Gereizte Stimmung um „Amoris laetitia“: Zustimmung und Kritik an „Dubia“ der vier Kardinäle


Papst-Vertrauten greifen die vier Kardinäle an, weil sie Franziskus mit ihren fünf Dubia gegen Amoris laetitia in große Verlegenheit gebracht haben. Im Bild Erzbischof Blase Cupich von Chicago, den Franziskus am vergangenen Samstag zum Kardinal machte.
Papst-Vertrauten greifen die vier Kardinäle an, weil sie Franziskus mit ihren fünf Dubia gegen Amoris laetitia in große Verlegenheit gebracht haben. Im Bild Erzbischof Blase Cupich von Chicago, den Franziskus am vergangenen Samstag zum Kardinal machte.

(Rom) Zustim­mung und Kri­tik an den vier Kar­di­nä­len wach­sen, die am 14. Novem­ber mit ihrem Ein­spruch gegen das umstrit­te­ne nach­syn­oda­le Schrei­ben Amo­ris lae­ti­tia an die Öffent­lich­keit getre­ten sind.

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Weih­bi­schof Jozef Wro­bel von Lub­lin unter­stütz­te die vier Kar­di­nä­le Brand­mül­ler, Bur­ke, Caf­farra und Meis­ner in einem Inter­view. Es sei nur „ange­mes­sen“, um Ant­wor­ten zu Amo­ris lae­ti­tia zu bit­ten. Es gehe schließ­lich dar­um, Klar­heit zu schaf­fen. Zwei der drei US-ame­ri­ka­ni­schen Neo­kar­di­nä­le, Erz­bi­schof Bla­se Cupich von Chi­ca­go und Erz­bi­schof Joseph Tobin von Newark, kri­ti­sier­ten hin­ge­gen die vier Kar­di­nä­le für ihre Dubia (Zwei­fel), die sie zu Amo­ris lae­ti­tia bei der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on hin­ter­legt haben. Auch der eme­ri­tier­te Bischof von Syros und von San­to­ri­ni sowie ehe­ma­li­ge Admi­ni­stra­tor von Kre­ta, der Kapu­zi­ner Fran­gis­kos Papa­ma­no­lis, griff die Kar­di­nä­le in einem Offe­nen Brief scharf an.

Die Angrif­fe spie­geln die inne­re Zer­ris­sen­heit der katho­li­schen Kir­che in ihrer Hier­ar­chie wider, die durch das Apo­sto­li­sche Schrei­ben Amo­ris lae­ti­tia ent­stan­den ist. Genau wegen und gegen die­se Zer­ris­sen­heit und „Ver­wir­rung“ haben die vier Kar­di­nä­le, wie sie beto­nen, ihre Dubia eingebracht.

Kritik oder Zustimmung ändern nichts an den Dubia

Beob­ach­ter hat­ten bereits mit sol­chen Angrif­fen von Papst-Ver­trau­ten rund um die Kar­di­nals­er­he­bun­gen vom ver­gan­ge­nen Wochen­en­de gerech­net. Der Papst kre­ierte eine Rei­he sei­ner Par­tei­gän­ger zu Kar­di­nä­len. Es galt daher als nahe­lie­gend, daß sie im Sin­ne des Pap­stes Par­tei ergrei­fen, ohne daß man ihnen des­halb unter­stel­len müß­te, sich damit für das Kar­di­nals­pur­pur bedan­ken zu wollen.

In der Sache ändern die Angrif­fe gegen die vier Kar­di­nä­le aller­dings nichts. Es sind Angrif­fe, aber nicht eine Ant­wort des Pap­stes auf die gestell­ten Fragen.

Die­se Angrif­fe kön­nen Stim­mung erzeu­gen, aber sie kön­nen die offi­zi­ell ver­lang­te Ant­wort nicht erset­zen. Sie kön­nen auch Druck auf die vier Kar­di­nä­le erzeu­gen, denn die ein­zi­ge Mög­lich­keit des Pap­stes, der Beant­wor­tung der fünf Dubia zu ent­ge­hen, bestün­de dar­in, daß die Kar­di­nä­le ihre Fra­gen zurück­zie­hen. Selbst wenn einer dies unter Druck tun wür­de, scheint es undenk­bar, daß alle vier zurück­zie­hen. Solan­ge auch nur ein Kar­di­nal die Fra­gen auf­recht­erhält, steht Papst Fran­zis­kus unver­än­dert unter Druck.

