Der „Samurai Christi“ und die „verborgenen Christen“ Japans


Justo Takayama, Denkmal in Manila

(Tokio) Im Stadt­teil Dia­lo von Mani­la steht eine Bron­ze­sta­tue. Sie zeigt Justo Taka­ya­ma Ukon (1552–1615). Die damals spa­ni­schen Phil­ip­pi­nen waren das Land sei­nes Exils. Der Samu­rai ent­stamm­te einer japa­ni­schen Für­sten­fa­mi­lie in Yama­to, einer der soge­nann­ten fünf Inne­ren Pro­vin­zen, die das japa­ni­sche Kern­land bil­den. Bekannt wur­de er als „Samu­rai Christi“.

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Dia­lo, „die Gel­be“, nann­te sich eine von den Spa­ni­ern am Beginn des 17. Jahr­hun­derts gegrün­de­te Sied­lung bei Mani­la. Dort wur­den aus Japan ver­trie­be­ne Chri­sten aufgenommen.

Der „Samuarai Christi“, dessen Schwert ein Kreuz war

Die Bron­ze­sta­tue zeigt Justo Takay­ma als Samu­rai. Sie Spit­ze sei­nes Schwer­tes zeigt zum Boden und stellt in Wirk­lich­keit ein Kreuz dar, an das Jesus Chri­stus gekreu­zigt ist. Damit gibt das Denk­mal die gan­ze Geschich­te die­ses „Samu­rai Chri­sti“ wie­der, der im Exil ster­ben muß­te, weil er sei­nem Glau­ben nicht abschwö­ren woll­te. Es zeigt gleich­zei­tig sei­nen inne­ren Weg vom Schwert zum Kreuz.

Unter der Regie von Lia Bel­t­ra­mi ent­stand der Doku­men­tar­film „Ukon der Samu­rai – Der Weg des Schwer­tes, der Weg des Kreu­zes“. Er läßt vor den Augen des Betrach­ters das feu­da­le Japan erste­hen, zeigt histo­risch authen­tisch nach­ge­stell­te Tee-Zere­mo­nien, Ken­jutsu-Schwert­kämp­fe, wie sie für Samu­rai prä­gend waren, japa­ni­sche Schreib­kunst und beein­drucken­de Land­schafts­auf­nah­men. Der Film von Auro­ra Visi­on ent­stand unter der Schirm­herr­schaft des Päpst­li­chen Kul­tur­ra­tes in Zusam­men­ar­beit mit der Japa­ni­schen Bot­schaft beim Hei­li­gen Stuhl, der Japa­ni­schen Bischofs­kon­fe­renz, der ita­lie­ni­schen Jesui­ten­pro­vinz und der Film­för­de­rung des Lan­des Tren­ti­no. Am ver­gan­ge­nen Sonn­tag wur­de der Doku­men­tar­film erst­mals in Rom vorgeführt.

Im Janu­ar unter­zeich­ne­te Papst Fran­zis­kus ein Dekret, mit dem er Mar­ty­ri­um von Dom Justo Taka­ya­ma aner­kann­te. Der Papst erkann­te damit das Lei­den und den Tod von Taka­ya­ma aus odi­um fidei, aus Haß gegen den Glau­ben an.

Fürst Takayama weigerte sich 1587 seinen Glauben zu verleugnen

1549 hat­te mit der Ankunft des jun­gen Jesui­ten Franz Xaver die Evan­ge­li­sie­rung Japans begon­nen. 1564 kon­ver­tier­te der Dai­myo Taka­ya­ma Tomo­te­ru, Herr von Sawa, mit sei­ner Fami­lie zum katho­li­schen Glau­ben. Auch sein Sohn wur­de getauft und erhielt den christ­li­chen Namen Justo.

Die Für­sten Taka­ya­ma wur­den in ihrem Herr­schafts­be­reich zu Schutz­her­ren des Chri­sten­tums. Unter der Füh­rung von Dom Justo und sei­nes Vaters Dario kon­ver­tier­ten vie­le Japa­ner zum Christentum.

