Vatikan distanziert sich von Dogmatiker, Radio Maria setzt ihn vor die Tür

„Barmherziger“ Gleichschaltungsdruck


Der bekannte Moraltheologe, Pater Giovanni M. Cavalcoli O.P., wurde (auf Wunsch des Vatikans) von Radio Maria entlassen.
Der bekannte Moraltheologe, Pater Giovanni M. Cavalcoli O.P., wurde (auf Wunsch des Vatikans) von Radio Maria entlassen.

(Rom) Das Heil­mit­tel „Miser­i­cor­di­na“ von Papst Fran­zis­kus gilt nicht für alle. Man­che Katho­li­ken sind davon aus­ge­nom­men. Radio Maria Ita­li­en, der Mut­ter­sen­der aller Radio-Maria-Sen­der, mach­te sei­nem Ruf als Fran­cis­ce­i­sche Säu­be­rungs­an­stalt neue „Ehre“. Am ver­gan­ge­nen Sams­tag gab der Sen­der bekannt, sich mit „sofor­ti­ger Wir­kung“ vom bekann­ten Dog­ma­ti­ker Gio­van­ni Caval­co­li zu tren­nen. Der Domi­ni­ka­ner Caval­co­li habe die päpst­li­che „Barm­her­zig­keit“ miß­ver­stan­den. Zuvor hat­te sich der Vati­kan öffent­lich von Aus­sa­gen distan­ziert, die der Moral­theo­lo­ge gar nicht geäu­ßert hatte.

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Der Domi­ni­ka­ner­pa­ter ist für sei­ne Ver­tei­di­gung der katho­li­schen Moral­leh­re bekannt. Aus die­sem Grund war er seit Jah­ren gern gese­he­ner Refe­rent bei Radio Maria Ita­li­en, wo er eine eige­ne Sen­dung gestal­te­te und sich Hörer­fra­gen stellte.

Dogmatiker sagt, was Kirche lehrt – und wird vom Vatikan getadelt

Ver­gan­ge­ne Woche hat­te Pater Caval­co­li die Fra­ge im Raum ste­hen las­sen, ob die Erd­be­ben, die seit Ende August Mit­tel­ita­li­en erschüt­ter­ten und auch in Rom zu spü­ren waren, nicht in einem Zusam­men­hang mit der Lega­li­sie­rung der „Homo-Ehe“ in Ita­li­en ste­hen könn­ten, und erin­ner­te dar­an, daß es auch die Mög­lich­keit der „Gött­li­chen Stra­fe“ gebe.

Der Domi­ni­ka­ner war in sei­ner Sen­dung bei Radio Maria Ita­li­en von einem Hörer gefragt wor­den, ob Natur­ka­ta­stro­phen wie Erd­be­ben eine Fol­ge sein könn­ten für Gesetz­ge­ber, die Geset­ze erlas­sen, „wie Ita­li­en jüngst zu den homo­se­xu­el­len Ver­bin­dun­gen“, die „gegen den Wil­len Got­tes sind“ und ein Volk, das sol­che Geset­ze dul­det. Die Fra­ge war Teil einer umfas­sen­de­ren Fra­ge, die ins­ge­samt dar­auf abziel­te, zu erfah­ren, ob Gott reue­lo­se Sün­der „straft“.

Der bekann­te Dog­ma­ti­ker beant­wor­te­te die Grund­fra­ge mit einem kla­ren Ja. Die Natur­ka­ta­stro­phen sei­en Teil der gefal­le­nen Natur, und damit eine Kon­se­quenz der Ursün­de. Was kon­kre­te Zuschrei­bun­gen anbe­langt, äußer­te sich Caval­co­li sehr zurück­hal­tend und mahn­te zur Vorsicht.

Pater Caval­co­li ging auf den Begriff „Stra­fe Got­tes“ ein, der vie­len „nicht gefällt, aber ich ver­wen­de ihn den­noch, weil es ein bibli­sches Wort ist“. Es sei „natür­lich wich­tig“, was unter „Stra­fe“ zu ver­ste­hen sei, was Gott damit mei­ne, und wel­cher Zusam­men­hang sich dar­in für die gesam­te Exi­stenz des Men­schen und sein Heil ausdrücke.

