Die Jesuitenzeitschrift Civiltà  Cattolica und ihr „Super-Chefredakteur“, der Papst


"La Civilità  Cattolica", seit 166 Jahren die bekannteste Jesuitenzeitschrift
"La Civilità  Cattolica", seit 166 Jahren die bekannteste Jesuitenzeitschrift

(Rom) Hat die römi­sche Jesui­ten­zeit­schrift La Civil­tà  Cat­to­li­ca einen „Super-Chef­re­dak­teur“, näm­lich den Papst selbst? Das behaup­tet jeden­falls der bekann­te Vati­ka­nist San­dro Magi­ster. Die Arti­kel jeder Aus­ga­be der 1850 gegrün­de­ten und vier­zehn­tä­gig erschei­nen­den Zeit­schrift müs­sen vor­ab dem Staats­se­kre­ta­ri­at vor­ge­legt wer­den und eine vati­ka­ni­sche Druck­erlaub­nis erhal­ten. Die gesam­te Redak­ti­on besteht aus­schließ­lich aus Jesui­ten. Die Zeit­schrift, die unter den zahl­rei­chen Jesui­ten­zeit­schrif­ten am eng­sten mit dem jeweils regie­ren­den Papst ver­bun­den ist, galt daher in der Geschich­te immer als mehr oder weni­ger offi­ziö­ses Organ des Hei­li­gen Stuhls.

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Die enge Bin­dung zum Papst gilt auch und beson­ders unter Papst Fran­zis­kus, der selbst dem Jesui­ten­or­den ange­hört. Eine Ver­bin­dung, die den seit 2011 amtie­ren­den Chef­re­dak­teur Pater Anto­nio Spa­da­ro SJ zu einem der eng­sten Ver­trau­ten des Pap­stes wer­den ließ.

Am heu­ti­gen 3. März begeht Spa­da­ros Vor­gän­ger, Pater Gian­Pao­lo Sal­vi­ni SJ, sei­nen 80. Geburts­tag. Von 1985–2011 war er 26 Jah­re lang der Schrift­lei­ter und hält damit einen Rekord in der inzwi­schen 166jährigen Geschich­te des renom­mier­ten Blat­tes. Auch heu­te lie­fert er noch Beiträge.

„Interesse des Papstes an Beiträgen, die sein Lehramt begleiten“

Anläß­lich sei­nes run­den Geburts­ta­ges wur­de er von Filip­po Riz­zi vom Avve­ni­re, der Tages­zei­tung der Ita­lie­ni­schen Bischofs­kon­fe­renz, inter­viewt. „Pater Sal­vi­ni sag­te dabei etwas außer­or­dent­lich Nütz­li­ches für die Exege­se der außer­ge­wöhn­li­chen und so lan­ge von ihm gelei­te­ten Zeit­schrift, bevor er den Stab an den der­zei­ti­gen Direk­tor Anto­nio Spa­da­ro wei­ter­reich­te“, so Magister.

„Jeder Chef­re­dak­teur hat sei­nen Stil und Pater Anto­nio Spa­da­ro, bereits sehr bekannt und vol­ler Initia­ti­ven, hat dank dem der­zei­ti­gen Pon­ti­fi­kat unse­re Zeit­schrift in gewis­ser Wei­se wie­der zu dem gemacht, was sie zur Zeit von Pius XII. war: zur ‚Zeit­schrift des Pap­stes‘. Der Aus­druck ist nicht ganz rich­tig, weil die Civil­tà  Cat­to­li­ca nie die offi­zi­el­le Stim­me des Pap­stes war, aber alle wis­sen, daß ihr Ver­hält­nis mit dem Hei­li­gen Stuhl immer bestan­den hat und jetzt mit Sicher­heit noch inten­si­ver ist, auch weil Papst Fran­zis­kus sich für eini­ge Bei­trä­ge der Zeit­schrift inter­es­sier­te, die sein Lehr­amt begleiten.“

„Wenn das stimmt, und es gibt kei­nen Grund an den Wor­ten von Pater Sal­vi­ni zu zwei­feln“, so Magi­ster, dann sei­en Annah­men nicht aus der Luft gegrif­fen, daß hin­ter den Wort­mel­dun­gen von Pater Spa­da­ro in der Zeit­schrift in Wirk­lich­keit Papst Fran­zis­kus steht.

