Luther: 500 Jahre danach auf den Knien


Papst Franziskus und Munib Younan, der Präsident des Lutherischen Weltbundes
Papst Franziskus und Munib Younan, der Präsident des Lutherischen Weltbundes

von Rober­to de Mattei*

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Wir sagen es mit tief­emp­fun­de­nem Schmerz. Es scheint eine neue Reli­gi­on zu sein, die am 31. Okto­ber im Rah­men des öku­me­ni­schen Tref­fens zwi­schen Papst Fran­zis­kus und den Ver­tre­tern des Luthe­ri­schen Welt­bun­des (LWB) in Lund in Erschei­nung getre­ten ist. Eine Reli­gi­on, deren Aus­gangs­punk­te klar sind, deren Ziel aber dun­kel und beun­ru­hi­gend ist.

Der Slo­gan, der am öfte­sten in der Kathe­dra­le von Lund zu hören war, war die Not­wen­dig­keit eines „gemein­sa­mes Weges“, der Katho­li­ken und Luthe­ra­ner „vom Kon­flikt zur Gemein­schaft“ führt. Sowohl Papst Fran­zis­kus als auch Pastor Mar­tin Jun­ge, der Sekre­tär des Luthe­ri­schen Welt­bun­des, nah­men in ihren Anspra­chen Bezug auf das Gleich­nis im Evan­ge­li­um vom Wein­stock und den Reben.

Katho­li­ken und Luthe­ra­ner sei­en „ver­dorr­te Zwei­ge“ des­sel­ben Bau­mes, der wegen der Spal­tung von 1517 kei­ne Früch­te mehr tra­ge. Nie­mand weiß aber, wel­che „Früch­te“ hier gemeint sind. Was Katho­li­ken und Luthe­ra­ner der­zeit gemein­sam zu haben schei­nen, ist nur der Zustand einer tie­fen Kri­se, auch wenn die Grün­de dafür unter­schied­lich sind.

Unterzeichnung der Gemeinsamen Erklärung: gesuchte Gleichheit des Äußeren (weißes Gewand, rote Stola)
Unter­zeich­nung der Gemein­sa­men Erklä­rung: gesuch­te Gleich­heit des Äuße­ren (wei­ßes Gewand, rote Stola)

Das Luther­tum war einer der Haupt­fak­to­ren für die Säku­la­ri­sie­rung der west­li­chen Gesell­schaft, und heu­te befin­det es sich dem­entspre­chend in einem Siech­tum, weil es die Kei­me der Auf­lö­sung aus­ge­tra­gen hat, die es seit sei­ner Ent­ste­hung in sich getra­gen hat. Die skan­di­na­vi­schen Län­der waren die Vor­hut der Säku­la­ri­sie­rung, die sie lan­ge Zeit als Modell für unse­re Zukunft vor­an­ge­tra­gen haben. Heu­te ist Schwe­den jedoch, nach­dem es sich in das Vater­land des Mul­ti­kul­tu­ra­lis­mus und der „Homo-Rech­te“ ver­wan­delt hat, ein Land, in dem nur mehr zwei Pro­zent der Luthe­ra­ner prak­ti­zie­rend sind, wäh­rend fast zehn Pro­zent der Bewoh­ner den Islam praktizieren.

Die katho­li­sche Kir­che hin­ge­gen befin­det sich in einer selbst­zer­stö­re­ri­schen Kri­se, weil sie ihre Tra­di­ti­on auf­ge­ge­ben und den Säku­la­ri­sie­rungs­pro­zeß der moder­nen Welt über­nom­men hat, und das gera­de zu einem Zeit­punkt, da die­se sich bereits zu zer­set­zen begann. Die Luthe­ra­ner suchen in der Öku­me­ne einen letz­ten Lebens­hauch, die katho­li­sche Kir­che aber ver­spürt in die­ser Umar­mung den Odem des Todes.

„Das, was uns eint, ist viel mehr, als das, was uns trennt“, hieß es in der Zere­mo­nie von Lund. Was aber eint Katho­li­ken und Luthe­ra­ner? Nichts, nicht ein­mal die Tau­fe, das ein­zi­ge der sie­ben Sakra­men­te, das die Luthe­ra­ner wirk­lich aner­ken­nen. Für die Katho­li­ken tilgt die Tau­fe die Erb­sün­de, wäh­rend sie für die Luthe­ra­ner die­se nicht til­gen kann, weil für sie die mensch­li­che Natur radi­kal ver­dor­ben und die Sün­de unbe­sieg­bar ist. Luthers For­mel: „Sün­di­ge tap­fer, aber glau­be tap­fe­rer“, faßt sein Den­ken zusam­men. Der Mensch ist unfä­hig zum Guten und kann nichts ande­res als sün­di­gen und sich blind der gött­li­chen Barm­her­zig­keit über­las­sen. Gott ent­schei­det auf will­kür­li­che und unan­fecht­ba­re Wei­se, wer ver­ur­teilt und wer geret­tet ist. Es exi­stiert kei­ne Frei­heit, son­dern nur eine stren­ge Prä­de­sti­na­ti­on der Erwähl­ten und der Verdammten.

