Bischöfe und Priester veranstalten Wettrennen um „Kommunion für alle“


(Rom) Dem Papst nach­zu­ei­fern ist an sich löb­lich, doch nicht immer ange­mes­sen. In eini­gen Tei­len der katho­li­schen Kir­che hat ein Wett­ren­nen unter Prie­stern und Bischö­fen begon­nen, wer als erster – im Namen des Pap­stes – wie­der­ver­hei­ra­te­ten Geschie­de­nen die Kom­mu­ni­on spendet.

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Kar­di­nal Schön­born darf dabei den unge­wöhn­li­chen Pri­mat für sich rekla­mie­ren. Er war der erste, der bereits bei der Vor­stel­lung des nach­syn­oda­len Schrei­ben Amo­ris lae­ti­tia bekannt­ge­ben konn­te, daß die Welt­kir­che ledig­lich über­neh­me, was er in sei­nem Erz­bis­tum bereits „seit 15 Jah­ren“ prak­ti­zie­re. Es muß sich dabei um eine ziem­lich ver­schwie­ge­ne Pra­xis gehan­delt haben, da der Ratz­in­ger-Schü­ler, in der noto­risch in „Pro­gres­si­ve“ und „Kon­ser­va­ti­ve“ gespal­te­nen Kir­che Öster­reichs, dafür von „kon­ser­va­ti­ver“ Sei­te nie kri­ti­siert wurde.

Ähn­lich wie Schön­born für Wien berich­te­te inzwi­schen auch die Kir­chen­zei­tung der nord­ita­lie­ni­schen Diö­ze­se Ber­ga­mo, daß aus einem „loka­lem Hand­werk“ eine kirch­li­che Pra­xis gewor­den sei. Mit ande­ren Wor­ten, was man sich vor Ort ohne und gegen Rom bereits gezim­mert hat­te, erhielt nun den offi­zi­el­len römi­schen Segen. Msgr. Alber­to Car­ra­ra, Prie­ster, Chef­re­dak­teur der Kir­chen­zei­tung und selbst Autor des Leit­ar­ti­kels, erhob sein Glas, um dar­auf anzu­sto­ßen, daß end­lich „im Licht der Son­ne“ gemacht wer­den kön­ne, was bis­her im Dun­keln prak­ti­ziert wer­den mußte.

Amo­ris lae­ti­tia läßt jenen Teil der Kir­che das wah­re Gesicht zei­gen, der sich in der Ver­gan­gen­heit offen­bar gut getarnt hat­te. Die­ses Zuta­ge­tre­ten offen­bart, wie vie­le in der Kir­che halb­her­zig oder gar nicht die Leh­re wei­ter­ge­ge­ben und ver­tei­digt haben. Viel­mehr haben sie mit ihrem ver­steck­ten Par­al­lel­lehr­amt jene For­de­rungs­hal­tung gegen­über der Kir­che geför­dert, die Leh­re den momen­ta­nen Wün­schen der Men­schen anzupassen.

Was erstaunt, ist das Tem­po, mit dem die „Pro­phe­ten“ einer „neu­en Kir­che“ ans Licht drän­gen mit ihrer Idee, die weit vor das der­zei­ti­ge Pon­ti­fi­kat zurückreicht.

Papst sagt „Ja und Punkt“ und zeigt sich über Journalisten genervt

Auf dem Rück­flug von Les­bos gab Papst Fran­zis­kus erst­mals eine Ant­wort auf die Fra­ge, ob die wie­der­ver­hei­ra­te­ten Geschie­de­nen nun zur Kom­mu­ni­on zuge­las­sen sei­en oder nicht: „Ja und Punkt“. So kön­ne er ant­wor­ten, mein­te der Papst, doch wäre das eine zu kur­ze Ant­wort. Er ver­wies daher auf Kar­di­nal Schön­born und des­sen Vor­stel­lung von Amo­ris Lae­ti­tia. Dort fin­de sich, neben der vom Papst gege­be­nen Kurz­fas­sung der Ant­wort die län­ge­re Fassung.

