„Die letzte Prophezeiung“ – Antonio Socci erkennt Papst an, hält aber an Papst-Kritik fest


Antonio Soccis neues Buch: "Die letzte Prophezeiung"
Antonio Soccis neues Buch: "Die letzte Prophezeiung"

(Rom) Anto­nio Soc­ci, Rek­tor der Jour­na­li­sten­schu­le der öffent­lich-recht­li­chen Rund­funk­an­stalt RAI an der Uni­ver­si­tät Peru­gia, gehört zu jenen Jour­na­li­sten und Publi­zi­sten, die, auch auf die Gefahr hin per­sön­li­che Nach­tei­le zu erlei­den, dem Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus kri­tisch gegen­über­ste­hen. Trotz aller Beteue­run­gen glau­ben Beob­ach­ter wie Anto­nio Soc­ci nicht dar­an, daß „kein Blatt“ zwi­schen Bene­dikt XVI. und Fran­zis­kus passe.
Nach­dem der intel­lek­tu­ell schärf­ste Kri­ti­ker von Papst Fran­zis­kus, der Rechts­phi­lo­soph Mario Pal­ma­ro im März 2014 zu früh im Alter von 45 Jah­ren gestor­ben ist, schien Anto­nio Soc­ci, wenn auch auf ande­rer Ebe­ne, kurz­zei­tig sei­ne Rol­le zu übernehmen. 

2014 stellte Socci die Gültigkeit der Papst-Wahl in Frage

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Im Okto­ber 2014 leg­te er das Buch „Non è¨ Fran­ces­co“ (Er ist nicht Fran­zis­kus. Die Kir­che im gro­ßen Sturm) vor. Dar­in ging Soc­ci in sei­ner Papst-Kri­tik soweit, die Gül­tig­keit der Papst-Wahl im Kon­kla­ve vom März 2013 in Fra­ge zu stel­len. Eine schwer halt­ba­re Posi­ti­on, die in der katho­li­schen Welt fak­tisch igno­riert wur­de. Wäh­rend sich Soc­ci eini­ge Zeit dar­in ver­rann­te, die von ihm behaup­te­te The­se bele­gen zu wol­len, wur­de sie von kei­nem Kir­chen­recht­ler aufgegriffen.

Nun leg­te Soc­ci mit „La pro­fe­zia fina­le“ (Die letz­te Pro­phe­zei­ung. Brief an Papst Fran­zis­kus über die Kir­che in Kriegs­zeit) ein neu­es Buch vor. Bei­de Bücher erschie­nen natür­lich nicht in kirch­li­chen Ver­la­gen, aber auch nicht in irgend­ei­nem unbe­kann­ten „Samisdat“-Verlag, son­dern bei Mond­ado­ri und Riz­zo­li, den bei­den größ­ten Ver­lags­häu­sern Ita­li­ens. Die Dis­kus­si­on wird offen geführt und auch Soc­cis The­sen Platz ein­ge­räumt, zumal sie auf dem Buch­markt ein Geschäft ver­spre­chen. Soc­cis Infra­ge­stel­lung der Papst-Wahl war wochen­lang das meist­ver­kauf­te Buch auf der Apenninen-Halbinsel.

Antonio Socci: "Er ist nicht Franziskus", 2014
Anto­nio Soc­ci: „Er ist nicht Fran­zis­kus“, 2014

Wäh­rend Mario Pal­ma­ro, von sei­ner unheil­ba­ren Krank­heit bereits töd­lich gezeich­net, noch von Papst Fran­zis­kus einen per­sön­li­chen Tele­fon­an­ruf erhielt, wur­de Anto­nio Soc­ci bis­her vom Vati­kan igno­riert. In der zwei­ten und drit­ten Rei­he der katho­li­schen Hier­ar­chie wur­de er seit­her sogar geschnit­ten. Ein lang­jäh­ri­ger Mit­ar­bei­ter wur­de von Radio Maria nur des­halb vor die Tür gesetzt, weil er an einem Festi­val teil­nahm, zu dem auch Soc­ci gela­den war. Die Kri­tik an der Gül­tig­keit der Papst-Wahl wur­de als „fun­da­men­ta­li­stisch“ bezeich­net und koste­te Soc­ci vie­le Sym­pa­thien auch von wohl­wol­len­der Seite.

