[Update] Konflikt um Amoris laetitia in entscheidende Phase getreten: Papst-Schelte „böswilliger Widerstand“ gegen Brandmüller-Vorwurf „Häretiker und treibt Schisma voran““


(Rom) Kurz vor Weih­nach­ten scheint das Tau­zie­hen um die Sakra­men­ten­ord­nung und die kirch­li­che Moral­leh­re in sei­ne höch­ste und ent­schei­den­de Pha­se ein­ge­tre­ten zu sein.

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Kar­di­nal Wal­ter Kas­per konn­te am 22. Dezem­ber über Radio Vati­kan (Deut­sche Sek­ti­on) erklä­ren, daß er die Zwei­fel (Dubia) der vier Kar­di­nä­le Brand­mül­ler, Bur­ke, Caf­farra und Meis­ner nicht ver­ste­hen kön­ne, weil sei­ner Ansicht nach das umstrit­te­ne nach­syn­oda­le Schrei­ben Amo­ris lae­ti­tia in sei­ner Aus­sa­ge „klar“ sei. Am 23. Dezem­ber hol­te Papst Fran­zis­kus in sei­ner Weih­nachts­an­spra­che an die Römi­sche Kurie zur wie­der­hol­ten Mit­ar­bei­ter­kri­tik aus und sprach sogar von „bös­wil­li­gem Wider­stand“. Am sel­ben Tag bekräf­tig­te Kar­di­nal Wal­ter Brand­mül­ler, der dem päpst­li­chen Emp­fang für die Kuri­en­mit­ar­bei­ter fern­blieb, sei­ne Beden­ken zu Amo­ris lae­ti­tia. Der bekann­te Kir­chen­hi­sto­ri­ker sprach davon, daß durch Zwei­deu­tig­keit des nach­syn­oda­len Schrei­bens und dadurch hin­ein­in­ter­pre­tier­ten Ansich­ten die „Fun­da­men­te der Kir­che ange­grif­fen“ wer­den. Vor allem gab er Unzwei­deu­ti­ges zu ver­ste­hen: Wer für die Zulas­sung wie­der­ver­hei­ra­tet Geschie­de­ner zur Kom­mu­ni­on ein­tritt, ist „ein Häre­ti­ker und treibt das Schis­ma voran“.

Päpstliche Irritation durch die Standhaftigkeit seiner Kritiker

Der Vor­wurf des „bös­wil­li­gen Wider­stan­des“ wur­de von zahl­rei­chen Beob­ach­tern als Kri­tik an den Dubia und deren Ein­brin­gern ver­stan­den, ohne daß der Papst die­se nament­lich genannt hät­te. Im Visier des Pap­stes steht beson­ders der US-ame­ri­ka­ni­sche Kar­di­nal Ray­mond Leo Bur­ke. Im Gegen­satz zu den drei ande­ren Unter­zeich­nern ist er noch aktiv im Dienst. Der bril­lan­te Kir­chen­recht­ler und eben­so intel­li­gen­te wie klu­ge Kopf wird vom päpst­li­chen Umfeld, und offen­bar von Papst Fran­zis­kus selbst, als gefähr­lich­ster Gegen­spie­ler gese­hen. Vor allem die Stand­haf­tig­keit und Ent­schlos­sen­heit irri­tiert den Papst und jene, die mehr auf „Fle­xi­bi­li­tät“ hält.

Durch den jüng­sten Kon­flikt zwi­schen dem Sou­ve­rä­nen Mal­te­ser­or­den und dem Hei­li­gen Stuhl ist Kar­di­nal Bur­ke unver­schul­det dem Papst erneut in die Que­re gekom­men. Papst Fran­zis­kus hat­te den Pur­pur­trä­ger selbst im Novem­ber 2014 zum bald tau­send Jah­re alten Hos­pi­ta­lier- und Rit­ter­or­den zwangs­ver­setzt. Wegen sei­nes ent­schie­de­nen Wider­stan­des gegen Kar­di­nal Kas­pers Ver­such die katho­li­sche Sakra­men­ten­ord­nung und Moral­leh­re durch eine neue Pra­xis zu ändern, wur­de Bur­ke von Papst Fran­zis­kus zur Stra­fe sei­nes Amtes als Prä­si­dent des Ober­sten Gerichts­ho­fes der Apo­sto­li­schen Signa­tur ent­ho­ben und aus dem Vati­kan abge­scho­ben. Der Papst woll­te ihn mög­lichst von jedem Ein­fluß auf die Lei­tung der Welt­kir­che fern­hal­ten und ernann­te ihn daher zum Kar­di­nal­par­ton der Mal­te­ser­rit­ter. Ein Pre­sti­ge­amt ohne Ein­fluß, wie es dem Papst damals schien.