Ökumenische Feier: "Es scheint eine neue Religion zu sein"
Öku­me­ni­sche Fei­er: „Es scheint eine neue Reli­gi­on zu sein“

Mit dem „Sola Fide“ geht das „Sola Scrip­tu­ra“ ein­her. Für die Katho­li­ken aber gibt es zwei Quel­len der Gött­li­chen Offen­ba­rung: Die Hei­li­ge Schrift und die Tra­di­ti­on. Die Luthe­ra­ner eli­mi­nie­ren die Tra­di­ti­on, weil sie behaup­ten, daß der Mensch ein direk­tes Ver­hält­nis mit Gott haben muß, ohne Mitt­ler. Das ist der Grund­satz der „frei­en Prü­fung“ der Schrift, aus der der Indi­vi­dua­lis­mus und der heu­ti­ge Rela­ti­vis­mus her­vor­ge­hen. Die­ser Grund­satz führt zur Leug­nung der Rol­le der Kir­che und des Pap­stes, den Luther als „Apo­stel Satans“ und „Anti­christ“ bezeich­net. Luther hat vor allem den Papst und die katho­li­sche Mes­se gehaßt, die er zum blo­ßen Geden­ken redu­zie­ren woll­te, indem er den Opfer­cha­rak­ter und die Trans­sub­stan­tia­ti­on von Brot und Wein in den Leib und das Blut Chri­sti leug­ne­te. Für die Katho­li­ken aber ist die unblu­ti­ge Erneue­rung des Kreu­zes­op­fers Chri­sti in der Mes­se die ein­zi­ge Quel­le der Gött­li­chen Gna­de. Sind das bloß Miß­ver­ständ­nis­se und Unverständnis?

Papst Berg­o­glio hat in Lund erklärt: „Auch wir müs­sen lie­be­voll und ehr­lich unse­re Ver­gan­gen­heit betrach­ten, Feh­ler ein­ge­ste­hen und um Ver­ge­bung bit­ten.“ Und wei­ter: „Mit der glei­chen Ehr­lich­keit und Lie­be muß man zuge­ben, daß unse­re Spal­tung von dem ursprüng­li­chen Emp­fin­den des Got­tes­vol­kes, das sich von Natur aus nach Ein­heit sehnt, weg­ge­führt hat und in der Geschich­te mehr durch Ver­tre­ter welt­li­cher Macht auf­recht erhal­ten wur­de, als durch den Wil­len des gläu­bi­gen Vol­kes.“ Wer waren die­se Ver­tre­ter welt­li­cher Macht? Die Päp­ste und die Hei­li­gen, die von Anfang an das Luther­tum bekämpft haben? Die Kir­che, die es fünf Jahr­hun­der­te lang ver­ur­teilt hat?

Das Kon­zil von Tri­ent hat ein end­gül­ti­ges Wort über die Unver­ein­bar­keit zwi­schen dem katho­li­schen und dem pro­te­stan­ti­schen Glau­ben gespro­chen. Wir kön­nen Papst Fran­zis­kus nicht auf einen ande­ren Weg folgen.

*Rober­to de Mat­tei, Histo­ri­ker, Vater von fünf Kin­dern, Pro­fes­sor für Neue­re Geschich­te und Geschich­te des Chri­sten­tums an der Euro­päi­schen Uni­ver­si­tät Rom, Vor­sit­zen­der der Stif­tung Lepan­to, Autor zahl­rei­cher Bücher, zuletzt erschie­nen: Vica­rio di Cri­sto. Il pri­ma­to di Pie­tro tra nor­ma­li­tà  ed ecce­zio­ne (Stell­ver­tre­ter Chri­sti. Der Pri­mat des Petrus zwi­schen Nor­ma­li­tät und Aus­nah­me), Vero­na 2013; in deut­scher Über­set­zung zuletzt: Das Zwei­te Vati­ka­ni­sche Kon­zil – eine bis­lang unge­schrie­be­ne Geschich­te, Rup­picht­eroth 2011. Die Zwi­schen­ti­tel stam­men von der Redaktion.

[Update: Das erste Bild zeigt Papst Fran­zis­kus mit Munib Youn­an von der Evan­ge­lisch-Luthe­ri­schen Kir­che von Jor­da­ni­en und dem Hei­li­gen Land. Er ist seit 2010 Prä­si­dent des Luthe­ri­schen Welt­bun­des (LWB) . Zunächst war irr­tüm­lich berich­tet wor­den, es hand­le sich um Mar­tin Jun­ge, den Gene­ral­se­kre­tär des LWB. Jun­ge ist im zwei­ten Bild hin­ten links zu sehen.]

Über­set­zung: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Vati​can​.va (Screen­shots)

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