Facebook, Google, McKinsey, Time Warner, IBM, Siemens – Der Umbau der Vatikanmedien


1931 ging Radio Vatikan als zweiter internationaler Sender nach der BBC auf Sendung (rechts im Bild Papst Pius XI.)

(Rom) „Die Vati­kan­me­di­en wech­seln Aus­se­hen und Besit­zer. Und das aus­ge­rech­net unter einem Jesui­ten als Papst“, so der Vati­ka­nist San­dro Magi­ster über jüng­ste Umstruk­tu­rie­run­gen in der vati­ka­ni­schen Kommunikationspolitik.
Radio Vati­kan wird sei­ne Pro­gram­me auf Kurz­wel­le ein­stel­len. Der Osser­va­to­re Roma­no wird Teil eines ein­zi­ges „con­tent hub“ unter der Lei­tung des in Bra­si­li­en gebo­re­nen lom­bar­di­schen Mon­si­gno­re Dario Viganò. Ihn ernann­te Papst Fran­zis­kus 2015 zum ersten Prä­fekt des neu­errich­te­ten Kom­mu­ni­ka­ti­ons­se­kre­ta­ri­ats, einem der neu­en Dik­aste­ri­en, die vom amtie­ren­den Papst im Rah­men sei­ner Kuri­en­re­form errich­tet wurden.

Jesuitenorden verliert unter einem Jesuitenpapst seine Einsatzfelder im Vatikan

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„Jor­ge Mario Berg­o­glio ist der erste Jesu­it in der Kir­chen­ge­schich­te, der auf dem Stuhl des Apo­stels Petrus Platz genom­men hat. Den­noch ris­kiert die Gesell­schaft Jesu aus­ge­rech­net unter sei­ner Regie­rung aus dem Vati­kan zu ver­schwin­den“, so der Vati­ka­nist Magister.

Dem Orden des hei­li­gen Igna­ti­us von Loyo­la bleibt fak­tisch nur mehr die Lei­tung der Spe­cu­la, des vati­ka­ni­schen Obser­va­to­ri­ums. Die Jesui­ten haben die Lei­tung des vati­ka­ni­schen Pres­se­am­tes, von Radio Vati­kan, des vati­ka­ni­schen Fern­seh­zen­trums, kurz­um die Herz­stücke des vati­ka­ni­schen Kom­mu­ni­ka­ti­ons­sy­stems verloren.

Teil­re­dak­tio­nen von Radio Vati­kan befin­den sich noch unter jesui­ti­scher Lei­tung. Die Deut­sche Redak­ti­on wird von P. Bernd Hagen­kord SJ gelei­tet. Auch der Haupt­pro­gramm­chef ist noch ein Jesu­it. Die wirk­li­chen Ent­schei­dun­gen lie­gen aber nicht mehr in der Hand des Ordens.

Pater Federico Lombardi noch als Direktor von Radio Vatikan
Pater Feder­i­co Lom­bar­di noch als Direk­tor von Radio Vatikan

Der ehe­ma­li­ge Vati­kan­spre­cher, Pater Feder­i­co Lom­bar­di SJ, kon­zen­trier­te meh­re­re Jah­re lang die Fäden aller drei Medi­en in sei­nen Hän­den. Unter Papst Fran­zis­kus hat­te er ein Medi­um nach dem ande­ren abzu­ge­ben, und nir­gends folg­te ihm ein ande­rer Jesu­it nach.

„Der neue Boss der Vati­kan­me­di­en, den Papst Fran­zis­kus an die Spit­ze des neu­errich­te­ten Kom­mu­ni­ka­ti­ons­se­kre­ta­ri­ats setz­te, ist Dario Edo­ar­do Viganò, ein Exper­te der gro­ßen Lein­wand, des­sen Sicht­wei­sen gegen­über jenen sei­nes Vor­gän­gers kaum wei­ter ent­fernt sein könn­ten“, so Magister.

Radio Vatikan mit 40 Redaktionen nur mehr bis Dezember eigenständig

Radio Vati­kan wur­de 1931 unter Papst Pius XI. gegrün­det und dem Jesui­ten­or­den anver­traut. Der Orden bau­te den Sen­der auf und errich­te­te Redak­tio­nen in zahl­rei­chen Spra­chen, ins­ge­samt 40, mit denen auch die ent­le­gen­sten Win­kel der Erde erreicht wer­den soll­ten. „Wäre es nach Pater Lom­bar­di gegan­gen, wären es sogar noch mehr gewe­sen“, so Magister.

