(Rom) Im Souveränen Malteserorden geht es Schlag auf Schlag. Nur einen Tag nach dem noch nicht rechtskräftigen Rücktritt von Großmeister Fra Matthew Festing wurde der von Festing am 6. Dezember als Großkanzler des Ordens entlassene Albrecht Freiherr von Boeselager wieder als Großkanzler eingesetzt. Dies berichtet zumindest der britische Journalist Christopher Lamb von der katholischen Wochenzeitung The Tablet. Eine offizielle Bestätigung durch den Orden gibt es dafür nicht.
Großmeister Festing hatte Anfang Dezember von Boeselager den Rücktritt gefordert. Grund war ein „Vertrauensbruch“, wie der Großmeister sagte. Boeselager wurde vorgeworfen, als vormaliger Großhospitalier des Ordens in Krisengebieten und Ländern der Dritten Welt die Verteilung von Verhütungsmitteln, auch solchen mit abtreibender Wirkung, angeordnet oder zumindest nicht verhindert zu haben. Boeselager habe zunächst bestritten, später aber die Verteilung zugegeben, allerdings mit „Notwendigkeiten“ zur Verhinderung von übertragbaren Krankheiten gerechtfertigt. Da Boeselager den Rücktritt verweigerte, wurde er vom Großmeister aller Ämter im Orden enthoben.
Papst Franziskus, den Boeselager sofort um Hilfe ersuchte, stellte sich jedoch hinter den abgesetzten Großkanzler und forderte eine Rücknahme der Entlassung. Dazu war der Großmeister nicht bereit, der enttäuscht und empört auf die einseitige Parteinahme und Einmischung des Vatikans in interne Angelegenheiten eines souveränen Völkerrechtssubjekts reagierte.
Am 24. Januar zitierte Franziskus den Großmeister zu sich und verlangte von diesem unmißverständlich den Rücktritt. Einer solchen päpstlichen Forderung konnte sich der Großmeister moralisch nicht entziehen.
Am 28. Januar muß der Souveräne Rat des Ordens den Rücktritt des Großmeisters annehmen und damit formalisieren. Der Vatikan, obwohl ohne Zuständigkeit für den Malteserorden, teilte gestern noch in einer Erklärung mit, daß vorerst der Großkomtur die Ordensleitung übernehme, „bis ein Päpstlicher Legat ernannt wird“.
Nur einen Tag nach dem angekündigten Rücktritt des Großmeisters soll Freiherr von Boeselager wieder als Großkanzler des Ordens eingesetzt worden sein. Diese twitterte Christopher Lamb, Vatikanist der britischen, katholischen Wochenzeitung The Tablet.
Lamb ergänzte, daß alle ordensinternen Entscheidungen seit dem 6. Dezember aufgehoben worden seien.
Wer diese Entscheidungen getroffen haben soll, ist unklar. Das Presseamt des Ordens ist derzeit verstummt. Die Frage ist vor allem rechtlicher Natur. Bis zum 28. Januar dürfte es im Orden keine Autorität geben, die so weitreichende Entscheidungen treffen könnte. Erst nach der Formalisierung des Rücktritts, wäre so etwas denkbar. Der Vatikan verfügt über keine Rechtstitel, sich in die inneren Angelegenheiten des Ordens einmischen zu können.
Der aus Österreich stammende Großkomtur Ludwig Hoffmann von Rumerstein, Professriter wie Festing, dürfte vor dem 28. Januar weitergehende Entscheidungen vermeiden. Die Ernennung eines „Päpstlichen Legaten“ scheint ein unüberlegter Schnellschuß aus dem päpstlichen Vertrautenkreis zu sein. Eine solche Ernennung wäre der Anfang vom Ende der Malteserordens als souveränes Völkerrechtssubjekt. Das wiederum dürfte im Interesse keiner Seite sein.
Die gestrige Ankündigung des Vatikans, einen „Päpstlichen Legaten“, sprich Kommissar, ernennen zu wollen, zeigt allerdings, daß Papst Franziskus nicht gewillt scheint, die Souveränität des Malteserordens zu respektieren. Daher scheint derzeit sehr viel möglich. Zu den Hintergründen des Konflikt siehe: Der Papst und der Kommissar – Richtungsstreit um Malteserorden: Orden oder humanitäres Hilfswerk, ebenso die Analyse von Roberto de Mattei: Der Papst und der Malteserorden: Ein Pyrrhussieg?
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Church Militant