Zölibat: Weiht Papst Franziskus in Mexiko verheiratete Diakone zu Priestern?


(Rom) Die wie­der­ver­hei­ra­te­ten Geschie­de­nen und die Homo­se­xua­li­tät sind nur zwei Fron­ten. Hin­ter den Kulis­sen wird in der Katho­li­schen Kir­che um viel mehr gerun­gen. An der Päpst­li­chen Uni­ver­si­tät Gre­go­ria­na in Rom begann am heu­ti­gen Nach­mit­tag eine Tagung, deren The­ma ange­sichts der Zeit­um­stän­de beson­de­re Bri­sanz hat: „Der Prie­ster­zö­li­bat, ein Weg der Frei­heit“. Der Kar­di­nal­staats­se­kre­tär Pie­tro Paro­lin und der Prä­fekt der Bischofs­kon­gre­ga­ti­on, Kar­di­nal Marc Ouel­let wer­den dabei Par­tei für die Ver­tei­di­gung des Prie­ster­zö­li­bats in der latei­ni­schen Kir­che ergrei­fen. „Doch Papst Fran­zis­kus gab den deut­schen Bischö­fen erneut zu ver­ste­hen, daß er mit die­ser ‚Tra­di­ti­on‘ bre­chen will“, so der Vati­ka­nist San­dro Magister.

Bemerkenswerte Tagung mit hochkarätiger Besetzung

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Allein die Durch­füh­rung der Tagung hat daher etwas Außer­ge­wöhn­li­ches an sich. In Rom reagiert man nor­ma­ler­wei­se sehr hell­hö­rig auf päpst­li­che Wün­sche, und die Signa­le von Papst Fran­zis­kus gehen schon seit eini­ger Zeit in eine ande­re Richtung.

Auf­fal­lend ist die hoch­ka­rä­ti­ge Beset­zung der Tagung. Die Anwe­sen­heit des Kar­di­nal­staats­se­kre­tärs und von Kar­di­nal Ouel­let läßt erken­nen, wel­che Bedeu­tung dem The­ma bei­gemes­sen wird. Ouel­lets Anwe­sen­heit zielt auf die Bischö­fe ab, da nur sie das Sakra­ment der Prie­ster­wei­he spen­den kön­nen. Ouel­let war heu­te der erste Refe­rent. Er sprach über den Zöli­bat und die ehe­ähn­li­che Ver­bin­dung zwi­schen Chri­stus dem Bräu­ti­gam und Sei­ner Braut der Kirche.

Kar­di­nal­staats­se­kre­tär Paro­lin wird am Sams­tag­vor­mit­tag als letz­ter Red­ner das Wort ergrei­fen und über den in per­so­na Chri­sti ordi­nier­ten Prie­ster sprechen.

Der auf­fal­lend­ste Abwe­sen­de ist daher Kar­di­nal Benia­mi­no Stel­la, der Prä­fekt der Kle­rus­kon­gre­ga­ti­on und damit eigent­lich direkt Zustän­di­ge. Stel­la gehört zu den von Fran­zis­kus ernann­ten Dik­aste­ri­en­lei­tern. Sein Feh­len in der Refe­ren­ten­li­ste kommt einer Par­tei­nah­me gleich.

Die deutschen Unruhestifter

Priestertum: ordiniert in persona Christi
Prie­ster­tum: ordi­niert in per­so­na Christi

Das jüng­ste Signal von Papst Fran­zis­kus, ver­hei­ra­te­te Män­ner zur Prie­ster­wei­he zuzu­las­sen, eine alte 68er-For­de­run­gen libe­ra­ler Kir­chen­krei­se, kam erneut aus dem deut­schen Sprach­raum, dem eigent­li­chen Unru­he­herd in der Katho­li­schen Kir­che seit Papst Johan­nes XXIII. 1962 das Zwei­te Vati­ka­ni­sche Kon­zil eröffnete.

Daß erneut „die Deut­schen“ hin­ter dem Angriff auf den Prie­ster­zö­li­bat ste­hen, konn­te man bereits an frü­he­ren Signa­len erken­nen. Der öster­rei­chi­sche Mis­si­ons­bi­schof und katho­li­sche Links­au­s­le­ger Erwin Kräut­ler spielt dabei mit sei­ner „Ama­zo­nas-Werk­statt“ eine Rol­le an vor­der­ster Front. Obwohl Kräut­ler bereits im Juli 2015 sein 75. Lebens­jahr voll­ende­te, nahm Fran­zis­kus sein kir­chen­recht­lich vor­ge­schrie­be­nes Rück­tritts­ge­such bis­her nicht an. Er scheint noch eine Auf­ga­be zu haben.

Die „Ama­zo­nas-Werk­statt“ steht für den Ver­such, den Prie­ster­zö­li­bat mit der Begrün­dung eines „pasto­ra­len Not­stan­des“ aus­zu­he­beln, der durch einen aku­ten Prie­ster­man­gel ver­ur­sacht sei. Der Ama­zo­nas wur­de des­halb aus­ge­sucht, weil dort mit Kräut­ler ein dar­auf drän­gen­der Bischof regiert, die rea­le Situa­ti­on im fer­nen Ama­zo­nas ohne­hin nie­mand kennt, die­ser dafür aber umso mehr sozi­al-roman­ti­sche Asso­zia­tio­nen vom „guten Wil­den“ bis zum Schutz der Regen­wäl­der weckt.

