Lincoln – Porträt eines Vorzeigebistums: Was ist das Geheimnis?


Zelebrationsrichtung: Bischof Conley zelebriert in der Kathedrale von Lincoln im neuen Ritus Richtung Osten
Zelebrationsrichtung: Bischof Conley zelebriert in der Kathedrale von Lincoln im neuen Ritus Richtung Osten

(Washing­ton) Das Bis­tum Lin­coln in den USA ist eine Vor­zei­ge­diö­ze­se. Was ist das Geheim­nis? Sind der Bischof und die Prie­ster pro­gres­si­ve „Erneue­rer“, die durch struk­tu­rel­le „Refor­men“ und Anpas­sung an den Zeit­geist punk­ten? Mit­nich­ten. Das Geheim­nis lau­tet: Guter Bischofs, gute Prie­ster und der Glau­ben aller Zei­ten. Die Ergeb­nis­se sind beachtlich.

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Das Bis­tum Lin­coln gehört zu den klei­ne­ren Diö­ze­sen der USA. Sie liegt im Bun­des­staat Nebras­ka, der fast so groß ist wie West­deutsch­land vor der Wie­der­ver­ei­ni­gung mit Mit­tel­deutsch­land. Der Staat hat den­noch kei­ne zwei Mil­lio­nen Ein­woh­ner. Er grenzt west­lich an den Mis­sou­ri. Sei­ne Haupt­stadt ist Lin­coln mit rund 250.000 Einwohnern.

Der Anteil der Katho­li­ken in der Diö­ze­se liegt bei nur 17 Pro­zent, deut­lich weni­ger als im US-Durch­schnitt, hat sich aber in den ver­gan­ge­nen Jahr­zehn­ten mehr als ver­dop­pelt. Der Katho­li­ken­an­teil im Staat Nebras­ka liegt umge­kehrt mit 28 Pro­zent über dem Bun­des­durch­schnitt. Den­noch ist das Leben der katho­li­schen Gemein­de von Lin­coln sehr aus­ge­prägt und durch gro­ßen Zusam­men­halt geprägt. In den ver­gan­ge­nen 30 Jah­ren erleb­te das Bis­tum im Ver­hält­nis zur Bevöl­ke­rungs­zahl das stärk­ste apo­sto­li­sche Wir­ken und Wachs­tum der katho­li­schen Kir­che in den USA.

Berufungskrise? Nicht in Lincoln

Laut einer Stu­die des Cen­ter for Applied Rese­arch in the Apo­sto­la­te der George­town Uni­ver­si­ty ist Lin­coln das ein­zi­ge Bis­tum der USA, das sich mit der Zahl der Neu­prie­ster im Ver­hält­nis zur Zahl der Gläu­bi­gen seit 1993 immer unter den ersten 20 der ins­ge­samt 197 Diö­ze­sen der USA befindet.

Ein Bei­spiel: In den drei Jah­ren 2010–2012 wur­den 22 Neu­prie­ster für die Diö­ze­se Lin­coln geweiht. Im Ver­gleich dazu wur­den im sel­ben Zeit­raum 34 Neu­prie­ster für das Erz­bis­tum Los Ange­les geweiht, das 44 Mal grö­ßer ist. So wie es aus­sieht, wird die Diö­ze­se in den kom­men­den zwei Jah­ren 17 Neu­prie­ster bekom­men. Im Mai weih­te Bischof Con­ley bereits vier Neu­prie­ster für Lin­coln. Das erklärt, war­um Lin­coln über einen im Durch­schnitt sehr jun­gen Kle­rus ver­fügt. Die vier Neu­prie­ster haben zusam­men 17 Geschwi­ster. Kin­der­rei­che Fami­li­en sind ein Wesens­merk­mal für eine leben­di­ge katho­li­sche Gemein­schaft und Priesterberufungen.

2013 zähl­te die Diö­ze­se 158 Diö­ze­san- und elf Ordens­prie­ster in 134 Pfar­rei­en. Auf jeden Prie­ster kom­men 650 Katho­li­ken, 1950 waren es erst 224. Damals belief sich der Katho­li­ken­an­teil nur auf sie­ben Pro­zent. Die Diö­ze­se ver­fügt über 27 Schu­len der Pri­mar­stu­fe, sechs Schu­len High Schools. Von den Absol­ven­ten der katho­li­schen Schu­len stammt der Groß­teil der Semi­na­ri­sten. Der­zeit berei­ten sich in der Diö­ze­se Lin­coln, die nur 100.000 Katho­li­ken zählt, 40 Semi­na­ri­sten auf die Prie­ster­wei­he vor.

