„Sieger und Verlierer“ (Sandro Magister) der neuen Kardinalserhebungen


Die Sieger und Verlierer der neuen Kardinalserhebungen durch Papst Franziskus
Die Sieger und Verlierer der neuen Kardinalserhebungen durch Papst Franziskus

(Rom) „Der Tor­ten­wurf, der vor sechs Jah­ren den Erz­bi­schof von Brüs­sel, André-Joseph Léo­nard ins Gesicht traf, der wegen sei­ner tra­di­tio­nel­len Posi­tio­nen in Leh­re und Pasto­ral ver­höhnt wur­de, erleb­te eine weit gewich­ti­ger Wie­der­ho­lung durch das Pur­pur, das Papst Fran­zis­kus sei­nem Nach­fol­ger und pro­gres­si­ven Riva­len Jozef De Kesel ver­leiht“, so der Vati­ka­nist San­dro Magi­ster, über eine wei­te­re Ohr­fei­ge, die der amtie­ren­de Papst gestern im Fall Mecheln-Brüs­sel austeilte.

„Stellvertreterkrieg“ um Brüssel

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Es ist nicht die erste und der eigent­li­che Adres­sat ist Bene­dikt XVI. Um kei­nen Bischofs­sitz der Erde wur­de der Kampf zwi­schen Pro­gres­si­ven und Kon­ser­va­ti­ven in den ver­gan­ge­nen Jah­ren här­ter aus­ge­tra­gen als jenem von Brüs­sel, mit dem die Wür­de des Pri­mas von Bel­gi­en ver­bun­den ist.

Der Erz­bi­schofs­sitz Mecheln-Brüs­sel ist seit Jahr­zehn­ten fest in pro­gres­si­ver Hand. Papst Bene­dikt XVI. ver­such­te 2010 mit der Ernen­nung von Erz­bi­schof Léo­nard eine Rich­tungs­än­de­rung. Mit dem päpst­li­chen Amts­ver­zicht war 2015 auch das Kapi­tel Léo­nard bereits wie­der Ver­gan­gen­heit und wird inzwi­schen in pro­gres­si­ven Kir­chen­krei­sen Bel­gi­ens nur mehr als kurz­zei­ti­ger „Betriebs­un­fall“ betrachtet.

Im Kon­flikt steht auf der einen Sei­te Kar­di­nal God­fried Dan­neels, der bis 2010 pro­gres­si­ver Erz­bi­schof von Brüs­sel war, sowie dem seit 2015 amtie­ren­den Erz­bi­schof Jozef De Kesel, Dan­neels Wunsch­nach­fol­ger. Auf der ande­ren Sei­te steht Erz­bi­schof Léo­nard, der das Erz­bis­tum von 2010–2015 lei­te­tet. Dabei han­delt es sich um Stell­ver­tre­ter­krieg in der ober­sten Stu­fe der Kir­chen­lei­tung, jener der Erz­bi­schö­fe und Kar­di­nä­le. In Wirk­lich­keit meint er einen unaus­ge­spro­che­nen Kon­flikt zwi­schen Papst Bene­dikt XVI. und Papst Fran­zis­kus um das Kir­chen­ver­ständ­nis und die Aus­rich­tung der Kirche.

Schallende Ohrfeigen

Eine schal­len­de Ohr­fei­ge für Léo­nard und Bene­dikt XVI. teil­te Papst Fran­zis­kus bereits bei den Kar­di­nals­er­he­bun­gen 2015 aus, als er den ehe­ma­li­gen Apo­sto­li­schen Nun­ti­us von Bel­gi­en, den Deut­schen Karl-Josef Rau­ber zum Kar­di­nal ernann­te. Rau­ber hat­te an der Sei­te Dan­neels die Ernen­nung Léo­nards  zu ver­hin­dern ver­sucht und Papst Bene­dikt XVI. öffent­lich kri­ti­siert, ein uner­hör­ter Ver­trau­ens­bruch für einen Diplo­ma­ten. Fran­zis­kus belohn­te ihn mit der Kardinalswürde.

