Priestermangel? Also weg mit dem Zölibat! – Im China des 17. Jahrhunderts blühte die Kirche trotz weniger Priester


Amazonien - Werkstatt eines neuen Priestertums?
Amazonien - Werkstatt eines neuen Priestertums?

(Rom) Es herrscht Prie­ster­man­gel? Also Schluß mit dem Zöli­bat und her mit den ver­hei­ra­te­ten Prie­stern. „Das ist das Heil­mit­tel, an das Kar­di­nal Clau­dio Hum­mes und Papst Fran­zis­kus den­ken, für die Welt­ge­gen­den in denen Prie­ster­man­gel herrscht. Den Anfang macht Ama­zo­ni­en“, so San­dro Magi­ster. Der Prie­ster­man­gel, der heu­te von den­sel­ben Krei­sen dra­ma­ti­siert wird, die ihn mit ver­ur­sacht haben, ist kein Pro­blem der Jetzt­zeit. „Auch im Chi­na des 17. Jahr­hun­derts gab es nur weni­ge Mis­sio­na­re, und doch blüh­te die Kirche.“

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Vor weni­gen Tagen war Kar­di­nal Hum­mes in Rom. Wie für den eme­ri­tier­ten Erz­bi­schof von Mecheln-Brüs­sel, God­fried Kar­di­nal Dan­neels, ste­hen auch für den ehe­ma­li­gen Erz­bi­schof von Sao Pau­lo und eme­ri­tier­ten Prä­fek­ten der Kle­rus­kon­gre­ga­ti­on die Türen zu Papst Fran­zis­kus immer offen.

Amazonas-Synode als Vorstufe zur Bischofssynode

Beglei­tet wur­de der pro­gres­si­ve, bra­si­lia­ni­sche Pur­pur­trä­ger vom Erz­bi­schof von Natal, Jai­me Viei­ra Rocha. Sei­ne guten Kon­tak­te zum Papst mach­ten Hum­mes, der inzwi­schen 82 Jah­re alt ist, zum Vor­sit­zen­den der Ama­zo­nas-Kom­mis­si­on der Bra­si­lia­ni­schen Bischofs­kon­fe­renz und des Pan-Ama­zo­nas-Netz­wer­kes, das 25 Kar­di­nä­le und Bischö­fe aller Staa­ten umfaßt, die Anteil am Ama­zo­nas­becken haben, sowie Ver­tre­ter der indi­ge­nen Bevölkerung.

In die­ser Funk­ti­on, dar­in sind sich die Vati­ka­ni­sten San­dro Magi­ster und Mar­co Tosat­ti einig, ver­tritt Hum­mes die For­de­rung, wegen des Prie­ster­man­gels in Ama­zo­ni­en, indi­ge­ne, stän­di­ge Dia­ko­ne zu Prie­stern zu wei­hen. Kon­kret sind damit, das ist der sprin­gen­de Punkt, ver­hei­ra­te­te Män­ner gemeint.

Es ist anzu­neh­men, daß die Audi­enz statt­fand, um Papst Fran­zis­kus über den aktu­el­len Stand der Vor­be­rei­tun­gen für eine Ama­zo­nas-Syn­ode zu infor­mie­ren. Ziel die­ser Syn­ode, wie Mar­co Tosat­ti berich­te­te, ist die For­ma­li­sie­rung der For­de­rung an den Papst, den Prie­ster­zö­li­bat in der latei­ni­schen Kir­che abzu­schaf­fen. Natür­lich ist das nicht so direkt und plump beab­sich­tigt, da mit Wider­stän­den zu rech­nen ist. Die Fami­li­en­syn­ode hat den Ver­tei­di­gern der über­lie­fer­ten Glau­bens­leh­re die Vor­gangs­wei­se von Papst Fran­zis­kus und sei­ner Hin­ter­män­ner offen­bart. Umge­kehrt war sie Lehr­geld für die päpst­li­che Entou­ra­ge, die inner­kirch­li­chen Wider­stän­de gegen die Neue­rer nicht zu unterschätzen.

