„Kuba Hauptstadt der Einheit“ – 14 Punkte der Gemeinsamen Erklärung von Franziskus und Kyrill


(Rom/​Havanna/​Moskau) Zwei Stun­den lang spra­chen Papst Fran­zis­kus und Patri­arch Kyrill von Mos­kau hin­ter ver­schlos­se­nen Türen mit­ein­an­der. Eine zehn Sei­ten lan­ge Gemein­sa­me Erklä­rung wur­de unterzeichnet.Der Vati­ka­nist San­dro Magi­ster fil­ter­te 14 Punk­te heraus.

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Die Gemein­sa­me Erklä­rung ist neben der Geste an sich, daß erst­mals in der Geschich­te auf höch­ster Ebe­ne eine Begeg­nung zwi­schen katho­li­scher und rus­sisch-ortho­do­xer Kir­che statt­fand, das wich­tig­ste Ergeb­nis des Tref­fens auf Kuba. Die histo­ri­sche Umar­mung fand im Blitz­licht­ge­wit­ter am Flug­ha­fen von Havan­na statt. Kurz nach 14 Uhr wur­den die Türen geschlos­sen. Dann waren die bei­den Kir­chen­ober­häup­ter mit jeweils einem Beglei­ter und Dol­met­schern unter sich.

Papst Fran­zis­kus hat­te Kar­di­nal Kurt Koch, den Vor­sit­zen­den des Päpst­li­chen Rates zur För­de­rung der Ein­heit der Chri­sten an sei­ner Sei­te. Patri­arch Kyrill wur­de von Metro­po­lit Hila­ri­on von Wolo­ko­lamsk, dem „Außen­mi­ni­ster“ des Mos­kau­er Patri­ar­chats, beglei­tet. Kar­di­nal Koch und Metro­po­lit Hila­ri­on waren bereits am Vor­tag auf Kuba zusam­men­ge­trof­fen, um letz­te Fra­gen zu klären.

Um 16.30 Uhr erfolg­te die Unter­zeich­nung der Gemein­sa­men Erklä­rung. Dabei han­delt es sich um eine Art erste Arbeits­über­ein­kunft, auf die künf­ti­ge Schrit­te auf­bau­en sollen.

Gleich im Anschluß hat­te Papst Fran­zis­kus Kubas Staats­prä­si­dent Raul Castro gedankt und gesagt: „Mit sol­chen Schritt wird Kuba die Haupt­stadt der Ein­heit werden.“

Auf dem Wei­ter­flug nach Mexi­ko sag­te Fran­zis­kus zu den Jour­na­li­sten, daß er die Begeg­nung mit Patri­arch Kyrill bereits wäh­rend sei­nes Kuba-Besuchs im Sep­tem­ber 2015 fest im Pro­gramm hat­te. „Ich habe mit ihm [Raul Castro] dar­über gespro­chen, das letz­te Mal, und er war bereit, alles zu machen, und wie wir gese­hen haben, hat er dafür alles vorbereitet.“

Die Gemein­sa­me Erklä­rung besteht aus 30 Para­gra­phen. Eine inhalt­li­che Zusam­men­fas­sung lie­fer­te der Vati­ka­nist San­dro Magi­ster, der 14 Punk­te herausfilterte.

Kuba

Da wir uns weit weg von den alten Aus­ein­an­der­set­zun­gen der „Alten Welt“ tref­fen, … freu­en (wir) uns, dass der christ­li­che Glau­be hier in dyna­mi­scher Wei­se im Wach­sen begrif­fen ist. (1)

Arabische Länder

In vie­len Län­dern des Nahen Ostens und Nord­afri­kas wer­den Fami­li­en, Dör­fer und gan­ze Stän­de unse­rer Brü­der und Schwe­stern in Chri­stus aus­ge­löscht. Ihre Kir­chen wer­den ver­wü­stet und bar­ba­risch aus­ge­plün­dert, ihre sakra­len Gegen­stän­de pro­fa­niert, ihre Denk­ma­le zer­stört. In Syri­en, im Irak und in ande­ren Län­dern des Nahen Ostens stel­len wir mit Schmerz eine mas­sen­haf­te Abwan­de­rung der Chri­sten fest, aus dem Gebiet, in dem sich unser Glau­be einst aus­zu­brei­ten begon­nen hat und wo sie seit den Zei­ten der Apo­stel zusam­men mit ande­ren Reli­gi­ons­ge­mein­schaf­ten gelebt haben. (8)

Märtyrer

Wir ver­beu­gen uns vor dem Mar­ty­ri­um der­je­ni­gen, die auf Kosten ihres eige­nen Lebens die Wahr­heit des Evan­ge­li­ums bezeugt haben und den Tod der Ver­leug­nung des Glau­bens an Chri­stus vor­ge­zo­gen haben. Wir glau­ben, dass die­se Mär­ty­rer unse­rer Zeit, die ver­schie­de­nen Kir­chen ange­hö­ren, aber im gemein­sa­men Lei­den geeint sind, ein Unter­pfand der Ein­heit der Chri­sten sind. (12)

