Nach dem Stich ins „deutsche Wespennest“ nur mehr Ad-limina-Besuche ohne Papst-Ansprache


Der Ad-limina-Besuch der deutschen Bischöfe bei Papst Franziskus am 20. November 2015. Der Papst verstand sich gut mit den Bischöfen, der Inhalt des verteilten Textes war jedoch ein Stich ins Wespennest. Ab diesem Datum suspendierte Franziskus alle Ad-limina-Besuche und begründete dies mit dem "Heiligen Jahr der Barmherzigkeit".
Der Ad-limina-Besuch der deutschen Bischöfe bei Papst Franziskus am 20. November 2015. Der Papst verstand sich gut mit den Bischöfen, der Inhalt des verteilten Textes war jedoch ein Stich ins Wespennest. Ab diesem Datum suspendierte Franziskus alle Ad-limina-Besuche und begründete dies mit dem "Heiligen Jahr der Barmherzigkeit".

(Rom) Für die Dau­er des Hei­li­gen Jah­res der Barm­her­zig­keit unter­brach Papst Fran­zis­kus meh­re­re Akti­vi­tä­ten. Dazu gehör­ten nicht nur Aus­lands­be­su­che, son­dern auch die Ad-limi­na-Besu­che der Bischö­fe aus aller Welt. Mit der Wie­der­auf­nah­me die­ser Besu­che nach Abschluß des Jubel­jah­res, „was nur weni­ge bemerkt haben“, wur­de von Fran­zis­kus auch eine neue Pra­xis ein­ge­führt, auf die der Vati­ka­nist San­dro Magi­ster auf­merk­sam macht.

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Das Kir­chen­recht ver­pflich­tet die Bischö­fe aus aller Welt, in der Regel alle fünf Jah­re, dem Papst in Rom einen Besuch abzu­stat­ten. Die­ser Besuch läßt die sicht­ba­re Ein­heit zwi­schen Petrus und den Mit­brü­dern im Bischofs­amt kon­kret wer­den. Die Bischö­fe kom­men zur Visi­ta­tio ad limi­na apo­sto­lorum nach Rom, zum Besuch an den „Tür­schwel­len“ der Kir­chen, in denen die bei­den Apo­stel­für­sten Petrus und Pau­lus begra­ben sind. Ad-limi­na-Besu­che sind seit fast 1700 Jah­ren belegt.

Die Ersten, wel­che die neue Pra­xis erleb­ten, waren die Bischö­fe Irlands, die von Fran­zis­kus am ver­gan­ge­nen 20. Janu­ar emp­fan­gen wur­den. Dann waren am 26. Janu­ar die Bischö­fe Kam­bo­dschas an der Rei­he, und heu­te die Bischö­fe von Ser­bi­en, Mon­te­ne­gro, Maze­do­ni­en und dem Kosovo.

Seit Jahr­zehn­ten wur­den die Ad-limi­na-Besu­che der Bischö­fe mit einer Anspra­che des Pap­stes an die ihn besu­chen­den Bischö­fe abge­schlos­sen, die sofort im Anschluß vom Vati­kan ver­öf­fent­licht wur­de. Dar­in fan­den sich meist Hin­wei­se auf beson­ders aktu­el­le und bren­nen­de Fra­gen des betref­fen­den Lan­des und der Kir­che dort sowie ent­spre­chen­de Beur­tei­lun­gen, Ermah­nun­gen oder Ermu­ti­gun­gen durch den Nach­fol­ger des Petrus.

„Für geschul­te Augen waren die­se Reden das römi­sche Ther­mo­me­ter zum Gesund­heits­zu­stand der Kir­che in den ver­schie­de­nen Welt­ge­gen­den“, so Magister.

Papst Fran­zis­kus „ent­wöhn­te“ sich schnell die­ser gefe­stig­ten Pra­xis. Die Reden, die er den Bischö­fen „bis zum Beginn des Hei­li­gen Jah­res der Barm­her­zig­keit hielt, waren nicht von ihm geschrie­ben, wenn sie danach auch unter sei­nem Namen ver­öf­fent­licht wur­den. Immer häu­fi­ger ver­zich­te­te er dar­auf, sie vor­zu­le­sen“. Er fand kei­nen Gefal­len an den Reden. Sie wur­den den Bischö­fen, die ihm gegen­über saßen, nur mehr aus­ge­teilt. Fran­zis­kus bevor­zug­te es, mit den Bischö­fen unge­zwun­gen zu spre­chen, hin­ter ver­schlos­se­nen Türen und unter der Bedin­gung, daß die Wor­te ver­trau­lich sind.

Ad-limina-Besuch 2015: „Franziskus hatte mit den deutschen Bischöfen eine enge Allianz geschlossen“

So wäre es wohl auch wei­ter­ge­gan­gen, wenn nicht „pas­siert wäre, was beim letz­ten Ad-limi­na-Besuch vor der Jubi­lä­ums­pau­se, am 20. Novem­ber 2015, mit den bun­des­deut­schen Bischö­fen pas­siert ist“, so Magister.

