Spektatuläres Interview von Papst Franziskus: War Benedikt XVI. „das Problem“ der Kirche?


Papst Franziskus über "Ultrakonservative" und das "Problem" Benedikt XVI.
Papst Franziskus über "Ultrakonservative" und das "Problem" Benedikt XVI.

(Rom/​Buenos Aires) Am gest­ri­gen Sonn­tag wur­de ein spek­ta­ku­lä­res Zei­tungs­in­ter­view von Papst Fran­zis­kus ver­öf­fent­licht, in dem sich der Papst einer unge­wöhn­li­chen Dia­lek­tik bedient. Gibt das katho­li­sche Kir­chen­ober­haupt dar­in zu ver­ste­hen, daß sein Vor­gän­ger, Papst Bene­dikt XVI., ein „Pro­blem“ für die Kir­che war“? Deu­tet Fran­zis­kus zudem an, daß „ultra­kon­ser­va­ti­ve“ Kir­chen­ver­tre­ter, gemeint sind laut Zusam­men­hang die Ver­tei­di­ger der katho­li­schen Ehe- und Moral­leh­re und der Sakra­men­ten­ord­nung, eigent­lich „geköpft“ gehören?

Zeitungsinterviews als neues päpstliches „Lehramt“

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Mit sei­nem ersten Inter­view, das im Okto­ber 2013 in der lin­ken Tages­zei­tung La Repubbli­ca erschien, revo­lu­tio­nier­te Papst Fran­zis­kus die Kom­mu­ni­ka­ti­ons­po­li­tik des Papst­tums. Der Athe­ist aus frei­mau­re­ri­schem Haus Euge­nio Scal­fa­ri gab ihm den Titel: „Der Papst: ‚So wer­de ich die Kir­che ver­än­dern‘“. Mit Fran­zis­kus wur­de eine neue Kom­mu­ni­ka­ti­ons­stra­te­gie eines Pap­stes ein­ge­lei­tet. Für Papst Fran­zis­kus sind sei­ne Inter­views Teil des Lehr­am­tes: „Stän­dig gebe ich Erklä­run­gen ab, hal­te Pre­dig­ten, und das ist Lehr­amt“, sagt er im Dezem­ber 2014 in sei­nem ersten Inter­view mit einem latein­ame­ri­ka­ni­schen Tages­zei­tung, der argen­ti­ni­schen La Naci­on.

Mit sei­nem jüng­sten Inter­view, das gestern in Argen­ti­ni­en ver­öf­fent­licht wur­de, wie­der­um durch die Tages­zei­tung La Naci­on, setzt Papst Fran­zis­kus sein spe­zi­el­les „Lehr­amt“ fort.

Das Inter­view hat Argen­ti­ni­en zum Schwer­punkt und kam auf­grund der jüng­sten Pole­mi­ken im Hei­mat­land des Pap­stes zustan­de. Dem Papst wur­de vor­ge­wor­fen, ein gestör­tes Ver­hält­nis zum seit Dezem­ber 2015 amtie­ren­den Staats­prä­si­den­ten Macrà­ zu haben. Der Papst hat­te im Wahl­kampf den link­spe­ro­ni­sti­schen Gegen­kan­di­da­ten unterstützt.

Durch das Inter­view sol­len die Wogen geglät­tet wer­den, daher auch der Titel: „Ich habe kein Pro­blem mit Macrà­. Er ist ein edler Mensch“.

Der Papst und die „Ultrakonservativen“:  „Ich will eine offene Kirche. Sie sagen Nein zu allem“

Eini­ge Fra­gen betref­fen jedoch die gesam­te Kir­che. So wur­de der Papst von Joa­quin Mora­les Solá gefragt, wie er „mit den Ultra­kon­ser­va­ti­ven in der Kir­che“ zurechtkomme.