San­dro Magi­ster dazu:

„In den vor­he­ri­gen Kon­si­sto­ri­en hat­te die Wei­ge­rung von Papst Jor­ge Mario Berg­o­glio wie­der­holt für Befrem­den gesorgt, Erz­bi­schof Léo­nard zum Kar­di­nal zu erhe­ben, trotz des bedeu­ten­den Bischofs­stuhls, den er beklei­de­te, und trotz sei­ner per­sön­li­chen Qua­li­tä­ten. Es hieß, daß der neue Papst nicht mehr die Diö­ze­sen pri­vi­le­gie­ren wol­le, die histo­risch mit der Kar­di­nals­wür­de ver­bun­den sind, son­dern statt­des­sen die ‚Rän­der‘. Mit De Kesel ist die­ser Vor­be­halt sofort wie­der gefal­len. Das Ver­dienst des Neo­kar­di­nals besteht dar­in, der Zög­ling von God­fried Dan­nels zu sein, dem Vor­gän­ger von Léo­nard und füh­ren­den Ver­tre­ter der – laut Dan­neels Eigen­an­ga­be – ‚Mafia‘ von Sankt Gal­len, dem Kar­di­nals­club der Berg­o­glio-Wäh­ler im geschei­ter­ten Kon­kla­ve von 2005 und im erfolg­rei­chen Kon­kla­ve von 2013.“

Von Regeln und Ausnahmeregeln – Drei US-Amerikaner

Der Papst ist frei in sei­ner Ent­schei­dung, wen er in das Kar­di­nals­kol­le­gi­um beruft und wen nicht. Die Kar­di­nä­le sind die „ersten Bera­ter“ des Pap­stes. Die Ernen­nung ist eine Aus­zeich­nung und zeigt an, wen das Kir­chen­ober­haupt für die Betei­li­gung an der Kir­chen­lei­tung für geeig­net und wür­dig hält.

Es stim­me, so Magi­ster, „daß es auch Ernen­nun­gen von den ‚Rän­dern‘ gibt“. Sie betref­fen die Erz­bi­schö­fe von Ban­gui (Zen­tral­afri­ka­ni­sche Repu­blik), Dha­ka (Ban­gla­desch), Port-Lou­is (Mau­ri­ti­us) und Port Mores­by (Papus-Neu­gui­nea).

„Aber auch eini­ge gro­ße Diö­ze­sen, die tra­di­tio­nell mit der Kar­di­nals­wür­de ver­bun­den sind, wur­den mit dem Pur­pur belohnt. So zum Bei­spiel Madrid, des­sen Erz­bi­schof Car­los Osoro Sier­ra, den Berg­o­glio selbst dort hin­ge­setzt hat. Er ver­dien­te sich die Beför­de­rung unter ande­rem, weil er zwei sei­ner Suf­fra­gan­bi­schö­fe dem öffent­li­chen Gespött über­ließ, ohne sie zu ver­tei­di­gen, die es gewagt hat­ten, die Homo-Ehe zu kritisieren.“

Der drit­te neue US-Kar­di­nal, wenn auch iri­scher Abstam­mung, ist Kevin Far­rell, der seit kur­zem als Prä­fekt des neu­ge­grün­de­ten Dik­aste­ri­ums für die Lai­en, die Fami­lie und das Leben nach Rom geru­fen wur­de. In sei­nem Fall ist anzu­mer­ken, daß er die­ses Amt, und damit auch die Kar­di­nals­wür­de, Msgr. Vin­cen­zo Paglia­weg­ge­schnappt hat,dem rang­höch­sten Ver­tre­ter der Gemein­schaft von Sant‘Egidio, die auch bei die­sem Kon­si­sto­ri­um leer­aus­geht – wie auch das Opus Dei.“ Far­rell ent­stammt dem Orden der Legio­nä­re Chri­sti, gehört die­sem aber bereits seit meh­re­ren Jah­ren nicht mehr an, hat also kei­nen Anteil an den jüng­sten Ent­wick­lun­gen des Ordens.

Mit gleich drei neu­en Kar­di­nä­len aus den USA führt Papst Fran­zis­kus eine beacht­li­che Gewichts­ver­la­ge­rung durch.

Jene, die leer ausgehen: Venedig, Los Angeles und Kiew

Ohne Kar­di­nals­wür­de blei­ben hin­ge­gen ande­re gro­ße Diö­ze­sen, die tra­di­tio­nell mit der Kar­di­nals­wür­de ver­bun­den sind, deren Amts­in­ha­ber aber „das Pech haben“, so Magi­ster, kei­ne Berg­o­glia­ner zu sein. Dazu gehört Erz­bi­schof José Hora­cio Gómez von Los Ange­les, des­sen „Pech“ es ist, das Gegen­teil des­sen zu ver­tre­ten, was „der Ultra­ber­go­glia­ner Cupich“ vertritt.

Dazu gehört auch Patri­arch Fran­ces­co Mora­glia von Vene­dig, ein Schü­ler von Kar­di­nal Giu­sep­pe Siri. Die Amts­in­ha­ber der Bischofs­stüh­le von Vene­dig und Mai­land, gal­ten lan­ge Zeit auto­ma­tisch nicht nur „Papa­bi­li“, son­dern sogar als Top-Anwär­ter für das Amt des Pap­stes. Der Patri­arch von Vene­dig, da dort der Ratz­in­ge­ria­ner Mora­glia sitzt, gehört heu­te nicht ein­mal mehr dem Kar­di­nals­kol­le­gi­um an.