Socci korrigiert sich, und erkennt Gültigkeit der Wahl an

In sei­nem neu­en Buch „Die letz­te Pro­phe­zei­ung“ macht Soc­ci einen Schritt zurück und gibt sei­ne 2014 for­mu­lier­te The­se auf. Soc­ci erkennt dar­in die Gül­tig­keit des Kon­kla­ve und der Papst-Wahl von 2013 an. Das Buch ist ein lan­ger „Brief“ von einem „Sohn der Kir­che“ an das katho­li­sche Kir­chen­ober­haupt, das er als „Vater“ anspricht. Soc­ci nahm sei­ner Papst-Kri­tik die gewag­te Spit­ze, hält aber an die­ser fest: direkt, wort­ge­wal­tig und poin­tiert wie zuvor.

Er erin­nert Papst Fran­zis­kus dar­an, sich nicht nur „Hei­li­ger Vater“ nen­nen zu las­sen, son­dern sich auch „wie ein Vater“ beneh­men zu sol­len. Fran­zis­kus sol­le „weni­ger Twit­ter beob­ach­ten und weni­ger auf die Anzahl der Fol­lower und der media­len Schmeich­ler ach­ten, die in Hül­le und Fül­le San­ta Mar­ta umkrei­sen, jeder­zeit bereit sich à la Leo­nar­do Di Caprio samt Ring­kuß zu ver­nei­gen und immer in der ersten Rei­he, wenn es dar­um geht, jede Geste und jeden Seuf­zer zu bejubeln“.

Antonio Socci: "Die letzte Prophezeiung", 2016
Anto­nio Soc­ci: „Die letz­te Pro­phe­zei­ung“, 2016

Statt­des­sen sol­le Fran­zis­kus „sich mehr dar­auf besin­nen, was die Got­tes­mut­ter, Don Giu­s­sa­ni, Don Tant­ar­di­ni, die Seli­ge Emme­rich und auch Don Bos­co pro­phe­zeit haben: daß die Posau­nen der Apo­ka­lyp­se wie noch nie ankün­di­gen, daß das Ende der Welt nahe ist und die Dämo­nen zum Rhyth­mus der Tan­ge­ros auf der Peters­kup­pel tan­zen (Leo XIII. hat­te sie Ende des 19. Jahr­hun­derts wäh­rend einer Mes­se gese­hen und war entsetzt).“

Bald drei Jah­re nach dem Kon­kla­ve erkennt auch Anto­nio Soc­ci Fran­zis­kus als gül­tig gewähl­ten und daher recht­mä­ßi­gen Papst an. Soc­ci gibt sei­ne Argu­men­ta­ti­on rund um Unre­gel­mä­ßig­kei­ten bei der Papst-Wahl auf. Unre­gel­mä­ßig­kei­ten, die von kei­nem Kon­kla­ve-Teil­neh­mer bean­stan­det und von kei­nem Kir­chen­recht­ler auf­ge­grif­fen wurden.

Kritik an Franziskus bleibt aufrecht, denn „die Lage der Kirche ist erschreckend“

„Soc­ci ist ein ehr­li­cher Katho­lik“, so der Vati­ka­nist Matteo Mat­zuzzi von der Tages­zei­tung Il Foglio. Er neh­me sei­nen Glau­ben und sei­ne Zuge­hö­rig­keit zur katho­li­schen Kir­che ernst. Er hin­ter­fra­ge und rin­ge mit sich selbst, weil das Gewis­sen es so von ihm verlange.

