(Rom) In der vergangenen Woche sorgte ein Artikel von Maike Hickson auf One Peter Five für weltweites Aufsehen. Die deutsch-amerikanische Katholikin berichtete vom deutschen Moraltheologen und Priester der Diözese Augsburg, Ingo Dollinger. Dieser bestätigte, daß ihm der damalige Glaubenspräfekt, Joseph Kardinal Ratzinger, anvertraut hatte, daß 2000 das Dritte Geheimnis von Fatima auf Wunsch von Papst Johannes Paul II. nicht vollständig veröffentlicht worden war. Da Dollinger ein persönlicher Freund von Papst Benedikt XVI. ist, kommt seiner Aussage besonderes Gewicht zu.
Hicksons Artikel sorgte im Vatikan für solche Unruhe, daß das Presseamt des Heiligen Stuhls am vergangenen Samstag im Tagesbulletin dazu Stellung nahm.
Die Stellungnahme des Vatikans wurde in der gestrigen Sonntagsausgabe des Osservatore Romano abgedruckt. Darin heißt es:
Das dritte Geheimnis von Fatima
Einige Artikel haben jüngst Erklärungen berichtet, die Ingo Dollinger zugeschrieben werden, laut denen Kardinal Ratzinger nach der Veröffentlichung des dritten Geheimnisses von Fatima, die im Juni 2000 erfolgte, ihm anvertraut hätte, daß diese Veröffentlichung nicht vollständig war.
Diesbezüglich teilt Benedikt XVI. mit, „nie mit Professor Dollinger über Fatima gesprochen zu haben“, erklärt in aller Klarheit, daß die Dollinger zugeschriebenen Aussagen zu diesem Thema „reine Erfindungen sind und absolut nicht wahr“, und bekräftigt mit Eindeutigkeit, daß „die Veröffentlichung des dritten Geheimnisses von Fatima vollständig ist“.
Es handelt sich um die erste Erklärung des emeritierten Papstes, die seit dem März 2013 offiziell vom Presseamt des Heiligen Stuhls verbreitet wird. Das unterstreicht die Bedeutung, die ihr vom Vatikan beigemessen wird, der darauf beharrt, daß das Dritte Geheimnis vollständig veröffentlicht wurde. Die Diskrepanz zwischen dem veröffentlichten Inhalt und früheren Aussagen höchster Kirchenvertreter über den Inhalt des Geheimnisses, auch durch Papst Johannes Paul II. und Schwester Luzia, wurden nicht thematisiert.
Dollinger beharrt auf seiner Aussage
Hickson wies den unterschwelligen Vorwurf einer „konstruierten“ Behauptung entschieden zurück. Die Aussage sei Professor Dollinger nicht nur „zugeschrieben“ worden, sondern stamme tatsächlich von diesem und sei korrekt und mit aller nötigen Sorgfalt wiedergegeben worden.
Hickson kontaktierte Dollinger, nachdem der Vatikan die „Gegendarstellung“ veröffentlicht hatte. Der Moraltheologe zeigte sich verwundert über die römische Reaktion und bestätigte erneut seine Aussage.
Am 13. Mai 2010 sagte Papst Benedikt XVI. in Fatima:
„Wer glaubt, daß die prophetische Mission Fatimas beendet sei, der irrt sich.“
Auf dem Rückflug von Portugal nach Rom sagte er in einem Interview zum Dritten Geheimnis:
„So, würde ich sagen, werden auch hier über die große Vision des Leidens des Papstes hinaus, die wir in erster Linie auf Papst Johannes Paul II. beziehen können, Realitäten der Zukunft der Kirche aufgezeigt, die sich nach und nach entfalten und zeigen. Daher ist es richtig, dass man über den in der Vision gezeigten Moment hinaus die Notwendigkeit eines Leidens der Kirche sieht, das sich natürlich in der Person des Papstes widerspiegelt, aber der Papst steht für die Kirche, und daher werden Leiden der Kirche angekündigt.“
Die Aussage, die Dollinger gegenüber Hickson bestätigte, ihm habe Kardinal Ratzinger anvertraut, das Dritte Geheimnis von Fatima sei nicht vollständig veröffentlicht worden, wurde bereits 2004 öffentlich bekannt. Sie wurde damals weder von Kardinal Ratzinger noch vom Heiligen Stuhl dementiert.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: One Peter Five