Kapitalismus ja? Liberalismus nein?


Egalité franternité liberté - kein "goldenes Zeitalter", sondern der Beginn der Loslösung der Rationalität von der Moral
Egalité franternité liberté - kein "goldenes Zeitalter", sondern der Beginn der Loslösung der Rationalität von der Moral

Gast­kom­men­tar von End­re A. Bárdossy*

Anzei­ge

Das XVIII. Jahr­hun­dert des „Lich­tes“ und der soge­nann­ten, histo­ri­schen „Auf­klä­rung“ (Cond­or­cet, Kant, Rous­se­au etc.) ist nicht das Gol­de­ne Zeit­al­ter, son­dern der Beginn der Los­lö­sung der Ratio­na­li­tät von der Moral, wor­an wir bis heu­te immer mehr und mehr lei­den. Para­do­xer­wei­se hat die Ent­fes­se­lung der rei­nen Ver­nunft eine Epo­che fin­ste­rer Irra­tio­na­li­tät und die Illu­si­on einer ver­meint­li­chen, bereits hin und her tau­meln­den Auto­no­mie eingeleitet.

Der Gei­stes­wan­del wur­de von eis­kal­ten Ratio­na­li­sten dik­tiert. Die­sel­be gott- und erbar­mungs­lo­se Ratio­na­li­tät wird frei­lich vom mora­lisch ver­rot­te­ten Libe­ra­lis­mus als Sen­ti­men­ta­li­tät der schö­nen Gefüh­le ver­mark­tet. Libe­ra­lis­mus ten­diert – lei­der – immer und über­all zur links­li­be­ra­len Demagogie.

Liberalismus und Sozialismus sind eineiige Zwillinge der Aufklärung!

Es gab nie eine „libe­ral-kon­ser­va­ti­ve“ Par­tei oder Zei­tung, weil das ein begriff­li­cher Wider­spruch ist. Kon­ser­va­ti­ve Wer­te und libe­ra­le Ansich­ten schlie­ßen sich gegen­sei­tig aus. Die rund 300 Jah­re dau­ern­de Pro­spe­ri­tät (1688–1900) im Ver­ei­nig­ten König­reich beruh­te auf der Über­win­dung des von Furcht und Unsi­cher­heit gepräg­ten Natur­zu­stan­des dank Tho­mas Hob­bes‘ Staats­phi­lo­so­phie, die einen bür­ger­li­chen Pakt unter König­li­cher Auto­ri­tät beschwor. Seit­her gibt es das größ­te Kurio­sum der poli­ti­schen Kul­tur nach fein­ster eng­li­scher Art: „Sei­ner Maje­stät Aller­treue­ste Oppo­si­ti­on“. Der jako­bi­nisch-repu­bli­ka­ni­sche „Cont­rat social“ ist dage­gen spie­gel­ver­kehrt kon­zi­piert: Rous­se­au inter­pre­tiert die Zivi­li­sa­ti­on als Übel und den Urzu­stand der Wil­den als Gut­men­schen­tum. Unter ande­rem auch als wol­lü­sti­ge Promiskuität.

Nach der Glo­rious Revo­lu­ti­on kon­so­li­dier­te die „Bill of Rights“ eine ver­läss­li­che, kon­sti­tu­tio­nel­le Mon­ar­chie, deren Vor­zü­ge in jener Zeit auf kon­ti­nen­tal­eu­ro­päi­schem Boden ganz und gar unbe­kannt waren. Die­se geord­ne­ten Ver­hält­nis­se waren das Erfolgs­ge­heim­nis der kon­ser­va­ti­ven Tories und der „halb­li­be­ral“ ein­ge­brem­sten Whigs auf der Höhe der dama­li­gen Zeit.

Die funk­tio­nie­ren­de Markt­wirt­schaft war kei­ne „libe­ra­le“ Erfin­dung, sie gab es bereits im grie­chisch-römi­schen Alter­tum. Die Vor­zü­ge der kom­pa­ra­ti­ven Kosten waren bereits den see­fah­ren­den Phö­ni­zi­ern nicht unbe­kannt und stell­ten die eigent­li­che Moti­va­ti­on für den blü­hen­den Tausch­han­del im Mit­tel­meer­raum dar.

