(Fatima) Ein neues Buch von Saverio Gaeta über Fatima kündigt „Neues“ an, das in Wirklichkeit nicht ganz so neu ist. Neu ist allerdings, daß ein anerkannter Vatikanist die These wiederholt, daß im Jahr 2000 der dritte Teil des Geheimnisses von Fatima (Drittes Geheimnis) nicht vollständig veröffentlicht worden sei, und daß er das im größten katholischen Verlag Italiens tun kann. Zudem liefert er auch einige neue Details.
Saverio Gaeta wird, was Kardinal Bertone abschätzig „Fatimisten“ nannte
Kardinal Tarcisio Bertone nannte die Vertreter dieser These abschätzig „Fatimisten“. Saverio Gaeta gehört nun auch zu den „Fatimisti“. In seinem soeben erschienenen Buch „Fatima tutta la verità “ (Fatima – Die ganze Wahrheit. Die Geschichte, die Geheimnisse, die Weihe) schreibt Gaeta:
„Nicht alles wurde enthüllt“.
Es gebe einen „Anhang“, der „nie gezeigt wurde“. Dieser „Anhang“ enthalte die Erklärungen von Sr. Lucia zu den Marienerscheinungen von 1917.
Saverio Gaeta gehört zu den bekanntesten und einflußreichsten katholischen Journalisten Italiens. 1958 in Neapel geboren, studierte er Kommunikationswissenschaften und lehrt Journalistik an der Päpstlichen Universität der Salesianer in Rom. Seit dem 20. Lebensjahr ist er journalistisch tätig, zuerst als Redakteur der Kirchenzeitung von Neapel, dann als Sprecher zweier Erzbischöfe dieser Stadt. Er wurde Redakteur der führenden Tageszeitung von Neapel (Il Mattino), dann des Osservatore Romano und der Monatszeitschrift Jesus des Jesuitenordens. Seit 1999 ist er Chefredakteur des Wochenmagazins Famiglia Cristiana, die mit einer halben Million weitaus auflagenstärkste katholische Zeitung Italiens mit gemäßigt progressivem Einschlag.
Famiglia Cristiana erscheint im Verlag Edizioni Paoline der „Paulusfamilie“, wie die Orden zusammenfassend genannt werden, die sich auf den gemeinsamen Gründer, den seligen Priester Giacomo Alberione (1884–1971), zurückführen.
Im selben Verlag erschien nun auch Gaetas neues Fatima-Buch und sichert sich damit seit dem 9. März größte Sichtbarkeit im italienischen Buchhandel. Da der Verlag in zahlreichen Ländern aktiv ist, sind Übersetzungen in andere Sprachen nicht ausgeschlossen.
„Schreib, was ich Dir anordne, nicht was Dir gegeben ist, zu verstehen“
Gaeta sagte in einem Interview mit der Nachrichtenagentur AskNews zur Buchvorstellung:
„Das Dritte Geheimnis wurde erst 2000 bekanntgegeben, nach sehr vielen Jahren, obwohl wir wissen, daß die Gottesmutter zu Sr. Lucia gesagt hatte, daß es bereits 1960 enthüllt werden hätte können. 40 Jahre später ist das Dritte Geheimnisses nur zum Teil veröffentlicht worden, weil die Gottesmutter selbst, 1944, als sie Lucia sagte, dem Bischof zu schreiben, ihr anordnete: ‚Schreib, was ich Dir diktiere, aber nicht, was Dir gegeben ist, zu verstehen.“
Gaeta sammelte, wie er selbst erklärte, eine Vielzahl von Indizien, die er akribisch ordnete. Das Ergebnis führte ihn zum Schluß, daß das Dritte Geheimnis 2000 „tatsächlich nicht vollständig“ veröffentlicht worden sei.