So wie es aus­sieht, wird kei­ner der vier Kar­di­nä­le sei­ne Unter­schrift zurück­zie­hen. Womit mit Nach­druck die eine Fra­ge im Raum ste­hen bleibt: War­um wei­gert sich Papst Fran­zis­kus, auf fünf all­ge­mein ver­ständ­li­che Fra­gen zu Kern­the­men der katho­li­schen Glau­bens­leh­re und der kirch­li­chen Ord­nung zu antworten?

Kardinal Burke von Franziskus empfangen: Nach der Audienz gingen die vier Kardinäle an die Öffentlichkeit

Zur Erin­ne­rung ein klei­nes Detail: Kar­di­nal Ray­mond Bur­ke, einer der vier Unter­zeich­ner der Dubia, wur­de am 10. Novem­ber 2016 von Papst Fran­zis­kus in Audi­enz emp­fan­gen. Das war vier Tage, bevor die Kar­di­nä­le ihren Ein­spruch gegen Amo­ris lae­ti­tia vom 19. Sep­tem­ber öffent­lich bekannt­ga­ben. Es besteht kein Zwei­fel, daß Kar­di­nal Bur­ke und Papst Fran­zis­kus in der Audi­enz über die Dubia gespro­chen haben.

Am 10. November wurde Kardinal Burke von Papst Franziskus in Audienz empfangen. Vier Tage darauf gingen die vier Kardinäle Brandmüller, Burke, Caffarra und Meisner mit ihren Dubia (Zweifeln) zu Amoris laetitia an die Öffentlichkeit.
Am 10. Novem­ber wur­de Kar­di­nal Bur­ke von Papst Fran­zis­kus in Audi­enz emp­fan­gen. Vier Tage dar­auf gin­gen die vier Kar­di­nä­le Brand­mül­ler, Bur­ke, Caf­farra und Meis­ner mit ihren Dubia (Zwei­feln) zu Amo­ris lae­ti­tia an die Öffentlichkeit.

Der chro­no­lo­gi­sche Ablauf ist daher so zu lesen: Nicht obwohl, son­dern weil Papst Fran­zis­kus in der Audi­enz Kar­di­nal Bur­ke zu ver­ste­hen gab, daß er nicht gewillt ist, die umstrit­te­nen Stel­len von Amo­ris lae­ti­tia zu kor­ri­gie­ren, sind die vier Kar­di­nä­le an die Öffent­lich­keit gegan­gen. Der Grund dafür ist unschwer zu benen­nen, da es nur einen mög­li­chen Grund gibt: Fran­zis­kus ver­knüpft mit Amo­ris lae­ti­tia Absich­ten, die weder durch die kirch­li­che Leh­re noch durch die Sakra­men­ten­ord­nung gedeckt sind. Die­se „Not­si­tua­ti­on“, denn anders kann man es nicht bezeich­nen, wenn der regie­ren­de Papst sei­nen Ver­pflich­tun­gen nicht nach­kommt und sich wei­gert, auf Dubia von Kar­di­nä­len zu reagie­ren, ver­an­laß­te die vier Kar­di­nä­le weni­ge Tage spä­ter den Gang an die Öffent­lich­keit anzu­tre­ten, nach­dem sie zwei Mona­te ver­ge­bens auf eine Ant­wort gewar­tet hat­ten. Ihren Ein­spruch bei der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on hat­ten sie bereist am 19. Sep­tem­ber deponiert.

In der gewähl­ten Form der Dubia ist auch der Grund zu fin­den, war­um Wort­mel­dun­gen, Ant­wor­ten oder Angrif­fe von Kar­di­nä­len und Bischö­fen, die in der Sache Par­tei­gän­ger des amtie­ren­den Pap­stes sind, von kei­ner Bedeu­tung sind. Es geht weder um Mei­nun­gen noch um Mehrheiten.

Wie lau­ten die fünf Dubia der Kar­di­nä­le zu Amo­ris lae­ti­tia?