Der Kapi­ta­lis­mus ist zwar in Eng­land des XVIII. Jahr­hun­derts kon­tem­po­rär mit dem fran­zö­si­schen Libe­ra­lis­mus ent­stan­den, die bei­den sind aber unter­ein­an­der inkom­pa­ra­bel und inkom­pa­ti­bel zugleich. Die kapi­ta­li­sti­sche Pro­duk­ti­ons­wei­se ist eine rein tech­ni­sche Ange­le­gen­heit der fort­schritt­li­chen Betriebs­wirt­schaft. Der Libe­ra­lis­mus ist dage­gen Revo­lu­ti­on und Cha­os, Ver­fall und anti­ka­tho­li­sche Ver­schwö­rung der inter­na­tio­na­len Freimaurerei.

Die Dampfmaschine eröffnete das neue Zeitalter (1764)

Seit der Fort­ent­wick­lung der ersten Dampf­ma­schi­ne durch James Watt sind die Erfor­der­nis­se nach Anla­ge­gü­tern sprung­haft ange­stie­gen. Die ein­fa­che Kapi­tal­aus­rü­stung hat sich in allen her­kömm­li­chen Betrie­ben nicht nur im Hand­werk, son­dern sogar in der natur­na­hen Land- und Forst­wirt­schaft neben allen Facet­ten des Ver­kehrs und der Kom­mu­ni­ka­ti­on ver­viel­facht. Ab Mit­te des XVIII. Jahr­hun­derts ver­bin­den immer dich­ter wer­den­de Eisen­bahn- und spä­ter Auto­bahn­net­ze die klei­ner wer­den­de Welt. In den ent­le­ge­nen Pro­vin­zen Argen­ti­ni­ens ste­hen die roten Back­stein­häu­ser der eng­li­schen Inge­nieu­re heu­te noch ent­lang der still­ge­leg­ten Eisen­bahn­li­ni­en, die auf Schmal­spur sogar über die 6000 Meter hohen Andenket­ten auch nach Sant­ia­go de Chi­le führ­ten. Ohne Oze­an­damp­fer hät­te sich der Welt­han­del nie so kräf­tig ent­fal­ten kön­nen. Dass die irrever­si­ble Indu­stria­li­sie­rung in der Psy­che der Mas­sen auf gro­ßes Befrem­den stieß, ist bis heu­te am Maschi­nen- und Auto­mo­bil­hass der soge­nann­ten „Grü­nen“ abzulesen.

Der stei­gen­de Kapi­tal­ein­satz brach­te auf allen Sek­to­ren eine enor­me Pro­duk­ti­vi­tät her­vor. Es ist nicht wahr, dass die Sche­re zwi­schen Arm und Reich immer wei­ter auf­geht. In abso­lu­ten Zah­len gerech­net, ist das Gegen­teil der Fall. Dank des Kapi­ta­lis­mus gibt es, trotz stei­gen­der Welt­be­völ­ke­rung, eine abneh­men­de Ten­denz der abso­lu­ten Armut. In rei­che­ren Regio­nen wird, sta­ti­stisch gerech­net, jemand als armuts­ge­fähr­det aus­ge­wie­sen, wenn er weni­ger als 60 Pro­zent des Medi­an­ein­kom­mens erwirt­schaf­tet bzw. erhält. Wem also nicht alle Güter, Dien­ste und Rech­te in die­sem Aus­maß gleich­zei­tig zukom­men, der kann sich rela­tiv arm füh­len, obwohl sei­ne Posi­ti­on durch­aus nicht unbe­hag­lich oder gar leid­voll (son­dern eher neid­voll) erach­tet wer­den muss.

