Interkommunion zwischen Katholiken und Lutheranern? Interview mit Brunero Gherardini nach der Franziskus-Rede


Interkommunion mit Protestanten
Interkommunion mit Protestanten?

(Rom) „Jene, die von der sicht­ba­ren Ein­heit der Kir­che getrennt sind, ob durch Schis­ma oder durch Häre­sie, sind von der kirch­li­chen Com­mu­nio abge­schnit­ten.“ Das ist die Kern­aus­sa­ge von Msgr. Bru­ne­ro Gherar­di­ni in einem Inter­view, mit der er auf eine sich inner­kirch­lich in Theo­rie und Pra­xis aus­brei­ten­de The­se ant­wor­tet, deren Ver­tre­ter „voll­ende­te Tat­sa­chen schaf­fen wol­len“. Anlaß für das Inter­view von Dis­pu­ta­tio­nes Theo­lo­gi­cae mit dem bekann­ten katho­li­schen Theo­lo­gen ist die Rede von Papst Fran­zis­kus vom ver­gan­ge­nen 15. Novem­ber in der evan­ge­lisch-luthe­ri­schen Kir­che von Rom.

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Fran­zis­kus sag­te auf die Fra­ge, ob gemischt­kon­fes­sio­nel­le Ehe­paa­re die jeweils ande­re Lit­ur­gie besu­chen und die Kom­mu­ni­on emp­fan­gen kön­nen: „Das Leben ist grö­ßer als die Erklä­run­gen und die Inter­pre­ta­tio­nen. Nehmt immer Bezug auf die Tau­fe: ‚Ein Glau­ben, eine Tau­fe, ein Herr“, so sagt es uns Pau­lus, und dar­aus zieht die Kon­se­quen­zen. Ich wer­de es nie wagen, die Erlaub­nis zu geben, dies zu tun, weil es nicht mei­ne Zustän­dig­keit ist. Eine Tau­fe, ein Herr, ein Glau­ben. Sprecht mit dem Herrn und geht wei­ter. Ich wage nicht, mehr zu sagen.“

Bei­falls­be­kun­dun­gen der Anwe­sen­den lie­ßen sofort erken­nen, daß die Wor­te des Pap­stes prak­tisch als Frei­ga­be der Inter­kom­mu­ni­on ver­stan­den wur­den. Der Papst hat­te in der Fra­ge dem per­sön­li­chen Gewis­sen Vor­rang vor der Leh­re („Erklä­run­gen und Inter­pre­ta­tio­nen“) ein­ge­räumt und zum eigen­mäch­ti­gen Han­deln auf­ge­for­dert, bei gleich­zei­ti­ger Erklä­rung nichts erlaubt zu haben, weil das auch gar nicht sei­ne „Zustän­dig­keit“ sei. Ein dia­lek­ti­sches Wort­spiel mit „List und Mehrdeutigkeit“?

Msgr. Gherar­di­ni erwähnt den Papst nicht, sei­ne Ant­wort ist jedoch im Zusam­men­hang mit der Papst-Rede in der evan­ge­lisch-luthe­ri­schen Kir­che Roms zu sehen. Das Inter­view wur­de weni­ge Tage nach den Papst-Wor­ten geführt. Gherar­di­ni war ordent­li­cher Pro­fes­sor für Ekkle­sio­lo­gie und Öku­me­nis­mus und Dekan der Theo­lo­gi­schen Fakul­tät der Päpst­li­chen Late­ran­uni­ver­si­tät und Bera­ter meh­re­rer Dik­aste­ri­en an der Römi­schen Kurie.

Msgr. Brunero Gherardini
Msgr. Bru­ne­ro Gherardini

Was hat man unter „Inter­kom­mu­ni­on“ zu verstehen?

Gherar­di­ni: Um auf ange­mes­se­ne Wei­se ant­wor­ten und dabei auch die jüng­sten Doku­men­te berück­sich­ti­gen zu kön­nen, bräuch­te es nicht nur einen Arti­kel, son­dern vie­le Arti­kel, ja eine gan­ze Monographie.
Ver­su­chen wir es den­noch so knapp wie mög­lich: Zunächst ist vor allem dar­auf zu ver­wei­sen, daß der Begriff selbst unan­ge­mes­sen und unkor­rekt ist. Der Begriff Inter­kom­mu­ni­on ent­hält bereits einen kla­ren Bezug zur Teil­ha­be und bräuch­te daher kei­ne zusätz­li­che Beto­nung durch das Prä­fix inter. Er ist aber auch unan­ge­mes­sen, weil sein seman­ti­scher Bereich sich, laut der älte­sten christ­li­chen Tra­di­ti­on über das eucha­ri­sti­sche Sakra­ment, auf die ein­zel­nen Kir­chen erstreckt und damit eine stark ekkle­sio­lo­gi­sche Fär­bung hat. Der Begriff bezieht sich also nicht nur auf den Zugang zu den von der Kir­che ange­bo­te­nen Sakra­men­ten, son­dern auch auf die Bezie­hun­gen zwi­schen Kir­che und Kir­che oder zwi­schen Kon­fes­si­on und Konfession.

