Amoris laetitia: „Man will die Sünde abschaffen, weil sie lästig ist“


Eine Eremitin über den "Kern" des Problems von "Amoris laetitia"
Eine Eremitin über den "Kern" des Problems von "Amoris laetitia"

(Rom) Eine Ere­mi­tin schrieb dem Vati­ka­ni­sten San­dro Magi­ster einen Brief zum nach­syn­oda­len Schrei­ben Amo­ris Lae­ti­tia, um auf den „Kern“ der Fra­ge auf­merk­sam zu machen, um die es in der Debat­te um die Zulas­sung wie­der­ver­hei­ra­tet Geschie­de­ner zu den Sakra­men­ten gehe.

Sehr geehrter Magister,

Anzei­ge

ich bin eine Gott­ge­weih­te des ere­mi­ti­schen Lebens und ver­fol­ge sehr auf­merk­sam, und soweit mensch­lich mög­lich ohne Vor­ur­tei­le, die Debat­te über die Kom­mu­ni­on für die wie­der­ver­hei­ra­tet Geschie­de­nen, um zu ver­ste­hen, ob eine even­tu­el­le dies­be­züg­li­che Ent­schei­dung des Pap­stes wirk­lich unter sei­ne Vor­rech­te – die Schlüs­sel­ge­walt – fällt, oder ob man von die­sen Schlüs­seln ver­sucht, ohne Wis­sen des Haus­herrn, geheim ein Dupli­kat anzu­fer­ti­gen, um durch Betrug hin­ein­zu­las­sen, wer kein Hoch­zeits­ge­wand hat (Mt 22,1–14), und damit das Ver­trau­en hintergeht.

Ich möch­te Ihnen eine in der Form sehr ein­fa­che, aber inhalt­lich grund­le­gen­de Über­le­gung unter­brei­ten, um den Kern des Pro­blems zu begreifen.

Wenn die Kir­che jenen erlaubt, die Kom­mu­ni­on zu emp­fan­gen, die zivil­recht­lich gehei­ra­tet haben oder mit einer ande­ren Per­son zusam­men­le­ben, obwohl sie sakra­men­tal bereits an einen Ehe­gat­ten gebun­den sind („ein Fleisch“, sagt der Haus­herr) und nicht den Weg der Ehe­nich­tig­keits­er­klä­rung gehen kön­nen, dann bedeu­tet das, daß die Kir­che es für mög­lich hält, daß man das Sakra­ment der unend­li­chen Hei­lig­keit Got­tes emp­fan­gen und getrost im sel­ben Haus – Leib und See­le des Emp­fän­gers – mit der Sün­de zusam­men­le­ben las­sen kann, denn schließ­lich blie­be der Ehe­bruch in jedem Fall eine Sün­de, außer man woll­te die Leh­re ändern.

Erscheint Ihnen das mög­lich? Ich mei­ne nein, wenn wir auch nur ent­fernt noch wis­sen, was Sün­de bedeu­tet. Gott selbst ruft es uns mit der Unbe­fleck­ten Emp­fäng­nis Mari­ens in Erin­ne­rung, die gera­de des­halb vor der Sün­de bewahrt bleibt, um in ihrem Kör­per die hei­li­ge Hostie, den Leib und das Blut Chri­sti emp­fan­gen zu können.

War­um? Weil Gott kei­ne Koha­bi­ta­ti­on mit der Sün­de duldet!

Ich den­ke, daß man im Eifer über recht­li­che und gefühls­mä­ßi­ge, also strikt mensch­li­che Aspek­te der Fra­ge, die über­na­tür­li­che Dimen­si­on unse­res Lebens aus den Augen ver­liert, das Ant­litz des ewi­gen und hei­li­gen Got­tes und die geheim­nis­vol­le Kraft sei­ner Gebo­te, also sei­nes Wil­lens, der nicht not­wen­di­ger­wei­se ver­stan­den, aber befolgt wer­den muß, weil er von Ihm stammt.

Die Eucha­ri­stie emp­fan­gen im Stand der schwe­ren Sün­de bedeu­tet, nicht nur ein Gebot zu über­tre­ten, son­dern – und dar­in liegt die Läster­lich­keit – den Herrn zwin­gen zu wol­len, mit dem Bösen zu koha­bi­tie­ren. Damit begeht man etwas Abscheu­li­ches, um ein Wort zu gebrau­chen, das für unse­re moder­nen Ohren beson­ders nega­tiv klingt. Das ist das feh­len­de Glied in der unend­li­chen Dis­kus­si­on über die­se Fra­ge: die Hei­lig­keit Gottes.

War­um will man Men­schen, die sich in die­ser Situa­ti­on befin­den, die Mög­lich­keit ver­schaf­fen, einer so schreck­li­chen Sün­de zu ver­fal­len? Will die Kir­che ihren Kin­dern wirk­lich ein­re­den, daß die Hei­lig­keit Got­tes und der Spal­ter und Lüg­ner par excel­lence zusam­men­ge­hen können?

Das ist der Kern des Pro­blems: daß die Sün­de zuge­deckt wird, um sie nicht als sol­che erken­nen zu müs­sen, weil das lästig ist und unse­ren Plä­nen im Wege steht. Durch die­ses Zudecken der Sün­de, indem man sie von dem ihr zuge­wie­se­nen Platz ent­fernt, wird sie am Ende para­do­xer­wei­se dem­sel­ben „Ort“ zuge­wie­sen, der Gott zusteht.