Die Ausnahme der Ausnahme

Nach der­zei­ti­gem Wis­sens­stand soll die Ama­zo­nas-Syn­ode der erste Bau­stein sein, um Hand an den Prie­ster­zö­li­bat zu legen. Die vor­läu­fi­ge Kon­zen­tra­ti­on des The­mas Prie­ster­man­gel auf exo­ti­sche Rand­ge­bie­te soll den Ein­druck erwecken, als hand­le es sich nur um eine sehr begrenz­te und damit kon­trol­lier­ba­re Abwei­chung. Die offi­zi­el­le For­de­rung wird auch nicht die Abschaf­fung des Zöli­bats sein, son­dern eine Aus­nah­me­re­ge­lung für bestimm­te Gebie­te, in denen der Prie­ster­man­gel beson­ders akut sei und es in der ein­hei­mi­schen, erst seit kur­zem chri­stia­ni­sier­ten Bevöl­ke­rung noch kei­nen rich­ti­gen Zugang zum zöli­ba­t­ä­ren Prie­ster­tum gibt.

Die For­de­rung soll auch nicht direkt auf das Prie­ster­tum abzie­len, son­dern der Ein­druck erweckt wer­den, als wür­den die vom Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zil ein­ge­führ­ten „viri pro­ba­ti“ ledig­lich aus­nahms­wei­se und pro tem­po­re mit prie­ster­li­chen Auf­ga­ben betraut. Dafür wird man einen eige­nen, neu­en Begriff erfin­den, doch alles dient nur der Ver­schleie­rung der eigent­li­chen Absichten.

Die angeb­li­che Aus­nah­me an den fer­nen Rän­dern der Kir­che soll nur der Ablen­kung die­nen, um den inner­kirch­li­chen Wider­stand gering zu hal­ten. Tat­säch­lich kann es kei­ne „Son­der­form“, kei­ne neue, oder zwei­te Form des Prie­ster­tums geben. Ent­we­der man emp­fängt die Prie­ster­wei­he oder man emp­fängt sie nicht. Es gibt kei­ne Form der „vor­über­ge­hen­den“ Über­nah­me prie­ster­li­cher Dienste.

Das Amazonas-Exempel

Es geht dar­um, das Zöli­bats­ge­bot zu durch­bre­chen. Irgend­wo eine Aus­nah­me durch­zu­set­zen und damit ein Exem­pel zu sta­tu­ie­ren, daß es auch in der latei­ni­schen Kir­che ein ver­hei­ra­te­tes Prie­ster­tum geben kön­ne. Der näch­ste Schritt von der Aus­nah­me zur Regel ist schnell weitergedacht.

San­dro Magi­ster liste­te im Janu­ar 2016 die ver­schie­de­nen Aus­sa­gen, Gesten und Ent­schei­dun­gen von Papst Fran­zis­kus auf, die als still­schwei­gen­de Vor­be­rei­tung zur Auf­he­bung des Prie­ster­zö­li­bats gedeu­tet wer­den kön­nen. Dazu gehört auch die Erlaub­nis, die er den mit Rom unier­ten, grie­chisch-katho­li­schen Kir­chen gewähr­te, welt­weit ver­hei­ra­te­te Män­ner zu Prie­stern wei­hen zu kön­nen, anstatt wie bis­her nur in den histo­ri­schen Ver­brei­tungs­ge­bie­ten die­ser spe­zi­el­len Orts­kir­chen. Beob­ach­ter sahen den Grund nicht nur in der Erleich­te­rung für die unier­ten Katho­li­ken, deren Schwer­punkt sich durch Migra­ti­on und Ver­trei­bung von ihren histo­ri­schen Gebie­ten in die Dia­spo­ra ver­la­gert. Es wird viel­mehr ange­nom­men, daß Papst Fran­zis­kus auch den Druck auf die latei­ni­sche Kir­che in Sachen Prie­ster­zö­li­bat erhö­hen wollte.

Das zöli­ba­t­ä­re latei­ni­sche Prie­ster­tum soll nicht mehr eine stän­di­ge Mah­nung an den ver­hei­ra­te­ten ost­kirch­li­chen Kle­rus sein, son­dern das ver­hei­ra­te­te ost­kirch­li­che Welt­prie­ster­tum soll eine Sog­wir­kung auf das latei­ni­sche Prie­ster­tum aus­üben. Jeden­falls tat Fran­zis­kus nichts, um sol­che Mut­ma­ßun­gen zu zer­streu­en. Sein Hin­weis, für ihn per­sön­lich sei der Zöli­bat kein Pro­blem, klärt in der Fra­ge nichts, da die Ver­fech­ter der Zöli­bats­auf­he­bung die Beto­nung auf den „Pflicht­zö­li­bat“ legen, wäh­rend, selbst­ver­ständ­lich, jeder zöli­ba­t­är leben kön­ne, der es wol­le. Eine net­tes Wort­spiel, aber nicht mehr. Wohin die Rei­se gin­ge, füh­ren die ortho­do­xen Kir­chen und die mit Rom unier­ten Kir­chen des byzan­ti­ni­schen Ritus vor Augen. Der Zöli­bat exi­stiert dort im Welt­kle­rus nicht mehr. Die Semi­na­ri­sten beei­len sich, vor der Prie­ster­wei­he zu hei­ra­ten, denn danach ist es ihnen verboten.