Als ein ande­rer Jour­na­list nach­frag­te, gab sich Papst Fran­zis­kus etwas genervt und kri­ti­sier­te die Medi­en. Die­se hät­ten die Dop­pel-Syn­ode zu einem Refe­ren­dum über die Kom­mu­ni­on für die wie­der­ver­hei­ra­te­ten Geschie­de­nen redu­ziert. Betrach­tet man die kirch­li­che Rea­li­tät, hät­te der Papst allen Grund mehr über Prie­ster und Bischö­fe ver­är­gert zu sein, die gar nicht schnell genug ihre Bereit­schaft posau­nen kön­nen, wie­der­ver­hei­ra­te­ten Geschie­de­nen die Kom­mu­ni­on zu spen­den (und wer weiß wem noch alles).

Schließ­lich war es Papst Fran­zis­kus, der die Syn­ode ein­be­ru­fen hat­te und Kar­di­nal Kas­per die Rich­tung wie­der­ver­hei­ra­te­te Geschie­de­nen vor­ge­ben ließ, und nicht die Medi­en. Alles was in Sachen Zulas­sung zu den Sakra­men­ten und zur Leh­re über das Ehe­sa­kra­ment, das Altar­sa­kra­ment und das Buß­sa­kra­ment gesche­hen ist und geschieht, ist haus­ge­macht. Die Medi­en haben damit herz­lich wenig zu tun.

„Stolz darauf, es schon seit 40 Jahren so zu halten“

Kurz nach der Ver­öf­fent­li­chung von Amo­ris lae­ti­tia gab der in Rom täti­ge Prie­ster Gio­van­ni Cere­ti der Tages­zei­tung Quo­ti­dia­no Nazio­na­le ein Inter­view. Dar­in erklär­te er mit beton­tem Stolz, daß er schon seit 40 Jah­ren den wie­der­ver­hei­ra­te­ten Geschie­de­nen die Kom­mu­ni­on spen­de. Don Cere­ti gehört zum Kreis der Alt-68er, der schon damals das Buch „Schei­dung, neue Hoch­zeit und Buße in der Urkir­che“ vor­leg­te, das im Vor­feld der zwei­ten Bischofs­syn­ode 2015 neu auf­ge­legt wur­de, um die Posi­ti­on der „Kom­mu­ni­on für alle“ zu unterstützen.

Auf den Phil­ip­pi­nen rennt gleich die gan­ze Bischofs­kon­fe­renz. „Die Barm­her­zig­keit kann nicht war­ten“, erklär­ten sie den Gläu­bi­gen des Insel­ar­chi­pels. Es wür­den „kon­kre­te Richt­li­ni­en“ durch die Bischö­fe fol­gen. Bis dahin „sol­len Bischö­fe und Prie­ster bereits jetzt ihre Will­kom­men hei­ßen­den Arme jenen gegen­über öff­nen, die aus einem Schul­ge­fühl und aus Scham sich der Kir­che fern­ge­hal­ten haben. Die Lai­en haben das Glei­che zu tun.“

Wie gesagt, der Papst soll­te lie­ber über sei­ne eng­sten Mit­ar­bei­ter genervt sein, die seit zwei Jah­ren den Jour­na­li­sten bei jeder sich bie­ten­den Gele­gen­heit die Fra­ge der Kom­mu­ni­on für die wie­der­ver­hei­ra­te­ten Geschie­de­nen aufs Auge gedrückt haben. Da es schwer­fällt, zu glau­ben, daß die eng­sten Papst-Ver­trau­ten dies gegen den Wil­len des Pap­stes getan haben, haben die päpst­li­chen Wor­te gegen die Jour­na­li­sten weni­ger mit sei­ner Ant­wort auf die Kom­mu­ni­on­fra­ge zu tun, son­dern mehr, daß der Papst nun, da der Umbruch rollt, nicht län­ger damit belä­stigt wer­den möch­te. Kurz­um, es ist alles Nöti­ge gesagt und die Pro­gres­si­ven haben die Bot­schaft ver­stan­den. Wenn man jetzt noch zu lan­ge über Details spricht, dann könn­te auch der letz­te „Kon­ser­va­ti­ve“ doch noch auf die Idee kom­men, hin­ter die Kulis­sen zu blicken und ihm die Ope­ra­ti­on däm­mern, die unter sei­nen Augen statt­fand, die er aber durch einen ver­klär­ten Blick auf das Papst­tum nicht erkann­te, son­dern durch Recht­fer­ti­gung des Pap­stes unab­sicht­lich unterstützte.

