„Ein Kasper und ein Kardinal, die leben une liaison fatale“ – Der Pasquinaten zweiter Teil von Stephanus Flavius


Pasquino auf der Piazza Pantaleo in Rom
Pasquino auf der Piazza Pantaleo in Rom

Seit ver­gan­ge­nem Febru­ar wur­de in Rom die Kri­tik­form der Pas­qui­na­ten wie­der­auf­ge­grif­fen und wie bis ins 19. Jahr­hun­dert auch wie­der auf den regie­ren­den Papst ange­wandt. Ende Juli griff Ste­pha­nus Fla­vi­us die­se Form mit „Berg­o­glio Dein, Berg­o­glio mein“ auch nörd­lich der Alpen auf. Hier nun sei­ner Pas­qui­na­ten zwei­ter Teil.

Anzei­ge

*

Ein Kas­per und ein Kar­di­nal,
Die leben une liai­son fata­le.

Kaum spricht der eine über Afri­ka,
Erin­nert sich der and’­re nicht mehr klar,

Und kri­ti­siert Herrn Pen­tin scharf,
Weil nicht sein kann, was nicht sein darf!

Auf dem ersten Teil der Bischofs­syn­ode über die Fami­lie im Jah­re 2014 hat­te sich über­ra­schend gezeigt, daß der größ­te Wider­stand gegen Fran­zis­kus´ neue Barm­her­zig­keit aus­ge­rech­net von den Rän­dern, nament­lich aus Afri­ka, kommt. Beim Ver­las­sen der Syn­ode­nau­la gab Wal­ter Kar­di­nal Kas­per dem Jour­na­li­sten Edward Pen­tin ein Inter­view, in dem er sich her­ab­las­send und abfäl­lig über die Bischö­fe Afri­kas äußer­te. Als er spä­ter bestritt, jemals ein sol­ches Inter­view gege­ben zu haben, ver­öf­fent­lich­te Edward Pen­tin die Ton­band­auf­nah­me des Inter­views.

„Liai­son fatal“ ist übri­gens der fran­zö­si­sche Titel eines ame­ri­ka­ni­schen Kino­fil­mes. Auf deutsch lief er unter dem Namen: „Eine ver­häng­nis­vol­le Affäre“.

*

Der Armen Weis­heit sollt ihr hören.
Nur an die Rän­der geht die Rei­se!
Und doch: ein Graf sollt‘ Franz betö­ren,
Auch war der weder arm noch weise.

Auf Lae­ti­zi­ens rech­ten Glau­ben schwört
Er laut und for­dert still und lei­se,
Daß er als Prä­fekt nach Rom gehört.
Der Kir­chen­bei­trag zahlt die Reise.

Die Ver­se bezie­hen sich auf eine der zahl­rei­chen Anek­do­ten, die der Erz­bi­schof von Wien, Graf Chri­stoph Kar­di­nal Schön­born, ger­ne erzählt – und in der er natür­lich selbst die Haupt­rol­le spielt: Der Papst habe ihn besorgt gefragt, ob sein nach­syn­oda­les Schrei­ben über die Lie­be in der Fami­lie noch recht­gläu­big sei, und er konn­te den Hei­li­gen Vater selbst­ver­ständ­lich beruhigen.

Der Vor­na­me Lae­ti­zia ist hier als Abkür­zung für Amo­ris læti­tia zu ver­ste­hen. Was zunächst nur dem Vers­maß geschul­det war, scheint gar nicht so unpas­send: Besieht man sich die zahl­lo­sen Erklä­run­gen und Kom­men­ta­re, scheint die Inter­pre­ta­ti­on die­ses einen Doku­men­tes so kom­plex, wie sonst die eines gan­zen theo­lo­gi­schen Lebenswerkes.

Für bun­des­deut­sche Leser: Der Kir­chen­bei­trag ist das öster­rei­chi­sche Gegen­stück zur Kirchensteuer.

*

Cali­gu­la regier­te unbe­schwert
Und wird vom Tier­freund heu­te sehr ver­ehrt,
Denn zum Sena­tor mach­te er: ein Pferd.