Die Ursachenforschung von Brian Williams

Bischof Conley mit den im Mai geweihten Neupriestern und Diakonen
Bischof Con­ley mit den im Mai geweih­ten Neu­prie­stern und Diakonen

Vor kur­zem ver­such­te Bri­an Wil­liams das Geheim­nis zu lüf­ten, war­um sich Lin­coln im Ver­hält­nis zu ande­ren Diö­ze­sen so abhebt. Der ehe­ma­li­ge Agno­sti­ker und Luthe­ra­ner Wil­liams kon­ver­tier­te 2006 zur katho­li­schen Kir­che. Einen wich­ti­gen Fak­tor sieht Wil­liams, Histo­ri­ker, ver­hei­ra­tet und Vater von fünf Kin­dern, in der vor­wie­gend „länd­li­chen und kon­ser­va­ti­ven“ Prä­gung des Staa­tes und beson­ders der Diö­ze­se. Im Bis­tum Lin­coln sei die natür­li­che Ord­nung mit ihren orga­ni­schen Gemein­schaf­ten noch weit­ge­hend intakt, die Fami­lie, die Pfar­rei­en, das Gemein­we­sen. Im Gegen­satz dazu sei­en die Groß­städ­te Mas­sen­an­samm­lun­gen, in denen der Ein­zel­ne in der Anony­mi­tät ver­schwin­de und nicht in ein sta­bi­les und tra­gen­des Netz ein­ge­bun­den ist.

Neben die­sem exter­nen Aspekt nennt Wil­liams vier inter­ne: eine gute und sta­bi­le Diö­ze­san­lei­tung, ein gerin­ger Grad an Kle­ri­ka­lis­mus, lit­ur­gi­sche Kon­ti­nui­tät und katho­li­sche Iden­ti­tät in der Lehre.

In den ver­gan­ge­nen 50 Jah­ren hat­te Lin­coln nur drei Bischö­fe, die sich alle durch ein kla­re Hal­tung in Glau­ben und Moral aus­zeich­ne­ten. Von 1967–1992 regier­te Glen­non Fla­vin, der US-weit bekannt wur­de, weil er sich in den 80er Jah­ren wei­ger­te, Frau­en als Lek­to­rin­nen zu akzeptieren.

Bischof Fabian Bruskewitz

Ihm folg­te von 1992–2012 Fabi­an Bruske­witz, der Mäd­chen als Altar­die­ne­rin­nen in sei­ner Diö­ze­se unter­sag­te. Bruske­witz trat für Treue zum Lehr­amt und zur über­lie­fer­ten Spi­ri­tua­li­tät ein. Er setz­te sich bereits vor Ver­öf­fent­li­chung des Motu pro­prio Sum­morum Pon­ti­fi­cum für die För­de­rung der über­lie­fer­ten Form des Römi­schen Ritus ein und schrieb in die­sem Sinn an Papst Johan­nes Paul II. 1996 erklär­te er Katho­li­ken für exkom­mu­ni­ziert, die Orga­ni­sa­tio­nen bei­tre­ten, deren Ziel­set­zun­gen in offen­kun­di­gem Wider­spruch zur katho­li­schen Leh­re und Moral ste­hen. Als Orga­ni­sa­tio­nen nann­te er unter ande­ren die Abtrei­bungs­or­ga­ni­sa­ti­on Plan­ned Paren­thood, deren Able­ger in Deutsch­land Pro Fami­lia, in Öster­reich die Öster­rei­chi­sche Gesell­schaft für Fami­li­en­pla­nung (ÖGF) und in der Schweiz die Ver­ei­ni­gung Sexu­el­le Gesund­heit (PLA­NeS) sind; die Frei­mau­re­rei und mit ihr ver­bun­de­ne Ver­ei­ni­gun­gen, die Hem­lock Socie­ty, die sich für die Frei­ga­be der Eutha­na­sie ein­setzt und die pseu­do­ka­tho­li­sche Orga­ni­sa­ti­on Call to Action, die für die Abschaf­fung des Zöli­bats, für das Frau­en­prie­ster­tum und die Ver­hü­tung ein­tritt. Poli­ti­kern, die die Abtrei­bung unter­stüt­zen, ver­wei­ger­te er die hei­li­ge Kom­mu­ni­on, dar­un­ter auch dem demo­kra­ti­schen Prä­si­dent­schafts­kan­di­da­ten von 2004 und heu­ti­gen US-Außen­mi­ni­ster John Kerry.