Wie ein bestimmter Klerus mit den Sakramenten umgeht

Der oben erwähn­te Msgr. Car­r­a­ro zeig­te sich erstaunt, daß sein Arti­kel soviel Wir­bel aus­lö­ste. In sei­ner Replik berich­te­te er von sei­nen Gesprä­chen mit wie­der­ver­hei­ra­te­ten Geschie­de­nen. Es lohnt, sei­ne Schil­de­rung wie­der­zu­ge­ben, um zu ver­ste­hen, wel­che Bedeu­tung ein bestimm­ter Kle­rus den Sakra­men­ten beimißt.

Vie­le Male habe ich Per­so­nen getrof­fen, die eine neue Ehe ein­ge­gan­gen waren. Mit ihnen führ­te ich in etwa fol­gen­des Gespräch: „Dei­ne Ehe, die erste, jene, die geschei­tert ist, ist unauf­lös­lich. Das steht im Evan­ge­li­um geschrie­ben. Du hast es nicht geschafft, sie bis ins Letz­te zu leben: zu leben wie ein einig Fleisch, ist kei­ne leich­te Sache. Ich weiß das, weil mir das vie­le sagen, die sich nicht tren­nen, und so ein gan­zes Leben lang zu leben, ist schwer.“
„Er war es aber, der mit sei­ner Sekre­tä­rin durch­ge­brannt ist …“, haben sie mir geant­wor­tet. „Aber das Zusam­men­le­ben war zur Höl­le gewor­den.“ „Wir wären gezwun­gen gewe­sen, das gan­ze Leben so zu tun als ob …“ Ich habe zuge­hört. Häu­fig flos­sen Tränen.
Ich setz­te fort: Du pro­te­stierst, weil dich die Kir­che von den Sakra­men­ten aus­schließt. Gibst du zu, daß auch die Kir­che eini­ge Ent­schei­dungs­pro­ble­me hat mit die­sem Evan­ge­li­um in der Hand? Sieh sel­ber zu. Du kannst dei­nen Glau­ben auch ohne Beich­te und ohne Kom­mu­ni­on leben, du bist Christ, du bist ganz Christ in jeder Hinsicht.
„Ent­schul­di­gen Sie bit­te, war­um beharrt Ihr dann so sehr auf der Eucha­ri­stie?“ Ich hör­te zu. Ich konn­te nicht ant­wor­ten, weil ich mir die­sen Ein­wand im Grund selbst mach­te, der Kir­che mach­te, als deren offi­zi­el­ler Ver­tre­ter ich in die­sem Augen­blick ja irgend­wie gese­hen wur­de. Ich fühl­te mich wie zwei­ge­teilt, zugleich Ange­klag­ter und Ankläger.
Ich fuhr fort: „Aber, laut mir, kannst du auch ent­schei­den, zur Kom­mu­ni­on zu gehen. Ich gebe dir die Los­spre­chung. Das bedeu­tet aber nicht, daß das Pro­blem gelöst ist. Es bleibt in der Schwe­be. Nur: Vor mei­nem Gewis­sen, als Prie­ster, scheint mir, daß ich dir nicht sagen kann, daß du für das gan­ze Leben ver­ur­teilt bist. Du über­nimmst die Ver­ant­wor­tung, um die Abso­lu­ti­on zu fra­gen, ich über­neh­me die Ver­ant­wor­tung, sie dir zu geben. Und dann war­ten wir voll Vertrauen.“
Nach­dem ich die­se Los­spre­chung geben hat­te, fühl­te ich mich immer abso­lut ruhig. Ich habe immer gedacht: Wenn ich in die Höl­le kom­me, dann jeden­falls nicht wegen die­ser Abso­lu­tio­nen. Ich wer­de viel­leicht unbe­schei­den sein, doch mir scheint, daß mir die Kir­che am Ende recht gege­ben hat.