Die Dop­pel­syn­ode über die Fami­lie war soeben zu Ende gegan­gen, und „Fran­zis­kus hat­te mit den deut­schen Bischö­fen eine enge Alli­anz geschlos­sen, um sei­ne ‚Öff­nun­gen‘ in der katho­li­schen Ehe­pa­sto­ral, vor allem der vexa­ta quae­stio der Kom­mu­ni­on für wie­der­ver­hei­ra­te­te Geschie­de­ne einzuführen“.

Die Kir­che in Deutsch­land „glänz­te aber kei­nes­wegs im Gesamt­bild der Welt­kir­che. Im Gegen­teil: Wegen zu vie­ler Din­ge war sie ein schlech­tes Vor­bild, und in der Rede, die Fran­zis­kus dann bei der Begeg­nung mit den deut­schen Bischö­fen, die zum Ad-limi­na-Besuch gekom­men waren, in sei­nen Hän­den hielt, stand eine gna­den­lo­se Ankla­ge gegen die vie­len Din­ge, die dort schief­lie­fen“, so Magister.

In der Rede wur­de aus­drück­lich der Nie­der­gang des Glau­bens und der Ein­bruch bei der reli­giö­sen Pra­xis beklagt. „Wo in den Sech­zi­ger Jah­ren noch weit­räu­mig fast jeder zwei­te Gläu­bi­ge regel­mä­ßig sonn­tags zur hei­li­gen Mes­se ging, sind es heu­te viel­fach weni­ger als 10 %.“ Und in die­sem Ton ging es Schlag auf Schlag und völ­lig unge­schminkt wei­ter. „Die Sakra­men­te wer­den immer weni­ger in Anspruch genom­men. Die Beich­te ist viel­fach ver­schwun­den. Immer weni­ger Katho­li­ken las­sen sich fir­men oder gehen das Sakra­ment der Ehe ein.“ Die Zahl der Prie­ster- und Ordens­be­ru­fun­gen habe „dra­stisch abge­nom­men“. Schließ­lich hieß es im Text: „Ange­sichts die­ser Tat­sa­chen ist wirk­lich von einer Ero­si­on des katho­li­schen Glau­bens in Deutsch­land zu sprechen.“

Eine Kopfwäsche für die deutschen Bischöfe

Das war alles ande­re als eine Lobes­hym­ne für jene Bischö­fe, die zusam­men mit Fran­zis­kus gera­de Hand an das Ehe­sa­kra­ment legen woll­ten, samt den sich dar­aus erge­ben­den Aus­wir­kun­gen auf das Buß- und Altarsakrament.

„Die Welt­lich­keit ver­formt die See­len, sie erstickt das Bewusst­sein für die Wirk­lich­keit. Ein ver­welt­lich­ter Mensch lebt in einer Welt, die er selbst geschaf­fen hat. Er umgibt sich gleich­sam mit abge­dun­kel­ten Schei­ben, um nicht nach außen zu sehen.“

In der Rede wur­de auch die Büro­kra­ti­sie­rung der Kir­che kri­ti­siert. Es wür­den „immer neue Struk­tu­ren“ geschaf­fen, für die es gar kei­ne Gläu­bi­gen mehr gebe. Wört­lich wur­de den Bischö­fen vor­ge­hal­ten, daß sie „eine Art neu­er Pela­gia­nis­mus“ ent­ste­hen hät­ten las­sen, „der dazu führt, unser Ver­trau­en auf die Ver­wal­tung zu set­zen, auf den per­fek­ten Appa­rat. Eine über­trie­be­ne Zen­tra­li­sie­rung kom­pli­ziert aber das Leben der Kir­che und ihre mis­sio­na­ri­sche Dyna­mik, anstatt ihr zu hel­fen.“ An die­ser Stel­le wur­de auf das Doku­ment Evan­ge­lii gau­di­um von Papst Fran­zis­kus verwiesen.

Zu den theo­lo­gi­schen und kate­che­ti­schen Ver­ir­run­gen hieß es: „Wie ein treu sor­gen­der Vater wird der Bischof die theo­lo­gi­schen Fakul­tä­ten beglei­ten und den Leh­ren­den hel­fen, die kirch­li­che Trag­wei­te ihrer Sen­dung im Auge zu behal­ten. Die Treue zur Kir­che und zum Lehr­amt wider­spricht nicht der aka­de­mi­schen Frei­heit, sie erfor­dert jedoch eine Hal­tung der Dienst­be­reit­schaft gegen­über den Gaben Got­tes. Das sen­ti­re cum Eccle­sia muss beson­ders die­je­ni­gen aus­zeich­nen, wel­che die jun­gen Gene­ra­tio­nen aus­bil­den und formen.“