Damit Fran­zis­kus‘ Tier­lieb‘ sich bewährt,
Ernennt er – wenn auch um ein „r“ ver­mehrt -
Als Reli­gio­sen­se­kre­tär: ein Pferd.

Kai­ser Cali­gu­la (37–41) genießt bei den anti­ken Autoren durch­wegs einen schlech­ten Ruf als Will­kür- und Gewalt­herr­scher.[1] An histo­risch-phi­lo­lo­gi­schen Fakul­tä­ten, die den Geist der 68er atmen, ste­hen natür­lich kri­ti­sche Relek­tü­ren und Neu­in­ter­pre­ta­tio­nen hoch im Kurs. Daher mein Vor­schlag, die Gestalt Cali­gu­las wegen sei­ner Tier­lie­be neu zu bewerten.

Gemeint ist hier: José Rodrà­guez Car­bal­lo, Sekre­tär der Kon­gre­ga­ti­on für die Ordens­leu­te, frü­her auch Reli­gio­sen­kon­gre­ga­ti­on genannt. Sein Name bedeu­tet in sei­ner spa­ni­schen Mut­ter­spra­che: Pferd – jeden­falls, wenn man das „r“ streicht.

Zugleich gilt er als Sym­bol für ein gewis­ses Moment der Will­kür, das wie ein Schat­ten über dem Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus liegt: Er wur­de zum Kuri­en­erz­bi­schof beför­dert, obwohl in sei­ne Amts­zeit als Gene­ral­mi­ni­ster (Gene­ral­obe­rer) des Fran­zis­ka­ner­or­dens undurch­sich­ti­ge Trans­ak­tio­nen fal­len, die zu Ermitt­lun­gen der Schwei­zer Staats­an­walt­schaft, nebst Beschlag­nah­me von Kon­ten in Mil­lio­nen­hö­he, führ­ten. Ande­rer­seits ste­hen – um nur ein Bei­spiel unter vie­len zu nen­nen – die Fran­zis­ka­ner der Imma­ku­la­ta schon seit Jah­ren unter kom­mis­sa­ri­scher Ver­wal­tung, ohne daß je ein offi­zi­el­ler Grund hier­für genannt wor­den wäre. Im Gegen­teil: Der Ver­such einen sol­chen zu nen­nen brach­te den Kom­mis­sar vor Gericht – und zwar wegen Verleumdung.

*

Ein Leit­mo­tiv hat Papst Berg­o­glio sich erwählt,
Genau das Gegen­teil den Bor­gia-Papst beseelt:
Ver­ach­tung die­ser Welt.
Daher ver­gleicht man mit­ein­an­der,
Franz und Alexander.

Einst mis­sio­nier­te man die Neue Welt für­wahr,
Jetzt wird der Katho­lik dort auch schon sehr bald rar:
Latein­ame­ri­ka.
Das unter­schei­det von ein­an­der,
Franz und Alexander.

In der Renais­sance da galt noch der Pri­mat
Der Pra­xis. Jetzt pole­mi­siert man ganz apart
Rund um den Zöli­bat.
Das unter­schei­det von ein­an­der,
Franz und Alexander.

Einst kämpft‘ die Kir­chen­lei­tung nur um Macht und Geld,
Jetzt hat die Welt zum lin­ken Füh­rer sie bestellt!
Die Macht in die­ser Welt:
Doch, das ver­bin­det mit­ein­an­der,
Franz und Alexander.

Der hl. Franz von Assi­si (1181/82–1226), dem Jor­ge Mario Berg­o­glio sei­nen Papst­na­men ent­lehnt hat, gilt als Inbe­griff der Welt­ent­sa­gung. Der Pon­ti­fi­kat des Bor­gia-Pap­stes Alex­an­ders VI. (1492–1503) hin­ge­gen gilt als trau­ri­ger Höhe­punkt der kirch­li­chen Ver­welt­li­chung. Was könn­te also gegen­sätz­li­cher als die­se bei­den Per­sön­lich­kei­ten sein?

Tat­säch­lich: Wäh­rend Alex­an­der VI. die Mis­si­on Latein­ame­ri­kas erfolg­reich nach Kräf­ten för­der­te[2], wird das Wir­ken Jor­ge Mario Berg­o­gli­os eben­dort von einem Mas­sen­ex­odus latein­ame­ri­ka­ni­scher Katho­li­ken zu den Evan­ge­li­ka­len begleitet.

