La Croix: Will Franziskus – bei Einigung – alten Ritus nur mehr der Personalprälatur der FSSPX vorbehalten?


La Croix: Plant Papst Franziskus eine Aufteilung der Interessensphären mit der Piusbruderschaft?
La Croix: Plant Papst Franziskus eine Aufteilung der Interessensphären mit der Piusbruderschaft?

(Rom) Über­legt Papst Fran­zis­kus eine neue Form, um die über­lie­fer­te Form des Römi­schen Ritus wie­der stär­ker ein­zu­he­gen? Dies berich­te­te La Croix, die Tages­zei­tung der Fran­zö­si­schen Bischofs­kon­fe­renz am ver­gan­ge­nen Frei­tag. Anlaß war der zehn­te Jah­res­tag des Motu pro­prio Sum­morum Pon­ti­fi­cum.

Turbulentes halbes Jahrhundert

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Die jüng­ste Geschich­te rund um die „Alte Mes­se“ und die Tra­di­ti­on ist tur­bu­lent, seit Papst Paul VI. im Eifer des unmit­tel­ba­ren Nach­kon­zils­zeit eine radi­ka­le Lit­ur­gie­re­form durch­setz­te. Als Mit­te der 70er Jah­re der Prie­ster­bru­der­schaft St. Pius X. der kano­ni­sche Sta­tus aberkannt wur­de, befan­den sich jene, die am über­lie­fer­ten Ritus fest­hiel­ten, im rechts­frei­en Raum. Es herrsch­te ein Schwe­be­zu­stand, der je nach Stand­punkt ver­schie­de­ne Inter­pre­ta­tio­nen erlaub­te. Dazu gehör­te auch die Behaup­tung, der alte Ritus sei „ver­bo­ten“ und des­sen Anhän­ger „Sek­tie­rer“.

Papst Johan­nes Paul II. setz­te Anfang der 80er Jah­re einen ersten, beschei­de­nen Schritt der Wie­der­an­er­ken­nung. Die gül­ti­gen, aber uner­laub­ten Bischofs­wei­hen von Erz­bi­schof Mar­cel Lefeb­v­re im Jahr 1988 brach­ten uner­war­tet star­ke Bewe­gung in die Sache. Rom reagier­te mit dem Motu pro­prio Eccle­sia Dei, das neu­en Frei­raum für den über­lie­fer­ten Ritus schuf. Die Prie­ster­bru­der­schaft St. Petrus (FSSP) wur­de im Eil­ver­fah­ren mit den Sta­tu­ten der Pius­bru­der­schaft aner­kannt, um ein Auf­fang­becken für Kle­ri­ker und Gläu­bi­ge zu schaf­fen, die den Weg in den Bruch nicht mit­ge­hen wollten.

Aus dem Bruch rund die Bischofs­wei­hen ist eine gan­ze Rei­he von neu­en alt­ri­tu­el­len Gemein­schaf­ten ent­stan­den. Das Jahr 1988 erwies sich rück­blickend als aus­ge­spro­chen fruchtbar.

Das Ecclesia-Dei-Gehege

Eccle­sia Dei schuf mit der gleich­na­mi­gen Päpst­li­chen Kom­mis­si­on eine erste insti­tu­tio­nel­le Aner­ken­nung der Gemein­schaf­ten der Tra­di­ti­on und der alten Form des Römi­schen Ritus. Das war, 19 Jah­re nach der Lit­ur­gie­re­form von 1969, ein Schritt von beson­de­rer Bedeu­tung. Er kann aber nicht dar­über hin­weg­täu­schen, daß die Gemein­schaf­ten der Tra­di­ti­on durch Eccle­sia Dei in einer Art von Son­der­ge­he­ge und abseits vom Rest der Kir­che gehal­ten wer­den. Die Tra­di­ti­on wird seit 1988 gedul­det, soll aber iso­liert bleiben.

Überlieferter Ritus
Über­lie­fer­ter Ritus: Wel­che Zukunft sieht Fran­zis­kus für ihn vor?

Papst Bene­dikt XVI. unter­nahm wei­te­re 19 Jah­re spä­ter mit Sum­morum Pon­ti­fi­cum einen wei­te­ren gro­ßen Wurf, der dar­in bestand, den über­lie­fer­ten Ritus aus dem Eccle­sia Dei-Gehe­ge zu befrei­en. Bene­dikt XVI. öff­ne­te dazu das Gat­ter des Gehe­ges. Mehr tat er nicht. Das aber war von größ­ter Bedeu­tung. Den Rest müs­sen ande­re tun. Die Mög­lich­kei­ten dazu wur­den von ihm geschaffen.

Mit sei­nem Amts­ver­zicht und der Wahl von Papst Fran­zis­kus haben sich die Din­ge schlag­ar­tig ver­än­dert. Dem amtie­ren­den Papst fehlt jedes Ver­ständ­nis für den über­lie­fer­ten Ritus. Er nimmt das Phä­no­men ledig­lich anhand der exi­stie­ren­den Grup­pen zur Kennt­nis und möch­te offen­bar den Bruch mit der Pius­bru­der­schaft  behe­ben. Sein Zugang ist kir­chen­po­li­ti­scher, nicht inhalt­li­cher Natur. Der über­lie­fer­te Ritus ist ihm fremd und das Fest­hal­ten von Tei­len der Kir­che dar­an auch ziem­lich zuwider.