Ostkirchliche oder protestantisches Vorbild?

Der Ver­weis auf die ost­kirch­li­che Tra­di­ti­on ist hinkt. Ihr ist ihr nicht gelun­gen, das von Chri­stus vor­ge­leb­te Ide­al der Ehe­lo­sig­keit im Welt­kle­rus auf­recht­zu­er­hal­ten. Es han­delt also um eine teil­wei­se abge­bro­che­ne Tra­di­ti­on. Sie bestä­tigt den­noch die Gül­tig­keit des Zöli­bats­ge­bots, denn die Bischö­fe müs­sen zöli­ba­t­är sein. Da dies nur für das Mönch­tum gilt, kommt die gesam­te höhe­re Geist­lich­keit aus den Rei­hen der Mön­che. Der Welt­kle­rus darf hei­ra­ten, bleibt aber im Gegen­zug auf die Posi­tio­nen des nie­de­ren Kle­rus beschränkt.

In der römi­schen Kir­che drückt pro­gres­si­ve Krei­se seit Jahr­zehn­ten das „Pro­blem“ der abge­sprun­ge­nen Prie­ster. Nach dem Kon­zil ging ihre Zahl unter Paul VI. in die Zehn­tau­sen­de. Sie gaben ihr Prie­ster­tum auf und lie­ßen sich lai­sie­ren, um hei­ra­ten zu kön­nen. Für nicht weni­ge von ihnen gestal­te­te sich das Leben danach weni­ger har­mo­nisch als gedacht. Das Prie­ster­tum, das ihnen durch das Wei­he­sa­kra­ment ver­lie­hen wor­den war, zehrt in ihnen. Da sie die Ehe nicht auf­ge­ben wol­len, drängt ein Teil auf die Auf­he­bung des Zöli­bats und fin­det in pro­gres­si­ven Kir­chen­krei­sen Unterstützung.

Für sie taugt aller­dings der Ver­weis auf die ost­kirch­li­che Tra­di­ti­on nicht. Die­ses sieht näm­lich vor, daß nach erfolg­ter Prie­ster­wei­he eine Ehe­schlie­ßung aus­ge­schlos­sen ist. Ein ver­hei­ra­te­ter Welt­prie­ster, des­sen Frau gestor­ben ist, darf sich nicht mehr ver­hei­ra­ten. Der Zöli­bat wird also von der Ost­kir­che durch­aus beach­tet, aller­dings erst ab dem Augen­blick der Prie­ster­wei­he, was zur erwähn­ten Hei­rats­pra­xis von Semi­na­ri­sten führte.

Eine Rück­kehr in den prie­ster­li­chen Dienst, durch Auf­he­bung des Zöli­bats nach ost­kirch­li­chem Vor­bild, blie­be daher den lai­sier­ten und ver­hei­ra­te­ten Prie­ster wei­ter­hin ver­wehrt, da ihre Ehe­schlie­ßung erst nach der Prie­ster­wei­he erfolgte.

Es kann aber kein Zwei­fel bestehen, daß ein Teil der Zöli­bats­dis­kus­si­on in der latei­ni­schen Kir­che der ver­gan­ge­nen 50 Jah­re auf die per­sön­li­che Situa­ti­on lai­sier­ter, ehe­ma­li­ger Prie­ster zurück­zu­füh­ren ist, die sich ver­hei­ra­tet haben, aber den­noch irgend­wie zurück in das Prie­ster­amt dräng­ten. Ihr Vor­bild ist daher weni­ger die Ost­kir­che, son­dern der Pro­te­stan­tis­mus. Damit gerät die Dis­kus­si­on aller­dings end­gül­tig auf die schie­fe Bahn, da die pro­te­stan­ti­schen Deno­mi­na­tio­nen kein Wei­he­prie­ster­tum und kei­ne apo­sto­li­sche Suk­zes­si­on ken­nen. Das ist auch ein Grund, wes­halb sie die mei­sten Sakra­men­te nicht kennen.