Kehrseite des Outings: Jagd auf glaubenstreue Priester

Das „Outing“ der Prie­ster und Bischö­fe, die „immer schon“ den öffent­li­chen Ehe­bre­chern die Kom­mu­ni­on gespen­det haben oder spen­den woll­ten, ist nur eine Sei­te der Medail­le. Die ande­re Sei­te ist die Jagd, die nun gegen jene Prie­ster und Bischö­fe eröff­net wur­de, die sich die­ser „Öff­nung“ wider­set­zen. Der Rah­men ist bereits abge­setzt: Ein Prie­ster hält eine Pre­digt, eine Kate­che­se oder ein Ehe­vor­be­rei­tungs­se­mi­nar und jemand beginnt sich über die „rück­wärts­ge­wand­ten“ und „unbarm­her­zi­gen“ Ideen des Prie­sters unter Ver­weis auf Papst Fran­zis­kus zu bekla­gen. Der Prie­ster wird die Leh­re der Kir­che auf­zei­gen und ver­tei­di­gen und steht damit als „Geg­ner“ des Pap­stes da. Denn was immer er sagt, er wird in sei­nen Kon­tra­hen­ten den Ein­druck erwecken oder sich von die­sen vor­hal­ten las­sen müs­sen, daß er damit behaup­te, der Papst sei nicht katho­lisch. Ist es mög­lich, die katho­li­sche Leh­re zu ver­tei­di­gen gegen den Papst? Mög­lich ist es schon, aber auch ein sehr schwie­ri­ges Unter­fan­gen. Abge­se­hen davon, ist meist irgend­ein Jour­na­list nicht weit, der dem „Leid der (vom Prie­ster) Dis­kri­mi­nier­ten“ Gehör ver­schafft. Der Prie­ster wird im Hand­um­dre­hen medi­al gelyncht. Der eige­ne Bischof wird ihn in vie­len Fäl­len schnell im Stich lassen.

Die Erfah­rung muß­te Pater Mau­ri­zio Vis­ma­ra, Pfar­rer von Mon­tem­ur­lo in der Diö­ze­se Pistoia, bereits machen. Bei einer Vor­be­rei­tung zur Erst­kom­mu­ni­on, in der Regel ein Fami­li­en­fest, sag­te der Ordens­prie­ster den Eltern, daß er jenen die Kom­mu­ni­on nicht geben kön­ne, die sich in einer irre­gu­lä­ren Situa­ti­on befin­den. Einer der Anwe­sen­den fühl­te sich belei­digt und der Fall lan­de­te in den Medi­en. Die Tages­zei­tung Il Tir­re­no wid­me­te ihm eine gan­ze Sei­te, die zum Angriff gegen den Prie­ster wur­de, der es gewagt hat­te, die Leh­re der Kir­che in Erin­ne­rung zu rufen, denn der „mün­di­ge“ Katho­lik kennt nur Rech­te, aber kei­ne Pflich­ten, jeden­falls kei­ne, die er nicht ken­nen will.

Und das nächste Ziel ist der Priesterzölibat?

„Das ist nur ein Vor­ge­schmack. In den kom­men­den Mona­ten wer­den wir noch alles Mög­li­che erle­ben. Und viel­leicht auch die offi­zi­el­le Ankün­di­gung des näch­sten Ziels: des Prie­ster­zö­li­bats. Viel­leicht ist auch er nur ein uner­reich­ba­res Ide­al, das für vie­le Prie­ster ein zu schwe­res Joch ist?“ so Ric­car­do Cascio­li, der Chef­re­dak­teur der katho­li­schen Inter­net-Tages­zei­tung Nuo­va Bus­so­la Quo­ti­dia­na.

Schön­borns Gra­dua­li­täts­theo­rie wür­de, auf den Zöli­bat ange­wandt, eben bedeu­ten, daß zwar jeder dem Ide­al zustre­ben sol­le, aber es nicht jedem gege­ben sei, das Ide­al gleich schnell und in glei­chem Aus­maß zu errei­chen. Des­halb müss­ten die ver­schie­de­nen, jeweils erreich­ten Stu­fen aner­kannt und gewür­digt wer­den. So oder ähn­lich könn­te dann die Recht­fer­ti­gung für die Auf­he­bung des Prie­ster­zö­li­bats lauten.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: San­t’Ales­san­dro (Screen­shot)

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