Der Begriff „Pri­mat der Pra­xis“ gehört natür­lich nicht in die Renais­sance, son­dern ist im letz­ten Drit­tel des 20. Jh. aus der mar­xi­sti­schen Phi­lo­so­phie[3] in die Theo­lo­gie ein­ge­drun­gen. Er hat auch nichts mit den Hand­lun­gen (von griech. πρᾶξις, prãxis – Hand­lung, Tat) der Men­schen zu tun. Dabei han­delt es sich viel­mehr um ein rhe­to­ri­sches Ver­fah­ren, das unsin­ni­ge Gedan­ken­gän­ge plau­si­bel machen, oder Ver­werf­li­ches als not­wen­dig und unum­gäng­lich erschei­nen las­sen soll. Bei der theo­lo­gi­schen Ver­tie­fung des Zöli­ba­tes scheint Papst Fran­zis­kus – wohl mit beab­sich­tig­ten Fol­gen – eine sol­che Her­an­ge­hens­wei­se zu bevorzugen.

Pro­ble­me ganz ande­rer Art hat­te hin­ge­gen Alex­an­der VI. mit dem Zöli­bat: Er ließ einen Pri­mat der Pra­xis im eigent­li­chen Sinn des Wor­tes wal­ten und kam so zu nicht weni­ger als sechs Kindern.

In einem Punk­te aber glei­chen sich bei­de Päp­ste: Bei­de ver­bin­den mit dem Papst­amt einen Füh­rungs­an­spruch in ganz und gar welt­li­chem und poli­ti­schem Sinn, im Fal­le von Papst Fran­zis­kus als Füh­rer einer neu­en kom­mu­ni­sti­schen und „papi­sti­schen“ Inter­na­tio­na­le. Sein poli­ti­scher Bera­ter, Kuri­en­bi­schof Mar­ce­lo Sanchez Sor­on­do, hat­te jeden­falls gegen die­se For­de­rung nichts einzuwenden.

*

Ratz­in­gers Schü­ler – und Berg­o­gli­os Inter­pret,
Das nennt man wirk­lich: hohe Flexibilität.

Vie­le Theo­lo­gen spre­chen so, als gin­ge es hier nur um die Ver­söh­nung ver­schie­de­ner theo­lo­gi­scher Schu­len. Sehen die­se Den­ker nicht, daß das Pro­blem struk­tu­rel­ler Natur ist? Wäh­rend Joseph Ratz­in­ger die Ver­söh­nung von Glau­be und Ver­nunft stets ein Anlie­gen war, führt Jor­ge Mario Berg­o­glio die Gläu­bi­gen in Ver­wir­rung.

Text: Ste­pha­nus Fla­vi­us
Bild: MiL


[1] Vgl.: Hans-Joa­chim Gehr­ke /​ Hel­muth Schnei­der: Geschich­te der Anti­ke, Ein Stu­di­en­buch, Stutt­gart /​ Wei­mar 2000, 313f.

[2] Vgl.: Josef Gla­zik: Der Mis­si­ons­früh­ling zu Beginn der Neu­zeit, in: HKG IV, 605–649, hier 606f., 621, 643.

[3] Vgl.: Gün­ther Bien: Pra­xis. I. Phi­lo­so­phisch, in: LThK, 3. Aufl., Sp. 521.

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2 Kommentare

  1. Auf dem Hin­ter­grund des heu­ti­gen Zustan­des des apo­sto­li­schen Stuh­les kann man nur sagen: Kein Wort gegen Alex­an­der VI. Was sei­ne angeb­li­chen Kin­der betrifft, gibt es mit Sicher­heit nur eines. Der Rest dürf­ten wohl Nef­fen sein. Übri­gens eini­ge der letz­ten Päp­ste haben in mora­li­scher Hin­sicht auch kei­ne so wei­ße Weste.

    • „eini­ge der letz­ten Päp­ste haben in mora­li­scher Hin­sicht auch kei­ne so wei­ße Weste“

      Wel­che wodurch bitte?

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