„Die einzig mögliche Interpretation“ von Amoris laetitia zieht ihre Kreise – auch ohne offizielle Bestätigung


Amoris laetitia
Papst-Brief an Bischöfe von Buenos Aires: "Sehr gut", die Absicht des umstrittenen Kapitels VIII wird "genau" wiedergegeben

(Rom) „Es gibt kei­ne ande­ren Inter­pre­ta­tio­nen“ als die mög­li­che Zulas­sung wie­der­ver­hei­ra­tet Geschie­de­ner zur Kom­mu­ni­on, wo die Lage „sehr kom­plex“ und eine „ver­min­der­te Schuld­haf­tig­keit“ vor­lie­ge. Letz­te­res schrei­ben die Bischö­fe von Jor­ge Mario Berg­o­gli­os Hei­mat­me­tro­po­lie. Erste­res kom­men­tier­te Papst Fran­zis­kus und lob­te damit die Aus­le­gung des nach­syn­oda­len Schrei­bens Amo­ris lae­ti­tia durch sei­nen Nach­fol­ger Mario Aure­lio Kar­di­nal Poli von Bue­nos Aires und des­sen Suf­fra­ga­nen. Offi­zi­ell ist aber noch nichts. Das Katz-und-Maus-Spiel zur Durch­set­zung der Kas­per-For­de­rung vom 20. Febru­ar 2014 geht in die näch­ste Run­de. Die Stoß­rich­tung bleibt dieselbe.

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Es hand­le sich um eine Ein­zel­fall­pa­sto­ral, bei der „von Fall zu Fall“ zu ent­schei­den sei. Sie set­ze einen Weg der „Unter­schei­dung“ und der „Hin­füh­rung zu Chri­stus“ vor­aus. Letzt­lich lie­ge die Ent­schei­dung aber beim ein­zel­nen Prie­ster, ob er wie­der­ver­hei­ra­tet Geschie­de­ne zur Kom­mu­ni­on zuläßt oder nicht. Objek­ti­ve Hin­de­rungs­grün­de schei­nen in einem „alles ist mög­lich, nix ist fix“ zu verschwinden.

Eine dar­aus fol­gen­de, ver­schwom­men-viel­ge­sich­ti­ge Pra­xis, durch den neu­en Ver­such in Bue­nos Aires das eigent­li­che Ziel der dop­pel­ten Bischofs­syn­ode über die Fami­lie, die Zulas­sung wie­der­ver­hei­ra­tet Geschie­de­ner zur Kom­mu­ni­on, zu errei­chen, zeich­net sich bereits ab. Es ist die indi­rek­te Umset­zung einer „regio­nal“ unter­schied­li­chen Praxis.

In Län­dern, in denen eine stren­ge­re Dis­zi­plin herrscht, wird man an der über­lie­fer­ten Pra­xis fest­hal­ten. In libe­ra­le­ren Län­dern, wird ein beträcht­li­cher Teil der Prie­ster und Bischö­fe die Lat­te der „Unter­schei­dung“ und der „Hin­füh­rung zu Chri­stus“ sehr nied­rig hal­ten. Jeder nach sei­ner „Sen­si­bi­li­tät“. Die Mög­lich­keit zu einer regio­nal dif­fe­ren­zier­ten Pasto­ral hat­te Kar­di­nal Kas­per vor­ge­schla­gen, nach­dem sich die gene­rel­le Durch­set­zung einer neu­en Pra­xis für die Welt­kir­che auf­grund des hart­näcki­gen Wider­stan­des zahl­rei­cher Syn­oden­vä­ter als nicht durch­führ­bar erwie­sen hat­te. Zuvor war Kas­per am Ran­de der Bischofs­syn­ode 2014 wegen der Ver­tei­di­gung des Ehe­sa­kra­ments durch afri­ka­ni­sche Bischö­fe aus­fäl­lig geworden.

Die „Grund­kri­te­ri­en“ der Bischö­fe der Kir­chen­pro­vinz Bue­nos Aires, zur kon­kre­ten Umset­zung des umstrit­te­nen Kapi­tels VIII von Amo­ris lae­ti­tia, wur­den am 6. Sep­tem­ber von der spa­nisch­spra­chi­gen, katho­li­schen Inter­net-Zei­tung Info­Ca­to­li­ca zusam­men mit einem Dank- und Lob­schrei­ben von Papst Fran­zis­kus vom Vor­tag ver­öf­fent­licht. Zwei Tage spä­ter ver­schwan­den bei­de Doku­men­te, und der dazu­ge­hö­ri­ge Bericht wur­de ersetzt. Im neu­en Bericht heißt es, die Bischö­fe von Bue­nos Aires wür­den erst an sol­chen „Grund­kri­te­ri­en“ arbeiten.