Schriftleiter Spadaro als „Stimme des Papstes“

Pater Antonio Spadaro mit Papst Franziskus wärend der Familiensynode
Pater Anto­nio Spa­da­ro mit Papst Fran­zis­kus wärend der Familiensynode

Im Novem­ber 2015 (Heft 3970) ver­öf­fent­lich­te Spa­da­ro eine Ana­ly­se zur Fami­li­en­syn­ode, die im Monat davor in Rom statt­ge­fun­den hat­te. Magi­ster schrieb damals: „Fran­zis­kus schweigt, doch Pater Spa­da­ro sagt, wie Papst ent­schei­den wird“. Pater Sal­vi­ni bestä­tig­te nun die Mut­ma­ßung, daß die Arti­kel von Pater Spa­da­ro nicht nur mit Papst Fran­zis­kus abge­spro­chen, son­dern ihr Inhalt aus­drück­lich die Mei­nung des Pap­stes wie­der­gibt. Spa­da­ro sagt, was der Papst nicht sagen kann oder noch nicht sagen will. Die Spa­da­ro-Arti­kel sind damit Ver­suchs­bal­lons, um Reak­tio­nen zu testen, aber auch um Signa­le an jene aus­zu­sen­den, die sie zu deu­ten wissen.

Das Ergeb­nis von Spa­da­ros Syn­oden­ana­ly­se „war alles ande­re als unpar­tei­isch“, so Magi­ster. Aus den Zei­len „war es leicht, das Den­ken des Pap­stes zur Kom­mu­ni­on für die wie­der­ver­hei­ra­tet Geschie­de­nen herauszuhören“.

Was Pater Sal­vi­nis Aus­sa­gen über das Ver­hält­nis der Jesui­ten­zeit­schrift zu den Päp­sten anbe­langt, so bestä­tig­te er die enge Bin­dung unter Papst Pius XII. Damals war Pater Gia­co­mo Mar­te­gna­ni Schrift­lei­ter. Der Papst, der zuvor Kar­di­nal­staats­se­kre­tär war, gab auch als Kir­chen­ober­haupt wei­ter­hin per­sön­li­che Anwei­sun­gen an Pater Mar­te­gna­ni. Die Civil­tà  Cat­to­li­ca war ihm so wich­tig, daß er sich selbst dar­um kümmerte.

Sein Nach­fol­ger Johan­nes XXIII. dele­gier­te die Ange­le­gen­heit wie­der an das Staats­se­kre­ta­ri­at, wäh­rend Paul VI. die vor­ge­leg­ten Text­ent­wür­fe per­sön­lich las und mit Anmer­kun­gen ver­sah. Unter Johan­nes Paul II. wur­de das Ver­hält­nis büro­kra­ti­siert, da der pol­ni­sche Papst kein Inter­es­se an der Zeit­schrift zeig­te. Am Ende sei­nes Pon­ti­fi­kats waren im Staats­se­kre­ta­ri­at nur mehr Mit­ar­bei­ter mitt­le­rer Rän­ge mit dem Lesen der Tex­te beauf­tragt. Die Ertei­lung der Druck­erlaub­nis wur­de fast zum Auto­ma­tis­mus. Einer, in des­sen Auf­ga­ben­be­reich damals die Zeit­schrift fiel, war der heu­ti­ge Kar­di­nal­staats­se­kre­tär Pie­tro Parolin.

Unter Bene­dikt XVI. erfolg­te inso­fern eine Auf­wer­tung, als Kar­di­nal­staats­se­kre­tär Tar­cis­io Ber­to­ne per­sön­lich dafür zustän­dig war.

Unter Franziskus wieder „die Zeitschrift des Papstes“

Erst unter Papst Fran­zis­kus wur­de die Civil­tà  Cat­to­li­ca wie­der zur „Zeit­schrift des Pap­stes“, wie der ehe­ma­li­ge Schrift­lei­ter, Pater Sal­vi­ni, nun sag­te. Die zen­tra­le Rol­le dafür ihrem Schrift­lei­ter Pater Anto­nio Spa­da­ro zu. Magi­ster schrieb Anfang Novem­ber 2015:

„Für Papst Fran­zis­kus ist Pater Spa­da­ro alles. Bera­ter, Inter­pret, Ver­trau­ter, Sekre­tär. Die Bücher, Arti­kel und Tweets las­sen sich nicht zäh­len, die er uner­müd­lich über den Papst schreibt. Um von den päpst­li­chen Reden, die sei­ne Hand­schrift tra­gen, erst gar nicht zu sprechen.“

Bevor eine Aus­ga­be der Civil­tà  Cat­to­li­ca in Druck geht, müs­sen zwölf Kopien der Tex­te dem Vati­kan über­mit­telt wer­den: eine für den Papst, eine für das Staats­se­kre­ta­ri­at und jeweils eine Kopie für die ande­ren Dik­aste­ri­en, sofern in den Arti­keln deren Zustän­dig­keits­be­rei­che behan­delt werden.