Religionen

Unter den aktu­el­len Umstän­den haben die Lei­ter der Reli­gi­ons­ge­mein­schaf­ten die beson­de­re Ver­ant­wor­tung, ihre Gläu­bi­gen in einem respekt­vol­len Geist gegen­über den Über­zeu­gun­gen derer, die ande­ren reli­giö­sen Tra­di­tio­nen ange­hö­ren, zu erzie­hen. Abso­lut inak­zep­ta­bel sind die Ver­su­che, kri­mi­nel­le Hand­lun­gen mit reli­giö­sen Slo­gans zu recht­fer­ti­gen. Kein Ver­bre­chen kann im Namen Got­tes began­gen wer­den. (13)

Europa

Indem wir den hohen Wert der Reli­gi­ons­frei­heit bekräf­ti­gen, dan­ken wir Gott für die noch nie dage­we­se­ne Erneue­rung des christ­li­chen Glau­bens, die gera­de in Russ­land und in vie­len Län­dern Ost­eu­ro­pas geschieht, wo über Jahr­zehn­te hin­weg athe­isti­sche Regime vor­ge­herrscht haben. Heu­te sind die Ket­ten des mili­tan­ten Athe­is­mus zer­bro­chen, und die Chri­sten kön­nen an vie­len Orten ihren Glau­ben frei beken­nen. (14)
Auch wenn wir für den Bei­trag ande­rer Reli­gio­nen zu unse­rer Kul­tur offen sind, sind wir davon über­zeugt, dass Euro­pa sei­nen christ­li­chen Wur­zeln treu blei­ben muss. Wir bit­ten die Chri­sten Ost- und West­eu­ro­pas sich im gemein­sa­men Zeug­nis für Chri­stus und das Evan­ge­li­um zu ver­ei­nen, so dass Euro­pa sei­ne See­le bewahrt, die sich in zwei­tau­send Jah­ren christ­li­cher Tra­di­ti­on gebil­det hat.(16)

Migranten

Wir kön­nen nicht gleich­gül­tig gegen­über dem Los von Mil­lio­nen von Migran­ten und Flücht­lin­gen sein, die an die Tür der rei­chen Län­der klop­fen. Der zügel­lo­se Kon­sum, wie man ihn in eini­gen der am mei­sten ent­wickel­ten Län­der antrifft, beginnt all­mäh­lich die Res­sour­cen unse­res Pla­ne­ten auf­zu­brau­chen. Die wach­sen­de Ungleich­heit in der Ver­tei­lung der irdi­schen Güter erhöht den Ein­druck von Unge­rech­tig­keit im Hin­blick auf das sich aus­ge­bil­de­te System der inter­na­tio­na­len Bezie­hun­gen. (17)

Familie

Die Fami­lie ist die natür­li­che Mit­te des mensch­li­chen Lebens und der Gesell­schaft. (19) Die Fami­lie grün­det sich auf der Ehe, dem Akt der frei­en und treu­en Lie­be eines Man­nes und einer Frau. Die Lie­be besie­gelt ihre Ver­bin­dung und lehrt sie, sich gegen­sei­tig als Geschenk anzu­neh­men. Die Ehe ist eine Schu­le der Lie­be und der Treue. Wir bedau­ern, dass ande­re For­men des Zusam­men­le­bens mitt­ler­wei­le auf die glei­che Stu­fe die­ser Ver­bin­dung gestellt wer­den, wäh­rend die durch die bibli­sche Tra­di­ti­on gehei­lig­te Auf­fas­sung der Vater­schaft und der Mut­ter­schaft als beson­de­re Beru­fung des Man­nes und der Frau in der Ehe aus dem öffent­li­chen Bewusst­sein aus­ge­schlos­sen wird. (20)

Abtreibung

Wir bit­ten alle, das unver­äu­ßer­li­che Recht auf Leben zu respek­tie­ren. Mil­lio­nen Kin­dern ist selbst die Mög­lich­keit ver­sagt, zur Welt zu kom­men. Das Blut der unge­bo­re­nen Kin­der schreit zu Gott (vgl. Gen 4,10). (21)

Euthanasie

Die Ent­wick­lung der soge­nann­ten Eutha­na­sie führt dazu, dass die alten Men­schen und die Kran­ken begin­nen, sich als eine über­mä­ßi­ge Last für ihre Fami­li­en und die Gesell­schaft all­ge­mein zu füh­len. (21)