Die Dubia

1. Es stellt sich die Fra­ge, ob es auf­grund des­sen, was in Amo­ris lae­ti­tia Nr. 300–305 gesagt ist, nun­mehr mög­lich gewor­den ist, einer Per­son im Buß­sa­kra­ment die Abso­lu­ti­on zu ertei­len und sie also zur hei­li­gen Eucha­ri­stie zuzu­las­sen, die, obwohl sie durch ein gül­ti­ges Ehe­band gebun­den ist, „more uxorio“ mit einer ande­ren Per­son zusam­men­lebt – und zwar auch wenn die Bedin­gun­gen nicht erfüllt sind, die in Fami­lia­ris con­sor­tio (Nr. 84) fest­ge­legt sind und dann in Recon­ci­lia­tio et pae­ni­ten­tia (Nr. 34) und Sacra­men­tum cari­ta­tis (Nr. 29) bekräf­tigt wer­den. Kann der Aus­druck „in gewis­sen Fäl­len“ der Anmer­kung 351 (zu Nr. 305) des Apo­sto­li­schen Schrei­bens Amo­ris lae­ti­tia auf Geschie­de­ne in einer neu­en Ver­bin­dung ange­wandt wer­den, die wei­ter­hin „more uxorio“ zusammenleben?

2. Ist nach dem Nach­syn­oda­len Apo­sto­li­schen Schrei­ben Amo­ris lae­ti­tia (vgl. Nr. 304) die auf die Hei­li­ge Schrift und die Tra­di­ti­on der Kir­che gegrün­de­te Leh­re der Enzy­kli­ka Veri­ta­tis Sple­ndor (Nr. 79) des hei­li­gen Johan­nes Paul II. über die Exi­stenz abso­lu­ter mora­li­scher Nor­men, die ohne Aus­nah­me gel­ten und in sich schlech­te Hand­lun­gen ver­bie­ten, noch gültig?

3. Ist es nach Amo­ris lae­ti­tia Nr. 301 noch mög­lich, zu sagen, dass eine Per­son, die habi­tu­ell im Wider­spruch zu einem Gebot des Geset­zes Got­tes lebt – wie bei­spiels­wei­se dem, das den Ehe­bruch ver­bie­tet (vgl. Mt 19,3–9) –, sich in einer objek­ti­ven Situa­ti­on der habi­tu­el­len schwe­ren Sün­de befin­det (vgl. Päpst­li­cher Rat für die Geset­zes­tex­te, Erklä­rung vom 24. Juni 2000)?

4. Soll man nach den Aus­sa­gen von Amo­ris lae­ti­tia (Nr. 302) über die „Umstän­de, wel­che die mora­li­sche Ver­ant­wort­lich­keit ver­min­dern“, die auf die Hei­li­ge Schrift und die Tra­di­ti­on der Kir­che gegrün­de­te Leh­re der Enzy­kli­ka Veri­ta­tis Sple­ndor (Nr. 81) des hei­li­gen Johan­nes Paul II. für wei­ter­hin gül­tig hal­ten, nach der „die Umstän­de oder die Absich­ten nie­mals einen bereits in sich durch sein Objekt unsitt­li­chen Akt in einen ’sub­jek­tiv‘ sitt­li­chen oder als Wahl ver­tret­ba­ren Akt ver­wan­deln“ können?

5. Soll man nach Amo­ris lae­ti­tia (Nr. 303) die auf die Hei­li­ge Schrift und die Tra­di­ti­on der Kir­che gegrün­de­te Leh­re der Enzy­kli­ka Veri­ta­tis Sple­ndor (Nr. 56) des hei­li­gen Johan­nes Paul II. für wei­ter­hin gül­tig hal­ten, die eine krea­ti­ve Inter­pre­ta­ti­on der Rol­le des Gewis­sens aus­schließt und bekräf­tigt, dass das Gewis­sen nie­mals dazu auto­ri­siert ist, Aus­nah­men von den abso­lu­ten mora­li­schen Nor­men zu legi­ti­mie­ren, wel­che Hand­lun­gen, die durch ihr Objekt in sich schlecht sind, verbieten?

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: OSS/​OR (Screen­shot)

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