Das hat sich inzwi­schen geän­dert. Neu­er­dings ver­sucht der Papst sich auch in Ordens­in­ter­na des Sou­ve­rä­nen Mal­te­ser­or­dens ein­zu­mi­schen. Das Wort „sou­ve­rän“, das den Orden von Mal­ta als eigen­stän­di­ges Völ­ker­rechts­sub­jekt aus­weist, scheint Fran­zis­kus ent­we­der über­le­sen zu haben oder nicht son­der­lich ernst zu nehmen.

Kardinal Brandmüller: „Es geht hier salopp gesagt um die Wurst“

Kardinal Walter Brandmüller
Kar­di­nal Wal­ter Brandmüller

Wie das Wochen­ma­ga­zin Der Spie­gel am 23. Dezem­ber berich­te­te, ließ sich Kar­di­nal Brand­mül­ler, neben Bur­ke ein ande­rer der vier Unter­zeich­ner der Dubia, für den päpst­li­chen Weih­nachts­emp­fang für die Römi­sche Kurie ent­schul­di­gen. Er erspar­te sich damit die päpst­li­chen „Freund­lich­kei­ten“, mit denen die­ser jene schalt, die Beden­ken an bestim­men sei­ner Hand­lun­gen zu äußern wagen. Auf die „ernst­haf­te Ori­en­tie­rungs­lo­sig­keit und gro­ße Ver­wir­rung“ unter den Gläu­bi­gen, die Amo­ris lae­ti­tia seit ver­gan­ge­nem April ver­ur­sacht, wie die vier Kar­di­nä­le Mit­te Sep­tem­ber geschrie­ben haben, dar­auf will Fran­zis­kus nicht ein­ge­hen. Seit bald drei­ein­halb Mona­ten wei­gert er sich auf klar for­mu­lier­te Fra­gen der vier Kar­di­nä­le zu ant­wor­ten. An einer Klä­rung von Zwei­deu­tig­kei­ten scheint er jeden­falls nicht inter­es­siert zu sein, soweit zumin­dest herrscht Klarheit.

Hin­wei­se, wie jüngst von Kar­di­nal Kas­per und zuvor bereits von ande­ren Papst-Ver­trau­ten, sind besten­falls Ver­le­gen­heits­be­grün­dun­gen, aber kein  glaub­wür­di­ges Argument.

Dabei „geht es hier salopp gesagt um die Wurst – näm­lich um den Kern des Gan­zen, um die Glau­bens­leh­re“, wie Kar­di­nal Brand­mül­ler dem Spie­gel sagte.

„Der Papst und der ihm theo­lo­gisch nahe­ste­hen­de Kar­di­nal Wal­ter Kas­per neig­ten dazu, zen­tra­le Gebo­te des katho­li­schen Glau­bens auf­zu­wei­chen und die Aus­le­gung im All­tag Bischö­fen und Prie­stern vor Ort zu über­las­sen. Das grei­fe das Fun­da­ment der Welt­kir­che an“, schreibt Der Spie­gel mit Ver­weis auf Kar­di­nal Brand­mül­ler. Der Kar­di­nal wird mit den Wor­ten zitiert:

„Wer fort­ge­setz­ten Ehe­bruch und den Emp­fang der Hei­li­gen Kom­mu­ni­on für ver­ein­bar hält, ist Häre­ti­ker und treibt das Schis­ma voran.“

Die Hei­li­ge Schrift, so Brand­mül­ler, sei kein Selbst­be­die­nungs­la­den: „Wir sind laut dem Apo­stel Pau­lus Ver­wal­ter der Geheim­nis­se Got­tes, nicht aber Verfügungsberechtigte.“

„Doch diesmal, so scheint es, steht mehr auf dem Spiel. Franziskus wirkt zunehmend einsam“

Der Spie­gel geht noch weiter:

