Regensburger Domspatzen: Der Bericht und die „Zufälle“ namens Ratzinger und Müller


Regensburger Domspatzen: Ein Bericht und die "Zufälle"
Regensburger Domspatzen: Ein Bericht und die "Zufälle"

(Regens­burg) „Was für Zufäl­le“ bei der Unter­su­chung von Miß­bräu­chen bei den Regens­bur­ger Dom­spat­zen, schrieb der Vati­ka­nist Mar­co Tosat­ti nach Bekannt­wer­den des Abschluß­be­rich­tes. An „Zufäl­le“ glau­be er nicht, so Tosat­ti, schon gar nicht, wenn sie sie sich in einem „so prä­zi­sen und über jeden Ver­dacht erha­be­nen Land wie Deutsch­land“ zutra­gen. Die­ser Gedan­ke befiel den Vati­ka­ni­sten, als er gestern lesen muß­te, daß „end­lich“ der Abschluß­be­richt über Miß­brauchs­fäl­le bei den Regens­bur­ger Dom­spat­zen ver­öf­fent­licht wurde.

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Der ORF und zahl­rei­che ande­re Medi­en titel­ten gestern „547 Kin­der bei Regens­bur­ger Dom­spat­zen miss­braucht“. Das Verb „miß­brau­chen“ läßt zusam­men­zucken und an sexu­el­len Miß­brauch von Min­der­jäh­ri­ger den­ken. Ein Schelm wer denkt, beim ORF hät­te man nicht genau das beab­sich­tigt. Ein Blick in den Arti­kel zeigt dann, daß es sich bei fast 90 Pro­zent der Fäl­len um phy­si­sche Züch­ti­gung han­del­te, wie sie in dem unter­such­ten Zeit­raum seit Kriegs­en­de zu den gän­gi­gen Erzie­hungs­me­tho­den gehör­te. Das Bei­spiel zeigt, mit wel­chem Genuß „Qua­li­täts­me­di­en“, die sich der­zeit vehe­ment als Ver­tei­di­ger des Jour­na­lis­mus gegen Ver­brei­tung von „Fake News“ prä­sen­tie­ren, Res­sen­ti­ments, in die­sem Fall gegen die Kir­che, schü­ren. Noch im Jahr zuvor hat­te der­sel­be ORF im Zusam­men­hang mit den Regens­bur­ger Dom­spat­zen das Verb „miß­han­deln“ ver­wen­det, wie es Der Spie­gel auch gestern tat. Der „Hund“ liegt in die­sem Fall – wie so oft – in den gro­ßen Pres­se­agen­tu­ren begra­ben. Sie geben Linie und Wör­ter vor, die von den ande­ren Medi­en über­nom­men wer­den. Stut­zi­ger macht, und dar­um geht es Tosat­ti, der den ORF-Bericht nicht erwähnt, daß die­ser – um beim Bei­spiel zu blei­ben – von der Redak­ti­on „Reli­gi­on“ stammt. Das spä­te­stens läßt erah­nen, daß es in der Sache auch um Kir­chen­po­li­tik geht.

Der am Mon­tag „end­lich“ vor­ge­stell­te Abschluß­be­richt spricht von 547 Fäl­len im Zeit­raum von einem hal­ben Jahr­hun­dert, von denen „zum Glück oder Gott sei Dank, ‚nur‘ 67 sexu­el­len Miß­brauch betref­fen“, so Tosat­ti. Der Rest betrifft Erzie­hungs­me­tho­den, die sei­ner­zeit besten­falls von weni­gen Eltern miß­bil­ligt wurden.

Schwer­wie­gen­der sind die sexu­el­len Miß­brauchs­fäl­le. „Die deut­sche Kir­che hat gut dar­an getan, sie mit einer Unter­su­chung durch einen exter­nen Ver­ant­wort­li­chen auf­zu­ar­bei­ten.“ 48 Opfer wur­den aus­fin­dig gemacht. Die bei­den Haupt­ver­ant­wort­li­chen sind seit etwa 30 Jah­ren tot, wes­halb eine Straf­ver­fol­gung unmög­lich ist. Sie wäre wegen Ver­jäh­rung inzwi­schen ohne­hin nicht mehr mög­lich. Die Opfer erhal­ten eine Ent­schä­di­gung von jeweils 20.000 Euro.

Zufall Ratzinger

„An die­ser Stel­le begin­nen die Zufäl­le“, so Tosat­ti. Das „Schick­sal“ habe es so gewollt, daß der Abschluß­be­richt Georg Ratz­in­ger, den älte­ren Bru­der von Joseph Ratz­in­ger in die Sache hin­ein­zieht, der von 1964–1994 30 Jah­re lang musi­ka­li­scher Lei­ter der Regens­bur­ger Dom­spat­zen war. Vor sie­ben Jah­ren sag­te er in einem Inter­view, in den ersten Jah­ren sei­ner dama­li­gen Funk­ti­on auch eini­ge Ohr­fei­gen aus­ge­teilt zu haben. Wer damals jung war, weiß aus eige­ner Erfah­rung oder zumin­dest Beob­ach­tung, daß Kopf­nüs­se und Ohr­fei­gen in den 50er und frü­hen 60er Jah­ren kei­ne Sel­ten­heit waren. „Wenn ich etwas von dem Miß­brauch gewußt hät­te, hät­te ich etwas unter­nom­men“, sag­te Georg Ratz­in­ger damals. Und auch: „Ich ent­schul­di­ge mich bei den Opfern“. Er tat es auch aus Schmerz dar­über, daß der gute Ruf „sei­ner“ Dom­spat­zen durch die Taten ande­rer besu­delt wurde.