Bischof James Conley

Seit 2012 lei­tet James Con­ley als 9. Bischof das 1887 errich­te­te Bis­tum. Im Alter von 20 Jah­ren kon­ver­tier­te er zum katho­li­schen Glau­ben. Bei einem Euro­pa­auf­ent­halt lern­te er die alt­ri­tu­el­le Bene­dik­ti­ner­ab­tei Font­gom­bau­lt in Frank­reich ken­nen. Nach dem ersten USA-Besuch von Papst Johan­nes Paul II. trat er in Ken­tucky in ein Prie­ster­se­mi­nar ein. Von sei­nem Bischof zum Wei­ter­stu­di­um nach Rom ent­sandt, arbei­te­te Con­ley meh­re­re Jah­re als Offi­zi­al an der römi­schen Bischofs­kon­gre­ga­ti­on. Wie bereits sein Vor­gän­ger Bischof Bruske­witz zele­brier­te auch Bischof Con­ley bereits mehr­fach im über­lie­fer­ten Ritus der katho­li­schen Kirche.

2014 gab Msgr. Con­ley mit einem Hir­ten­brief bekannt, im Advent alle Hei­li­gen Mes­se ad ori­en­tem zu zele­brie­ren. Damit ver­bun­den war eine theo­lo­gi­sche und lit­ur­gie­ge­schicht­li­che Begrün­dung sei­ner Ent­schei­dung und die Ein­la­dung an die Prie­ster, sei­nem Bei­spiel zu fol­gen. Im Advent 2015 wie­der­hol­te der Bischof sei­ne Ein­la­dung. Bereits im ersten Jahr folg­ten 40 Pro­zent der Pfar­rei­en sei­nem Beispiel.

Wil­liams nann­te auch einen gerin­gen Grad an Kle­ri­ka­li­sie­rung als Grund für die gute Gesund­heit des Bis­tums. In Lin­coln folgt man der Maxi­me, daß jede Form der Kle­ri­ka­li­sie­rung der Lai­en die Prie­ster- und Ordens­be­ru­fun­gen behin­dert. Aus dem­sel­ben Grund wer­den in der Diö­ze­se auch kei­ne „viri pro­ba­ti“, ver­hei­ra­te­te Män­ner, zu stän­di­gen Dia­ko­nen geweiht.

Keine Klerikalisierung der Laien

Bischof Con­ley hielt an der Linie sei­nes Vor­gän­gers Bruske­witz fest: In der Diö­ze­se gibt es nur Mini­stran­ten, aber kei­ne Mini­stran­tin­nen. Eine Linie, die vom Vati­kan bis­her gewünscht, aber von vie­len Diö­ze­sen nicht umge­setzt wur­de. Empi­ri­sche Unter­su­chun­gen bele­gen, und die Diö­ze­se Lin­coln ist der leben­de Beweis dafür: Sobald Jun­gen und Mäd­chen mini­strie­ren, nimmt die Zahl der Jun­gen rapi­de ab. Oft wird der Altar­dienst zur exklu­si­ven Domä­ne der Mäd­chen. Die Sta­ti­sti­ken zei­gen jedoch, daß 80 Pro­zent der Semi­na­ri­sten Mini­stran­ten und 50 Pro­zent Lek­to­ren waren.

Das Hin­ein­drän­gen von Mäd­chen und Frau­en in den Altar­raum steht, so Wil­liams, in direk­tem Zusam­men­hang mit dem Rück­gang von Prie­ster­be­ru­fun­gen und ist als Sym­ptom ursäch­lich für die Beru­fungs­kri­se mit­ver­ant­wort­lich. Lek­to­rin­nen gibt es in der Diö­ze­se zwar schon, aller­dings dür­fen sie, so es sie gibt, nur bei Werk­tags­mes­sen lesen. An Sonn­ta­gen tra­gen Dia­kon und Prie­ster die Lesun­gen vor.