Daß Kräut­ler bewußt die geist­li­che Dimen­si­on der Prie­ster­be­ru­fung als Gna­de zugun­sten ein­sei­ti­ger Struk­tur­re­for­men aus­blen­det, und sich in die­ser Fra­ge mehr als Ideo­lo­ge denn als Hir­te erweist, wird still­schwei­gend übergangen.

Der deutsche Drang zur „Wende“ beim Zölibat

Bischof Erwin Kräutler im Amazonas
Bischof Erwin Kräut­ler im Amazonas

Die deut­schen Bischö­fe wür­den den Zöli­bat ger­ne direkt abschaf­fen, kämen mit einem sol­chen Allein­gang in der Welt­kir­che aber nicht durch, wie die jüng­ste Dop­pel-Bischofs­syn­ode gezeigt hat. Das Schis­ma wäre unaus­weich­lich. Dar­um wird der Umweg ver­sucht und die Fra­ge in einen ent­le­ge­nen Erd­win­kel ver­la­gert. Damit nimmt man sich selbst aus der Schuß­li­nie und akti­viert ein altes pro­ba­tes Mit­tel: eine extre­me und kaum über­prüf­ba­re Aus­nah­me­si­tua­ti­on wird zum Hebel gemacht.

Im Zusam­men­hang mit der „Ama­zo­nas-Werk­statt“ wird in Rom von einer „deutsch-bra­si­lia­ni­schen Ach­se“ gespro­chen, die sich bei nähe­rem Hin­se­hen jedoch als deutsch-deut­sche Ach­se erweist. An einem Ende sit­zen Bischö­fe und Theo­lo­gen aus dem deut­schen Sprach­raum, die auf die „Zöli­bats­wen­de“ drän­gen, die­se im Hin­ter­grund orga­ni­sie­ren und spon­sern. Am ande­ren Ende sitzt der Öster­rei­cher Kräut­ler. Kein Zufall. Man ver­steht sich, und damit ist nicht nur die Spra­che gemeint, son­dern vor allem das anti­rö­mi­sche deut­sche Den­ken. „Anti­rö­misch“ meint nicht den der­zei­ti­gen Papst, son­dern das Papst­tum ins­ge­samt und die katho­li­sche Leh­re. Wer dach­te, die pro­te­stan­ti­sie­rend natio­nal­kirch­lich den­ken­den Deut­schen wür­den mit Papst Fran­zis­kus zu Papi­sten wer­den, hat sich getäuscht. Die Ziel­set­zun­gen sind unver­än­dert. Mit Papst Fran­zis­kus sieht man „nur“ bes­se­re Chan­cen zur Voll­endung der vor 50 Jah­ren begon­ne­nen Koper­ni­ka­ni­schen Wende.

Auf Erwin Kräutler und Wunibald Müller folgte Hans-Jochen Jaschke

Weihbischof Jaschke: "Der Papst hat nicht abgewunken"
Weih­bi­schof Jasch­ke: „Der Papst hat nicht abgewunken“

Nach Erwin Kräut­lers Besu­chen bei Fran­zis­kus und Wuni­bald Mül­lers Brief­wech­sel mit dem Papst ist es nun Ham­burgs Weih­bi­schof Hans-Jochen Jasch­ke, der päpst­li­che Absich­ten zum Besten gab. Jasch­ke war am ver­gan­ge­nen Wochen­en­de Gast in der SWR-Talk­show Nacht­ca­fé. Dort erzähl­te er vom Ad-limi­na-Besuch der deut­schen Bischö­fe bei Papst Fran­zis­kus, der am 20. Novem­ber 2015 statt­fand. Damals hieß es, der Papst habe den deut­schen Bischö­fen „die Levi­ten gele­sen“. Bei Jasch­ke war kei­ne Rede davon. Im Gegenteil.

Der Ad-limi­na-Besuch ver­lief ganz anders. Papst Fran­zis­kus ließ die vor­be­rei­te­te Rede nur ver­tei­len. Sie war eine ein­zi­ge Ankla­ge gegen das Ver­sa­gen der deut­schen Bischö­fe, das zu einer „Ero­si­on des katho­li­schen Glau­bens“ geführt habe. Die Rede stamm­te offen­sicht­lich nicht von Fran­zis­kus, der statt­des­sen mit den Bischö­fen ein Gespräch führte.