Auf der Pres­se­kon­fe­renz zur Vor­stel­lung des Abschluß­be­rich­tes trug der Rechts­an­walt Weber aller­dings dick auf. Er gab Georg Ratz­in­ger die Ver­ant­wor­tung, „die Augen ver­schlos­sen“ und nichts unter­nom­men zu haben. Ist Georg Ratz­in­ger, dem im Bericht kein Vor­wurf gemacht wird, selbst an Miß­hand­lun­gen oder sogar an Miß­brauch betei­ligt gewe­sen zu sein, nur der Ersatz­an­ge­klag­te, weil die wirk­li­chen Täter längst tot sind? Oder wird ihm eine Ver­ant­wor­tung des­halb zuge­schrie­ben, weil er Ratz­in­ger heißt, und weil sein bekann­te­rer Bru­der Ober­haupt der katho­li­schen Kir­che war und für nicht weni­ge Katho­li­ken irgend­wie noch immer ist? Wur­de mit dem Sei­ten­hieb nur um Medi­en­auf­merk­sam­keit gebuhlt, die prompt gewährt wur­de, oder brach ein­mal mehr jener tief­deut­sche Anti-Ratz­in­ger-Reflex durch?

An kei­nen „Zufall“ glaubt jeden­falls Tosat­ti und zwar wegen des zeit­li­chen Zusam­men­fal­lens mit der Bot­schaft von Bene­dikt XVI. zum Begräb­nis von Kar­di­nal Joa­chim Meis­ner. Die­se Bot­schaft wur­de als Kri­tik am Zustand der Kir­che und an den Hir­ten gele­sen, die nicht gegen die Dik­ta­tur des Zeit­gei­stes kämp­fen, unter der die deut­sche Kir­che stöhnt.

Zufall Müller

„Dann ist da auch noch Kar­di­nal Ger­hard Mül­ler“, so Tosat­ti, der im Abschluß­be­richt eben­falls erwähnt wird. Mül­ler war vor sei­ner Ernen­nung zum Glau­bens­prä­fek­ten Bischof von Regens­burg. Der Bericht kri­ti­siert, wie er den „Fall“ der Regens­bur­ger Dom­spat­zen gehand­habt habe. Vor allem wird ihm man­geln­der Dia­log mit den mut­maß­li­chen Opfern vor­ge­wor­fen. Dazu Tosatti:

„Armer Mül­ler! Es genüg­te nicht der Tritt in den Hin­tern durch den Papst, und nach den ersten Bauch­schmer­zen (sie­he das Inter­view mit der Pas­sau­er Neu­en Pres­se) so tun zu müs­sen, als sei nichts gewe­sen und als wol­le ihm der Papst nur Gutes. Nun kam auch noch die­se sym­pa­thi­sche Klei­nig­keit durch sein hei­mat­li­ches Deutsch­land dazu, wo er bekannt­lich unter sei­nen Mit­brü­dern ja aus­ge­spro­chen beliebt ist.“

Wer den Scha­den hat, braucht sich um den Spott nicht sor­gen, sagt ein deut­sches Sprich­wort. Im Fall von Kar­di­nal Mül­ler fehlt es offen­bar nicht an inner- und außer­kirch­li­chen Lands­leu­ten, die dar­auf bren­nen, ihm ihre Miß­bil­li­gung kund­zu­tun. Und wer am Boden liegt, auf den tritt es sich beson­ders leicht. Im kon­kre­ten Fall schei­nen man­che dar­an inter­es­siert, daß der Kar­di­nal mög­lichst nicht mehr auf­steht. Die­se Genug­tu­ung wird er ihnen nicht geben, wes­halb er zumin­dest nach Kräf­ten geschwächt wer­den soll.

Zugleich mit der Vor­stel­lung des Berichts wur­de in Rom die Ernen­nung des neu­en Sekre­tärs der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on bekannt­ge­ge­ben. Dazu Tosatti:

„Ernannt wur­de, nicht wie erwar­tet, der bei­geord­ne­te Sekre­tär, Kuri­en­erz­bi­schof Ago­sti­no DiNoia, son­dern der Unter­se­kre­tär, Msgr. Gia­co­mo Moran­di, der Mann, der vor andert­halb Jah­ren in der Ratz­in­ger- und Mül­ler-Kon­gre­ga­ti­on pla­ziert wur­de. Eine ziem­lich schnel­le Kar­rie­re. Er ist wirk­lich unter einem guten Stern gebo­ren. Jenem von Benia­mi­no [Stel­la, zu deutsch Stern], dem Prä­fek­ten der Kle­rus­kon­gre­ga­ti­on und gro­ßen Kuri­en­re­gis­seur des Pap­stes. Alles nur Zufälle.“

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: ORF (Screen­shot)

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