­te die Ein­füh­rung eines kano­ni­schen Ver­fah­rens an, mit dem ein Papst „zur Ord­nung“ geru­fen wer­den kön­ne, der eine Irr­leh­re verbreite.

Eine „for­ma­le Kor­rek­tur“ einer irri­gen päpst­li­chen Leh­re, wie sie Kar­di­nal Bur­ke nennt, sieht Nichols im der­zei­ti­gen Kir­chen­recht aller­dings nicht vor­ge­se­hen. Es sei daher ange­bracht, eine sol­che ein­zu­füh­ren. Nichols mein­te aber auch, daß eine Ver­ur­tei­lung des amtie­ren­den Pap­stes erst – da weni­ger kon­flikt­reich – unter dem Pon­ti­fi­kat eines Nach­fol­gers zu emp­feh­len sei, wie es mit Papst Hono­ri­us I. gesche­hen sei.

Das Erste Vati­ka­ni­sche Kon­zil habe die Unfehl­bar­keit des Pap­stes klar und eng umris­sen. Die Kir­che habe nie gelehrt, daß ein Papst kraft sei­nes Amtes immun dage­gen sei, Irr­leh­ren zu verbreiten.

Des­halb sei ein kano­ni­sches Ver­fah­ren bei irri­gen Leh­ren, die nicht die Unfehl­bar­keit betref­fen, geboten.

Edward Peters: Kirchenrecht setzt Handlungsfreiheit des Papstes Grenzen

Der US-ame­ri­ka­ni­sche Kir­chen­recht­ler Edward Peters schrieb nach der Stel­lung­nah­me von P. Nichols, daß das Kir­chen­recht sehr wohl schon jetzt der päpst­li­chen Hand­lungs­frei­heit Gren­zen set­ze. Zudem sei es „die Tra­di­ti­on und nicht das Kir­chen­recht, wel­che die Kir­che ver­pflich­tet, eine Rei­he von Wahr­hei­ten anzu­er­ken­nen […], sodaß ein Papst, der die­se plötz­lich her­aus­for­dern soll­te“, oder ande­re unter­stüt­zen wür­de oder gewäh­ren lie­ße, die das tun, „der drin­gen­den Gebe­te bedürf­te und ange­mes­se­nes Objekt einer Zurecht­wei­sung wäre“.

Kardinal Brandmüller: Professio fidei einfordern als Form der „Selbstkorrektur“

In die­se Dis­kus­si­on ist auch Kar­di­nal Wal­ter Brand­mül­ler ein­ge­tre­ten, sei­ner­zeit Chef­hi­sto­ri­ker des Hei­li­gen Stuhls und neben Kar­di­nal Bur­ke eben­falls Unter­zeich­ner der Dubia. Als Kar­di­nal wäre er erster Rat­ge­ber des Pap­stes. Fran­zis­kus will sei­ne Rat­ge­ber aber nicht hören. Auf das Ersu­chen der vier Dubia-Unter­zeich­ner, vom Papst in Audi­enz emp­fan­gen zu wer­den, erhiel­ten sie nicht ein­mal eine Ant­wort.

Kar­di­nal Brand­mül­ler ver­öf­fent­lich­te in der Domi­ni­ka­ner­zeit­schrift Die neue Ord­nung einen Auf­satz zu einem vor­der­grün­dig histo­ri­schen The­ma. Im letz­ten Satz läßt der Kar­di­nal jedoch erken­nen, daß der Blick in die Ver­gan­gen­heit der Gegen­wart gilt. Brand­mül­ler zeigt auf, daß es zumin­dest vom 5. – 15. Jahr­hun­dert in der Kir­che üblich war, daß Päp­ste ein Glau­bens­be­kennt­nis abga­ben. Das hat­te zunächst mit gro­ßen theo­lo­gi­schen Kon­flik­ten jener Zeit zu tun, die zu einer Rei­he von Schis­men führ­ten. Grund­sätz­lich sei es jedoch vor allem dar­um gegangen,

„daß es im vita­len Inter­es­se der Kir­che liegt, daß sie sich des genui­nen, authen­ti­schen Glau­bens eben jenes Man­nes sicher sein kann, der Nach­fol­ger des Apo­stel­für­sten Petrus und Trä­ger sei­ner Voll­macht ist.“

Kar­di­nal Brand­mül­ler gibt zu ver­ste­hen, daß vom Papst selbst in Form einer pro­fes­sio fidei die for­ma­le Kor­rek­tur ver­langt wer­den soll­te. Der Pur­pur­trä­ger geht nicht näher dar­auf ein, doch könn­te eine sol­che „Emp­feh­lung“ an den Papst wohl nur vom Kar­di­nals­kol­le­gi­um aus­ge­spro­chen wer­den. Dafür stün­de die­sem die von Kar­di­nal Brand­mül­ler auf­ge­zeig­te, histo­ri­sche Pra­xis Pate, jeden­falls bräuch­te es dafür kei­ner expli­zi­ten, kano­ni­schen Bestimmungen.

Ein Gespenst, das in der Kirche umgeht

Seit Ver­öf­fent­li­chung von Amo­ris lae­ti­tia wird öffent­lich und mehr noch hin­ter den Kulis­sen Papst Fran­zis­kus auf­ge­for­dert und gedrängt, die umstrit­te­nen Pas­sa­gen zu kor­ri­gie­ren. Nichts der­glei­chen ist gesche­hen. Eben­so ließ er die drin­gen­den Ände­rungs­vor­schlä­ge der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on, die ihm die­se noch vor der Ver­öf­fent­li­chung des nach­syn­oda­len Schrei­bens zukom­men hat­te las­sen, unbe­ach­tet in der Schub­la­de liegen.

Seit­her geht ein Gespenst in der Kir­che um: das Schis­ma. Von ver­schie­de­nen, füh­ren­den Kir­chen­ver­tre­tern wur­de bestä­tigt, daß ein sol­ches in er Luft lie­ge. Kar­di­nal Bur­ke erteil­te jüngst jeder Form eines Schis­mas eine ent­schie­de­ne Absa­ge. Ein sol­cher Schritt kön­ne „nie rich­tig sein“. Das hat in erster Linie damit zu tun, daß der amtie­ren­de Papst selbst der Stein des Ansto­ßes ist.

Deut­li­cher wur­de der Domi­ni­ka­ner Nichols. Ein Schis­ma sei weni­ger schäd­lich als die Ver­brei­tung einer Häresie.

Die Fra­ge ist aber, wer, wo, wel­che Gren­ze zieht.

Die sich ent­flam­men­de Dis­kus­si­on ver­deut­licht die Kon­flik­te, die durch die umstrit­te­nen Pas­sa­gen im VIII. Kapi­tel von Amo­ris lae­ti­tia pro­vo­ziert wur­den. Papst Fran­zis­kus trug, offen­sicht­lich bewußt, wie die Nicht­be­rück­sich­ti­gung der Emp­feh­lun­gen der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on zei­gen, den Kon­flikt in die Kir­che hin­ein. Statt Ein­heit wird dadurch Spal­tung provoziert.

Kurz vor Weih­nach­ten zitier­te Der Spie­gel Papst Fran­zis­kus mit den Worten:

„Nicht aus­ge­schlos­sen, dass ich als der­je­ni­ge in die Geschich­te ein­ge­hen wer­de, der die katho­li­sche Kir­che gespal­ten hat.“

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Der Spie­gel (Screen­shot)

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