„Bergoglio will Bischofssynode 2018 mit der Weihe verheirateter Männer befassen“

San­dro Magi­ster bekräf­tig­te heu­te, daß die Stim­men neu­es Gewicht erhal­ten haben, denen zufol­ge „Jor­ge Mario Berg­o­glio der näch­sten Welt­bi­schofs­syn­ode, die für 2018 geplant ist, die Fra­ge des Wei­he­sa­kra­ments, ein­schließ­lich der Wei­he von ver­hei­ra­te­ten Män­nern, zuwei­sen möchte“.

Kurz bevor Kar­di­nal Hum­mes von Fran­zis­kus emp­fan­gen wur­de, hat­te der „Ultra­ber­go­glia­ner“ Andrea Gril­lo, Dozent an der Päpst­li­chen Hoch­schu­le Sant’Anselmo in Rom des Bene­dik­ti­ner­or­dens einen Arti­kel ver­öf­fent­licht, in dem er detail­liert die The­men­stel­lung der näch­sten Bischofs­syn­ode über das „Wei­he­amt der Kir­che“ skiz­zier­te. Der Arti­kel wur­de von der offi­ziö­sen, nicht min­der „ultra­ber­go­glia­ni­schen“ Pres­se­schau des vati­ka­ni­schen Staats­se­kre­ta­ri­ats, Il Sis­mo­gra­fo, umge­hend übernommen.

Gril­lo benann­te dar­in drei Themenschwerpunkt:

  • Die kol­le­gia­le Aus­übung des Epi­sko­pats und die Rück­über­tra­gung der vol­len Auto­ri­tät über die diö­ze­sa­ne Lit­ur­gie an den Bischof.
  • Die Prie­ster­aus­bil­dung, mit einem Über­den­ken der triden­ti­ni­schen Form der Prie­ster­se­mi­na­re, und die Mög­lich­keit ver­hei­ra­te­te Män­ner zu weihen.
  • Die Theo­lo­gie des Dia­ko­nats und die Mög­lich­keit des Frauendiakonats.

Alle drei Punk­te ent­hal­ten Spreng­kraft, die mit­tel­fri­stig die Ein­heit der Kir­che in die Luft spren­gen könn­te. Im Kern ent­hal­ten die Punk­te die Dezen­tra­li­sie­rungs­plä­ne, von der Papst Fran­zis­kus bald nach sei­ner Wahl zu spre­chen begann, und die Teil sei­ner Agen­da ist. Das ent­spricht der bereits umge­setz­ten Ein­set­zung des Diö­ze­san­bi­schofs als Ein­zel­rich­ter in Ehe­nich­tig­keits­ver­fah­ren. Es ent­spricht auch der For­de­rung von Kar­di­nal Kas­per, die inner­kirch­li­chen Wider­stän­de gegen die pro­gres­si­ve Agen­da durch Regio­na­li­sie­rung zu umge­hen. Kon­ser­va­ti­ve Bischofs­kon­fe­ren­zen wür­den eben an der Unauf­lös­lich­keit der Ehe in Theo­rie und Pra­xis fest­hal­ten, libe­ra­le Bischofs­kon­fe­ren­zen nur an der Theo­rie. Die kirch­li­che Pra­xis könn­te bald von Land zu Land ver­schie­den sein. Den­sel­ben Weg ging Papst Fran­zis­kus in Amo­ris lae­ti­tia, indem er dem ein­zel­nen Prie­ster und dar­über dem zustän­di­gen Diö­ze­san­bi­schof die Ent­schei­dung über die Zulas­sung von wie­der­ver­hei­ra­tet Geschie­de­nen zur Kom­mu­ni­on zuspricht.