Jeweils am ersten und drit­ten Sams­tag eines jeden Monats begibt sich der Chef­re­dak­teur in den Vati­kan, um die ent­spre­chen­den Anwei­sun­gen in Emp­fang zu neh­men. „Die Mei­nun­gen der ein­zel­nen Kuri­en­dik­aste­ri­en zäh­len inzwi­schen aber so gut wie nichts mehr. In vie­len Fäl­len wer­den sie nicht ein­mal mehr for­mu­liert, weil alle wis­sen, daß ein­zig und allein die nicht ver­han­del­ba­re Mei­nung eines ein­zi­gen zählt, des Pap­stes, der direkt mit Pater Spa­da­ro spricht“, so Magister.

Pater Spa­da­ro ist zudem nicht auf die tra­di­tio­nel­len zwei Sams­tags­ter­mi­ne im Monat gebun­den. Er hat direk­ten Zugang zum Papst in San­ta Marta.

Text: Set­ti­mo Cielo/​Giuseppe Nardi
Bild: Civil­tà  Cattolica/​Settimo Cie­lo (Screen­shots)

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4 Kommentare

  1. Wenn man sich die­sen Arti­kel durch­liest und auch den­je­ni­gen von Herrn Magi­ster vom 9.11.2015 (mit dem exzel­len­ten Kom­men­tar von @Suarez), dann darf man anneh­men, daß die Kir­che und ihre Leh­ren Schritt für Schritt unter­wan­dert und ver­wäs­sert wer­den. Dann wird neben den fron­ta­len offe­nen Angrif­fen auf die Wahr­heit auch getäuscht und getrickst, um das irri­ge Ziel der Selbst­er­lö­sung des Men­schen zu erreichen.

    Und da stellt sich doch auch die Fra­ge der Posi­tio­nie­rung von bspw. Herrn Kar­di­nal Mül­ler. Oder anders gesagt: sieht er nicht, was hier vor­geht? Muß er gute Mie­ne zu die­sem „Spiel“ machen? Gibt es wirk­lich kei­nen wesent­li­chen Unter­schied zu Papst Franziskus?
    Oder noch wei­ter gefragt: sind es Macht­struk­tu­ren in der Kir­che und im Vati­kan, die es gera­ten las­sen den Mund zu hal­ten- unter Inkauf­nah­me der Ver­wir­rung vie­ler Christen?

  2. Vie­len ist es schon auf­ge­fal­len, dass Fran­zis­kus sei­ne Spre­cher hat, wie hier Pater Anto­nio Spa­da­to von der Jesui­ten-Zeit­schrift Civil­ta Cat­to­li­ca. So kann Fran­zis­kus ohne in Erschei­nung zu tre­ten, sei­ne Vor­stel­lun­gen und Refor­men per Haus­zei­tung der Jesui­ten, durch drit­te wei­ter­ge­ben. Aus siche­rer Ent­fer­nung kann er dann erfah­ren, wie das eine oder ande­re an Infor­ma­tio­nen in der Kir­che und im Kir­chen­volk ange­nom­men oder abge­lehnt wird. Dadurch hat er dann die Mög­lich­keit einer Kor­rek­tur oder ein Fest­schrei­ben sei­ner undurch­sich­ti­gen Reform.

  3. Bezüg­lich der unbe­strit­te­nen Dia­gno­se von @Franzel (Täu­schung der Wahr­heit) habe ich eine Fra­ge. Ich habe mich zuletzt mit den Wer­ken „14 Jah­re Jesu­it“ und „Der Jesui­ten­or­den“ von Paul Graf von Hoens­broech befasst. Dort wird die Pra­xis zu Lügen und gleich­zei­tig die Wahr­heit unter Eid sagen zu kön­nen beschrie­ben und das dies intern im Orden sogar gelehrt wer­den soll. Weiß jemand ob Paul Graf von Hoens­broech als Zeit­zeu­ge und Autor ernst zuneh­men ist oder han­delt es sich bei den Wer­ken um anti katho­li­sche Kampagnen ?

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