„Anti­ka­pi­ta­li­sten“ kön­nen daher nur wirt­schaft­lich Unge­bil­de­te sein, da der Kapi­ta­lis­mus als sol­cher in abso­lu­ten und rela­ti­ven Zah­len unge­ahn­te Fort­schrit­te gebracht hat.

Im ideologischen Puzzle passen Kapitalismus und Liberalismus innerlich nicht zusammen

Die bei­läu­fi­ge Zuga­be des (Neo-) Libe­ra­lis­mus zum Kapi­ta­lis­mus als Attri­but (Wesens­ei­gen­schaft) scheint ver­rä­te­risch dafür zu sein, dass sich in die all­ge­mei­ne Begriffs­bil­dung eine weit­ver­brei­te­te Kon­fu­si­on ein­ge­schli­chen hat. Sie koin­zi­die­ren nur dar­in, dass sie als Neo­lo­gis­men im XVIII. Jahr­hun­dert kon­tem­po­rär ent­stan­den sind.

Der hoch­kom­ple­xe Kapi­tal­be­darf ist eine betriebs­wirt­schaft­li­che Not­wen­dig­keit. Der Fließ­band als sym­bol­träch­ti­ger Inbe­griff der neu­en Fabri­ka­ti­ons­wei­se (im Gegen­satz zur zise­lier­ten, aber lei­der erbärm­lich unpro­duk­ti­ven Manu­fak­tur) ist also weder eine unna­tür­li­che, künst­li­che „Ent­frem­dung“ des Alten und Gedie­ge­nen noch eine „Aus­beu­tung“ des Pro­le­ta­ri­ats. Im Gegen­teil, die Pro­duk­ti­vi­tät des Kapi­ta­lis­mus hob den Lebens­stan­dard der Lohn­ar­bei­ter sehr bald auf ein Niveau, ohne des­sen Früch­te sie im Aus­lauf­mo­dell des Feu­da­lis­mus hät­ten ver­hun­gern müs­sen. Tho­mas Robert Mal­thus war in die­sem wei­ten Sin­ne der erste „grü­ne“ Ideo­lo­ge und Men­schen­feind, der die enor­me Lei­stungs­fä­hig­keit der Indu­stri­el­len Revo­lu­ti­on nicht erken­nen konn­te. Mar­xens und Engels‘ ein­fäl­ti­ge Pro­phe­zei­un­gen sind gera­de­zu nicht in den fort­schritt­lich­sten Indu­strie­na­tio­nen, son­dern in rück­stän­di­gen Agrar­län­dern wie Russ­land und Chi­na, und heut­zu­ta­ge ledig­lich im Krei­se der Befrei­ungs­theo­lo­gen und Jesui­ten in Erfül­lung gegangen.

John Maynard Keynes (1883-1946)
John May­nard Keynes (1883–1946)

Wer sich nach allen Infla­ti­ons­schü­ben des Keyne­sia­nis­mus im XX. Jahr­hun­dert bis heu­te nicht schämt zu ver­kün­den: „Ich bin ein Keyne­sia­ner!“, der hat sich als Wirt­schafts­pro­fes­sor dis­qua­li­fi­ziert. Die mehr als 30 Jah­re lang prak­ti­zier­te, rei­ne Noten­drucke­rei führ­te in Argen­ti­ni­en zu einem spek­ta­ku­lä­ren Staats­bank­rott (2002). Aber auch dank der Geld­schwem­me der Euro­päi­schen Zen­tral­bank wird es nicht anders kom­men. Öster­reichs neu­ge­backe­ner Bun­des­prä­si­dent Alex­an­der Van den Bel­len bekann­te sich wäh­rend sei­nes Wahl­kamp­fes 2016 im Lin­zer Kep­ler-Saal öffent­lich zu den Irr­leh­ren von Lord May­nard Keynes, die von Fried­rich August von Hay­ek bereits 1932 ein­drucks­voll wider­legt wurden.