Die Früh­pha­se der Chri­stia­ni­sie­rung im Land der Auf­ge­hen­den Son­ne wur­de von der Katho­li­schen Kir­che getra­gen. Doch bereits weni­ge Jahr­zehn­te spä­ter setz­te im Zuge innen­po­li­ti­scher Ent­wick­lun­gen und der Abwehr der Wirt­schafts­in­ter­es­sen euro­päi­scher Staa­ten die Chri­sten­ver­fol­gung ein. Nie­der­län­di­sche Cal­vi­ni­sten hetz­ten das japa­ni­sche Shog­u­nat gegen die katho­li­schen Mis­sio­na­re auf, um die spa­nisch-por­tu­gie­si­sche Han­dels­kon­kur­renz aus­zu­schal­ten. In Wirk­lich­keit pro­vo­zier­ten sie damit eine gene­rel­le Ver­fol­gung des Chri­sten­tums. Haupt­be­trof­fe­ne der Ver­fol­gung waren die Katho­li­sche Kir­che und die katho­li­schen Gläu­bi­gen, da es auf dem Insel­reich kei­ne ande­re Mis­si­ons­ak­ti­vi­tä­ten gab.

1587 wur­de die Ver­trei­bung aller aus­län­di­schen Mis­sio­na­re befoh­len. Vie­le blie­ben im Land und gin­gen in den Unter­grund. Von Justo Takay­ma, der als Christ bekannt war, for­der­te der Sho­gun die Unter­wer­fung. Justo unter­warf sich, wei­ger­te sich jedoch, sei­nen Glau­ben auf­zu­ge­ben. Dafür ver­lor er sei­ne Herr­schaft und sei­nen gesam­ten Besitz. Bei Freun­den, die selbst Chri­sten waren oder mit den Chri­sten sym­pa­thi­sier­ten, fand er Auf­nah­me. In den fol­gen­den Jah­ren war er ande­ren Chri­sten ein Vor­bild, wäh­rend Ungläu­bi­ge durch ihn zum Glau­ben fan­den. In den inner­ja­pa­ni­schen Wir­ren, die 1600 zur Schlacht von Seki­ga­ha­ra führ­te, spiel­te die Fami­lie kei­ne Rol­le mehr.

Jagd auf Christen

Die Lage der Chri­sten ver­schärf­te sich zuse­hends. 1596 wur­den katho­li­sche Prie­ster und Ordens­leu­te ver­haf­tet und zur Abschreckung öffent­li­chen Plät­zen bru­tal hingerichtet.

1612 ver­bot Sho­gun Toku­ga­wa Hide­ta­da, im Zuge der begin­nen­den Abschlie­ßung Japans von der Außen­welt, jede Form der Ver­brei­tung und Aus­übung des katho­li­schen Glau­bens. Es wur­de Jagd auf japa­ni­sche Katho­li­ken gemacht. Um sie auf­zu­spü­ren, hat­ten sich alle Japa­ner in bud­dhi­sti­schen Tem­peln regi­strie­ren zu las­sen. Dabei wur­de jeder ein­zeln gezwun­gen, auf christ­li­che Sym­bo­le zu tre­ten. Wer zöger­te oder sich wei­ger­te, galt als Christ. Hiel­ten sie am Glau­ben fest, wur­den sie hin­ge­rich­tet. Schwo­ren sie dem Glau­ben ab, wur­den sie als „abge­fal­le­ne Chri­sten“ regi­striert und die gan­ze Fami­lie für sie­ben Gene­ra­tio­nen unter Auf­sicht gestellt. In Orten, wie Naga­sa­ki, die als christ­li­che Zen­tren bekannt waren, wur­de die Ent­tar­nung von Chri­sten jedes Jahr wiederholt.

Justo Taka­ya­ma wei­ger­te sich auch jetzt, im Gegen­satz zu ande­ren Für­sten, sei­nen Glau­ben auf Befehl des Sho­gun zu ver­leug­nen, und war bereit für Chri­stus zu ster­ben. Um den Für­sten nach dem Ehren­ko­dex der Samu­rai zu demü­ti­gen und zu ent­eh­ren, wur­de er wegen sei­nes offe­nen Unge­hor­sams gegen­über dem Sho­gun nicht zur Selbst­tö­tung ver­ur­teilt, son­dern des Lan­des verwiesen.