Kri­ti­siert wur­de auch die „Ver­su­chung“, Lai­en die Mes­se fei­ern zu las­sen: Es sei „not­wen­dig“ die inne­re Ver­bin­dung „zwi­schen Eucha­ri­stie und Prie­ster­tum her­vor­zu­he­ben“. „Pasto­ral­plä­ne, die den geweih­ten Prie­stern nicht die gebüh­ren­de Bedeu­tung in ihrem Dienst des Lei­tens, Leh­rens und Hei­li­gens im Zusam­men­hang mit dem Auf­bau der Kir­che und dem sakra­men­ta­len Leben bei­mes­sen, sind der Erfah­rung nach zum Schei­tern ver­ur­teilt. Die wert­vol­le Mit­hil­fe von Lai­en­chri­sten im Leben der Gemein­den, vor allem dort, wo geist­li­che Beru­fun­gen schmerz­lich feh­len, darf nicht zum Ersatz des prie­ster­li­chen Dien­stes wer­den oder ihn sogar als optio­nal erschei­nen lassen.“

„Ohne Prie­ster gibt es kei­ne Eucharistie.“

Die Rede nahm auch zu bio­ethi­schen und gesell­schafts­po­li­ti­schen The­men Stellung:

„Eine Auf­ga­be des Bischofs“ sei sein Ein­tre­ten „für das Leben“.

„Die Kir­che darf nie müde wer­den, Anwäl­tin des Lebens zu sein, und darf kei­ne Abstri­che dar­in machen, dass das mensch­li­che Leben von der Emp­fäng­nis bis zum natür­li­chen Tod unein­ge­schränkt zu schüt­zen ist. Wir kön­nen hier kei­ne Kom­pro­mis­se ein­ge­hen, ohne nicht selbst mit­schul­dig zu werden.“

Der Stich ins Wespennest: „Das habe ich nicht geschrieben, nicht gelesen, beachtet es einfach nicht“

Papst Fran­zis­kus las den Text nicht vor und offen­bar hat­te er sich den Text auch vor­her nicht ange­schaut. Wie in ande­ren Fäl­len zuvor, wur­de der Text den Bischö­fen schrift­lich aus­ge­hän­digt. Wäh­rend der Papst sich mit den Bischö­fen dem dama­li­gen Ver­neh­men nach bestens ver­stand, hiel­ten die­se einen Text in der Hand, den sie zu die­sem Zeit­punkt nicht lesen konn­ten, mit dem ihnen scho­nungs­los der Kopf gewa­schen wur­de, weil sie einer Kir­che vor­ste­hen, in der vie­les im Argen liegt, ohne daß sie für Ord­nung sorgen.

Beob­ach­ter trau­ten damals ihren Augen nicht. Soll­te es sich um eine jener schwer ent­zif­fer­ba­ren Berg­o­glia­ni­schen Wen­dun­gen han­deln, das Gegen­teil vom Gegen­teil vor­ex­er­zie­ren zu wollen?

Auf dem Rück­flug oder spä­te­sten zu Hau­se haben die Bischö­fe den Text gele­sen, der wie ein Stich ins Wes­pen­nest wirk­te. Kar­di­nal Rein­hard Marx, Vor­sit­zen­der der Deut­schen Bischofs­kon­fe­renz „und Anfüh­rer der deut­schen Neue­rer“, sprach bei Fran­zis­kus vor, um Auf­klä­rung über die uner­war­te­te Schel­te zu bekom­men. Die päpst­li­che Ant­wort, die Marx dann an ande­re wei­ter­gab, lautete:

„Das habe nicht ich geschrie­ben. Ich habe es nicht gele­sen. Beach­tet es ein­fach nicht“.

„Tat­sa­che ist, daß Fran­zis­kus ab jenem Tag die Ad-limi­na-Besu­che ein­stell­te“, offi­zi­ell – wie es hieß – „wegen des Hei­li­gen Jah­res.“ Und nun, da er sie wie­der­auf­ge­nom­men hat, gibt es gar kei­ne Rede mehr von ihm, weder  vor­ge­le­sen noch schriftlich.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Vati​can​.va (Screen­shot)

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2 Kommentare

  1. Wur­de damals dem Papst und den deut­schen Bischö­fen hand­streich­ar­tig ein Schnipp­chen geschlagen?

    • Für die­se Pre­digt gilt das geschrie­be­ne und nicht das gespro­che­ne Wort.
      Es beschreibt die aktu­el­le Lebens­wirk­lich­keit in den deut­schen Diö­ze­sen und warnt vor einem dro­hen­den wei­te­rem Zer­fall und gibt die Ver­ant­wor­tung dafür den Bischö­fen. Aus die­sen Grün­den hat es höch­ste Aktua­li­tät. Der Wert liegt dar­in, dass es nicht mehr unge­schrie­ben gemacht wer­den kann.

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