Die öster­rei­chi­schen Brief­kar­ten­wäh­ler (deren Stim­men myste­riö­ser­wei­se immer wie­der über­wie­gend den Grü­nen zugu­te kom­men…) und die fei­ne­ren Künst­ler & Intel­lek­tu­el­len (die habi­tu­al­wei­se es schick fin­den links zu wäh­len…) haben noch nichts davon gehört, dass bei dün­nen Kapi­tal­an­la­gen die Wett­be­werbs­fä­hig­keit der „bösen“ Unter­neh­mer (Kapi­ta­li­sten) zurück­geht, dass bei Wirt­schafts­feind­lich­keit, Über­so­zia­li­sie­rung und Ver­schwen­dung die Arbeits­lo­sig­keit steigt, etc. etc. Klu­ge Arbei­ter und Bau­er wis­sen das anschei­nend bes­ser ein­zu­schät­zen als die Schicke­ria der Intel­lek­tu­el­len oder jene, die sich dafür hal­ten. Des­halb wan­dern die Arbei­ter mas­sen­wei­se weg aus der SPÖ, und die Land­be­völ­ke­rung weg aus der ÖVP – in Rich­tung FPÖ.

Präzisierung des kontinentalen Liberalismus ist nötig

Der aus Frank­reich ver­strö­men­de Libe­ra­lis­mus – den ich uner­müd­lich als lin­ke „Liber­ti­na­ge“ defi­nie­ren möch­te – ist kei­ne betriebs­wirt­schaft­li­che Ange­le­gen­heit, son­dern das bereits oben erwähn­te Pro­blem der los­ge­lö­sten Ratio­na­li­tät von den guten Sit­ten und den über­lie­fer­ten ethi­schen Wer­ten wäh­rend der fran­zö­si­schen Auf­klä­rung. „Wirt­schaft­li­be­ral“ ist ein sinn­lo­ses Kom­po­si­tum der Jour­na­li­sten­spra­che. Es hat weder zur Glo­rious Revo­lu­ti­on noch zur Indu­stri­el­len Revo­lu­ti­on einen gene­ti­schen Bezug. Die fest ver­brief­ten und minu­ti­ös geleb­ten Spiel­re­geln der „Bill of Rights“, die Insti­tu­tio­nen und das Zere­mo­ni­ell des Staats­we­sens im Ver­ei­nig­ten König­reich sind gera­de­zu das Gegen­teil des kon­ti­nen­ta­len Libe­ra­lis­mus. Die Frei­zü­gig­keit des Han­dels war nur ein Aspekt unter vie­len ande­ren in der geord­ne­ten Lebens­wei­se des Commonwealth.

Ver­nünf­ti­ger­wei­se soll­te der FREIHANDEL – der über­stra­pa­zier­te Refrain aller „Wirt­schafts­li­be­ra­len“ – mit über­le­ge­nen Aus­län­dern nicht zu einem leicht­sin­ni­gen, „TTIP-libe­ra­len“ FREITOD der Klei­nen und Mitt­le­ren Unter­neh­men (KMU) im Inland füh­ren. Wenn im Außen­han­del die kom­pa­ra­ti­ven Her­stel­lungs­ko­sten von Gütern, Dien­sten und Rech­ten kei­ne ange­mes­se­nen Vor­tei­le indi­zie­ren, die für bei­de Sei­ten (vor allem aber zuhau­se im eige­nen Länd­le, wo das Hemd näher ist als der Rock!) eine wech­sel­sei­ti­ge Win-Win-Situa­ti­on erlau­ben, dann dürf­ten nicht alle Han­dels­schran­ken, Schutz­zöl­le, Kon­tin­gen­te radi­kal aus­ge­merzt wer­den. Die KMU ver­die­nen es, erhal­ten zu blei­ben, da sie dem Kun­den eine ande­re Auf­merk­sam­keit, ande­re Dienst­lei­stun­gen und Ser­vice ent­ge­gen­brin­gen als die anony­men Kon­zer­ne. Über­dies sind sie die effi­zi­en­te­sten Kräf­te im Kampf gegen das Übel der Arbeitslosigkeit.