Leer geht auch erneut die Ukrai­ne aus. Papst Fran­zis­kus unter­zeich­ne­te im ver­gan­ge­nen Febru­ar auf Kuba eine „Gemein­sa­me Erklä­rung“ mit dem rus­sisch-ortho­do­xen Patri­ar­chen von Mos­kau, die in der Ukrai­ne Ent­set­zen aus­lö­ste. Nur weni­ge Stun­den nach der Unter­zeich­nung erklär­te Fran­zis­kus daher sinn­ge­mäß, daß das Papier „kei­ne Bedeu­tung“ habe. Es bedurf­te den­noch eini­ger päpst­li­cher Image-Maß­nah­men, dar­un­ter eine welt­wei­te Kol­lek­te zugun­sten der mit Rom unier­ten ukrai­ni­schen grie­chisch-katho­li­schen Kir­che, um die Wogen eini­ger­ma­ßen zu glät­ten. Die Vor­ent­hal­tung der Kar­di­nals­wür­de für den ukrai­ni­schen Groß­erz­bi­schof bestä­tigt jedoch, daß Papst Fran­zis­kus mehr nach Mos­kau als nach Kiew schaut. Groß­erz­bi­schof Schewtschuk gehör­te von Amts­we­gen bei­den Syn­oden über die Fami­lie als Syn­oda­le an. Dort übte er deut­li­che Kri­tik an den Posi­tio­nen von Kar­di­nal Wal­ter Kas­per, die von Papst Fran­zis­kus hin­ge­gen geför­dert wurden.

Zweites Purpur für Venezuela, um erstes zu neutralisieren

Statt­des­sen ehrt Papst Fran­zis­kus Vene­zue­la erst­mals in sei­ner Geschich­te mit einem zwei­ten Kar­di­nal, „wäh­rend ande­re Län­der Latein­ame­ri­kas nicht ein­mal einen haben“, so Magi­ster. Der Vati­ka­nist ver­mu­tet, daß Fran­zis­kus damit den Ein­fluß des Erz­bi­schofs von Cara­cas, Jor­ge Uro­sa Savi­no ein­schrän­ken will. Uro­sa Savi­no war einer der 13 Kar­di­nä­le, die am Beginn der Bischofs­syn­ode 2015 den berühm­ten Pro­test­brief an Papst Fran­zis­kus geschrie­ben haben, mit dem die hohen Pur­pur­trä­ger den Ver­such eines kal­ten Put­sches anpran­ger­ten, näm­lich blo­ße Sta­ti­sten in einer Syn­ode zu sein, deren Ergeb­nis­se bereits vor­ge­fer­tigt fest­stan­den. Zudem ver­tritt Kar­di­nal Uro­sa Savi­no eine kri­ti­sche Posi­ti­on gegen­über der „boli­va­ri­schen“, sozia­li­sti­schen Regie­rung in Cara­cas, wäh­rend Papst Fran­zis­kus demon­stra­ti­ve Sym­pa­thie für die latein­ame­ri­ka­ni­schen Links­re­gie­run­gen bekundet.

Die Erhe­bung des bereits über 80 Jah­re alten, eme­ri­tier­ten Bischofs von Nova­ra, Msgr. Rena­to Cor­ti, in den Kar­di­nals­rang sieht Magi­ster im Zusam­men­hang mit des­sen „gro­ßer Nähe“ zum Jesui­ten­kar­di­nal Car­lo Maria Mar­ti­ni, dem ein­sti­gen, 2012 ver­stor­be­nen Erz­bi­schof von Mai­land und Grün­der des „Mafia­clubs“ Sankt Gallen.

„Nach die­sem Kon­si­sto­ri­um wer­den in einem hypo­the­ti­schen Kon­kla­ve fol­gen­de Län­der Latein­ame­ri­kas kei­nen Kar­di­nal haben: Kuba, Domi­ni­ka­ni­sche Repu­blik, Ecua­dor, Boli­vi­en, Para­gu­ay (das noch nie in sei­ner Geschich­te einen Kar­di­nal hat­te). In Euro­pa hin­ge­gen wer­den die Ukrai­ne, Rumä­ni­en, die Slo­wa­kei, Slo­we­ni­en, Mal­ta und Lett­land ohne einen Kar­di­nal­wäh­ler sein.“

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: MiL (Screen­shot)

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