Was bedeu­tet das konkret?

Gherar­di­ni: Unter Inter­kom­mu­ni­on ist die zusam­men­fas­sen­de, wenn auch nicht alles umfas­sen­de Über­set­zung des klas­si­schen Aus­drucks com­mu­ni­ca­tio in sacris zu verstehen.
Jene, die von der sicht­ba­ren Ein­heit der Kir­che getrennt sind, ob durch Schis­ma oder durch Häre­sie, sind daher gehin­dert, an der kirch­li­chen Com­mu­nio, an der kirch­li­chen Gemein­schaft teil­zu­ha­ben oder sind von ihr abge­schnit­ten, und folg­lich auch von der eucha­ri­sti­schen Kom­mu­ni­on. Sie kön­nen weder an der Lit­ur­gie der Katho­li­ken teil­neh­men noch bei deren eucha­ri­sti­schem Her­ren­mahl kom­mu­ni­zie­ren. Eben­so ist es den Katho­li­ken unter­sagt, an den schis­ma­ti­schen und häre­ti­schen Kult­hand­lun­gen teil­zu­neh­men. Die­ser Leh­re und ihrer Pra­xis steht die heu­ti­ge Situa­ti­on gegen­über, die in öku­me­ni­schen Krei­sen gewach­sen ist, die ten­den­zi­ell den Ein­schrän­kun­gen der com­mu­ni­ca­tio in sacris ableh­nend gegen­über­ste­hen. Die Ten­denz in die­sen Krei­sen ist nicht sel­ten, das Zaum­zeug eigen­mäch­tig abzu­le­gen und Gren­zen zu über­schrei­ten, zum Ärger­nis der einen und zur Begei­ste­rung der ande­ren. Damit sol­len voll­ende­te Tat­sa­chen geschaf­fen wer­den, die gleich­zei­tig als erhoff­tes Zei­chen  und als Beginn der Ein­heit dar­ge­stellt werden.

Papst Franziskus in Lutherkirche Rom
Papst Fran­zis­kus in Luther­kir­che Rom

Ist eine Inter­kom­mu­ni­on mit den Luthe­ra­nern möglich?

Gherar­di­ni: Was die Gemein­schaft zwi­schen den Katho­li­ken und den getrenn­ten Brü­dern betrifft, die Erben der Refor­ma­ti­on sind oder von Gemein­schaf­ten, die sich auf sie beru­fen, gilt: Ihre Ableh­nung der Sakra­men­te und der Theo­lo­gie der Trans­sub­stan­tia­ti­on, und daher der wah­ren, rea­len und sub­stan­ti­el­len Prä­senz, macht jede com­mu­ni­ca­tio in sacris mit den Katho­li­ken unzu­läs­sig und schal (Mt 18,1–5).

Soll das Gefühl an die Stel­le der Leh­re treten?

Gherar­di­ni: In einer so deli­ka­ten Fra­ge ist emo­tio­na­ler Druck kein guter Rat­ge­ber. Ich schät­ze Von Allem, wenn er sich der Emo­ti­on ent­zie­hen und das The­ma „ein für alle Mal ohne List und Mehr­deu­tig­keit behan­deln“ will, auch um den Preis einer bru­ta­len Klar­heit. Öku­me­nisch gespro­chen, scheint gera­de eine sol­che Hal­tung den Akteu­ren des inter­kon­fes­sio­nel­len Dia­logs zu fehlen.
Auch ich weiß sehr gut, daß unser Zeug­nis als Chri­sten, die wir auf den Grund­la­gen des­sel­ben Glau­bens getrennt sind, gegen­über der Welt weni­ger effi­zi­ent, vor allem aber auch weni­ger glaub­wür­dig ist. Es wird aber nicht eine Inter­kom­mu­ni­on um jeden Preis mehr Glaub­wür­dig­keit und Effi­zi­enz verschaffen.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: CTV (Screenshot)/Corrispondenza Romana

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Katho­li­sches war die erste katho­li­sche Publi­ka­ti­on, die das Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus kri­tisch beleuch­te­te, als ande­re noch mit Schön­re­den die Qua­dra­tur des Krei­ses versuchten.

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