Libe­ra­lis­mus ist dage­gen die Ent­fes­se­lung aller mora­li­schen und kom­mer­zi­el­len Hem­mun­gen in Bezug auf die MACHT- & HABGIER im Bereich von Wirt­schaft, Poli­tik und Recht, die nach der Ein­schät­zung der Katho­li­schen Leh­re über­all eine Tod­sün­de ist. Der Unter­gang der KMU in der Wirt­schaft, unge­rech­te Ent­loh­nung der Arbei­ter, Zer­set­zung der Fami­li­en­mo­ral, Miss­ach­tung der öffent­li­chen Ord­nung, eine dem Tra­di­ti­ons­prin­zip wider­stre­ben­de, „libe­ra­le“ (will­kür­li­che) Theo­lo­gie u. a. m. sind die übel­sten Mis­se­ta­ten des Libe­ra­lis­mus. Histo­risch ist das Wort der­ma­ßen bela­stet, dass es gera­de­zu einem Syn­onym der Apo­sta­sie gleich­kommt. Es ist strikt unmög­lich die­sen Begriff und sei­ne Kon­no­ta­tio­nen für den Gebrauch der Katho­li­schen Kir­che zu beschö­ni­gen oder umzudeuten.

Besonnenheit der Lehrschrift „Centesimus annus“ (1991)

Johan­nes Paul II – reich­lich spät für die Kir­che, aber doch defi­ni­tiv, – aner­kann­te dage­gen, dass „Kapi­ta­lis­mus & Markt­wirt­schaft“ an und für sich als zeit­ge­mä­ße Pro­duk­ti­ons- und Ver­tei­lungs­mo­di in Ver­bin­dung mit den tra­di­tio­nel­len Wer­ten und Tugen­den als mora­lisch ein­wand­frei zu betrach­ten sind. Für die per­sön­li­che Wei­ter­bil­dung des Wis­sens und Gewis­sens der Poli­ti­ker & Unter­neh­mer, Arbei­ter & Ange­stell­ten, Anbie­ter & Kon­su­men­ten gibt es natür­lich einen enor­men Hand­lungs­be­darf, damit die ideo­lo­gie­frei­en Grund­po­si­tio­nen eine brei­te­re Ver­brei­tung fin­den mögen.

Das Gute auf die­sem kom­ple­xen Gebiet, wie über­all, kann nicht ver­ord­net, son­dern muss erkannt, sorg­fäl­tig erwo­gen und ange­eig­net wer­den. Ein hoff­nungs­lo­ses Unter­fan­gen? Viel­leicht doch nicht, denn das Unklu­ge und Unge­rech­te, das Maß­lo­se und Fei­ge lie­gen hau­fen­wei­se an jeder Stra­ßen­ecke her­um. Eine höhe­re Fre­quenz von Volks­be­fra­gun­gen wäre der ein­zi­ge effi­zi­en­te Weg für die Ent­lar­vung öffent­li­cher Miss-Stän­de. Die Nutz­nie­ßer der ver­lo­ge­nen „reprä­sen­ta­ti­ven“ Demo­kra­tie, die hin­ter Pol­ster­tü­ren der Gre­mi­en und Par­tei­en schal­ten und wal­ten kön­nen, was sie wol­len, fürch­ten die „Vox popu­li – vox Dei“ wie der Teu­fel das Weihwasser.

Daher wäre ein­zig und allein die viel­ge­schmäh­te, sub­si­diä­re „Klein­staa­te­rei“ der Euro­päi­schen Vater­län­der mit direk­ter Demo­kra­tie wie sie in der Schwei­zer Eid­ge­nos­sen­schaft üblich ist, der ein­zi­ge Aus­weg aus der „Neo­syn­di­ka­li­sti­schen Mei­nungs­dik­ta­tur“ (Chr. Zeitz), die in den star­ren Insti­tu­tio­nen der EUdSSR immer höhe­re Sturm­bö­en der Unzu­frie­den­heit schlägt.

