Findet erstes Treffen zwischen Papst und Moskauer Patriarch in der Karibik statt?


Kirill I. von Moskau: findet erste historische Begegnung mit einem Papst in der Karibik statt?
Kirill I. von Moskau: findet erste historische Begegnung mit einem Papst in der Karibik statt?

(Rom/​Moskau) Papst Fran­zis­kus wird im Febru­ar Mexi­ko besu­chen. Mos­kaus Patri­arch Kyrill I. wird im Febru­ar Kuba besu­chen. Und bei­de „sind bereit, die Welt zu über­ra­schen, indem sie sich tref­fen“, so der Vati­ka­nist San­dro Magister.

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„Alle wis­sen, daß das der Papst der Über­ra­schun­gen ist. Wenn er sei­ne Rei­se­rou­te ändern will, wird er es auch sicher tun“, so Gene­ral­inspek­teur Dome­ni­co Gia­ni, der Kom­man­dant des Gen­dar­me­rie­korps der Vati­kan­stadt. Der ehe­ma­li­ge ita­lie­ni­sche Poli­zist und Mit­ar­bei­ter des ita­lie­ni­schen Inlands­ge­heim­dien­stes SISDE, ist seit 1999 für den Vati­kan tätig. Sei­ne Aus­sa­ge mach­te er am Ende einer Rund­rei­se durch Mexi­ko, bei der er sich mit allen Rei­se­zie­len des Pap­stes ver­traut mach­te und mit dem mexi­ka­ni­schen Innen­mi­ni­ste­ri­um und der ört­li­chen Poli­zei Sicher­heits­fra­gen klärte.

„Erstes“ Rom und „drittes“ Rom

Papst Fran­zis­kus wird sich vom 12.–18. Febru­ar in Mexi­ko auf­hal­ten. Bei den „Über­ra­schun­gen“ die­ser Rei­se könn­te auch eine hoch­ran­gi­ge sein: das erste Tref­fen in der Geschich­te zwi­schen einem Papst und dem ortho­do­xen Patri­ar­chen von Mos­kau und der gan­zen Rus. Es wäre eine histo­ri­sche Begeg­nung, die bis­her, trotz jahr­zehn­te­lan­ger Bemü­hun­gen, nicht zustan­de kam. Das „erste“ Rom, das latei­ni­sche Rom wür­de sich mit dem „drit­ten“ Rom tref­fen, wie Mos­kau genannt wird, seit das „zwei­te“, das ortho­do­xe Rom, Kon­stan­ti­no­pel, 1453 unter isla­mi­sche Herr­schaft fiel.

Die Begeg­nung zwi­schen Papst Fran­zis­kus und Patri­arch Kyrill I. könn­te „uner­war­te­ter­wei­se unter dem tro­pi­schem Him­mel“ statt­fin­den, so Magister.

Kyrill I. wird im Febru­ar nach Kuba rei­sen. Staats­prä­si­dent Raul Castro hat­te im ver­gan­ge­nen Jahr per­sön­lich die Ein­la­dung wäh­rend eines Mos­kau-Auf­ent­halts aus­ge­spro­chen. Papst Fran­zis­kus war bereits im vori­gen Sep­tem­ber in Havanna.

Raul Castro mach­te auf dem Rück­flug von Mos­kau Zwi­schen­stopp in Rom und wur­de dort von Papst Fran­zis­kus emp­fan­gen. Es war gewis­ser­ma­ßen die Vor­lei­stung für den Papst-Besuch auf Kuba.

Zwei Drittel der orthodoxen Christen unterstehen Moskau

Die ortho­do­xe Chri­sten­heit besteht aus fünf­zehn kano­ni­schen auto­ke­pha­len Kir­chen, dazu kom­men noch eini­ge nicht aner­kann­te Kir­chen. Dem Mos­kau­er Patri­ar­chen unter­ste­hen aber gut zwei Drit­tel aller ortho­do­xen Christen.

Die Bezie­hun­gen zwi­schen latei­ni­scher und grie­chi­scher Chri­sten­heit ent­spann­ten sich in den ver­gan­ge­nen 50 Jah­ren. Seit Papst Paul VI. wur­den die Kon­tak­te zwi­schen Rom und dem öku­me­ni­schen Patri­ar­chen von Kon­stan­ti­no­pel schritt­wei­se inten­si­viert. Papst Johan­nes Paul II. bemüh­te sich mit Nach­druck um Kon­tak­te zu Mos­kau. Als Pole war er den rus­si­schen Ortho­do­xen jedoch ein „rotes Tuch“. Mit der Wahl von Bene­dikt XVI. war Tau­wet­ter ange­sagt. Mit einem Deut­schen auf dem Papst­thron kam Mos­kau leich­ter ins Gespräch, vor allem da anfangs sich „zwei Deut­sche“ begeg­ne­ten in Anspie­lung auf die deut­sche Abstam­mung von Patri­arch Ale­xi­us II.