Unter sei­ner Lei­tung war eine Hausa Redak­ti­on ent­stan­den, mit der Sen­dun­gen für das von der isla­mi­schen Dschi­had-Miliz Boko Haram heim­ge­such­te Nord­ni­ge­ria pro­du­ziert und gesen­det wur­den. Die jähr­li­chen Mehr­ko­sten belie­fen sich ledig­lich auf 10.000 Euro. Im Vati­kan hielt jedoch jemand den Geld­beu­tel eng in der Hand, daß die Hausa-Redak­ti­on aus Ein­spa­rungs­grün­den wie­der ein­ge­stellt wer­den mußte.

Die Kurz­wel­len, das Haupt­ein­satz­ge­biet des Sen­ders, erlaub­ten es, daß der Sen­der auch in den ver­bo­te­nen Gegen­den gehört wer­den konn­te, heu­te zum Bei­spiel in Sau­di-Ara­bi­en und Nordkorea.

Msgr. Dario Viganò, der neue Kommunikationschef des Vatikans
Msgr. Dario Viganò, der neue Kom­mu­ni­ka­ti­ons­chef des Vatikans

Radio Vati­kan kostet ins­ge­samt tat­säch­lich viel. Der Sen­der zahlt  im Ver­gleich zu welt­li­chen Rund­funk­an­stal­ten, beson­ders den öffent­lich-recht­li­chen, zwar beschei­de­ne Gehäl­ter. Er ver­fügt aller­dings über kei­ne eige­nen Ein­nah­me­quel­len, da kei­ne Wer­bung aus­ge­strahlt wird. Ins­ge­samt sind rund 350 Jour­na­li­sten für die ver­schie­de­nen Redak­tio­nen beschäf­tigt. Der jähr­li­che Zuschuß­be­darf liegt bei 20–30 Mil­lio­nen Euro.

Der Prä­fekt des neu­en Kom­mu­ni­ka­ti­ons­dik­aste­ri­ums, Msgr. Viganò, nicht zu ver­wech­seln mit Titu­lar­erz­bi­schof Car­lo Maria Viganò, dem ehe­ma­li­gen Apo­sto­li­schen Nun­ti­us in den USA, der im ver­gan­gen April pen­sio­niert wur­de, will von Kurz­wel­le nichts mehr wis­sen. Die­se sei ein über­hol­tes Kom­mu­ni­ka­ti­ons­mit­tel, das durch das Inter­net ersetzt wer­den soll. Ande­rer Mei­nung war Pater Lom­bar­di, für den Inter­net zwar für die Mit­tel- und Ober­schicht in Län­dern außer­halb der west­li­chen Welt zugäng­lich ist, aber „nicht für die Armen, die Unter­drück­ten, für ver­schie­de­ne Minderheiten“.

Papst-Botschaften über Facebook-App für 44 Staaten in Afrika

Die Marsch­rich­tung steht inzwi­schen aber offen­bar fest. Für Afri­ka, wo Inter­net für die Mas­sen noch nicht erreich­bar ist, schloß Dario Viganò ein Abkom­men mit Face­book. Die­ses Abkom­men sieht vor, daß in 44 Staa­ten die Bot­schaf­ten des Pap­stes über ein eige­nes App auf das Mobil­te­le­fon oder Smart­phone über­tra­gen werden.

Face­book-Grün­der und Haupt­ei­gen­tü­mer Mark Zucker­berg war am 29. August von Papst Fran­zis­kus in Audi­enz emp­fan­gen wor­den. Wie Vati­kan­spre­cher und Lom­bar­di-Nach­fol­ger Greg Bur­ke im Anschluß bekannt­gab, „war der Ein­satz moder­ner Kom­mu­ni­ka­ti­ons­tech­ni­ken das The­ma der Audi­enz, zur För­de­rung einer Kul­tur der Begeg­nung und zur Ver­brei­tung einer Bot­schaft der Hoff­nung, beson­ders für die am stärk­sten Benachteiligten“.

Papst Franziskus mit Mark Zuckerberg (Facebook)
Papst Fran­zis­kus mit Mark Zucker­berg (Face­book)

Inner­halb Dezem­ber wird Radio Vati­kan sei­ne Eigen­stän­dig­keit ein­bü­ßen. Der Sen­der wird in ein ein­zi­ges „con­tent hub“ ein­ge­glie­dert, wie Prä­fekt Viganò erklär­te: „ein ein­zi­ges, mul­ti­me­dia­les Pro­duk­ti­ons­zen­trum für viel­spra­chi­ge Tex­te, Bil­der, Pod­cast, Vide­os“, die einer ein­zi­gen Her­aus­ge­ber­schaft unter­stellt sind, jener Viganòs. Der Prä­fekt kün­dig­te an, eine „Jour­na­li­sten-Taskforce“ um sich zu scha­ren, die zum Groß­teil aus Mit­ar­bei­tern von Radio Vati­kan gebil­det wer­den soll.

