Vom Schlagwort „Fake News“ zum Mißbrauch des Strafrechts und der Einschränkung der Presse- und Meinungsfreiheit?


Meinungsfreiheit in Gefahr Haßposting Fake News Strafrechtsänderung
Die Schlagwörter lauten "Haßposting" und "Fake News", in Gefahr ist jedoch die Presse- und Meinungsfreiheit. Warum Strafrechtsverschärfungen, wo das geltende Recht genügt?

(Rom) Ist der Westen nur mehr dem Namen nach „demo­kra­tisch“? Die­se beklem­men­de Fra­ge drängt sich auf, wenn mit erstaun­li­cher Gleich­zei­tig­keit – der Wahl­sieg von Donald Trump in den USA gab dazu den letz­ten Anstoß – meh­re­re Staa­ten an einer Straf­rechts­än­de­rung arbei­ten. Soge­nann­te „Fake News“ sol­len unter Stra­fe gestellt wer­den. Dis­ku­tiert wird in Ber­lin, Wien, Paris und Rom. Dort liegt bereits ein aus­for­mu­lier­ter Antrag für eine Ände­rung des Straf­ge­setz­bu­ches vor. Nach dem der­zei­ti­gen Arti­kel 265 soll ein Arti­kel 265-bis ein­ge­fügt werden. 

Angriff auf die Presse- und Meinungsfreiheit

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Der Ent­wurf dafür lautet:

„Art. 265-bis. Wer Gerüch­te oder fal­sche, über­trie­be­ne oder ten­den­ziö­se Nach­rich­ten ver­brei­tet oder mit­teilt, die öffent­li­che Beun­ru­hi­gung aus­lö­sen kön­nen, oder zumin­dest eine Akti­vi­tät dar­stel­len, den öffent­li­chen Inter­es­sen zu scha­den oder Berei­che der öffent­li­chen Mei­nung irre­zu­füh­ren, auch durch Kam­pa­gnen mit dem Gebrauch von Infor­ma­tik­platt­for­men zur Online-Ver­brei­tung, wird mit Gefäng­nis nicht unter zwölf Mona­ten und einer Geld­stra­fe bis zu 5.000 Euro bestraft.“

Doch nicht genug. Es soll auch noch ein Arti­kel 265-ter ein­ge­fügt werden:

„Art. 265-ter. Zum Schutz des Ein­zel­nen und der All­ge­mein­heit wird, wer auch durch Ver­wen­dung von Infor­ma­tik­platt­for­men zur Online-Ver­brei­tung sich ver­ant­wort­lich macht für Haß-Kam­pa­gnen gegen Indi­vi­du­en oder für Kam­pa­gnen, die dar­auf abzie­len, den demo­kra­ti­schen Pro­zeß zu unter­gra­ben, auch zu poli­ti­schen Zwecken, mit Gefäng­nis nicht unter zwei Jah­ren und einer Geld­stra­fe bis zu 10.000 Euro bestraft.“

„Haß­po­stings“, „Fake News“. Im tages- und macht­po­li­ti­schen Klein(kram)krieg wer­den lau­fend Schlag­wor­te kre­iert. Bedenk­lich wird es, wenn dar­aus Straf­rechts­än­de­run­gen fol­gen. Bereits der Ansatz läßt eine poli­tisch-ideo­lo­gi­sche Ein­sei­tig­keit befürch­ten. Der Ver­such einer Sei­te, durch Nut­zung des Straf­rechts sich selbst zu begün­sti­gen und die Gegen­sei­te zu benach­tei­li­gen, liegt gera­de­zu schweiß­trie­fend in der Luft. Die „Nut­zung“, stets hehr begrün­det, kann sich schnell als Miß­brauch ent­pup­pen. Eine ein­mal durch­ge­führ­te Geset­zes­än­de­rung läßt sich aber nur mehr schwer korrigieren.

Die katho­li­sche Sei­te Chie­sa e Post­con­ci­lio kri­ti­siert den Ent­wurf, der der­zeit im Ita­lie­ni­schen Senat anhän­gig ist, als „schwer­wie­gen­den Anschlag auf die Pres­se- und Mei­nungs­frei­heit“. Die Sei­te erin­nert an eine histo­ri­sche Par­al­le­le, der zu weh­ren und die zu ver­hin­dern seit 1945 zur Stan­dard­rhe­to­rik von Poli­ti­kern gehört und offi­zi­el­le Staats­rä­son ist.

Das kommt nie wieder?

Am 31. Dezem­ber 1925 erließ das faschi­sti­sche Regime von Beni­to Mus­so­li­ni ein neu­es Pres­se­ge­setz, des­sen Inhalt sich wie folgt zusam­men­fas­sen läßt: Die gesam­te Pres­se unter­liegt der Kon­trol­le und der Zen­sur, wenn sie anti­na­tio­na­le und/​oder regie­rungs­kri­ti­sche Inhal­te ver­brei­tet. 1926 wur­de ein eige­ner Son­der­ge­richts­hof für die Staats­si­cher­heit errich­tet, der poli­tisch unlieb­sa­me Per­so­nen zu rügen oder zu ver­ur­tei­len hat­te. Zugleich wur­de wie­der die Todes­stra­fe ein­ge­führt für Angrif­fe gegen den König und die könig­li­che Fami­lie und gegen Mini­ster­prä­si­dent Beni­to Mus­so­li­ni sowie wegen wei­te­rer poli­ti­scher Delikte.

Chie­sa e post­con­ci­lio kom­men­tier­te dazu:

„Kurz gesagt: Da es nicht erlaubt ist, ande­re Wahr­hei­ten zu ver­brei­ten als jene, die von TG1, TG2, TG3, TG5 und La7 sowie von La Repubbli­ca und Cor­rie­re del­la Sera (et simi­lia) ver­brei­tet wer­den,  ver­kün­det die Obrig­keit mit sofor­ti­ger Wir­kung, daß von nun an, wer immer es wagen soll­te, eine ande­re Wahr­heit zu behaup­ten als die von uns ver­brei­te­te, ver­haf­tet und mit einer Geld­bu­ße belegt wird.
gezeichnet
Die Macht“

Die für Ita­li­en genann­ten Nach­rich­ten­sen­dun­gen der füh­ren­den öffent­lich-recht­li­chen und pri­va­ten Rund­funk­an­stal­ten und die ange­führ­ten Tages­zei­tun­gen las­sen sich belie­big durch mei­nungs­füh­ren­de Medi­en ande­rer Län­der aus­tau­schen. Das sozia­li­stisch domi­nier­te fran­zö­si­sche Par­la­ment lie­fer­te ver­gan­ge­ne Wochen ein abschrecken­des, kon­kre­tes Bei­spiel, wie die­se Ein­schrän­kung der Pres­se- und Mei­nungs­frei­heit funktioniert.

Text: Andre­as Becker
Bild: Montage

 

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