„Der erste Ein­druck: Ein paar starr­sin­ni­ge, grei­se Kar­di­nä­le lau­fen da wie­der ein­mal Sturm gegen den unge­bro­chen reform­freu­di­gen Papst. Doch dies­mal, so scheint es, steht mehr auf dem Spiel. Fran­zis­kus wirkt zuneh­mend ein­sam, vom Wider­stand in der Kurie und vom man­geln­den Mut zur Ver­än­de­rung an der Basis zer­mürbt. ‚Den Berg­o­glio, den sie 2013 gewählt haben, erken­nen vie­le im Fran­zis­kus von 2016 nicht wie­der“, sagt ein Ver­trau­ter des Papstes.‘ “

Das Tau­zie­hen um die Sakra­men­ten­ord­nung und die kirch­li­che Moral­leh­re scheint damit unmit­tel­bar vor Weih­nach­ten in die höch­ste und ent­schei­den­de Pha­se ein­ge­tre­ten zu sein. Papst Fran­zis­kus wirft sei­nen Kri­ti­kern „bös­wil­li­gen Wider­stand“ gegen sei­ne Absich­ten vor. Dem­ge­gen­über ist die in den Dubia geäu­ßer­te Kri­tik der vier Kar­di­nä­le von ganz ande­rer Sub­stanz. Die bei­den am Vor­abend des Geburts­fe­stes Chri­sti for­mu­lier­ten Posi­tio­nen las­sen einen beacht­li­chen Qua­li­täts­un­ter­schied erken­nen. Dar­in wird vor allem die Schwä­che der päpst­li­chen Posi­ti­on deut­lich, die auch in der nur ver­hal­te­nen Unter­stüt­zung durch Ver­tre­ter des Kar­di­nals­kol­le­gi­ums zum Aus­druck kommt. Papst Fran­zis­kus hat sich seit 2013 ziel­stre­big und kon­se­quent in eine Sack­gas­se manö­vriert, aus der er nicht mehr her­aus­zu­fin­den scheint. In Rom wur­de der Papst nach sei­ner Rede an die Kuria­len als „capoc­cio­ne pro­gres­si­sta“ bezeich­net, was einen „pro­gres­si­ven Starr­sinn“ meint. Die­ser dürf­te auch mit dem Druck zu tun zu haben, der auf Fran­zis­kus lastet. Mit sei­nem Pon­ti­fi­kat ver­knüp­fen man­che Krei­se in- und außer­halb der Kir­che Revan­che und sogar Rache für die Pon­ti­fi­ka­te von Johan­nes Paul II. und Bene­dikt XVI. und Tei­le des Pon­ti­fi­kats von Paul VI.

Schlechte Ratgeber halfen dem Papst in die Sackgasse

Kar­di­nal Bur­ke deu­te­te an, daß nach Epi­pha­nie, dem Fest der Hei­li­gen Drei Köni­ge, der Moment gekom­men sein könn­te, da die Geduld an ihre Gren­ze stößt, und das Kar­di­nals­kol­le­gi­um den Papst, soll­te er nicht auf die Dubia in ange­mes­se­ner Form ant­wor­ten, nach dem Vor­bild des Völ­ker­apo­stels Pau­lus gegen­über dem Apo­stel­für­sten Petrus „brü­der­lich zurecht­wei­sen“ soll­te. Papst Fran­zis­kus reagier­te mit sei­ner Ver­bal­schel­te, die Beob­ach­ter als „Ver­zweif­lungs­tat“ sehen. Fran­zis­kus iso­liert sich zuneh­men in Rom, wie der Spie­gel schreibt. Wesent­lich Anteil dar­an haben „schlech­te Rat­ge­ber“, mit denen sich der Papst nach sei­ner Wahl umge­ben hat, weil er die Nähe „pro­gres­si­ver Außen­sei­ter“ such­te, statt auf  soli­de und stand­haf­te Ver­tei­di­ger der Glau­bens­leh­re zu set­zen. Daß sich ihm dabei auch Wen­de­hals-Kar­rie­ri­sten andien­ten, scheint er nicht erkannt oder bil­li­gend in Kauf genom­men zu haben.

Update: Wie Kar­di­nal Wal­ter Brand­mül­ler in einer Notiz mit­teil­te, nahm er – anders als im Arti­kel behaup­tet – am Weih­nachts­emp­fang für die Römi­sche Kurie teil. Wir bit­ten die Fehl­in­for­ma­ti­on zu entschuldigen.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Spie­gel Online/​SMM (Screen­shots)

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