Papst Fran­zis­kus scheint die­se Gang­art des von ihm ernann­ten Prä­fek­ten zu tei­len. In die­sem Jahr emp­fing er „einen Magna­ten nach dem ande­ren“ des Kom­mu­ni­ka­ti­ons­sek­tors von Apple über Goog­le, Insta­gram und Voda­fone bis Face­book. „Kei­ner von ihnen kam mit lee­ren Hän­den“, so Magi­ster. Anfang Dezem­ber wird Fran­zis­kus zudem die Spit­zen von zwei wei­te­ren Medi­en­gi­gan­ten emp­fan­gen, von For­tu­ne und Time War­ner, die aus dem Vati­kan ein welt­wei­tes „New Social Com­pact“ zur Unter­stüt­zung „der Armen und Flücht­lin­ge för­dern“ wer­den. Betei­ligt dar­an wer­den auch IBM, McK­in­sey, Sie­mens und WPP sein.

Radikaler Umbau des Osservatore Romano in Planung

Auch der Osser­va­to­re Roma­no soll dem­nächst in den „con­tent hub“ absor­biert wer­den. Die „Tages­zei­tung des Pap­stes“ ver­sucht ihre Eigen­stän­dig­keit zu ver­tei­di­gen und hat sich dazu an Kar­di­nal­staats­se­kre­tär Pie­tro Paro­lin gewandt. Die­ser unter­stütz­te tat­säch­lich im ver­gan­ge­nen Mai die mit Gel­dern der Ita­lie­ni­schen Post AG in neu­em Kleid erschei­nen­de, aller­dings umstrit­te­ne Frau­en­bei­la­ge der Zei­tung. Msgr. Viganò saß schwei­gend in der letz­ten Rei­he, als die Vor­stel­lung erfolgte.

Prä­fekt Viganò hat näm­lich ande­re Plä­ne mit der Zei­tung. Die offi­zi­el­len Ver­laut­ba­run­gen sol­len künf­tig als klei­nes Amts­blatt für die Kuri­en­äm­ter erschei­nen und dar­über hin­aus nur rund um den Vati­kan im frei­en Ver­kauf ange­bo­ten wer­den. Für die inhalt­lich wich­ti­gen Arti­kel soll eine ita­lie­ni­sche Wochen­zei­tung erschei­nen, wie das der­zeit bereits für ver­schie­de­ne anders­spra­chi­ge Aus­ga­ben, so auch die deut­sche Aus­ga­be, der Fall ist. Die tages­ak­tu­el­le Bericht­erstat­tung und die­se anders­spra­chi­gen Aus­ga­ben sol­len hin­ge­gen zur Gän­ze ins Inter­net ver­la­gert werden.

Ein Son­der­weg könn­te auf päpst­li­chen Wunsch für Argen­ti­ni­en gel­ten. Dort wur­de gera­de eine eige­ne Aus­ga­be in Form einer Bei­la­ge geschaf­fen. Zum Stau­nen der Kir­che wur­de, eben­falls auf Wunsch des Pap­stes, erst­mals ein Pro­te­stant zum Redak­ti­ons­lei­ter einer Aus­ga­be des Osser­va­to­re Roma­no ernannt.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Wikicommons/​Radio Vatican/​MiL (Screen­shots)

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4 Kommentare

  1. von Apple über Goog­le, Insta­gram und Voda­fone bis Face­book etc…
    Ist das nicht die Wirt­schaft, die tötet?

    • Wenn die Hei­li­ge Schrift recht hat (was ich glau­be), endet „die­ser Wahn­sinn“ erst mit der Wie­der­kunft des Herrn Jesus Chri­stus am Ende der (Gro­ßen) Drang­sal, das ist die 70. Jahr­wo­che nach der Pro­phe­zei­ung Dani­els. Die Hoff­nung auf das Able­ben von Papst Fran­zis­kus und einen bes­se­ren Nach­fol­ger, der Glau­ben und Ord­nung in der Kir­che wie­der­her­stellt, könn­te sich als leer erwei­sen. Jeden­falls kann sie nicht den wah­ren Glau­ben und die ech­te Lie­be j e t z t ersetzen.

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