Sind wir uns des­sen bewußt, was die­se Ver­schie­bung bedeutet?

„Im schreck­lich sinn­lo­sen und den­noch bis in die Wur­zeln erre­gen­den Ver­such, Gott zu ent­thro­nen, Gott her­ab­stu­fen, Gott zu zer­stö­ren … muß der Mensch unum­schränkt den Abgrund der Sün­de ein­ge­ste­hen, muß er den Stolz sei­nes Schick­sals able­gen und die Wider­spen­stig­keit, das tun zu wol­len, was man will, das eige­ne Leben zu leben, und statt­des­sen die Demut anneh­men, die die Gna­de sucht“ (Roma­no Guar­di­ni, Der Herr [Rück­über­set­zung aus dem Ita­lie­ni­schen ins Deut­sche, Anm. d. Red.]).

Nun wer­den vie­le wider­spre­chen: Das sei die Men­ta­li­tät des Alten Testa­ments, als es noch kei­ne Barm­her­zig­keit gab, die Jesus brach­te. Doch sie irren sich und sogar sehr.  Das „es ist gesagt wor­den“ und „ich aber sage euch“ von Jesus in der Berg­pre­digt – also im Rah­men der Selig­prei­sun­gen – füh­ren uns in das neue Leben ein, in dem das alte Gesetz und der Mora­lis­mus platz­ma­chen für den Glau­ben und die Gna­de. Die­se ver­lan­gen aber viel mehr als das Gesetz des Alten Testa­ments ver­lang­te, weil Jesus nicht so sehr dar­an inter­es­siert ist, uns ein mög­lichst beque­mes Leben in die­ser Welt zu ver­schaf­fen, son­dern an unse­rem ewi­gen Seelenheil.

Die Erlö­sung erfor­dert die abso­lu­te Not­wen­dig­keit, die Sün­de voll­stän­dig aus­zu­til­gen und nicht mehr irgend­wel­che Abma­chun­gen mit ihr ein­zu­ge­hen. Mit der „Fül­le der Zeit“ wird von uns ver­langt, was vom Men­schen des Alten Testa­ments nicht ver­langt wur­de: voll­kom­me­ner Gehor­sam, denn jetzt, mit der Erlö­sung, sind wir befä­higt, sie in die Tat umzu­set­zen. Mit den Wor­ten „Ihr habt gehört, daß gesagt wor­den ist: Du sollst nicht die Ehe bre­chen. Ich aber sage euch: Wer eine Frau auch nur lüstern ansieht, hat in sei­nem Her­zen schon Ehe­bruch mit ihr began­gen“, sagt Jesus, daß der Sinn des Gebots tie­fer geht, in die Absicht hin­ein­geht, denn aus der Absicht ent­steht die Han­deln (Guar­di­ni, Der Herr, [s.o.]).

In der lan­gen Jesus-Rede fin­den wir kei­ne bil­li­ge Barm­her­zig­keit, wie wir sie heu­te ver­ste­hen, kein plum­pes, son­dern ein ganz fei­nes Ver­ständ­nis von der Sün­de, und das Gan­ze in einem Cre­scen­do in Ton und Span­nung, sodaß der Evan­ge­list am Ende fest­stel­len muß, daß „die Men­ge sehr betrof­fen von sei­ner Leh­re“ war (Mt 7,28).

Jesus inter­es­siert nicht eine blo­ße Leh­re mora­li­scher Ver­hal­tens­nor­men, son­dern die voll­kom­men erlö­ste Exi­stenz. Ver­su­chen wir also zu ver­ste­hen, daß es hier nicht dar­um geht, jeman­dem ein Recht zu gewäh­ren (lega­li­sti­sche Men­ta­li­tät), son­dern Hand an die Hei­lig­keit Got­tes zu legen. Wir sind drauf und dran den Unbe­rühr­ba­ren zu berüh­ren und Ihn „zwin­gen“ zu wol­len, mit dem Fürst des Bösen zu kohabitieren.

In den ein­gangs genann­ten Fäl­len die Eucha­ri­stie nicht zu emp­fan­gen, prä­ju­di­ziert nicht das ewi­ge See­len­heil. Es ent­zieht nicht das Hoch­zeits­ge­wand, von dem anfangs die Rede war. Die Eucha­ri­stie aber unwür­dig zu emp­fan­gen, bedeu­tet, alles zu ver­lie­ren (1 Kor 11). Las­sen wir doch unse­re Brü­der nicht einem unend­lich schlim­me­ren Zustand ver­fal­len als dem, in dem sie sich bereits befin­den. Das hie­ße, das Spiel des Fein­des zu spielen.

Wenn die Kir­che die­se Mög­lich­keit den­noch gewäh­ren will, heißt das, daß sie die Betrof­fe­nen bereits für tot hält und Gott zwin­gen will, sich ihre Richt­li­ni­en und Gegen­maß­nah­men zu eigen zu machen.

Wer aber sind wir, um im vor­aus über unse­re Brü­der zu urtei­len und um Gott Zeit und Art zu dik­tie­ren? Unse­re Wege sind nicht Sei­ne Wege (vgl. Jes 55,8).

Ein herz­li­cher Gruß und ein Dank für Ihre Arbeit

Gio­van­na Ric­co­bal­di, Eremitin

Bild: Set­ti­mo Cielo

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