(Rom) Als „perfekten Jesuiten“ sieht der Vatikanist Sandro Magister den Papst. Franziskus habe mit seiner jüngsten Pressekonferenz auf dem Rückflug von Mexiko nach Rom ein „fliegendes Selbstbildnis“ geliefert.
„Was wollte Papst Franziskus wirklich sagen über die derzeit vom Italienischen Parlament diskutierten eingetragenen Partnerschaften?“, fragt sich Magister und stellt damit eine Frage, die über die konkrete Sachfrage hinausgeht. Seit dem März 2013 stellen sich Katholiken und Beobachter immer wieder die Frage, was der Papst eigentlich sagen will und vor allem, was denkt er wirklich. Der von ihm ernannte Präfekt des neuen Kommunikationssekretariats, Msgr. Dario Viganò, lobte das zigzaghafte Herumspringen als geradezu genialen „Bergoglio-Stil“, was vor allem eines ist: Lobhudelei. Dahinter verbirgt sich jedoch ein wahrer Kern, den Sandro Magister als „Jesuitismus“ identifiziert.
Sybillinische Andeutungen
Die Frage sei nicht nebensächlich „angesichts von tausend vorhergehenden sybillinischen Andeutungen“ des Papstes, wie jene in der römischen Lutherkirche, „die noch immer nicht entziffert und vielleicht unüberbietbar ist“.
Gemeint ist das päpstliche „Ja, Nein, entscheidet ihr“, das Franziskus einer Lutheranerin zur Antwort gab, als sie ihn fragte, ob sie gemeinsam mit ihrem katholischen Mann die Kommunion empfangen könne.
Eine päpstliche Antwort, die von solcher „Klarheit“ ist, daß sie jeder auslegen könne, wie er will. Der lutherische Gastgeber, Pastor Kruse, legt sie seither als Zustimmung zur Interkommunion aus, denn die Letztentscheidung treffe jeder selbst gemäß seinem Gewissen.
Selbsternannte Papst-Interpreten
Auch der progressive Katholik Alberto Melloni, Leiter der ultraprograssiven Schule von Bologna und „selbsternannter Bergoglio-Interpret“, so Magister, wisse die päpstlichen Äußerungen mit absoluter Sicherheit zu deuten. Der Papst habe den italienischen Bischöfen unmißverständlich angeordnet, sich nicht in die Diskussion um das „Homo-Ehe“-Gesetz einzumischen. „Punkt.“
In der Tat sagte Franziskus vergangene Woche auf dem Rückflug von Mexiko, „der Papst mischt sich nicht in die italienische Politik ein, weil der Papst für alle da ist und sich nicht in die konkrete, interne Politik eines Landes einmischen kann: Das ist nicht die Aufgabe des Papstes.“
Allerdings, anders als von Melloni behauptet, erteilte Franziskus keinen Befehl an die Bischöfe, es ihm gleichzutun. Gleich nach seiner Wahl sagte er zum italienischen Episkopat: „Mit der italienischen Regierung müßt ihr selbst zurechtkommen“. Das sei nicht dasselbe wie „sich nicht einmischen“, so Magister.
Der Papst, der sich „nicht einmischt“ – Dank für die „große Wende, die er der Kirche gibt“
„Der Papst also nicht, die Bischöfe aber schon?“, fragt Magister. Keineswegs, denn Franziskus ließ auch die italienischen Katholiken wissen, daß sie wohl gegen Regierungspläne demonstrieren könnten, aber nicht damit rechnen dürften, dabei von den Bischöfen angeführt zu werden.
Papst Franziskus schafft es sich gekonnt und wohl beabsichtigt, so zwischen klaren Positionen zu bewegen, daß er letztlich nirgends richtig festgemacht werden kann.
Die linksdemokratische Senatorin Monica Cirinnà , nach der das derzeit diskutierte „Homo-Ehe“-Gesetz benannt ist, versäumte es nicht, Papst Franziskus öffentlich zu loben „für die große Wende, die er der Kirche gibt.“
Hat auch sie etwas falsch verstanden? So scheint es, denn der Papst sagte auf dem Rückflug von Mexiko auch, er denke zur Homo-Ehe, „was die Kirche denkt“. Mit anderen Worten heißt das, er ist gegen die „Homo-Ehe“, weil die Kirche seit jeher und mit Nachdruck gegen homosexuelle Verbindungen jeder Art ist.