„Ich habe alle abweichenden Aspekte zusammengetragen, die zeigen, wie die Kardinäle, der Pressesprecher der Päpste, hohe Persönlichkeiten des Vatikans unterschiedliche Zeitangaben zu den gleichen Ereignissen machen, unterschiedliche Angaben zur Größe des Umschlags, unterschiedliche Angaben zur Größe der Blätter. Das alles läßt daran denken, daß es etwas gibt, was – soweit wir es verstehen können – vom Vatikan nicht direkt der Gottesmutter zugeschrieben wurde, sondern vielmehr den Erklärungen von Sr. Lucia, und daß man es deshalb vielleicht vorgezogen hat, diese geheimzuhalten.“
Gaeta schreibt den „unveröffentlichten“ Teil des Dritten Geheimnisses nicht direkt, sondern indirekt der Botschaft der Gottesmutter zu. Sr. Lucia habe eine direkte Botschaft erhalten und eine erklärende Erläuterung dazu, um die Botschaft zu verstehen. Laut dem italienischen Journalisten und Buchautor gehe es beim vom Vatikan zurückgehaltenen Abschnitt „wahrscheinlich“ um den erläuternden Teil, mit dem die Gottesmutter Lucia die Botschaft verstehen ließ.
Entscheidung über fehlenden Teil „steht nur dem Papst zu“
Dieser „Anhang“ oder „Zusatz“ von Sr. Lucia lasse sich in einigen Texten finden, die erst vor einem Jahr von ihren Mitschwestern in Coimbra veröffentlicht wurden, „ohne daß ihnen vielleicht deren Bedeutung bewußt war“. In einer Biographie, die sie über Sr. Lucia herausbrachten, publizierte sie mehrere, bisher völlig unbekannte, unveröffentlichte Briefe.
„Einer von ihnen aus dem Jahr 1937 und einer aus dem Jahr 1944, die völlig unbekannt waren, enthüllen uns, was Sr. Lucia dem Bischof erzählte. Sie erzählt, ein immenses Licht gesehen zu haben, das Gott ist, und in dieser Schauung fünf Flüsse gesehen zu haben, die über die Ufer traten, das Meer, das alles überschwemmte, ein Erdbeben, das die Erde erschütterte, etwas, das wie eine flammende Sache vom Himmel auf die Erde stürzte, wir könnten an einen Meteoriten oder so etwas denken, und einen zerstörerischen Krieg.“
Auf die Frage von AskNews, wo sich dieser unveröffentlichte Teil des Dritten Geheimnisses von Fatima befindet, antwortete Gaeta:
„Wenn es existiert, wie ich annehme, befindet es sich irgendwo im Vatikan und die Entscheidung darüber steht nur dem Papst zu.“
Damit deutet Gaeta an, daß Benedikt XVI., der 2000 an der von Johannes Paul II. gewünschten Veröffentlichung des „Dritten Geheimnisses“ mitwirkte, seit seinem aufsehenerregenden Amtsverzicht von 2013 nicht mehr befugt sei, zum „Geheimnis von Fatima“ Stellung zu nehmen. Die Deutschamerikanerin Maike Hickson hatte Benedikt aufgefordert, den fehlenden Teil zu veröffentlichen.
Im vergangenen Jahr hatte der Augsburger Moraltheologe Ingo Dollinger wiederholt, was er seit 2000 mehrfach erklärte hatte: Der damalige Glaubenspräfekt Joseph Kardinal Ratzinger habe ihm unmittelbar nach der Veröffentlichung des sogenannten „Dritten Geheimnisses“ gesagt, daß diese Veröffentlichung nicht vollständig war. Kurz darauf dementierte der Vatikan, indem das Presseamt im Namen Benedikts XVI. eine Erklärung veröffentlichte, laut der dieser „nie“ mit Dollinger über Fatima gesprochen habe.
Stimmt Gaetas Darstellung und nimmt man die Presseerklärung im Namen Benedikts XVI. dazu, dann ist daraus zu schließen, daß der Vatikan derzeit keine Absicht zu haben scheint, noch einmal zum „Dritten Geheimnis“ Stellung zu nehmen.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Wikicommons/AskNews (Screenshot)