Ende 1614 ging er mit 300 ande­ren japa­ni­schen Katho­li­ken ins Exil und fand Auf­nah­me durch die Jesui­ten auf den spa­ni­schen Phil­ip­pi­nen. Plä­ne, mit dem Für­sten als Anfüh­rer, eine Mili­tär­in­ter­ven­ti­on zugun­sten der japa­ni­schen Chri­sten zu wagen, lehn­te Justo Taka­ya­ma ab. Bereits von Krank­heit gezeich­net, starb er 40 Tage nach sei­ner Ankunft am 5. Febru­ar 1615 in Manila.

Die Kakure Kirishitan

Nach der Ver­trei­bung und Ermor­dung aller Prie­ster blieb die katho­li­sche Gemein­schaft in Japan prie­ster­los. Zum Schutz vor bru­ta­ler Ver­fol­gung hiel­ten sie ihren Glau­ben streg ver­bor­gen. Aus ihnen wur­den die Kaku­re Kiris­hit­an, die „ver­bor­ge­nen Christen“.

280 Jah­re dau­er­te die Katho­li­ken­ver­fol­gung. 240 Jah­re davon war Japan von der Außen­welt abge­schlos­sen. Die Chri­sten konn­ten den­noch im Unter­grund all die Zeit ihren Glau­ben in redu­zier­ter Form, ohne Prie­ster und ohne Sakra­men­te bewah­ren. Die Tau­fe war das ein­zi­ge Sakra­ment, das sie von Gene­ra­ti­on zu Gene­ra­ti­on wei­ter­ge­ben konn­ten. In Rom war man der festen Über­zeu­gung, daß es in Japan kei­nen christ­li­chen Glau­ben mehr gebe.

1853 erzwan­gen die USA durch Gewalt­an­dro­hung die Öff­nung Japans. Eine christ­li­che Mis­si­ons­tä­tig­keit blieb bis 1871 ver­bo­ten, doch kamen erst­mals wie­der Katho­li­ken ins Land. 1865 kam schließ­lich völ­lig uner­war­tet der erste Kon­takt eines euro­päi­schen Prie­sters mit den japa­ni­schen Unter­grund­ka­tho­li­ken zustan­de. Nun erst erfuhr eine erstaun­te katho­li­sche Welt, daß Glau­bens­brü­der in Japan die gan­ze Zeit im Glau­ben aus­ge­harrt hat­ten. Seit 2015 erin­nert ein Muse­um in Naga­sa­ki an die Geschich­te der Kaku­re Kiris­hit­an, die „ver­bor­ge­nen Chri­sten“ Japans.

Der andere Weg des „Samurai Gottes“

Ein ande­rer Samu­rai, Amaku­sa Shiro, ging einen ande­ren Weg. Als er gebo­ren wur­de, hat­te Taka­ya­ma Japan bereits ver­las­sen müs­sen. 1637 kam es unter sei­ner Füh­rung auf der Shi­ma­ba­ra-Halb­in­sel, im äußer­sten Süden des Lan­des, zu einem ver­zwei­fel­ten Auf­stand der Katho­li­ken. Von sei­nen Anhän­gern wur­de der jun­ge Samu­rai als „Vier­ter Sohn des Him­mels“ betrach­tet, der laut der Vor­her­sa­ge von Franz Xaver kom­men wür­de, um die Chri­stia­ni­sie­rung Japans anzuführen.

Nach lan­gem Wider­stand ver­schanz­ten sich die Auf­stän­di­schen in der Burg Hara. Nach einer auf­rei­ben­den Bela­ge­rung wur­den sie 1638 von einem über­le­ge­nen Heer des Sho­guns besiegt. Alle Chri­sten wur­den getö­tet. Amaku­sa Shiro wur­de ent­haup­tet und sein Kopf zur Abschreckung lan­ge Zeit in Naga­sa­ki ausgestellt.

2017 wird mit der Hei­lig­spre­chung von Dom Justo Taka­ya­ma gerechnet.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: San­to­se­bea­t­o­s­ca­to­li­cos (Screen­shot)

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