(Rom) Der Genius der Frau sollte durch die Frauenbeilage des Osservatore Romano gewürdigt werden, nachdem sich die Auflehnung von 1968 auch gegen das Frauenbild der Kirche richtete. Einzug hielt jedoch auch eine Form des Feminismus. In der jüngsten Ausgabe von Donne Chiesa Mondo (Frauen Kirche Welt) schreibt Lucetta Scaraffia, die redaktionelle Verantwortliche der Beilage, daß Frauen, wenn sie schon nicht Priesterinnen werden können, zumindest in der Kirche predigen dürfen sollen.
Papst Franziskus zum Frauenpriestertum? „Die Tür ist ein für allemal zu“
Was das Frauenpriestertum anbelangt, war Papst Franziskus, wie seine Vorgänger, erstaunlich deutlich und kurz angebunden. „Die Tür ist ein für allemal zu“, sagte Franziskus in seiner ersten Pressekonferenz auf dem Rückflug vom Weltjugendtag in Rio de Janeiro. Das war am 28. Juli 2013.
Das eindeutige Nein zur feministischen Alt-68er-Forderung ging damals unter, weil der inzwischen berühmt-berüchtigte Satz: „Wer bin ich, um zu urteilen?“ alles andere in den Schatten stellte.
„Auch die Predigt ist Teil der Messe, damit wäre auch sie ausgeschlossen“, so der Vatikanist Sandro Magister.
März-Frauenbeilage des Osservatore Romano fordert Frauenpredigt
Doch vor wenigen Tagen öffnete die Frauenbeilage des Osservatore Romano erneut diese Front. Fast die gesamte März-Ausgabe der Beilage ist der Forderung der Frauenpredigt gewidmet.
Verantwortlich für die Beilage ist Lucetta Scaraffia, Assistenzprofessorin für Zeitgeschichte an der römischen Universität La Sapienza. Scaraffia betont selbst, die Tochter einer katholischen Mutter und eines freimaurerischen Vaters zu sein. Als Jahrgang 1948 gehört sie der 68er-Generation an. In den späten 60er Jahren schloß sie sich der Frauenbewegung an und legte den Glauben ab, der ihr von der Mutter vermittelt worden war. 1971 heiratete sie ein erstes Mal. Die Ehe wurde später für nichtig erklärt. 1982 brachte sie eine Tochter zur Welt, die sie mit dem Historiker Gabriele Ranzato gezeugt hatte. In den 80er Jahren lernte sie den Historiker und Journalisten Ernesto Galli della Loggia kennen, den sie dann heiratete. Ende der 80er Jahre fand Scraffia in der Kirche Santa Maria in Trastevere, die von der Gemeinschaft Sant’Egidio betreut wird, zum Glauben zurück.
Seit ihrer Bekehrung befaßt sich Scaraffia vor allem mit weiblicher Religiosität, heiligen Frauen und bioethischen Fragen. Neben ihrer ständigen Mitarbeit beim Osservatore Romano schreibt sie gelegentlich Kolumnen im Corriere della Sera, der renommiertesten Tageszeitung Italiens, in der auch ihr Mann ständiger Kolumnist ist. Galli della Loggia bezeichnet sich selbst als Laizist, jedoch mit einem wohltuenden Sinn für die Differenzierung.
Lucetta Scaraffia, die unter Papst Benedikt XVI. sich mehr um die nicht-verhandelbaren Werte kümmerte, kehrt seit der Wahl von Papst Franziskus wieder ihre feministische Seite hervor. Im November 2013 sorgte ihr Artikel über Kardinalinnen für einiges Aufsehen. Konkret ging es dabei um das Mitbestimmungsrecht und die Papst-Wahl im Konklave. In der darauf folgenden Diskussion wurde mehrfach die Annahme geäußert, daß Scaraffia zwar Kardinalinnen sage, aber Priesterinnen meine.
Scaraffia blieb, trotz einiger Kritik, Mitarbeiterin des Osservatore Romano, weshalb auch ihre neue Forderung nach der Frauenpredigt nicht ohne Billigung von Direktor Giovanni Maria Vian erschienen sein kann.