Der „Traum“ von Kardinal Carlo Maria Martini SJ

Gril­lo und alle pro­gres­si­ven „Neue­rer“ beru­fen sich dabei auf den ver­stor­be­nen Erz­bi­schof von Mai­land, den Jesui­ten Car­lo Maria Mar­ti­ni, den Grün­der des inner­kirch­li­chen Geheim­zir­kels Sankt Gal­len: Ein kon­spi­ra­ti­ver Kreis von Bischö­fen und Kar­di­nä­len, der gegrün­det wur­de, um die von Johan­nes Paul II. ein­ge­lei­te­te „restau­ra­ti­ve“ Pha­se zu boy­kot­tie­ren und einen pro­gres­si­ven Papst zu instal­lie­ren, der den „Geist des Kon­zils“ voll­endet. Im Kon­kla­ve von 2005 schei­ter­te der Geheim­zir­kel, im Kon­kla­ve von 2013 war er erfolg­reich. Bei­de Male war Jor­ge Mario Berg­o­glio der unter­stütz­te Kan­di­dat. Der Erfolg von 2013 war dem uner­war­te­ten Amts­ver­zicht von Bene­dikt XVI. geschul­det, der drei­ein­halb Jah­re nach sei­nem Rück­tritt noch immer lebt und gei­stig gesund ist, wie das soeben vor­ge­stell­te Gesprächs­buch von Peter See­wald belegt. Die gehei­men Manö­ver des Geheim­zir­kels hin­ter den Kulis­sen wer­fen einen beklem­men­den Schat­ten auf den bis­her in der gesam­ten Kir­chen­ge­schich­te bei­spiel­lo­sen Rück­tritt eines Papstes.

1999 hat­te Kar­di­nal Mar­ti­ni, der unbe­strit­te­ne Anfüh­rer des pro­gres­si­ven Flü­gels der Kir­che, sich bei der damals in Rom tagen­den Son­der­ver­samm­lung der Bischofs­syn­ode für Euro­pa „Jesus Chri­stus, der in Sei­ner Kir­che lebt – Quel­le der Hoff­nung für Euro­pa“ zu Wort gemel­det. Er erzähl­te den Syn­oda­len von einem „Traum“, den er gehabt habe. Er habe geträumt, daß die Bischö­fe der Welt in einem frei­en Mei­nungs­aus­tausch eini­ge der stän­dig wie­der­keh­ren­den „hei­ßen Eisen“ lösen. Als sol­che „hei­ße Eisen“ nann­te er die „Ekke­sio­lo­gie der Gemein­schaft“ des Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zils; den Prie­ster­man­gel; die Frau in Kir­che und Gesell­schaft; die Teil­ha­be der Lai­en an den prie­ster­li­chen Dien­sten; die Sexua­li­tät; die Ehe­dis­zi­plin; die Buß­pra­xis; das Ver­hält­nis zu den Schwe­ster­kir­chen der Ortho­do­xie und gene­rell die „öku­me­ni­sche Hoff­nung“; das Ver­hält­nis zwi­schen Demo­kra­tie und Wer­ten und zwi­schen staat­li­chen Geset­zen und Moralgesetz.

Papst Fran­zis­kus, so San­dor Magi­ster, scheint die Agen­da Mar­ti­ni abzu­ar­bei­ten. Die erste Bischofs­syn­ode befaß­te sich mit der „Ehe­dis­zi­plin“ und in ersten Ansät­zen mit der „Sexua­li­tät“. Die näch­ste Syn­ode könn­te sich mit dem „Prie­ster­man­gel“ und dem „Frau­en­dia­ko­nat“ befas­sen. Für den ersten Punkt wird als Vor­be­rei­tung von Kar­di­nal Hum­mes in enger Abspra­che mit Papst Fran­zis­kus eine Ama­zo­nas-Syn­ode vor­be­rei­tet. Zur Vor­be­rei­tung des zwei­ten Punk­tes setz­te Fran­zis­kus im ver­gan­ge­nen 2. August eine Stu­di­en­kom­mis­si­on ein.

Als Argu­ment für die Auf­wei­chung des Prie­ster­zö­li­bats wird seit Jah­ren das­sel­be Argu­ment vor­ge­bracht, das auch Kar­di­nal Mar­ti­ni 1999 nann­te: „die wach­sen­de Schwie­rig­keit für einen Bischof mit aus­rei­chen­der Zahl an Die­nern des Evan­ge­li­ums und der Eucha­ri­stie für die Seel­sor­ge in sei­nem Gebiet zu sorgen“.