Das Beispiel der Franziskaner der Immakulata

Wie sich das Kli­ma ver­än­dert hat, zeigt das Vor­ge­hen gegen die Fran­zis­ka­ner der Imma­ku­la­ta und gegen eini­ge Bischö­fe, die beson­ders tra­di­ti­ons­freund­lich waren. Die Fran­zis­ka­ner der Imma­ku­la­ta hat­ten die Inten­ti­on Bene­dikts XVI. mit Sum­morum Pon­ti­fi­cum auf beson­de­re Wei­se ver­stan­den. Der jun­ge Orden war neu­ri­tu­ell, aber tra­di­ti­ons­ver­bun­den und wur­de 2008 alt­ri­tu­ell. In der Pfarr­seel­sor­ge wur­de er biri­tu­ell. Damit stan­den die Tra­di­ti­on und der über­lie­fer­te Ritus erst­mals auch außer­halb des Eccle­sia-Dei-Gat­ters. Die Ent­wick­lung schien viel­ver­spre­chend, zu viel­ver­spre­chend für man­che, wes­halb mit der Amts­über­nah­me von Papst Fran­zis­kus eine har­te Gegen­be­we­gung ein­setz­te. Der ein­zi­ge alt­ri­tu­el­le Orden der Kir­che, der nicht Eccle­sia Dei, son­dern der Ordens­kon­gre­ga­ti­on unter­stand, befin­det sich seit­her unter kom­mis­sa­ri­scher Ver­wal­tung. Der Ordens­grün­der und Gene­ral­obe­re wur­de abge­setzt und unter Haus­ar­rest gestellt. Rom ließ unmiß­ver­ständ­lich wis­sen, daß Bene­dikt zwar das Gat­ter geöff­net hat, Fran­zis­kus aber nicht wünscht, daß das Gat­ter durch­schrit­ten wird. Jeder habe an sei­nem Platz zu bleiben.

Neueinteilung der Interessensphären?

La Croix leg­te am 7. Juli den Arti­kel vor: „Le pape Fran­çois réflé­chit à  l’avenir du motu pro­prio“ (Papst Fran­zis­kus denkt über die Zukunft des Motu pro­prio nach). Dar­in berich­tet die Zei­tung, daß Papst Fran­zis­kus sich mit Über­le­gun­gen trägt, den über­lie­fer­ten Ritus neu ein­zu­he­gen. Ein­ge­hegt soll er blei­ben, aber in einer neu­en Form. Die Über­le­gun­gen ste­hen im Zusam­men­hang mit einer mög­li­chen Aner­ken­nung der Pius­bru­der­schaft. Wie die­se sich nach dem Brief von Kar­di­nal Mül­ler und des­sen Ent­las­sung ent­wickelt, muß sich aller­dings erst noch zei­gen. Die Kar­ten wur­den inner­halb weni­ger Tage neu gemischt.

Soll­te die Pius­bru­der­schaft kano­nisch aner­kannt wer­den, ist Papst Fran­zis­kus bereit, sie als Per­so­nal­prä­la­tur zu errich­ten. Das ist seit eini­ger Zeit bekannt. Neu ist, was La Croix berich­tet, daß Fran­zis­kus in die­se Per­so­nal­prä­la­tur alle alt­ri­tu­el­len Gläu­bi­gen zusam­men­füh­ren und den über­lie­fer­ten Ritus allein auf sie beschrän­ken möch­te. Die dar­ge­leg­ten Absich­ten kom­men einer Neu­ein­tei­lung der Inter­es­sensphä­ren gleich. Eine Neu­ein­tei­lung zwi­schen Fran­zis­kus und der Pius­bru­der­schaft. Die ande­ren Gemein­schaf­ten der Tra­di­ti­on schei­nen dar­in kei­ne Rol­le zu spie­len. Viel­mehr sei genau das wesent­li­ches Ele­ment der Neuverteilung.

„Subjektive Wahl“ der Priester abschaffen

Bene­dikt XVI. ermög­lich­te es jedem Prie­ster zwi­schen den bei­den For­men des Römi­schen Ritus zu wäh­len. Die Sache steht zwar der­zeit noch mehr auf dem Papier, aber dort steht sie. Fran­zis­kus sieht in die­ser Mög­lich­keit, so die fran­zö­si­sche Tages­zei­tung, vor allem eine Quel­le für „Span­nun­gen“, die in den Pfar­rei­en und Diö­ze­sen ent­ste­hen könn­ten. Um sol­che zu ver­mei­den, möch­te er den über­lie­fer­ten Ritus aus­schließ­lich der Per­so­nal­prä­la­tur der Pius­bru­der­schaft vor­be­hal­ten. Damit möch­te er das Rad wie­der vor 1988, vor das Motu pro­prio Eccle­sia Dei, zurück­dre­hen.