Lucetta Scaraffia und Enzo Bianchis „Bedingungen“
Die Beilagen-Chefin und ständige Kolumnistin des Osservatore Romano ließ zur Unterstützung von ihrer Forderung einen anderen progressiven Hans-Dampf-in-allen-Gassen zu Wort kommen. Auf der letzten Seite der Beilage darf Enzo Bianchi, der „Prior“ der „monastischen“, interkonfessionellen Gemeinschaft von Bose die „drei Bedingungen“ nennen, unter denen die Frauenpredigt umgesetzt werden sollte.
- Die erste Bedingung, so Bianchi, sei das „mandatum praedicandi“, das der Bischof den Laien – Frauen und Männern -, die geeignet sind, zu predigen, verleihen sollte.
- Die zweite Bedingung sei ein Segen während der Heiligen Messe, die der zelebrierende Priester vor der Homilie der Frau oder dem Mann erteilt, dem er die Predigt anvertraut, um damit zu unterstreichen, daß die Predigt Teil der Kulthandlung ist.
- Die dritte Bedingung sei, daß der predigtfähige Gläubige, Frau oder Mann, sich seines Charismas, aber auch der Notwendigkeit bewußt sei, das Predigtrecht mit bischöflicher Genehmigung ausüben zu müssen, das verliehen wird durch eine „Handauflegung, die eine Segnung, aber kein Sakrament ist“.
„So dargestellt, scheint der Weg geebnet, was aber nicht den Tatsachen entspricht“, so Magister.
Die Wirklichkeit der Kirche sieht anders aus
Das beginnt zunächst vor allem beim Kirchenrecht. Paragraph 1 von Canon 767 verbietet die Laienpredigt gleichgültig ob Mann oder Frau.
„Unter den Formen der Predigt ragt die Homilie hervor, die Teil der Liturgie selbst ist und dem Priester oder dem Diakon vorbehalten wird; in ihr sind das Kirchenjahr hindurch aus dem heiligen Text die Glaubensgeheimnisse und die Normen für das christliche Leben darzulegen“ (Can. 767,1)
Es gehört zur progressiven Vorgehensweise, die katholische Lehre und das Kirchenrecht unerwähnt zu lassen. Damit wird ein verzerrter, unehrlicher Eindruck vermittelt. Nicht anders ging Scaraffia in der Frauenbeilage zur Sache. Aus Ausnahmefällen läßt sich keine Regel zimmern.
Hinzu kommt das explizite Verbot der Laienpredigt, das 1997 gemeinsam von acht römischen Dikasterien und durch die Approbation von Papst Johannes Paul II. bekräftigt, erlassen wurde. Die „Instruktionen zu einigen Fragen über die Mitarbeit der Laien am Dienst der Priester“ läßt keinen Spielraum.
Wörtlich heißt es im Artikel 3,2:
Die Homilie ist als herausragende Form der Predigt, „qua per anni liturgici cursum ex textu sacro fidei mysteria et normae vitae christianae exponuntur“, Teil der Liturgie selbst.
Daher muß die Homilie während der Eucharistiefeier dem geistlichen Amtsträger, Priester oder Diakon, vorbehalten sein. Ausgeschlossen sind Laien, auch wenn sie in irgendwelchen Gemeinschaften oder Vereinigungen Aufgaben als „Pastoralassistenten“ oder Katecheten erfüllen. Es geht nämlich nicht um eine eventuell bessere Gabe der Darstellung oder ein größeres theologisches Wissen, sondern vielmehr um eine demjenigen vorbehaltene Aufgabe, der mit dem Weihesakrament ausgestattet wurde.
Daraus folgt:
Jegliche frühere Norm, die Laien die Homilie innerhalb der Meßfeier gestattet hatte, ist durch Can. 767, § 1 als aufgehoben anzusehen.
Laienpredigt: Ausnahme von 1973 von Johannes Paul II. zurückgenommen
Gegen die Laienpredigt spricht auch die jahrhundertealte Praxis der Kirche. „Natürlich fehlte es im Laufe der Geschichte nicht an Ausnahmen, darunter auch Predigerinnen, auch in Kathedralen und mit der Erlaubnis von Bischöfen und Päpsten“. Die Frauenbeilage verweist auf die 51 Predigten der heiligen Hildegard von Bingen (1098–1179), die überliefert sind. In den allermeisten Fällen handelte es sich dabei jedoch „nicht um Predigten in der Heilige Messe, sondern außerhalb der Messe“, so Magister.