Die von Rom erhoff­te Begeg­nung fand aber nicht statt. Auf Ale­xi­us folg­te 2009 Kyrill I. Rom und Mos­kau rück­ten in Sach­fra­gen näher zusam­men. Der Aus­tausch fand auf allen Ebe­nen statt. Ein Tref­fen der Kir­chen­ober­häup­ter blieb Bene­dikt XVI. aber verwehrt.

Franziskus zu Kyrill I.: „Ich komme wohin du willst“

Am 30. Novem­ber 2014 ant­wor­te­te Papst Fran­zis­kus auf dem Rück­flug aus der Tür­kei auf die Fra­ge eines rus­si­schen Journalisten:

„Mit Patri­arch Kyrill … Ich habe ihn wis­sen las­sen, und auch er ist ein­ver­stan­den, es gibt den Wil­len, uns zu tref­fen. Ich habe ihm gesagt: ‚Ich kom­me wohin du willst. Du rufst mich und ich kom­me‘. Und auch er hat den glei­chen Willen.“

Hürde Eins: die unierten Ostkirchen

Als Hür­den, die einem Tref­fen im Weg ste­hen, wer­den haupt­säch­lich zwei genannt. Da ist ein­mal die Hür­de der mit Rom unier­ten grie­chi­schen Kir­chen. Die Ortho­do­xen bezeich­nen die Uni­ons­ver­trä­ge mit Rom abschät­zig als „Unia­tis­mus“, ver­gleich­bar dem eben­so abschät­zig gebrauch­ten Wort „Rück­keh­r­ö­ku­me­ne“.

Papst Fran­zis­kus, der mit ande­ren Kon­fes­sio­nen und Reli­gio­nen weder Berüh­rungs­äng­ste noch Pro­ble­me zu haben scheint, und laut eige­nem Bekun­den nie­man­den bekeh­ren wol­le, gab Mos­kau unkon­ven­tio­nell zu ver­ste­hen, daß er in Sachen Unier­te ein neu­es Kapi­tel auf­schla­gen wol­le. Auf dem Rück­flug aus der Tür­kei sag­te Franziskus:

„Die katho­li­schen Ost­kir­chen haben ein Exi­stenz­recht, das stimmt. Doch Unia­tis­mus ist ein Wort aus einer ande­ren Epo­che. Heu­te hat man nicht mehr so zu reden. Man muß einen ande­ren Weg finden.“

Hürde Zwei: die Ukraine

Die zwei­te Hür­de betrifft die Ukrai­ne und den dor­ti­gen Krieg. Die Ukrai­ne ist die histo­ri­sche Hei­mat der rus­si­schen Ortho­do­xie. Sie ist aber in ihrem Westen, der lan­ge Zeit unter litau­isch-pol­ni­scher und dann öster­rei­chi­scher Ober­ho­heit stand, auch die Hei­mat der größ­ten mit Rom unier­ten grie­chi­schen Kir­che, der Ukrai­ni­schen Grie­chisch-Katho­li­schen Kir­che mit ihrem Zen­trum Lemberg.

Mit Blick auf den Ukrai­ne-Kon­flikt mein­te Papst Fran­zis­kus nach dem Tür­kei-Besuch, daß dadurch vor allem Patri­arch Kyrill I. Pro­ble­me habe:

„In die­ser jüng­sten Zeit, mit dem Pro­blem des Krie­ges, hat der Ärm­ste vie­le Pro­ble­me dort, sodaß die Rei­se und das Tref­fen mit dem Papst in den Hin­ter­grund getre­ten sind. Aber alle bei­de wol­len wir uns tref­fen und wol­len vor­wärts gehen.“

In Sachen Ukrai­ne war Papst Fran­zis­kus bis­her sicht­lich bemüht, jede Geste und jedes Wort zu ver­mei­den, die das Mos­kau­er Patri­ar­chat oder auch den Kreml irri­tie­ren könn­ten. Die gro­ße Ent­täu­schung der grie­chisch-katho­li­schen Bischö­fe der Ukrai­ne, des ukrai­ni­schen Kle­rus und der ukrai­ni­schen Gläu­bi­gen nimmt Fran­zis­kus dafür in Kauf.

Geheime Vorbereitungen in Rom und in Moskau

Das Signal ist in Mos­kau ange­kom­men. Patri­arch Kyrill I. beton­te mehr­fach öffent­lich, die Hal­tung von Papst Fran­zis­kus im Ukrai­ne-Kon­flikt zu schätzen.

„Damit begann man im Vati­kan und im Mos­kau­er Patri­ar­chat geheim die Mach­bar­keit einer Begeg­nung zwi­schen den bei­den zu stu­die­ren“, so Magister.

