„Historische“ Protokoll-Änderung im Vatikan für wiederverheiratet Geschiedene


Papst Franziskus empfängt Argentiniens neuen Staatspräsidenten Mauricio Macri mit historischem Novum: Juliana Awada, wie Macri wiederverheiratet geschieden, wurde protokollarisch wie seine rechtmäßige Ehefrau behandelt
Papst Franziskus empfängt Argentiniens neuen Staatspräsidenten Mauricio Macri mit historischem Novum: Juliana Awada, wie Macri wiederverheiratet geschieden, wurde protokollarisch wie seine rechtmäßige Ehefrau behandelt

(Rom) In der Fra­ge der wie­der­ver­hei­ra­tet Geschie­de­nen geht das päpst­li­che Ping-Pong-Spiel der Gesten wei­ter. Die Kir­che war­tet seit Ende Okto­ber des Vor­jah­res auf das nach­syn­oda­le Schrei­ben, um zu erfah­ren, was Fran­zis­kus wirk­lich zu den wie­der­ver­hei­ra­tet Geschie­de­nen denkt. Im Ver­gleich zur eupho­ri­schen Auf­bruch­stim­mung von 2014 ist es deut­lich ruhi­ger gewor­den, nach­dem Fran­zis­kus fest­stel­len muß­te, daß es hef­ti­ge Wider­stän­de gegen „Reform­plä­ne“ gibt und Ände­run­gen in der Ehe-Leh­re nur um den Preis eines Schis­ma durch­zu­set­zen sind. Den­noch sen­det das katho­li­sche Kir­chen­ober­haupt, je nach­dem an wen es sich gera­de wen­det, noch immer ganz unter­schied­li­che Signa­le aus. Wäh­rend der Papst vor zwei Wochen im katho­li­schen Mexi­ko ein wie­der­ver­hei­ra­tet geschie­de­nes Paar, das in der Kir­che inte­griert ist, aber kei­ne Zulas­sung zur Kom­mu­ni­on for­dert, als modell­haft lob­te, erfolg­te am Wochen­en­de eine ande­re Geste.

Erste Audienz für Argentiniens neues Staatsoberhaupt Mauricio Macri

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Papst Fran­zis­kus emp­fing am ver­gan­ge­nen Sams­tag den neu­ge­wähl­ten Staats­prä­si­den­ten Argen­ti­ni­ens in Audi­enz. Mau­ricio Macri setz­te sich bei den Stich­wah­len vom 22. Novem­ber 2015 gegen den von Fran­zis­kus prä­fe­rier­ten link­spe­ro­ni­sti­schen Kan­di­da­ten durch. Die bei­den Staats­ober­häup­ter ken­nen sich seit Jah­ren, da sich bei­de bereits ein­mal gewis­ser­ma­ßen auf der­sel­ben Ebe­ne gegen­über­stan­den. Berg­o­glio war vor sei­ner Papst­wahl Erz­bi­schof von Bue­nos Aires, Macri seit 2007 Bür­ger­mei­ster der argen­ti­ni­schen Haupt­stadt. Bei­de sind Nach­kom­men ita­lie­ni­scher Ein­wan­de­rer. Macri durch­brach das für Argen­ti­ni­en im ver­gan­ge­nen Jahr­hun­dert bestim­men­de Zwei­par­tei­en­du­ell zwi­schen Pero­ni­sten und Radi­ka­len. Macri ist Ver­tre­ter des wirt­schafts­li­be­ra­len, kon­ser­va­ti­ven Bünd­nis­ses Cam­bie­mos und römi­scher Katho­lik. Im Vor­feld von Macris-Rom­be­such war spe­ku­liert wor­den, daß zwi­schen den bei­den Staats­ober­häup­tern wegen des Wahl­kamp­fes eini­ges zurecht­ge­rückt zu wer­den habe.

Macri, ein wiederverheiratet geschiedener Katholik

Der Unter­neh­mer Macri ist bereits in drit­ter Ehe ver­hei­ra­tet. Die sakra­men­ta­le Ehe schloß er 1981 mit Yvonne Bor­deau, mit der er drei Kin­der hat. Von ihr ließ er sich 1991 schei­den. In jenem Jahr wur­de Macri ent­führt und erst nach Zah­lung eines Löse­gel­des in Mil­lio­nen­hö­he frei­ge­las­sen. Als Reak­ti­on dar­auf beschloß er, sich der Poli­tik zuzu­wen­den. 1994 hei­ra­te­te er stan­des­amt­lich Isa­bel Men­di­te­guy. 2005 folg­te die Schei­dung. Seit 2010 ist Macri stan­des­amt­lich mit der Unter­neh­me­rin Julia­na Awa­da verheiratet.

Awa­da ist die Toch­ter eines mos­le­mi­schen Unter­neh­mers aus beschei­de­nen Ver­hält­nis­sen, der aus dem Liba­non nach Argen­ti­ni­en ein­wan­der­te. Awa­das Mut­ter stammt aus einer wohl­ha­ben­den, syrisch-katho­li­schen Unter­neh­mer­fa­mi­lie Argen­ti­ni­ens. Der Vater „hat uns nie Reli­gi­on ein­ge­flößt“, wie sei­ne Toch­ter 2012 in einem Inter­view mit der argen­ti­ni­schen Tages­zei­tung La Naci­on sag­te. Alle Kin­der wur­den katho­lisch getauft. Eine Schwe­ster ist kirch­lich mit einem Katho­li­ken ver­hei­ra­tet. Eine wei­te­re Schwe­ster hei­ra­te­te einen Juden. „Wir sind sehr offen“, so die Toch­ter.“ Auch Julia­na Awa­da war bereits ver­hei­ra­tet und brach­te ein Kind in die Ehe mit. Macri und Awa­da haben eine gemein­sa­me Tochter.