Als die Rede, offen­bar von den deut­schen Bischö­fen, auf die Mög­lich­keit gebracht wur­de, in gott­ver­las­se­nen und prie­ster­ar­men Gegen­den auf ver­hei­ra­te­te Prie­ster zurück­zu­grei­fen, beson­ders in Latein­ame­ri­ka, „hat der Papst nicht abge­wun­ken“. Es sei um „alter­na­ti­ve Model­le“ und „ande­re For­men von Prie­ster­sein und ver­hei­ra­te­te Prie­ster gegan­gen“, doch der Papst wehr­te kei­nes­wegs ab. Jasch­kes Erzäh­lung wur­de von den Medi­en der Deut­schen Bischofs­kon­fe­renz gleich am Mon­tag mit sicht­li­cher Genug­tu­ung verbreitet.

Verheiratete Priester „weltweit akzeptabel“ machen

Jasch­ke ließ in der Sen­dung auch etwas hin­ter die Kulis­sen der Anti-Zöli­bats-Stra­te­gie blicken. Der Papst sei „kein Dik­ta­tor“, so der Weih­bi­schof, wes­halb er sol­che Neue­run­gen „welt­weit akzep­ta­bel“ machen müs­se. Dar­an hakt die Sache noch. In der Welt­kir­che gibt es kei­ne Akzep­tanz für die Abschaf­fung des Prie­ster­zö­li­bats, daher müs­se sie eben geschaf­fen werden.

Daß Jasch­ke bei der­sel­ben Gele­gen­heit auch für einen „unver­krampf­ten“ Umgang mit der Homo­se­xua­li­tät warb, paßt ins Bild vom pre­kä­ren Zustand der deut­schen Kir­che. Der SWR hat­te neben dem Ham­bur­ger Weih­bi­schof auch den sus­pen­dier­ten pol­ni­schen Prie­ster Krzy­sz­tof Cha­ram­sa ein­ge­la­den, der sich am Tag vor der Bischofs­syn­ode 2015 als homo­se­xu­ell „geoutet“ hat­te. Der Pole genießt seit­her die Medi­en-Auf­merk­sam­keit und zeig­te sich ganz und gar nicht einsichtig.

Hauruckaktion: Weiht Franziskus in Mexiko verheiratete Diakone zu Priestern?

„Unter den deut­schen Bischö­fen geht das Gerücht um, daß Fran­zis­kus bei sei­nem Mexi­ko-Besuch Mit­te Febru­ar die Absicht habe, eini­ge ver­hei­ra­te­te Dia­ko­ne der Chia­pas-Diö­ze­se San Cri­sto­bal de Las Casas zu Prie­ster zu wei­hen“, so der Vati­ka­nist San­dro Magister.

Eine Hau­ruck­ak­ti­on des Pap­stes, um die Abschaf­fung des Prie­ster­zö­li­bats „welt­weit akzep­ta­bel“ zu machen? Der Bischof der Chia­pas-Diö­ze­se, Msgr. Feli­pe Arzmen­di Esqui­vel, demen­tier­te jedoch alle Gerüch­te in die­se Rich­tung. Die Anek­do­te bie­tet jedoch einen Ein­blick in die unge­dul­di­ge Erwar­tungs­hal­tung an der Spit­ze der deut­schen Kirche.

Auch der päpst­li­che Zere­mo­nien­mei­ster, Msgr. Gui­do Mari­ni, ver­si­cher­te San­dro Magi­ster, daß der Papst beim Mexi­ko-Besuch „in kei­ner Mes­se Prie­ster­wei­hen durch­füh­ren wird“.

Kardinal Marx: „Papst versicherte, vom Redetext nichts gewußt zu haben“

Kar­di­nal Rein­hard Marx, Mün­chens Erz­bi­schof, Vor­sit­zen­der der Deut­schen Bischofs­kon­fe­renz und Mit­glied des C9-Kar­di­nals­rats zur Bera­tung des Pap­stes, woll­te von Fran­zis­kus wis­sen, was es mit dem beim Ad-limi­na-Besuch ver­teil­ten Text auf sich habe. Der Papst habe ihm ver­si­chert, nichts von dem Text gewußt und ihn auch nicht gele­sen zu haben. Zumin­dest Letz­te­res scheint zwei­fel­haft, da er kur­zer­hand auf den Vor­trag verzichtete.

„In der Tat fin­det sich im Text weder eine Spur von Berg­o­gli­os Stil noch sei­ne Sym­pa­thie für die deut­schen Bischö­fe. Der Text scheint, als wäre er der Feder von Papst Bene­dikt XVI. ent­flos­sen, als eine Fort­set­zung sei­ner Rede für die Ent­welt­li­chung der Kir­che, die er am 25. Sep­tem­ber 2011 in Frei­burg im Breis­gau gehal­ten hat­te“, so Magister.

Der Ver­dacht fällt daher direkt auf Kar­di­nal Ger­hard Mül­ler, den Prä­fek­ten der römi­schen Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on, wie Bene­dikt XVI. ein aus­ge­zeich­ne­ter Ken­ner der deut­schen Situa­ti­on. Die deut­schen Bischö­fe, allen vor­an Kar­di­nal Marx, sehen in Kar­di­nal Mül­ler ihren gro­ßen Gegen­spie­ler, den sie in sei­ner Funk­ti­on als Glau­bens­wäch­ter gera­de­zu demon­stra­tiv ignorieren.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Arautos/​MiL/​Settimo Cielo

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