Die Krise Europas „ist eine geistige Krise“ – Ereignisse „geben zu denken“

La Repubblica über den "Fall Cavalcoli"
La Repubbli­ca über den „Fall Cavalcoli“

Die Fra­ge, ob eine Natur­ka­ta­stro­phe wie nun die Erd­be­ben in Mit­tel­ita­li­en die Fol­ge eines bestimm­ten Ereig­nis­ses sei­en, sei „schwer mit Sicher­heit zu beant­wor­ten“. Die Fra­ge sei „sehr hei­kel“. Der Domi­ni­ka­ner woll­te dar­auf nur eine „ganz per­sön­li­che Mei­nung“ äußern. Ihn habe vor allem die Zer­stö­rung der Basi­li­ka von Nor­cia, dem Geburts­ort des hei­li­gen Bene­dikt, am Mor­gen des 30. Okto­ber erschüt­tert. Er wol­le „nichts hin­ein­in­ter­pre­tie­ren, weil das hei­kel sei, aber zumin­dest zu beden­ken gebe, daß Bene­dikt von Nur­sia der Patron Euro­pas ist. Er ist der Vater der christ­li­chen Zivi­li­sa­ti­on, der Vater des Abend­lan­des, Euro­pas, das nicht nur katho­li­sche, son­dern auch lai­zi­sti­sche Gelehr­te in einer schwe­ren Kri­se sehen.“

Pater Caval­co­li ver­wies dann kon­kret auf einen Vor­trag von Etto­re Got­ti-Tede­schi, den er „vor weni­gen Tagen“ gehört habe, und der ein „gro­ßer Öko­nom, aber auch Phi­lo­soph“ sei, und der einen „Zusam­men­hang zwi­schen der Wirt­schafts­kri­se Euro­pas und der gei­sti­gen Kri­se Euro­pas“ betonte.

Wört­lich sag­te der bekann­te Moral­theo­lo­ge dann:

„Stra­fe Got­tes: Bei aller gebo­te­nen Vor­sicht kann man schon den Ein­druck gewin­nen, daß die­se Angrif­fe gegen das Gött­li­che Gesetz, man den­ke an die Wür­de der Fami­lie, der Ehe, daß die­se Angrif­fe dar­an den­ken las­sen, daß wir es mit dem zu tun haben, was wir Stra­fe Got­tes nennen.“

Vatikan distanziert sich von Aussage, die gar nicht gemacht wurde

Auf die­se Wor­te folg­te eine auf­ge­reg­te Distan­zie­rungs­wel­le in vati­ka­ni­schen Medi­en. Dabei wur­de Pater Caval­co­li unter­stellt, er habe behaup­tet, die Erd­be­ben sei­en eine siche­re Fol­ge der Lega­li­sie­rung der „Homo-Ehe“ und eine „Stra­fe Got­tes“. Genau das aber, hat­te der Theo­lo­ge nicht gesagt. Die Frank­fur­ter All­ge­mei­ne Zei­tung titel­te wahr­heits­wid­rig: „Prie­ster bezeich­net Erd­be­ben als Stra­fe Got­tes“. Der ORF: „ ‚Erd­be­ben ist Stra­fe Got­tes‘. Prie­ster sorgt für Eklat“. Die Aus­sa­gen des Moral­theo­lo­gen sei­en „belei­di­gend“ für die Opfer der Erd­be­ben (und natür­lich für die Homo­se­xu­el­len), so Radio Vati­kan.

Die Vor­stel­lung eines stra­fen­den Ein­grei­fens Got­tes scheint für man­che Kir­chen­ver­tre­ter bereits ein grö­ße­res Greu­el zu sein als die mensch­li­chen Greu­el, die Ursa­che dafür wären. Got­tes Gerech­tig­keit ver­schwin­det hin­ter der Barm­her­zig­keit bis zur Unkenntlichkeit.