Die ten­den­ziö­se Über­zeich­nung durch den Begriff „Ultra­kon­ser­va­ti­ve“, wie sie durch lin­ke Jour­na­li­sten bekannt ist, wur­de vom Papst weder kor­ri­giert noch zurück­ge­wie­sen. Der Papst mach­te sie sich hin­ge­gen impli­zit zu eigen. Wört­lich sag­te er über die „Ultra­kon­ser­va­ti­ven“:

„ ‚Sie machen ihre Arbeit und ich mache mei­ne. Ich will eine offe­ne, ver­ständ­nis­vol­le Kir­che, die die ver­letz­ten Fami­li­en beglei­tet. Sie sagen Nein zu allem. Ich fol­ge mei­nem Weg, ohne nach links und rechts zu schau­en. Ich köp­fe nie­man­den. Das hat mir noch nie gefal­len. Ich wie­der­ho­le: Ich leh­ne den Kon­flikt ab.‘ Mit einem brei­ten Lachen schließt er: ‚Nägel wer­den gezo­gen, indem man Druck nach oben macht. Oder man stellt sie ruhig, zur Sei­te, wenn sie das Pen­si­ons­al­ter erreichen.‘ “

Erstaun­li­cher­wei­se stell­te Papst Fran­zis­kus einen direk­ten Zusam­men­hang zwi­schen „Ultra­kon­ser­va­ti­ven“ und „köp­fen“ her. Er sag­te, nie­man­den zu köp­fen, weil ihm das noch nie zuge­sagt habe. Gleich­zei­tig stell­te das Kir­chen­ober­haupt aber in den Raum, daß „Ultra­kon­ser­va­ti­ve“ eigent­lich „zu köp­fen“ sei­en. Und damit mein­te der Papst nicht irgend­wel­che rand­stän­di­gen Son­der­grup­pen, son­dern offen­bar hoch­ran­gi­ge Mit­ar­bei­ter an der Römi­schen Kurie.

Rücktritt von Benedikt XVI. „hat alle Probleme der Kirche sichtbar gemacht“

Eine wei­te­re Fra­ge des am 28. Juni zustan­de­ge­kom­me­nen Inter­views bezieht sich auf den Gesund­heits­zu­stand von Papst Bene­dikt. Papst Fran­zis­kus bestä­tig­te mit sei­ner Ant­wort, daß es eigent­lich kei­nen zwin­gen­den gesund­heit­li­chen Grund für den Rück­tritt gab:

„Er hat Pro­ble­me, sich zu bewe­gen, aber sein Kopf und sein Gedächt­nis sind per­fekt intakt.“

Gleich­zei­tig stell­te Fran­zis­kus aber klar, daß der Rück­tritt von Papst Bene­dikt XVI. des­sen „letz­te Regie­rungs­hand­lung war“. In jüng­ster Zeit gab es nach einem Vor­trag von Kuri­en­erz­bi­schof Georg Gäns­wein Dis­kus­sio­nen über eine Art von päpst­li­chen Dop­pel­herr­schaft in einer „fast gemein­sa­men“ Aus­übung des Papst­tums durch einen „akti­ven“ und einen „kon­tem­pla­ti­ven“ Papst.

Wört­lich sag­te Papst Fran­zis­kus über Papst Bene­dikt XVI. zu La Naci­on:

„Er war ein Revo­lu­tio­när. In der Ver­samm­lung mit den Kar­di­nä­len kurz vor dem Kon­kla­ve von März 2013 sag­te er uns, daß einer von uns der näch­ste Papst sein wer­de und er des­sen Namen nicht ken­ne. Sein Ver­hal­ten war ein­wand­frei. Sein Amts­ver­zicht hat alle Pro­ble­me der Kir­che sicht­bar gemacht. Sein Rück­tritt hat­te mit nichts Per­sön­li­chem zu tun. Es war eine Regie­rungs­hand­lung, sei­ne letz­te Regierungshandlung.“

Papst Bene­dikt XVI. ein „Revo­lu­tio­när“? Die Aus­sa­ge, mit dem infla­tio­när gebrauch­ten Wort „Revo­lu­ti­on“, scheint als Kom­pli­ment gedacht zu sein, ist als Cha­rak­te­ri­sie­rung des deut­schen Pap­stes aber ziem­lich abwegig.

