„Mysteriöses“ Gespräch drei Tage vor dem Amtsverzicht von Papst Benedikt XVI.


Ettore Gotti-Tedeschi war von 2009-2012 Präsident der Vatikanbank IOR. Drei Tage bevor Papst Benedikt XVI. überraschend seinen Amtsverzicht bekanntgab, war es zu einer seltsamen Begegnung mit dem damaligen Kardinalstaatssekretär gekommen.
Ettore Gotti-Tedeschi war von 2009-2012 Präsident der Vatikanbank IOR. Drei Tage bevor Papst Benedikt XVI. überraschend seinen Amtsverzicht bekanntgab, war es zu einer seltsamen Begegnung mit dem damaligen Kardinalstaatssekretär gekommen.

(Rom) Wie der ehe­ma­li­ge Prä­si­dent der Vatik­an­bank IOR, Etto­re Got­ti Tede­schi, heu­te in einem Inter­view bekannt­gab, fand drei Tage, bevor Papst Bene­dikt XVI. sei­nen über­ra­schen­den Amts­ver­zicht ankün­dig­te, ein „myste­riö­ses“ Gespräch, so Info­Va­ti­ca­na, mit dem dama­li­gen Kar­di­nal­staats­se­kre­tär Tar­cis­io Ber­to­ne statt.

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Das Inter­view mit dem Ban­kier führ­te der Vati­ka­nist Mar­co Tosat­ti. Anlaß war der Rück­tritt des Finanz­ex­per­ten Libe­ro Milo­ne, den Papst Fran­zis­kus im Mai 2015 zum ersten Gene­ral­re­vi­sor der Vati­kan­finan­zen ernannt hat­te. Die Stel­le war vom Papst neu geschaf­fen wor­den und mit dem Auf­trag ver­bun­den, eine Kon­troll­funk­ti­on aus­zu­üben und die Moder­ni­sie­rung des Finanz- und Wirt­schafts­sy­stems des Vati­kans vor­an­zu­trei­ben. Milo­ne, der zuvor bereits für Deloit­te, Tele­com, Fiat, Falck und die UNO gear­bei­tet hat­te, warf am 6. Juni das Handtuch.

Papst Franziskus mit Libero Milone
Papst Fran­zis­kus mit Libe­ro Milone

Die Grün­de sind schwer zu durch­schau­en. In den ersten Mona­ten sei­ner Tätig­keit waren Unbe­kann­te in sei­nen Com­pu­ter ein­ge­drun­gen. Der Vor­fall löste den Skan­dal Vati­leaks 2 aus. Vor weni­gen Wochen soll es zu einer har­ten Aus­ein­an­der­set­zung mit der von Kar­di­nal Dome­ni­co Cal­ca­g­no gelei­te­ten Güter­ver­wal­tung des Apo­sto­li­schen Stuhls (APSA) gekom­men sein.

Noch vor drei Mona­ten hat­te Milo­ne erklärt, es „nicht zu bereu­en“, das Amt ange­nom­men zu haben. Er sei „ent­schlos­sen, mit gro­ßer Begei­ste­rung“ sei­nen Auf­trag „bis zum Schluß“ aus­zu­fül­len. Gemein­sam mit zwölf Mit­ar­bei­tern, sechs Frau­en, sechs Män­ner, war Milo­ne mehr als zwei Jah­re im Vati­kan tätig. Nun kam das uner­war­te­te Ende der Zusammenarbeit.

Fest steht, daß Milo­ne im April das Ange­bot der ita­lie­ni­schen Regie­rung abge­lehnt hat­te, Vor­stands­mit­glied von Rai­Way zu wer­den, der Betrei­ber­ge­sell­schaft für die gesam­te Daten­über­tra­gung des ita­lie­ni­schen Staats­rund­funks (Satel­li­ten, Sen­de­an­la­gen, Glas­fa­ser­lei­tun­gen usw).

Milo­ne hat­te zusam­men mit Kar­di­nal Geor­ge Pell, dem Prä­fek­ten des neu­en vati­ka­ni­schen Wirt­schafts­se­kre­ta­ri­at, mit dem es eine „enge und gute“ Zusam­men­ar­beit gege­ben habe, einen Brief an alle Dik­aste­ri­en der Römi­schen Kurie geschickt. Dar­in wur­de mit­ge­teilt, daß zwei Schrei­ben der APSA von Anfang Mai, unter­zeich­net vom APSA-Sekre­tär Msgr. Mau­ro Rivel­la, kei­ne Gül­tig­keit hätten.

Medi­en berich­te­ten, daß Fran­zis­kus‘ Reform­wil­le „ins Stocken“ gera­te und auf „hef­ti­gen Wider­stand“ sto­ße. Um eine unzu­tref­fen­de Pole­mik han­delt es sich, wenn eini­ge Mas­sen­me­di­en, auch im deut­schen Sprach­raum, den Kon­flikt als Teil eines „Macht­kamp­fes kon­ser­va­ti­ver Krei­se“ gegen Fran­zis­kus schil­der­ten. Bereits die han­deln­den Figu­ren zei­gen, daß der Kon­flikt ganz anders gela­gert ist.

Tosat­ti stell­te dazu dem frü­hen Vatik­an­bank-Chef Etto­re Got­ti Tede­schi eini­ge Fra­gen. Der inter­es­san­te­ste Teil soll hier wie­der­ge­ge­ben werden.

Mar­co Tosat­ti: Im Janu­ar 2015 haben sie im Catho­lic Herald einen Offe­nen Brief an Kar­di­nal Pell, den Prä­fek­ten des Wirt­schafts­se­kre­ta­ri­ats ver­öf­fent­licht. Warum?