Die stets mög­li­che Gier beschränkt sich nicht allein auf den Kreis der Wirt­schafts­trei­ben­den, wenn auch die­se aus­ge­präg­te Unfrei­heit auf die­sem Gebiet kei­ne Sel­ten­heit ist. In die­sem Sin­ne gab es „liber­tär“ ent­fes­sel­te Des­po­ten bereits im alten Rom, Athen und Spar­ta auf allen Sek­to­ren des Lebens, zu allen Zei­ten der Haus- und Hof­wirt­schaft, im Feu­da­lis­mus eben­so wie in der klas­si­schen Markt­wirt­schaft seit aber­tau­send Jahren.

Zeitz fragt am Ende sei­ner bri­san­ten Wahl­ana­ly­se der letz­ten poli­ti­schen Ent­wick­lun­gen in Öster­reich, ins­be­son­de­re nach dem äußerst knapp an der Mes­ser­spit­ze ver­lau­fe­nen Bun­des­prä­si­den­ten­wah­len 2016:

Wer liefert die Fundamente einer umfassenden Erneuerung?

Nach allen Indi­zi­en aus letz­ter Zeit scheint es sicher zu sein, dass uns nur eine Rück­be­sin­nung auf die grie­chisch-römi­sche Katho­li­zi­tät des Abend­lan­des noch ein­mal erret­ten könn­te, wenn wir inzwi­schen vom Islam nicht weg­ge­fegt werden.

Fas­sen wir zusam­men. Im Zuge der letz­ten drei Jahr­hun­der­te bil­de­ten sich drei ver­wir­ren­de Dicho­to­mien aus. Eine Viel­zahl ver­schie­den­ster Enti­tä­ten mit unge­zähl­ten, schil­lern­den Facet­ten waren die Lie­fe­ran­ten dafür:

  • KAPITALISMUS ver­sus KREISLAUFWIRTSCHAFT

Kapi­ta­lis­mus ist die indu­stria­li­sier­te, tech­nisch hoch­ent­wickel­te Pro­duk­ti­ons­wei­se im Gegen­satz zum vor­ka­pi­ta­li­sti­schen, vor­in­du­stri­el­len Haus- und Hof­wirt­schaft, wobei der erste der drei ele­men­ta­ren Pro­duk­ti­ons­fak­to­ren domi­nant gewor­den ist:

  • Güter (Kapi­tal),
  • Dien­ste (phy­si­sche und gei­sti­ge Arbeit) und
  • Rech­te (kodi­fi­zier­te Moral).
  • MARKTWIRTSCHAFT ver­sus PLAN- bzw. BEFEHLSWIRTSCHAFT

Eine flot­te, kon­ser­va­ti­ve Markt­wirt­schaft beruht auf Pri­vat­ei­gen­tum, Pri­vat­in­itia­ti­ve, Pri­vat­ver­fü­gung, und steht dem schwer­fäl­li­gen sozia­li­sti­schen Staats­ka­pi­ta­lis­mus gegen­über, der

– mit exklu­si­vem (oder über­wie­gen­dem) Staatseigentum;

– mit exklu­siv (oder über­wie­gend) poli­ti­scher und büro­kra­ti­scher Initiative;

– mit exklu­si­ver (oder über­wie­gen­der) „sozia­ler“ Staatsversorgung

nur blei­er­ne Füße hat.

Die Voll­ent­fal­tung der Per­sön­lich­keit hat nur in „Gemein­schaf­ten“ (Fami­lie, Nati­on, Kir­che) eine Gewähr. Im Kol­lek­ti­vis­mus der „Gesell­schaft“ (Socie­tas, Socia­lis­mus, Socia­le Demo­kra­tie) kön­nen sich die Vor­zü­ge des Civis roma­nus nicht entfalten.

Die abge­dro­sche­nen Flos­keln der „Sozia­len Markt­wirt­schaft“ und der „Sozia­len Gerech­tig­keit“ sind eine gleich­lau­fen­de Con­tra­dic­tio in adjec­to! Denn nur „Bür­ger“ (Voll­per­so­nen) kön­nen han­deln, nicht kol­lek­ti­ve „Gesell­schaf­ten“.