Bemer­kens­wert hin­ge­gen die Aus­sa­ge, Papst Bene­dikt XVI. habe mit sei­nem Amts­ver­zicht „alle Pro­ble­me der Kir­che sicht­bar“ gemacht. In Zusam­men­hang mit der näch­sten Fest­stel­lung, sein Rück­tritt habe „mit nichts Per­sön­li­chem zu tun gehabt“, son­dern sei eine „Regie­rungs­hand­lung“ gewe­sen, öff­net Papst Fran­zis­kus selbst mög­li­chen neu­en Spe­ku­la­tio­nen Tür und Tor, Bene­dikt XVI. könn­te unter Druck gesetzt wor­den sein, den Stuhl Petri zu räu­men, um damit „alle Pro­ble­me der Kir­che“ zu beseitigen.

Mach­te sich Papst Fran­zi­kus die Mei­nung zu eigen, wie sie vom 2012 ver­stor­be­nen Kar­di­nal Car­lo Maria Mar­ti­ni ver­tre­ten wur­de? Die­ser for­der­te noch kurz vor sei­nem Tod Bene­dikt XVI. auf, zurück­zu­tre­ten, weil er im deut­schen Papst ein „Pro­blem“ für die Kir­che sah, bes­ser gesagt sogar, „das Problem“.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: La Naci­on (Screen­shot)

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3 Kommentare

  1. Was waren denn „alle Pro­ble­me die Papst Bene­dikt sicht­bar gemacht hat“? – Ganz klar: Dass fast kein Pur­pur­trae­ger mehr auf ihn gehört und jeder gemacht hat, was er will! Sämt­li­che Bischö­fe sind ihm in den Rücken gefal­len und haben ver­sucht, das Gegen­teil von dem durch­zu­set­zen, was er vor­ge­ge­ben hat. Von ihm ernann­te Bischö­fe wur­den rück­wir­kend abge­setzt. Anstatt einer Ent-Welt­li­chung der Kir­che wie P. Bene­dikt sie wünsch­te, trie­ben besag­te Wür­den­trä­ger eine Ver-Welt­li­chung der­sel­ben vor­an, die in Papst F. jetzt ihren Höhe­punkt erreicht! Das, genau das und nichts ande­res war das Pro­blem von Papst Bene­dikt! Mit sei­nem „Händ­chen“ oder bes­ser „Köpf(ch)en“ zur Besei­ti­gung von unlieb­sa­men „Ultra­kon­ser­va­ti­ven“ soll­te P.F. sich mal nicht zu sehr rüh­men, denn – auch sein „Pon­ti­fi­kat der Offen­heit“ geht (hof­fent­lich) mal zu Ende!

  2. Papst Bene­dikt soll­te das Pro­blem der Kir­che gewe­sen sein??
    Klar­heit in den Aus­sa­gen, kei­ne Real­tivie­run­gen, Anzie­hungs­kraft für die Gläu­bi­gen. Kri­tik gab es haupt­säch­lich von expli­zi­ten Kir­chen­geg­nern (.…..), von der dt.kath. Kir­chen­steu­er ali­men­tier­ten Amts­kir­che mit eini­gen Bischö­fen und Gremien.
    Jetzt ist alles umgekehrt.

  3. Was sind Ultra­kon­ser­va­ti­ve? Für Fran­zis­kus sind das bereits die­je­ni­gen, die die Leh­ren des V II ver­tei­digt haben („Pela­gia­ner“) als Lai­en-Theo­lo­gIN­NEN, 68erKatholiken zusam­men mit agno­sti­schen Kir­chen­fein­den wie Spie­gel und FAZ die „Amts­kir­che“ samt Papst beschimpft und bekämpft haben. Nun ist deren Marsch durch die Insti­tu­tio­nen voll­endet und sie set­zen ihr Werk von oben her­ab fort. Aber sie schaf­fen sich selbst ab. Ihre Erfolg­lo­sig­keit zeigt sich dar­in, dass sie kei­nen Nach­wuchs haben und aus­ster­ben. In ca. 30 Jah­ren ist die­se Kir­che in D‑A-CH tot: kei­ne Prie­ster, kei­ne Kir­chen­steu­er mehr. Nur eine Gene­ra­ti­on. entfernt.
    Die jetzt unter­drück­te Kir­che im Unter­grund wird fort­be­stehen, weil sie attrak­tiv ist und dadurch Nach­wuchs hat. Ci vediamo.

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