Der Tadel gegen Pater Caval­co­li kam direkt aus dem Vati­kan. Der Sub­sti­tut des vati­ka­ni­schen Staats­se­kre­ta­ri­ats, Kuri­en­erz­bi­schof Gio­van­ni Ange­lo Becciu, trat per­sön­lich vor die Mikro­pho­ne von Radio Vati­kan, um sich vom Denk­an­stoß des Domi­ni­ka­ners zu distanzieren.

In der Sonn­tags­aus­ga­be vom 6. Novem­ber, die am 5. Novem­ber erschien, goß der Osser­va­to­re Roma­no wei­te­res Öl ins Feu­er. Ein aus­führ­li­cher Arti­kel nahm gegen die „belei­di­gen­den Aus­sa­gen“ von Pater Caval­co­li Stellung.

Pater Cavalcoli beharrt: „Wofür sollte ich mich entschuldigen?“

Weder Radio Vati­kan noch der Osser­va­to­re Roma­no kon­tak­tier­ten den Dog­ma­ti­ker, um auch ihn zu Wort kom­men zu las­sen. Das taten hin­ge­gen zwei der füh­ren­den ita­lie­ni­schen Pri­vat­ra­dio­sen­der, Radio Il Sole 24 und Radio Capi­tal. In den Inter­views ver­tei­dig­te Pater Caval­co­li sei­ne Aus­sa­gen und beton­te, daß das, was er mit der gebo­te­nen Zurück­hal­tung äußer­te, „Leh­re der Kir­che“ sei. Das­sel­be gilt für ein Inter­view, das er der katho­li­schen Online-Tages­zei­tung La Fede Quo­ti­dia­na gab. Der Domi­ni­ka­ner rück­te auch nach Bekannt­wer­den der Kri­tik aus dem Vati­kan nicht von sei­ner Posi­ti­on ab.

Osservatore Romano: "Beledigende Äußerungen"
Osser­va­to­re Roma­no: „Belei­di­gen­de Äußerungen“

Doch für Radio Maria Ita­li­en zäh­len offen­bar nicht die Inhal­te, son­dern das, was der Vati­kan gera­de wünscht. Der Vati­kan aber ver­lang­te den Kopf von Pater Caval­co­li, und schon distan­zier­te sich Radio Maria vom lang­jäh­ri­gen Mit­ar­bei­ter, der einer der bekann­te­sten und ange­se­hen­sten Moral­theo­lo­gen Ita­li­ens ist. Der Sen­der gab noch am Sams­tag bekannt, sich mit „sofor­ti­ger“ Wir­kung von Pater Caval­co­li zu tren­nen. Die Mel­dung war so wich­tig, daß sie noch am Sams­tag­abend auch von Medi­en im deut­schen Sprach­raum wie Bay­ern 5 aktu­ell berich­tet wur­de. Aus­lö­ser dafür war der Zusam­men­hang mit der „Homo-Ehe“, Kri­tik dar­an wird nicht gedul­det, und die abge­lehn­te Vor­stel­lung, daß Gott ein­grei­fen und sogar die Natur­ge­set­ze bewe­gen könn­te. Ein sol­cher Gott wäre ja ein Akteur.

Radio Maria begrün­de­te den Raus­wurf mit dem Hin­weis, daß Caval­co­lis Aus­sa­gen zum Erd­be­ben, die „Homo-Ehe“ wur­de nicht erwähnt, „nicht auf einer Linie mit der Ver­kün­di­gung der Barm­her­zig­keit sind, die das Wesen des Chri­sten­tums und des pasto­ra­len Han­delns von Papst Fran­zis­kus ist“.

Der Sen­der gab damit zu ver­ste­hen, daß die For­de­rung nach Caval­co­lis Ent­las­sung direkt aus dem Vati­kan kam, und leg­te zugleich ein Erge­ben­heits­be­kennt­nis gegen­über dem Papst ab. Zudem ent­schul­dig­te sich Radio Maria bei allen, die sich durch die Wor­te des Moral­theo­lo­gen „belei­digt“ fühlen.