Die Leostadt Roms
Die Leostadt von Rom

Etto­re Got­ti Tede­schi: Weil S.Em., Kar­di­nal Pell, einen Monat zuvor dem Catho­lic Herald ein Inter­view gege­ben hat­te, in dem er sag­te, daß die Finan­zen des Hei­li­gen Stuhls (mit dem neu­en Pon­ti­fi­kat) end­lich unter Kon­trol­le sei­en. Mit mei­nem Inter­view nahm ich mir die Frei­heit und die Ver­ant­wor­tung, den Prä­fek­ten zu kor­ri­gie­ren, indem ich ihm erklär­te, daß die Finan­zen des Hei­li­gen Stuhls bereits mit den von Bene­dikt XVI. gewoll­ten Nor­men, Pro­ze­du­ren und Struk­tu­ren gegen Geld­wä­sche „unter Kon­trol­le“ gebracht wor­den waren. Ich habe ihm erklärt, wann und wie und mit wel­chen Kon­se­quen­zen sie ver­än­dert wur­den. Ich habe ihm auch erklärt, wel­che Fak­ten mei­nes Erach­tens zu mei­nem „Raus­wurf“ als IOR-Prä­si­dent geführt hat­ten, ein nie­der­träch­ti­ger Raus­wurf, weil er mit dem Wohl der Kir­che begrün­det wur­de. Mehr­fach hat­te ich ver­geb­lich dar­um gebe­ten, ange­hört zu wer­den. Ich erklär­te ihm auch, wel­che Doku­men­te er sich zei­gen las­sen soll­te, um zu ver­ste­hen, was 2010 und bis zum 24. Mai 2012 gesche­hen war, und um fest­zu­stel­len, wer dafür ver­ant­wort­lich war. Ich bat ihn auch, das Inter­view zu lesen, das der per­sön­li­che Sekre­tär von Papst Bene­dikt im Okto­ber 2013 der [Tages­zei­tung] Il Mess­ag­ge­ro gege­ben hat­te, und zu fra­gen, was am 7. Febru­ar 2013 um 18 Uhr in einer Woh­nung in der Leostadt [der inner­halb der Leo­ni­ni­schen Mau­ern gele­ge­nen Teil Roms, zu dem auch der Vati­kan gehört] gesche­hen ist. Ich habe nie erfah­ren, ob Kar­di­nal Pell das getan hat oder nicht.

Mar­co Tosat­ti: Was ist damals geschehen?

Etto­re Got­ti Tede­schi: Kar­di­nal Ber­to­ne teil­te mir im Haus eines Kar­di­nals (ich hat­te mich gewei­gert hin­ter die vati­ka­ni­schen Mau­ern zu kom­men) mit, daß der Hei­li­ge Vater mei­ne sofor­ti­ge Reha­bi­li­tie­rung ange­ord­net hat­te. Er sag­te mir, ich sol­le mich in den näch­sten Tagen bereit­hal­ten, um in Rom sein zu kön­nen. Am 11. Febru­ar gab der Hei­li­ge Vater sei­nen Amts­ver­zicht bekannt. Ich wur­de nie mehr gerufen.

Einleitung/​Übersetzung: Giu­sep­pe Nardi
Bild: InfoVaticana/Vatican.va/Wikicommons (Screen­shots)

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3 Kommentare

  1. Es ist offen­sicht­lich wie­der ein klei­ner Spalt, der sich uns, dem kri­ti­schen Leser öff­net in dem Gesche­hen, dass nur weni­ge begrei­fen, dass aber zugleich der Schlüs­sel zur Beur­tei­lung de Pro­ble­ma­tik der heu­ti­gen Kir­che ist. Etto­re Got­ti Tede­schi hat nach allem. was ich von ihm gele­sen habe, abso­lu­te Glaub­wür­dig­keit. Ich dan­ke Gott, dass er der heu­ti­gen Kir­che auch sol­che Per­sön­lich­kei­ten geschenkt hat.

  2. Habe ich das recht ver­stan­den, dass die zeit­li­che Koin­zi­denz auf eine Machen­schaft hin­wei­sen soll, die zum Rück­tritt Bene­dikts XVI geführt habe?
    Ich hal­te nichts davon, alle mög­li­chen Indi­zi­en in die­se Rich­tung zu sam­meln, die in ihrer Vag­heit letzt­lich über eine Null­sum­me nicht hin­aus­füh­ren. Man scha­det dem Ruf des papa eme­ri­to nur, wenn man die von ihm wie­der­holt erklär­te freie Über­legt­heit sei­nes Rück­tritts so ins Zwie­licht zie­hen will.
    Das Gan­ze ist sehr leicht zu Gun­sten der Frei­heit des Rück­tritts von Bene­dikt zu erklä­ren: Gera­de weil für ihn der Ter­min der Erklä­rung fest­stand, hat­te er die sofor­ti­ge Reha­bi­li­tie­rung ange­ord­net – et non vice ver­sa!! Und weil er da sicher ande­res im Kopf hat­te, hat­te er sich um die Aus­füh­rung nicht mehr geküm­mert, und es wur­de, wie im Vati­kan wohl nicht unüb­lich, verschlampt …

    • Nur „ver­schlampt“? Viel­leicht. Immer­hin wur­de der Kar­di­nal­staats­se­kre­tär per­sön­lich bemüht. Wer hät­te also „die Aus­füh­rung ver­schlam­pen“ sol­len, sprich, wer hät­te noch etwas zu tun gehabt, es aber nicht getan? Hät­te es einen Beschluss gege­ben, wür­de der noch immer gel­ten. Gab es kei­nen Beschluss, wer hät­te ihn fas­sen kön­nen? Der Papst, der Kar­di­nal­staats­se­kre­tär? Eine Stu­fe tie­fe geht in der Sache ja nicht. Die Sache ist schon „myste­ri­ös“.

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