Der Papst sagt: Ja, Nein, Jein
Magister fragt weiter: „Bedeutet das also, daß Franziskus so denkt, wie die Glaubenskongregation, die in ihrem Dokument von 2003 schreibt, daß katholische Abgeordnete nicht für solche Gesetze stimmen dürfen?“
„Das ist nicht gesagt“, antwortet Magister, denn der Beantwortung einer entsprechenden Frage der Journalistin Franca Giansoldati (Il Messaggero) im Flugzeug, entzog sich der Papst: „Ich erinnere mich nicht gut an dieses Dokument.“
Dann fügte er hinzu, daß ein katholischer Abgeordneter „nach einem Gewissen“ abstimmen müsse. Vom Gewissen als Letztinstanz sprach Franziskus schon mehr. Dieses Mal fügte er immerhin hinzu, daß es sich um ein „gut gebildetes Gewissen“ handeln müsse, was nicht mit einem Gewissen des „Ich tu, was ich will“ zu verwechseln sei.
Genau das hatte Kardinal Angelo Bagnasco, der Vorsitzende der Italienischen Bischofskonferenz, wenige Tage zuvor gefordert. Doch prompt distanzierte sich der Generalsekretär der Bischofskonferenz, der von Franziskus eingesetzte Bischof Nunzio Galantino, der „Mann des Papstes“ unter den italienischen Bischöfen.
Päpstliches Nein zu „ideologischen [LGBT-]Kolonialisierungen“ – im fernen Mexiko
Trotz aller Erklärungen, sich „nicht einzumischen“, nahm der Papst sehr wohl gegen die Legalisierung von „Homo-Verbindungen“ Stellung, allerdings im fernen Mexiko. Am 15. Februar sagte er beim Treffen mit den Familien in einem mit 100.000 Menschen gefüllten Stadion in Tuxla Gutierrez:
„Heutzutage sehen und erleben wir an verschiedenen Fronten, wie die Familie geschwächt wird, wie sie in Frage gestellt wird; wie man meint, sie sei ein bereits überholtes Modell und habe keinen Platz in unseren Gesellschaften, und wie unter dem Vorwand der Modernität immer stärker ein auf die Isolierung gegründetes Modell begünstigt wird. In unsere Gesellschaften – die sich als freie, demokratische, souveräne Gesellschaften bezeichnen – dringen ideologische Kolonialisierungen ein, die sie zerstören, und am Ende sind wir Kolonien von Ideologien, die die Familie, den Kern der Familie zerstören, der die Grundlage jeder gesunden Gesellschaft ist.“
Keinen halben Tag später scheiterte in Rom der Versuch der Linksregierung, den Cirinnà ‑Entwurf mit einem Handstreich durchzusetzen. Dabei fand die päpstliche Kritik an den „ideologischen Kolonialisierungen“ der Homo-Lobby so gut wie keinen Widerhall in den Medien. Nicht einmal der Avvenire, die Tageszeitung der Italienischen Bischofskonferenz berichtete darüber.
Papst Franziskus und der „multiple Jesuitismus“: Sich nie festmachen lassen
„Aber vielleicht war es genau das, was sich der Papst erwartet hatte. Sein Denken steht dort geschrieben, wenn auch versteckt in einer langen Rede, gehalten in einem Stadion im fernen Mexiko. Wer will, kann es nachprüfen.“ Offensichtlich solle aber die Geschichte „vom Papst, der sich nicht in die Politik einmischt“, weitergehen.
„In Bergoglio steckt ein multipler Jesuitismus in ständiger Bewegung, der sich nie greifen und festmachen läßt. Sein Sprechen ist ein ständiges Reden, Zurücknehmen und sich Widersprechen.“
„Das gilt sogar dann, wenn er auf demselben Flug gleich zweimal urteilt – er, der in der Welt für den Satz berühmt ist: ‚Wer bin ich, um zu urteilen?‘ – daß der amerikanischen Bewerber um die Präsidentschaftskandidatur, Donald Trump, ‚kein Christ‘ sei. Dabei schaffte er es, selbst hier zwischen dem ersten und dem zweiten Urteil ein erstaunliches ‚ich mische mich nicht ein‘ einzuschieben“, so Magister.
Text: Settimo Cielo/Giuseppe Nardi
Bild: UCR (Screenshot)