Eine „Moral-Freie (‚libe­ra­le‘) Markt­wirt­schaft“ und die fixe Idee des „Frei­han­dels“ als Pana­zee sind eben­falls bewuss­te Irre­füh­run­gen der öffent­li­chen Mei­nung. Eine unfreie Markt- und Tausch­wirt­schaft gibt es näm­lich nicht. Unter Bedin­gun­gen der Unfrei­heit ent­steht unwei­ger­lich ein „frei­er“ Schwarz­markt. Ein unfrei­er Han­del wäre eben­falls ein Wider­spruch, denn wenn der Besitz­wech­sel unter unfrei­en Bedin­gun­gen statt­fin­det, dann ist er nicht mehr Han­del und Tausch, son­dern „Abga­be, Ablie­fe­rung, Raub“ (Zum Bei­spiel: Finanz­ab­ga­be, Ent­eig­nung, etc).

  • KATHOLIZISMUS ver­sus LIBERALISMUS

Wohl­ver­stan­den ist die „LIBERTAS PRAESTANTISSIMUM DONUM“. Das heißt auf gut Deutsch „Die Frei­heit ist das vor­züg­lich­ste unter den natür­li­chen Gütern“, wie es im Lehr­schrei­ben (1888) von Papst Leo XIII uner­müd­lich betont wird. Des­halb zählt das Argu­ment von Erik von Kueh­nelt-Led­dihn nicht, wonach die Kon­ser­va­ti­ven eigent­lich nur ver­kapp­te „Libe­ra­len“ wären, denn bei nähe­rem Zuse­hen hat der histo­ri­sche Libe­ra­lis­mus mit den wohl­ver­stan­de­nen Frei­hei­ten nichts zu tun.

Der Libe­ra­lis­mus ist ein Eti­ket­ten­schwin­del, der gera­de­zu auf Unfrei­hei­ten (Liber­ti­na­ge) beruht, der von Anfang an gegen die Eine, Hei­li­ge, Katho­li­sche Kir­che gerich­tet war – egal ob wäh­rend oder nach dem Eng­li­schen Bür­ger­krieg, wäh­rend oder nach der Fran­zö­si­schen Revo­lu­ti­on oder im Deut­schen Kul­tur­kampf. Wo auch immer eine anti­kle­ri­ka­le Bewe­gung des Libe­ra­lis­mus seit König Hen­ry VIII. (1509–1547) bis heu­te aus­ge­bro­chen ist, ist sie mit ihren näch­sten Schrit­ten in der Gos­se der Immo­ra­li­tät ver­kom­men. So sind die Angli­ka­ner, Luthe­ra­ner, Cal­vi­ni­sten mei­stens bereit­wil­lig „libe­ral“ gewor­den. Heu­te ist der Libe­ra­lis­mus sogar ins Herz und Schoß der Katho­li­schen Kir­che eingedrungen.

Unter Patro­nanz der Frei­mau­re­rei wur­de die Wort­fa­mi­lie „Libe­ra­lis­mus, libe­ral“ vom Links­li­be­ra­lis­mus mit allen Nuan­cen in Beschlag genommen.

Wer noch ein wenig LATEIN gelernt hat, der weiß, dass die Her­kunft der Wort­fa­mi­lie „Liber, Liber­tas, Libe­ra­li­tas“ im Alter­tum bis zum Herbst des Mit­tel­al­ters eine leuch­ten­de Sinn­fül­le reprä­sen­tier­te: Näm­lich Frei­heit, Edel­mut und Groß­zü­gig­keit, die frü­her ein­mal die Cha­rak­ter­zü­ge und der Stolz eines Römi­schen Bür­gers waren.