Die pro­gres­si­ven Tei­le der Kir­che, die laut­stark nach einer Zöli­bats­auf­he­bung rufen, bemü­hen sich aller­dings wenig, Prie­ster­be­ru­fun­gen zu för­dern. Je libe­ra­ler eine Diö­ze­se, desto weni­ger Prie­ster­kan­di­da­ten gibt es. Wo die Hei­lig­keit des Prie­ster­tums nicht geach­tet wird, wer­den kei­ne Beru­fun­gen ange­zo­gen. Der öster­rei­chi­sche Mis­si­ons­bi­schof Erwin Kräut­ler brach­te es wie folgt auf den Punkt: „Um Prie­ster­be­ru­fun­gen beten? Da mache ich nicht mit“ (sie­he auch Wer kei­ne Prie­ster­be­ru­fun­gen haben will, warnt davor „nur auf Neu­prie­ster­zah­len zu star­ren“).

Das war die emble­ma­ti­sche Reak­ti­on eines pro­gres­si­ven Bischofs, als er 2010 mit sei­nem Vor­schlag, wegen des Prie­ster­man­gels in Ama­zo­ni­en ver­hei­ra­te­te Män­ner zu Prie­stern zu wei­hen, bei Papst Bene­dikt XVI. abge­blitzt war, und die­ser ihm statt­des­sen den Rat gab, um Prie­ster­be­ru­fun­gen zu beten.

Vier Jah­re spä­ter kehr­te Kräut­ler mit dem­sel­ben Anlie­gen nach Rom zurück. Sel­bes Anlie­gen, doch ein ande­rer Papst. Die Audi­enz bei Papst Fran­zis­kus ver­ließ Kräut­ler am 4. April 2014 wohl­ge­launt. Der neue Papst hat­te ihm einen ganz ande­ren Rat gege­ben: „Unter­brei­tet mir muti­ge Vorschläge“.

Priestermangel herrschte auch im China des 17. Jahrhunderts, dennoch blühte die Kirche

San­dro Magi­ster weist in sei­nem jüng­sten Arti­kel dar­auf hin, daß die Fra­ge des Prie­ster­man­gels kein Pro­blem der Jetzt­zeit ist, son­dern die Kir­che in der Ver­gan­gen­heit immer wie­der her­aus­for­der­te, so auch im 17. Jahr­hun­dert in Chi­na. Dar­über berich­te­te die römi­sche Jesui­ten­zeit­schrift La Civil­tà  Cat­to­li­ca in ihrer Aus­ga­be vom 10. Sep­tem­ber mit einem Auf­satz des bekann­ten Sino­lo­gen Nico­las Stan­daert, Dozent an der Katho­li­schen Uni­ver­si­tät Löwen. „Die Quel­le ist also völ­lig unver­däch­tig, da die Zeit­schrift sta­tu­ta­risch auf eng­ste Wei­se mit den Päp­ste ver­bun­den ist, beson­ders mit dem der­zei­tig regie­ren­den, der die Aus­rich­tung der Zeit­schrift per­sön­lich mit dem Schrift­lei­ter, dem Jesui­ten Anto­nio Spa­da­ro, ver­folgt“, so Magister.

im 17. Jahr­hun­dert war die Zahl der Chri­sten in Chi­na gering. Stan­daert wörtlich:

„Als Matteo Ric­ci 1610 nach 30 Jah­ren Mis­si­on in Peking stirbt, gab es unge­fähr 2.500 chi­ne­si­sche Chri­sten. 1665 war die Zahl der chi­ne­si­schen Chri­sten wahr­schein­lich auf etwa 80.000 ange­wach­sen. Um 1700 gab es an die 200.000, was noch immer wenig war, ange­sichts einer Gesamt­be­völ­ke­rung von 150–200 Mil­lio­nen Einwohnern.“

Gering war auch die Zahl der Priester:

„Beim Tod von Matteo Ric­ci gab es nur 16 Jesui­ten in ganz Chi­na: acht chi­ne­si­sche Brü­der und acht euro­päi­sche Brü­der. Mit der Ankunft der Fran­zis­ka­ner und der Domi­ni­ka­ner, um 1630, und einer leich­ten Zunah­me der Jesui­ten um die­sel­be Zeit, stiegt die Zahl der aus­län­di­schen Mis­sio­na­re auf über 30 und blieb in den fol­gen­den 30 Jah­ren zwi­schen 30 und 40 Prie­stern. Danach gab es eine Zunah­me mit einem Höhe­punkt von rund 140 zwi­schen 1701 und 1705. Wegen des Riten-Strei­tes redu­zier­te sich ihre Zahl danach auf etwa die Hälfte.“

Die christ­li­chen Gemein­den waren in Pfar­rei­en um eine Kir­che orga­ni­siert. An ihrer Spit­ze stan­den Lai­en. Der nor­ma­le Christ bekam nicht öfter als „ein oder zwei­mal im Jahr“ einen Prie­ster zu sehen. In den Tagen, die der Besuch eines Prie­ster in einer Pfar­rei dau­er­te, „sprach der Prie­ster mit den Vor­ste­hern und mit den Gläu­bi­gen, er erhielt Infor­ma­tio­nen von der Gemein­de, küm­mer­te sich um die Kran­ken und die Katechu­me­nen, hör­te die Beich­te, zele­brier­te die Hei­li­ge Mes­se, pre­dig­te und taufte“.