„Die­se Ehr­lich­keit stellt er gera­de damit unter Beweis, daß er den Mut hat, sich selbst zu kor­ri­gie­ren, aber gleich­zei­tig an sei­ner Kri­tik am Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus fest­zu­hal­ten.“ Die Fra­ge der Gül­tig­keit der Papst-Wahl sei vom Tisch. „Die gerin­ge Sym­pa­thie für den regie­ren­den Papst“ tra­ge Soc­ci aber wei­ter­hin wie ein Ban­ner vor sich her. „Nicht weil er will, son­dern weil er muß“, denn, so Soc­ci:  „Die Lage der Kir­che ist erschreckend“.

Soc­ci rich­tet die Fra­ge direkt an Papst Fran­zis­kus: „Wenn heu­te alle Fein­de der Katho­li­zi­tät Sie anhim­meln als den, der die Kir­che der moder­nen Welt angleicht, muß dann nicht etwas an Ihrer Bot­schaft nicht stim­men? Haben Sie sich das nie gefragt?“

Soc­ci zitiert das Lehr­amt der Päp­ste bis Bene­dikt XVI. samt einer Kon­zils­lücke, und er zitiert vor allem Fati­ma und die Geheim­nis­se rund um die Erschei­nun­gen der ver­gan­ge­nen andert­halb Jahr­hun­der­te. „Die Kir­che ihrem Auf­trag zum Wider­stand (und zum Zeug­nis) gegen die Lüge und das Böse zu ent­zie­hen, bedeu­tet auf dem ‚banal gran­de‘ zu segeln [Wort­spiel  mit „banal“ und „Canal Gran­de“ in Vene­dig] und schran­ken­los dem ‚Myste­ri­um der Bos­heit‘ die Herr­schaft zu über­las­sen“, so Socci.

Laut Mat­zuzzi „ver­klemmt“ sich Soc­cis Kri­tik jedoch gera­de dort, wo es um das Böse geht, denn kei­ner der jüng­sten Päp­ste, spre­che häu­fi­ger über den Teu­fel und das Böse als Jor­ge Mario Berg­o­glio. Zufall? Argen­ti­ni­sches Erbe?

Socci und der „Bergoglio-(D)Effekt“

Es besteht kaum Aus­sicht, daß Anto­nio Soc­cis Buch in deut­scher Über­set­zung erscheint. Sei­ne Form der Papst-Kri­tik bleibt an den Alpen ste­hen. Aller­dings klopft sie mit Nach­druck an die Türen des Vatikans.

Ob Soc­ci nun aus der Qua­ran­tä­ne kirch­li­cher Hier­ar­chen und katho­li­scher Orga­ni­sa­tio­nen ent­las­sen wird, muß sich erst zei­gen. In Ita­li­en ist das zumin­dest wahr­schein­li­cher, als es das im deut­schen Sprach­raum wäre. Soc­ci ist eine kräf­ti­ge Stim­me, deren Ver­dienst es ist, den „Bergoglio-(D)Effekt“ offen­zu­le­gen. Dazu gehö­ren vor allem die „fal­schen Freun­de“ des Pap­stes. Soc­ci doku­men­tier­te es bereits Anfang 2014 anhand der kir­chen­feind­li­chen Radi­ka­len Par­tei Ita­li­ens von Mar­co Pan­nella und der ehe­ma­li­gen EU-Kom­mis­sa­rin Emma Boni­no. Die Radi­ka­len sind die Abtreibung‑, Scheidungs‑, Euthanasie‑, Homo- und Gen­der-Par­tei schlecht­hin. Die Ableh­nung und Bekämp­fung der Katho­li­schen Kir­che ist ihr prä­gen­des Merk­mal. Unter Johan­nes Paul II. stan­den Pan­nella und Boni­no auf dem Peters­platz und schrien:

Woj­ty­la go home“.

Unter Bene­dikt XVI.:

No Tali­ban, No Vati­can“.

Unter Fran­zis­kus ste­hen sie dort und rufen:

Viva il Papa. Wir Radi­ka­le lie­ben dich“.

Soc­ci stellt in sei­nem neu­en Buch mehr­fach die Fra­ge an Fran­zis­kus, ob er sich noch nie gefragt habe, war­um dem so ist.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Il Foglio/​Rizzoli (Screen­shots)

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