Wer noch ein wenig GESCHICHTE gelernt hat, der weiß auch, dass die­se Sinn­fül­le wäh­rend der Fran­zö­si­schen Revo­lu­ti­on (1789–1799), im Keim­zu­stand aber bereits vor­her in der Pro­te­stan­ti­schen, und schließ­lich in der Pro­le­ta­ri­schen Revo­lu­ti­on des fin­ste­ren XX. Jahr­hun­derts defi­ni­tiv ver­nich­tet wor­den ist.

Alle liber­tä­ren Bewe­gun­gen des XIX. Jahr­hun­derts (zB. Josef Bem in Polen oder Lajos Kos­suth in Ungarn 1848/​49) unter der Ägi­de der „Libe­ra­len Frei­mau­re­rei“ dien­ten der Aus­höh­lung der abend­län­disch-katho­li­schen Über­lie­fe­rung, und bekämpf­ten ins­be­son­de­re das katho­li­sche Öster­reich. Die Pari­ser Vor­ort­ver­trä­ge (1919 /​ 20)

– von Ver­sailles mit dem Deut­schen Reich,

– von Saint-Ger­main mit Deutschösterreich,

– von Neuil­ly-Sur-Sei­ne mit Bulgarien,

– von Tria­non mit Ungarn,

– von Sèv­res mit dem Osma­ni­schen Reich

Papst Benedikt XV.
Papst Bene­dikt XV.

prä­sen­tier­ten die End­ab­rech­nung der Frei­mau­re­rei und den Dolch­stoß für uns. Papst Bene­dikt XV. (1914–1922) for­der­te Gerech­tig­keit für die Besieg­ten. In sei­ner Enzy­kli­ka „Pacem Dei munus“ (1920) bezeich­ne­te er die Frie­dens­ver­trä­ge als „rach­süch­ti­ges Dik­tat“. Frei­lich, sei­ne Wor­te waren vergeblich!

„Liber­té, Éga­li­té, Fra­ter­ni­té“ sind heu­te – lei­der Got­tes – links­lin­ke Syn­ony­me von Libe­ra­lis­mus, Hedo­nis­mus und Ver­ant­wor­tungs­lo­sig­keit. Ein Libe­ra­ler, d. h. Frei­den­ker zu sein, heißt heu­te klar und deut­lich, frei von über­lie­fer­ten Wer­ten und Tugen­den zu handeln.

Das Rin­gen des Guten mit dem Bösen sind zwei grund­ver­schie­de­ne Wel­ten: Ein­mal muss man aber – spä­te­stens am Ende des Lebens – Far­be beken­nen und die Gei­ster unter­schei­den. Der kom­pro­miss­lo­se Schutz des wer­den­den Lebens, der wohl­ver­stan­de­ne Schutz des gei­sti­gen und mate­ri­el­len Eigen­tums der Fami­lie und des Vater­lan­des gehö­ren dazu.

Eine funk­ti­ons­tüch­ti­ge, kon­ser­va­ti­ve, wert­ge­bun­de­ne Markt­wirt­schaft der ordent­li­chen Kauf­leu­te (oder wenn man es so sagen will: Ein gemein­sa­mer Markt der euro­päi­schen Vater­län­der) ist kein Pri­vi­leg der mora­lisch ent­fes­sel­ten Neo­li­be­ra­len. Moral und Han­del gab es bereits im grie­chisch-römi­schen Alter­tum. Und wo sie funk­tio­nier­te, dort war dies stets nur auf der Grund­la­ge des Natur­rechts möglich.

*End­re A. Bár­d­os­sy war o. Uni­ver­si­täts­pro­fes­sor für Betriebs­wirt­schafts­leh­re und Lei­ter eines „Semi­na­rio de Apli­ca­ción Inter­di­sci­pli­na­ria“ in Argen­ti­ni­en.

Der Auf­satz ver­steht sich als Wei­ter­füh­rung der grund­le­gen­den Ana­ly­se „Öster­reich mutiert zur syn­di­ka­li­sti­schen Dik­ta­tur“ von Mag. Chri­sti­an Zeitz.

Bild: Wikicommons/​Radio Spa­da (Screen­shot)

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