Auch die Kom­mu­ni­ons­pen­dung durch Lai­en gibt es in der Diö­ze­se nur in sel­te­nen Ausnahmefällen.

Lin­coln ist der Beweis dafür, daß das Ver­bot von Mini­stran­tin­nen und das Zurück­drän­gen der Lai­en aus dem Altar­raum zu einem deut­li­chen Anstieg der Prie­ster­be­ru­fun­gen führt, so Williams.

Seminaristen mit überliefertem Ritus vertraut machen

Die Lit­ur­gie­re­form von 1969/​1970 wur­de in der Diö­ze­se zwar durch­ge­führt, jedoch Ernst und Respekt für die Sakra­li­tät der Lit­ur­gie gewahrt. In der Diö­ze­se gibt es kei­nen Platz für krea­ti­ves Got­tes­dienst-Enter­tain­ment von Prie­stern und Lai­en. In den 90er Jah­ren berief Bischof Bruske­witz die Petrus­bru­der­schaft in sei­ne Diö­ze­se, die in Den­ton ihr eng­lisch­spra­chi­ges Prie­ster­se­mi­nar errich­te­te. Aktu­ell zele­brie­ren sie­ben Diö­ze­san­prie­ster auch im über­lie­fer­ten Ritus, dar­un­ter der Regens des diö­ze­sa­nen Prie­ster­se­mi­nars. Ein­mal im Monat wird die Hei­li­ge Mes­se im Semi­nar im über­lie­fer­ten Ritus zele­briert. Manch­mal zele­briert die­se Hei­li­ge Mes­se Bischof Con­ley selbst. Vie­le der jun­gen Prie­ster wol­len auch die Zele­bra­ti­on des über­lie­fer­ten Ritus ler­nen. Zwi­schen den bei­den Prie­ster­se­mi­na­ren in der Diö­ze­se, dem diö­ze­sa­nen und jenem der Petrus­bru­der­schaft bestehen freund­schaft­li­che Kontakte.

Beson­de­ren Wert legt Bischof Con­ley dar­auf, daß die katho­li­schen Schu­len ihre katho­li­sche Iden­ti­tät bewah­ren. Die zustän­di­ge Schul­in­spek­to­rin, die Ordens­frau Sr. Colet­te, ist eine Schwe­ster des eme­ri­tier­ten Bischofs Bruske­witz. Die Neu­prie­ster wer­den in den ersten fünf Jah­ren, neben ihrem Ein­satz in den Pfar­rei­en, auch an den Schu­len des Bis­tums ein­ge­setzt. Dadurch wird der Kon­takt zwi­schen Jugend und Prie­stern erhöht, was sich posi­tiv auf die Prie­ster­be­ru­fun­gen auswirkt.

Wäh­rend es in ande­ren Diö­ze­sen nur ein­mal im Monat oder ein­mal in der Woche eine gemein­sa­me Schul­mes­se gibt, beginnt in Lin­coln jeder Schul­tag mit der Hei­li­gen Messe.

Alle die­se Ele­men­te, so Wil­liams, erklä­ren die guten Ergeb­nis­se in der Diö­ze­se, ob in der Evan­ge­li­sie­rung, in den Apo­sto­la­ten oder bei den Beru­fun­gen. Die Diö­ze­se ver­sucht nicht, sich dem welt­li­chen Druck zu beu­gen und eine lai­zi­sti­sche Agen­da ein­zu­füh­ren. Jüngst kri­ti­sier­te Bischof Con­ley die Gen­der-Poli­tik von US-Prä­si­dent Barack Oba­ma. In Lin­coln haben die letz­ten drei Bischö­fe sich „allein auf das See­len­heil“ kon­zen­triert, und das nach den jahr­tau­sen­de­al­ten Kri­te­ri­en der Kir­che, so Wil­liams. „Für vie­le mag das eine Über­ra­schung sein, aber… es funktioniert!“

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Diö­ze­se Lincoln/​Religion en Libertad

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