Was die Predigt in der Heiligen Messe anbelangt, kann auch Enzo Bianchi keine Beispiele vor 1973 anführen, als Papst Paul VI. ad experimentum und begrenzt auf acht Jahre der Deutschen Bischofskonferenz eine Erlaubnis erteilte. Einer von zahlreichen Gründen, weshalb Kritiker im Zusammenhang mit der Kirche in Deutschland seit den 60er Jahren von einer Protestantisierung sprechen. Denn auch dieser, von Papst Johannes Paul II. nicht verlängerte und 1997 ausdrücklich verbotene Sonderweg, stellt die Nachahmung einer protestantischen Praxis dar. Entsprechend fehlt es im deutschen Sprachraum nicht an Ungehorsam gegen die kirchliche Ordnung. Einer, der sich um das römische Verbot der Laienpredigt hinwegsetzt, ist der Basler Bischof Felix Gmür.
„Wildwuchs“ Neokatechumenaler Weg
Selbst Enzo Bianchi beklagt, daß heute „Wildwuchs“ herrsche, weil manche tun und lassen was sie wollen. Die Erwähnung erfolgt allerdings nur, um eine geordnete Erlaubnis einzufordern.
Als „Wildwuchs“ beklagt Bianchi die „simulierten“ Predigten durch Männer und Frauen, wie sie beim Neokatechumenalen Weg anzutreffen seien. Deren „Meßanomalie“ von Magister, betreffe allerdings nicht nur die Predigt, sondern die ganze Messe, „die nicht einmal Benedikt XVI. imstande war, zurück zur Ordnung zu führen, und die Franziskus nun einfach ihrer Wege gehenläßt.“
Die Gemeinschaft Sant’Egidio, in deren Kirche in Trastevere Lucetta Scaraffia den Glauben wiederfand, ließ manchmal Laien predigen, besonders ihren Gründer und unumstrittenen Anführer, Andrea Ricciardi. Dagegen ist der Vatikan Ende der 90er Jahren eingeschritten und verbot ausdrücklich die Laienpredigt, auch die Ricciardis.
Homiletisches Direktorium von 2014 bekräftigt Verbot der Laienpredigt
Papst Franziskus bekräftigte das Verbot mit dem Homiletisches Direktorium der Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung von 2014. Eine offizielle deutsche Übersetzung durch den Heiligen Stuhl liegt bisher nicht vor. Die Deutsche Bischofskonferenz veröffentlichte 2015 eine Übersetzung.
In den Paragraphen 4 und 5 wird auf die liturgische Natur der Homilie hingewiesen, die daher „auch eine sakramentale Bedeutung“ habe: „Christus ist sowohl in der Versammlung gegenwärtig, die sich zusammengefunden hat, um sein Wort zu hören, als auch in der Predigt des Priester (oder Diakons), durch den der Herr, der einmal in der Synagoge von Nazareth sprach, nun selbst sein Volk lehrt […] Da integraler Teil des Kultes der Kirche, muß die Homilie ausschließlich von den Bischöfen, den Priestern oder den Diakonen gehalten werden.“
Die Frauenbeilage des Osservatore Romano erwähnt auch dieses unter Papst Franziskus erlassene Homiletische Direktorium mit keinem Wort. Dabei ist bekannt, daß Franziskus persönlich besonderen Wert auf die Predigt legt, wie seine morgendlichen Kurzpredigten in Santa Marta zeigen.
„Feministische, kreative und politisch engagierte“ Ordensschwester möchte Predigen
Stattdessen gibt Scaraffias Frauenbeilage einer schwedischen Dominikanerin, Sr. Madeleine Fredell, breiten Raum, die sich selbst als „Feministin“ und Vertreterin einer „kreativen, lebendigen und politisch engagierten Theologie“ bezeichnet. Römischen Ohren klingt das fremd, während es deutschen Ohren hingegen sehr vertraut ist, wiederum von protestantischer Seite. Schwester Fredell fühlt sich „auch zum Priestertum berufen.“ Und da ihr das nicht möglich ist, schreibt sie:
„Es gibt nur eine Sache, die ich bedauere: während der Messe nicht predigen zu dürfen. Predigen ist meine Berufung als Dominikanerin, und obwohl ich es fast überall tun kann, manchmal sogar in der lutherischen Kirche, bin ich überzeugt, daß das Hören der Stimme der Frauen bei der Homilie, unseren katholischen Kultus bereichern würde.“
Und das alles im offiziösen Tagblatt des Vatikans.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Osservatore Romano/RV (Screenshots)