Vorrang der unauflöslichen Ehe im Protokoll des Vatikans

Bei den päpst­li­chen Audi­en­zen ist es pro­to­kol­la­risch vor­ge­se­hen, daß Staats­ober­häup­ter ihre ange­trau­ten Ehe­gat­ten mit­brin­gen. Da die sakra­men­ta­le Ehe unauf­lös­lich ist und die Kir­che Schei­dung und stan­des­amt­li­che Wie­der­ver­hei­ra­tung nicht aner­kennt, wur­de dies auch im Pro­to­koll zum Aus­druck gebracht.

Für die Audi­enz von Staats­prä­si­dent Macri, der nach katho­li­schem Ver­ständ­nis im Zustand des per­ma­nen­ten Ehe­bruchs lebt, im neue­ren Sprach­ge­brauch als wie­der­ver­hei­ra­tet Geschie­de­ner bezeich­net wird, änder­te Papst Fran­zis­kus das vati­ka­ni­schen Protokoll.

Von einem Schritt von „histo­ri­scher Bedeu­tung“, spricht Eli­sa­bet­ta Pique, die Vati­ka­ni­stin von La Naci­on und wohl­wol­len­de argen­ti­ni­sche Papst-Biographin.

Protokolländerung „kostete den Papst viel Überzeugungkraft“

„Erst­mals in der Geschich­te wur­de das Pro­to­koll des Vati­kans so geän­dert, daß ein ver­hei­ra­te­tes katho­li­sches Staats­ober­haupt sei­ne Lebens­ge­fähr­tin zur Audi­enz mit dem Papst mit­brin­gen konn­te“, so Pique in der Sonn­tags­aus­ga­be der argen­ti­ni­schen Tages­zei­tung. Die Anwe­sen­heit von Julia­na Awa­da „mag aus argen­ti­ni­scher Sicht viel­leicht selbst­verstnd­lich gewe­sen sein, bedeu­te­te jedoch eine dra­sti­sche Ände­rung der vati­ka­ni­schen Gepflo­gen­hei­ten und gibt den Reform­ab­sich­ten des Pon­ti­fi­kats Berg­o­glio neu­en Auf­trieb“, so die Vatikanistin.

Laut einer „gut infor­mier­ten Quel­le“, so Pique, habe es Papst Fran­zis­kus „viel Über­zeu­gungs­kraft geko­stet“, das Staats­se­kre­ta­ri­at „von die­ser histo­ri­schen Neue­rung der Pro­to­koll­re­geln zu über­zeu­gen“. Daß Pique auch dar­in ganz mit Papst Fran­zis­kus über­ein­stimmt, zeigt ihre Wer­tung, daß die Neue­rung „in Über­ein­stim­mung mit der Zeit“ erfolgt sei.

Die Pro­to­kol­län­de­rung sei, so Pique, ein aus­drück­li­cher Wunsch des Pap­stes gewe­sen. Bis­her wur­den die Lebens­ge­fähr­tin­nen von Staats­ober­häup­tern, die sich in einer irre­gu­lä­ren Situa­ti­on befin­den, von den Päp­sten nur außer­halb des offi­zi­el­len Pro­to­kolls, in ande­ren Räum­lich­kei­ten und getrennt vom aus­län­di­schen Staats­ober­haupt emp­fan­gen. Das Pro­to­koll soll­te nicht nur die Miß­bil­li­gung der irre­gu­lä­ren Situa­ti­on zum Aus­druck brin­gen, son­dern vor allem die irre­gu­lä­re Situa­ti­on nicht mit der regu­lä­ren einer sakra­men­tal geschlos­se­nen Ehe auf eine Stu­fe stellen.

Seit dem Emp­fang für Argen­ti­ni­ens Staats­ober­haupt dürf­te die­se Unter­schei­dung Ver­gan­gen­heit sein.

„Der Papst fühlte sich sehr schlecht“ beim alten Protokoll

Die Katho­li­kin Julia­na Awa­da war ganz nach vati­ka­ni­schem Pro­to­koll in schwarz und mit Schlei­er geklei­det und wur­de pro­to­kol­la­risch wie die recht­mä­ßi­ge Ehe­frau Macris behandelt.

Laut Pique habe sich Macri Anfang der 90er Jah­re um eine Annul­lie­rung sei­ner Ehe bemüht, die­se aber nicht erhal­ten. „Der Papst fühl­te sich sehr schlecht, als er hör­te, daß er laut Pro­to­koll gezwun­gen ist, die Frau in einem ande­ren Saal und getrennt zu begrü­ßen“, wie Pique ihre „gut infor­mier­te Quel­le“ aus dem Vati­kan zitiert. „Das scheint mir unge­recht“, habe er gesagt, „und so reif­te in ihm die Idee, das Pro­to­koll zu ändern.“

Die Audi­enz mit Macri sei „sehr posi­tiv“ und „sehr kor­rekt“ ver­lau­fen, was den „bila­te­ra­len Bezie­hun­gen“ sicher gut tue, so Pique.

Wenn der Papst kei­nen Unter­schied mehr beim Stand der Katho­li­ken macht, wie sol­len dann katho­li­sche Diö­ze­sen und Orga­ni­sa­tio­nen künf­tig eine Stan­des­un­ter­schei­dung mit Kon­se­quen­zen, etwa bei einer Schei­dung, auf­recht­erhal­ten oder im katho­li­schen Arbeits­recht ein­for­dern können?

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: La Naci­on (Screen­shot)

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