Was war gesche­hen? Wur­de die offen­sicht­lich zwi­schen Bue­nos Aires und Rom, zwi­schen Papst Fran­zis­kus und dem von ihm ernann­ten Nach­fol­ger Kar­di­nal Poli abge­spro­che­ne Akti­on abge­bla­sen? War­um? Han­del­te es sich nur um einen Ver­suchs­bal­lon, um die Reak­tio­nen zu testen? Oder wer­den inzwi­schen inhalt­li­che Kor­rek­tu­ren vorgenommen?

Gegen Letz­te­res spricht der Umstand, daß die Pres­se­schau des vati­ka­ni­schen Staats­se­kre­ta­ri­ats, Il Sis­mo­gra­fo, die Ver­öf­fent­li­chun­gen am 11. Sep­tem­ber über­nahm und am Mon­tag Radio Vati­kan, der Osser­va­to­re Roma­no und der Hof­va­ti­ka­nist Andrea Tor­ni­el­li die Exi­stenz des Dank- und Lob­schrei­ben von Fran­zis­kus vor­be­halt­los als Tat­sa­che berich­te­ten. In dem Brief lobt Fran­zis­kus die „Grund­kri­te­ri­en“ der Bischö­fe als „sehr gut“. Sie wür­den sei­ne Inten­ti­on, die er mit dem Kapi­tel VIII von Amo­ris lae­ti­tia zum Aus­druck brin­gen woll­te, „genau“ wiedergeben.

Tor­ni­el­li titel­te mit der Selbst­si­cher­heit von einem, dem die Authen­ti­zi­tät wohl aus erster Hand bestä­tigt wur­de: „Amo­ris lae­ti­tia: der Papst sagt, wel­che Inter­pre­ta­ti­on rich­tig ist“. Der Osser­va­to­re Roma­no schrieb gestern von „Unter­schei­dung und pasto­ra­le Lie­be. Papst Fran­zis­kus zum Amo­ris lae­tita gewid­me­ten Brief der Bischö­fe von Bue­nos Aires“.

Ein­mal mehr seit Beginn des Pon­ti­fi­kats von Papst Fran­zis­kus weiß man nicht, was Sache ist. Die Erz­diö­ze­se Bue­nos Aires und deren Medi­en berich­te­ten bis­her nichts über die „Grund­kri­te­ri­en“ und das Papstschreiben.

Erneut wur­de ein Stein in den Teich gewor­fen, um neue Krei­se in Rich­tung einer neu­en Pasto­ral und einer „revo­lu­tio­nä­ren“ Umge­stal­tung der katho­li­schen Ehe-und Moral­leh­re zu zie­hen.  Und die Krei­se zie­hen ihre Bahn und ent­fal­ten bereits ihre Wir­kung in der katho­li­schen Öffent­lich­keit – auch ohne offi­zi­el­le Bestätigung.

Grund­sätz­lich bleibt es wei­ter­hin dabei: Eine letz­te Gewiß­heit scheint Papst Fran­zis­kus kaum ent­lock­bar zu sein.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Osser­va­to­re Romano/​Sismografo (Screen­shots)

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Katho­li­sches war die erste katho­li­sche Publi­ka­ti­on, die das Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus kri­tisch beleuch­te­te, als ande­re noch mit Schön­re­den die Qua­dra­tur des Krei­ses versuchten.

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1 Kommentar

  1. „Eine letz­te Gewiß­heit scheint Papst Fran­zis­kus kaum ent­lock­bar zu sein.“
    Das ist wohl der Trick hin­ter der gan­zen Übung. Mit der Brech­stan­ge läßt sich das Ziel nicht erreichen.
    Was muß da an Gehirn­schmalz auf­ge­wen­det wer­den?! Jam­mer­scha­de für die­se Ver­geu­dung von intel­lek­tu­el­len Res­sour­cen. Und es ist ver­geb­lich: heu­te am Fati­ma­tag kann man ins­be­son­de­re die Mut­ter­got­tes zitie­ren: „Am Ende wird mein Unbe­fleck­tes Herz triumphieren.“

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