Die Geheim­hal­tung soll even­tu­el­le Gegen­re­ak­tio­nen auf der einen oder der ande­ren Sei­te ver­hin­dern. Gemeint sind damit in Rom nicht nur Wider­stän­de der ukrai­ni­schen Katho­li­ken, son­dern auch west­li­cher Staats­kanz­lei­en. Bei­de Sei­ten sehen in Mos­kau einen Aggres­sor und im Mos­kau­er Patri­ar­chat einen Ver­bün­de­ten von Ruß­lands Staats­prä­si­dent Wla­di­mir Putin.

Auch in Mos­kau gibt es star­ke inner­kirch­li­che Vor­be­hal­te gegen eine „Öff­nung“ gegen­über dem latei­ni­schen Westen. Der Kreml wie­der­um will alles ver­mei­den, was sei­ne Posi­ti­on in der von Ruß­land bean­spruch­ten Ost-Ukrai­ne schwä­chen könnte.

Turbulenzen in Moskau

Ent­spre­chend zurück­hal­tend reagiert Metro­po­lit Hila­ri­on, der „Außen­mi­ni­ster“ des Mos­kau­er Patri­ar­chats und damit die Num­mer Zwei in der rus­sisch-ortho­do­xen Hier­ar­chie, wenn er auf ein Tref­fen zwi­schen Papst und Patri­arch ange­spro­chen wird.

Die jüng­sten Tur­bu­len­zen im Patri­ar­chat mit der Ent­fer­nung von zwei füh­ren­den rus­sisch-ortho­do­xen Ver­tre­tern wer­den auch in die­sem Zusam­men­hang gele­sen. Erz­prie­ster Wsewo­lod Tschap­lin wur­de am 24. Dezem­ber als Lei­ter der Syn­odal­ab­tei­lung des Patri­ar­chats für die Bezie­hun­gen zwi­schen Kir­che und Gesell­schaft abge­setzt. Er gilt als eine der mar­kan­ten Stim­men der rus­si­schen Ortho­do­xie, der zuletzt davon sprach, daß Ruß­land in Syri­en einen „Hei­li­gen Krieg“ gegen den Isla­mi­schen Staat (IS) führe.

Sei­ne Ent­fer­nung wird als Schwä­chung jenes Teils der Kir­che gese­hen, der eine enge Bin­dung an den Kreml ver­tritt. Eine zu enge Bin­dung für Patri­arch Kyrill, der sich mehr Hand­lungs­spiel­raum ver­schaff­te, auch was die mili­tä­ri­schen Ope­ra­tio­nen in der Ukrai­ne und in Syri­en betreffen.

Kyrill I. hat­te eng mit dem Kreml zusam­men­ge­ar­bei­tet, was den Wie­der­auf­bau der rus­sisch-ortho­do­xen Kir­che anbe­langt. Er will aber nicht das Schick­sal der Kir­che oder sein eige­nes an den Kreml bin­den. Mehr Eigen­stän­dig­keit gebe dem Patri­ar­chen auch mehr Auto­ri­tät inner­halb der ortho­do­xen Gemein­schaft, um dem Ein­fluß des öku­me­ni­schen Patri­ar­chen Bar­tho­lo­mä­us I. begeg­nen zu kön­nen, so Magi­ster. Bar­tho­lo­mä­us ist „im Vati­kan so gut wie zu Hau­se“, wäh­rend er in Mos­kau als dem Westen hörig gilt.

Kardinal Koch: „Die Ampel steht jetzt auf orange“

Sowohl Fran­zis­kus als auch Kyrill haben jeden­falls Inter­es­se, ein even­tu­el­les Tref­fen geheim­zu­hal­ten und ihre inter­nen Geg­ner vor voll­ende­te Tat­sa­chen zu stellen.

„Daß ein Tref­fen der bei­den nahe ist, sogar sehr nahe„ hat auch Kar­di­nal Kurt Koch, der Vor­sit­zen­de des Päpst­li­che Rates zur För­de­rung der Ein­heit der Chri­sten erken­nen las­sen“, so Magi­ster. In einem Inter­view mit dem Schwei­zer Jour­na­li­sten Giu­sep­pe Rus­co­ni sag­te er:

„Es ist klar, daß Papst Fran­zis­kus bren­nend eine sol­che Begeg­nung wünscht. Auch Kyrill ist ein­ver­stan­den. Die Ampel steht jetzt nicht mehr auf rot, son­dern orange.“

Koch ließ durch­blicken, daß die Wor­te von Papst Fran­zis­kus auf dem Rück­flug aus der Tür­kei bald Wirk­lich­keit wer­den könn­ten. „In weni­ger als einem Monat wer­den sich die bei­den rufen, Fran­zis­kus aus Mexi­ko, Kyrill aus Kuba, für die von bei­den so gewünsch­te histo­ri­sche Begeg­nung“, so Magister.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Asianews

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