Dann zog der Prie­ster wei­ter, um die näch­ste Pfar­rei zu besu­chen. Die Gemein­de war wie­der auf sich allein gestellt, um mona­te­lang auf den näch­sten Prie­ster zu war­ten, und doch hiel­ten die Gemein­den stand. Stan­daert fol­gert: Die Pfar­rei­en „ver­wan­del­ten sich in klei­ne, aber sta­bi­le Zen­tren der Glau­bens­ver­mitt­lung und der christ­li­chen Praxis.“

Da Prie­ster­be­ru­fun­gen in der kirch­li­chen Tra­di­ti­on als Gna­den­ge­schenk Got­tes gel­ten, wird ihre Zahl auch als Aus­druck des rech­ten Glau­bens gese­hen. Die Zahl der Prie­ster reflek­tiert damit auch den Zustand der Gemein­schaft der Gläu­bi­gen. Wegen Eugen Dre­wer­mann, Hans Küng, Vito Man­cu­so oder Enzo Bian­chi wird nie­mand Prie­ster. Oder um es mit dem Mis­sio­nar Pie­ro Ghed­do zu sagen: „Wie vie­le Beru­fun­gen weckt ein Marsch für den Regen­wald?

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Wikicommons

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1 Kommentar

  1. Hei­li­ge Bir­git­ta von Schweden:
    „Auch die­ses sollst Du wis­sen, daß ein Papst, wenn er den Prie­stern die Erlaub­nis gewäh­ren wür­de, eine Ehe ein­zu­ge­hen, von Gott durch einen sol­chen Rich­ter­spruch geist­li­cher­wei­se ver­dammt wer­den wird, gleich­wie ein Mensch, der sich so schwer ver­gan­gen hät­te, daß man ihm nach Recht und Gerech­tig­keit die Augen leib­lich [Im Ori­gi­nal hier Ende Sei­te 237] aus­ste­chen und die Zun­ge samt den Lip­pen und die Nase mit den Ohren abschnei­den, die Hän­de und Füße abhau­en, alles Blut sei­nes Lei­bes ver­gie­ßen und sei­nen blut­lo­sen Leib den Hun­den und ande­ren wil­den Tie­ren zum Fra­ße vor­wer­fen wür­de. Ähn­lich wür­de es für­wahr jenem Pap­ste geist­li­cher­wei­se erge­hen, der eine sol­che Erlaub­nis zum Ein­ge­hen der Ehe wider die Anord­nung und den Wil­len Got­tes den Prie­stern ertei­len wür­de; – eben die­ser Papst wür­de des geist­li­chen Gesich­tes und Gehö­res, auch der geist­li­chen Wer­ke und Wor­te von Gott gänz­lich beraubt wer­den, sei­ne gan­ze geist­li­che Weis­heit wür­de durch­aus erstar­ren und über­dies nach sei­nem Tode sei­ne See­le zu ewi­ger Pein in die Höl­le gesto­ßen wer­den, um daselbst ewig­lich und ohne Ende eine Spei­se der Teu­fel zu sein. Ja, wenn auch schon der hei­li­ge Papst Gre­go­ri­us die­ses ver­ord­net hät­te, so wür­de die­se Sen­tenz ohne Barm­her­zig­keit an ihm voll­zo­gen wor­den sein, wofern er es nicht vor sei­nem Tode demü­tig wider­ru­fen hätte.“
    (Sie­ben­tes Buch der himm­li­schen Offen­ba­run­gen der hei­li­gen Bri­git­ta, z.B. hier http://​www​.joerg​-sie​ger​.de/​i​s​e​n​h​e​i​m​/​m​e​n​u​e​/​f​r​a​m​e​1​2​.​htm)

    Hei­li­ge Bir­git­ta, bit­te für uns!

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