„In den Gän­gen des Vati­kans gilt Sum­morum Pon­ti­fi­cum nicht mehr wirk­lich als aktu­el­ler Text“,

so La Croix. Alles hän­ge von den wei­te­ren Gesprä­chen mit der Pius­bru­der­schaft ab. Die Zei­tung der fran­zö­si­schen Bischö­fe unter­stellt, daß die­ses Motu pro­prio für die FSSPX ohne­hin „nicht unbe­dingt eine gute Nach­richt“ gewe­sen sei. Sie habe, das läßt das Blatt nur anklin­gen, ihr ja Kon­kur­renz durch die neu­ent­stan­de­nen Eccle­sia-Dei-Gemein­schaf­ten gebracht.

Jeder vierte Neupriester Frankreichs ist altrituell
Jeder vier­te Neu­prie­ster Frank­reichs ist altrituell

Unter­schwel­lig läßt das Blatt durch­schim­mern, daß Papst Fran­zis­kus eine Eini­gung mit der Pius­bru­der­schaft auf der Grund­la­ge einer gewis­sen Inter­es­sens­kon­gru­enz fin­den möch­te. Was aber könn­te ein gemein­sa­mes Inter­es­se so unter­schied­li­cher Posi­tio­nen sein? Laut La Croix möch­te Fran­zis­kus das Aus­grei­fen des über­lie­fer­ten Ritus in die Diö­ze­sen und Pfar­rei­en ein­däm­men. Die Vor­stel­lung von Bene­dikt XVI. daß der Alte Ritus neben dem Novus Ordo selbst­ver­ständ­lich und gleich­be­rech­tigt im Leben der Kir­che bestehen könn­te, gilt auf man­chen vati­ka­ni­schen „Gän­gen“ als Hor­ror­vi­si­on. Fran­zis­kus sto­ße sich vor allem am gel­ten­den Recht, das es jedem Prie­ster erlaubt, die Form des Ritus zu wäh­len. Die­se Bestim­mung möch­te der Papst zurück­neh­men und die Trag­wei­te von Sum­morum Pon­ti­fi­cum zurück­zu­bau­en. Das Ange­bot des Pap­stes an die Pius­bru­der­schaft ist die Wie­der­her­stel­lung einer Art von Mono­pol­stel­lung wie sie die FSSPX vor 1988 weit­ge­hend hatte.

Entweder Personalprälatur oder Novus Ordo

Salopp for­mu­liert, lau­tet die Bot­schaft von Fran­zis­kus an die Pius­bru­der­schaft: Ihr bekommt den über­lie­fer­ten Ritus exklu­siv und das im Rah­men einer Per­so­nal­prä­la­tur. Im Gegen­zug bleibt die übri­ge Kir­che Vetus-Ordo-frei. Prie­ster hät­ten dann kei­ne freie Wahl mehr, son­dern müß­ten sich ent­schei­den. Ent­we­der sie las­sen sich in die Per­so­nal­prä­la­tur inkar­di­nie­ren oder müs­sen den Novus Ordo zelebrieren.

La Croix zitiert einen nicht genann­ten Beobachter:

„Wenn die Pius­bru­der­schaft die­ses Ange­bot nicht unter­schreibt, sind sie wirk­lich Igno­ran­ten, denn man baut ihnen gol­de­ne Brücken.“

La Croix rech­net damit, daß Bischof Ber­nard Fel­lay, der Gene­ral­obe­re der Pius­bru­der­schaft noch vor dem Som­mer 2018 sei­ne Unter­schrift lei­sten wird. Dann ste­he das näch­ste Gene­ral­ka­pi­tel in der Bru­der­schaft bevor. Die Ernen­nung zum Ober­haupt einer Per­so­nal­prä­la­tur wäre auf Lebens­zeit, wes­halb er sich nicht mehr einer „kom­pli­zier­ten Wie­der­wahl“ in der Bru­der­schaft stel­len müßte.

Papst von Berichten aufgeschreckt, daß junge Katholiken dem alten Ritus zuneigen

Papst Fran­zis­kus sei, so La Croix, auch auf­ge­schreckt von Berich­ten, daß gera­de jun­ge Katho­li­ken, die ihren Glau­ben ernst­neh­men, zum über­lie­fer­ten Ritus nei­gen. Um dem ent­ge­gen­zu­wir­ken, pla­ne Fran­zis­kus im Rah­men der Gene­ral­au­di­enz eine neue Rei­he von Mitt­wochs-Kate­che­sen über die Liturgie.

Der La Croix-Arti­kel ent­hält eine Rei­he gezielt abge­schos­se­ner Gift­pfei­le. Nach dem Mot­to divi­de et impe­ra sol­len offen­bar vor allem die Gemein­schaf­ten der Tra­di­ti­on gegen­ein­an­der aus­ge­spielt wer­den. Tat­sa­che ist aber auch, daß der Arti­kel im Kern römi­sche Über­le­gun­gen wider­spie­gelt. Dafür steht die Haupt­quel­le für den Arti­kel: der ultra­pro­gres­si­ve Lit­ur­gi­ker Andrea Gril­lo, der Papst Fran­zis­kus nahesteht.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: La Croix/

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