Soll Radio Maria „auf Linie“ gebracht werden?

Der Fall steht nicht iso­liert, son­dern hat einen Hintergrund.

Der Vati­ka­nist Pao­lo Roda­ri von La Repubbli­ca schrieb zum Vor­fall: „Der Ein­druck ist, daß bestimm­te Stel­lung­nah­men des Radio­sen­ders unter Bene­dikt XVI. mehr tole­riert wur­den, aber nicht mehr unter Papst Fran­zis­kus.“ Ist Pater Caval­co­li nur das Bau­ern­op­fer, das dem Vati­kan dar­ge­bracht wur­de, damit Radio Maria Ita­li­en nicht selbst ins Kreuz­feu­er des Vati­kans gerät?

Pater Livio Fanzaga von Radio Maria Italien
Pater Livio Fanz­a­ga von Radio Maria Italien

Pro­gramm­di­rek­tor Pater Livio Fanz­a­ga stell­te sich im ver­gan­ge­nen Febru­ar ent­schie­den gegen die Lega­li­sie­rung der „Homo-Ehe“ in Ita­li­en. „Wir sind bereit zum Mar­ty­ri­um“, sag­te er damals ins Mikro­phon. Wäh­rend Mil­lio­nen Ita­lie­ner für Ehe und Fami­lie und gegen die Homo­se­xua­li­sie­rung auf die Stra­ße gin­gen, hat­te der Vati­kan durch den Papst-Ver­trau­ten Msgr. Nun­zio Galan­ti­no, Gene­ral­se­kre­tär der Ita­lie­ni­schen Bischofs­kon­fe­renz, mit der ita­lie­ni­schen Links­re­gie­rung bereits einen Kom­pro­miß aus­ge­han­delt: Lega­li­sie­rung der „Homo-Ehe“ unter der Bedin­gung, sie nicht „Ehe“ zu nen­nen. Gleich­zei­tig distan­zier­te sich Galan­ti­no von den katho­li­schen Krei­sen, die sich mit einem sol­chen Kom­pro­miß nicht abfin­den woll­ten. Im ver­gan­ge­nen Juni trat die „Homo-Ehe“ (Zivil­unio­nen genannt) in Kraft. Aus argen­ti­ni­schen Zei­ten ist bekannt, daß Papst Fran­zis­kus eines nicht mag, und zwar genau in die­sem Zusam­men­hang: näm­lich einen offe­nen Kon­flikt in gesell­schafts­po­li­ti­schen oder bio­ethi­schen Fra­gen mit Linksregierungen.

Pater Caval­co­li ist nur ein pro­mi­nen­tes Opfer von „Säu­be­run­gen“, die Radio Maria Ita­li­en seit der Wahl von Papst Fran­zis­kus durch­führ­te. Die Zusam­men­ar­beit mit Mario Pal­ma­ro, Ales­san­dro Gnoc­chi, Rober­to de Mat­tei und Gian­pao­lo Bar­ra wur­de auf­ge­kün­digt, weil sie Kri­tik an Papst Fran­zis­kus gewagt hat­ten. Seit­her wird dem Sen­der vor­ge­wor­fen, einen „Kada­ver­ge­hor­sam“ gegen­über dem Papst zu förr­dern, der durch die kirch­li­che Leh­re nicht gedeckt sei.

Pater Caval­co­li hat­te, im Gegen­satz zu den Vor­ge­nann­ten, Papst Fran­zis­kus aber gar nicht kri­ti­siert. Den­noch wur­de er ein Opfer der „Neu­en Barm­her­zig­keit“. Ein Signal dafür, daß der vati­ka­ni­sche Druck auf Radio Maria Ita­li­en unter Papst Fran­zis­kus wächst. Der Sen­der soll auf (päpst­li­che) Linie gebracht wer­den. Der Weg zu die­ser „Anpas­sung“ ist mit den Ent­las­sun­gen ver­dien­ter Mit­ar­bei­ter gepflastert.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: MiL/​Osservatore Romano/​La Repubbli­ca (Screen­shots)

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