Künstliche Befruchtung

Wir sind auch besorgt über die Ent­wick­lung der tech­ni­schen Ent­wick­lung der bio­me­di­zi­ni­schen Fort­pflan­zung, denn die Mani­pu­lie­rung des mensch­li­chen Lebens ist ein Angriff auf die Grund­la­gen der Exi­stenz des Men­schen, der als Abbild Got­tes erschaf­fen ist. Wir hal­ten es für unse­re Pflicht, an die Unver­än­der­lich­keit der christ­li­chen mora­li­schen Grund­sät­ze zu erin­nern, die auf der Ach­tung der Wür­de des Men­schen beru­hen, der nach dem Plan Got­tes ins Leben geru­fen ist. (21)

Proselytenmacherei

Ortho­do­xe und Katho­li­ken sind nicht nur durch die gemein­sa­me Tra­di­ti­on der Kir­che des ersten Jahr­tau­sends mit­ein­an­der ver­bun­den, son­dern auch durch die Sen­dung, das Evan­ge­li­um Chri­sti in der Welt von heu­te zu ver­kün­den. Die­se Sen­dung beinhal­tet die gegen­sei­ti­ge Ach­tung für die Mit­glie­der der christ­li­chen Gemein­schaf­ten und schließt jede Form von Pro­se­ly­tis­mus aus. (24)

„Uniatismus“

Wir hof­fen, dass unse­re Begeg­nung auch dort zur Ver­söh­nung bei­tra­gen möge, wo Span­nun­gen zwi­schen Grie­chisch-Katho­li­schen und Ortho­do­xen bestehen. Heu­te ist klar, dass die Metho­de des „Unia­tis­mus“ aus der Ver­gan­gen­heit, der als Ver­ei­ni­gung einer Gemein­schaft mit der ande­ren durch ihre Los­lö­sung von ihrer Kir­che ver­stan­den wur­de, nicht eine Wei­se ist, die es ermög­licht, die Ein­heit wie­der­her­zu­stel­len. Den­noch haben die kirch­li­chen Gemein­schaf­ten, die unter die­sen histo­ri­schen Umstän­den ent­stan­den sind, das Recht zu exi­stie­ren und alles zu unter­neh­men, was not­wen­dig ist, um die geist­li­chen Ansprü­che ihrer Gläu­bi­gen zu befrie­di­gen, bei gleich­zei­ti­gem Bemü­hen, mit ihren Nach­barn in Frie­den zu leben. Ortho­do­xe und Grie­chisch-Katho­li­sche haben es nötig, sich mit­ein­an­der zu ver­söh­nen und For­men des Zusam­men­le­bens zu fin­den, die bei­der­sei­tig annehm­bar sind. (25)

Ukraine

Wir bedau­ern die Aus­ein­an­der­set­zung in der Ukrai­ne, die bereits vie­le Opfer gefor­dert, unzäh­li­ge Ver­wun­dun­gen bei den fried­li­chen Ein­woh­nern ver­ur­sacht und die Gesell­schaft in eine schwe­re wirt­schaft­li­che und huma­ni­tä­re Kri­se gewor­fen hat. Wir laden alle Kon­flikt­par­tei­en zur Beson­nen­heit, zur sozia­len Soli­da­ri­tät und zum Han­deln ein, um den Frie­den auf­zu­bau­en. Wir laden unse­re Kir­chen in der Ukrai­ne ein zu arbei­ten, um zur gesell­schaft­li­chen Ein­tracht zu gelan­gen, sich einer Betei­li­gung an der Aus­ein­an­der­set­zung zu ent­hal­ten und nicht eine wei­te­re Ent­wick­lung des Kon­flik­tes zu unter­stüt­zen. (26) Wir hof­fen, dass die Kir­chen­spal­tung unter den ortho­do­xen Gläu­bi­gen in der Ukrai­ne auf der Grund­la­ge der bestehen­den kano­ni­schen Rege­lun­gen über­wun­den wer­den kann, dass alle ortho­do­xen Chri­sten der Ukrai­ne in Frie­den und Ein­tracht leben und dass die katho­li­schen Gemein­schaf­ten des Lan­des auch dazu bei­tra­gen, so dass unse­re christ­li­che Brü­der­lich­keit immer deut­li­cher sicht­bar wird. (27)

Welt

Die­se Welt, in der die gei­sti­gen Grund­pfei­ler des mensch­li­chen Lebens in zuneh­men­dem Maß ver­schwin­den, erwar­tet von uns ein star­kes christ­li­ches Zeug­nis in allen Berei­chen des per­sön­li­chen und gesell­schaft­li­chen Lebens. Von unse­rer Fähig­keit, in die­sen schwie­ri­gen Zei­ten gemein­sam Zeug­nis zu geben für den Geist der Wahr­heit, hängt zum gro­ßen Teil die Zukunft der Mensch­heit ab.(28)

Text: Set­ti­mo Cielo/​Giuseppe Nardi
Bild: Vati​can​.va/OR (Screen­shot)

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