Nuzzi, Chaouqui, Vatileaks 2.0 und ein päpstlicher „Kreuzweg“?


Francesca Chaouqui und ihr Spiel
Fran­ce­s­ca Chaou­qui und ihr Spiel

(Rom) Im Fall der bei­den Ver­haf­tun­gen im Vati­kan gilt die Unschulds­ver­mu­tung für die Betrof­fe­nen bis zum Beweis des Gegen­teils. Unab­hän­gig davon sind eini­ge Bemer­kun­gen zu machen. Zunächst fällt auf, wie schnell die Fami­li­en­syn­ode aus den Schlag­zei­len ver­schwun­den ist. Vati­leaks 2.0 und eine Dan-Brown-Sto­ry mit einem sini­stren Mon­si­gno­re, zudem noch vom Opus Dei, und einer etwas schlüpf­ri­gen Haupt­dar­stel­le­rin ist für die Medi­en span­nen­der. Im Umfeld des Pap­stes scheint man nicht ganz unglück­lich dar­über zu sein.

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Nach dem Fias­ko bei der Syn­ode, wäre das eigent­lich gleich die näch­ste Nie­der­la­ge für Papst Fran­zis­kus. Der Papst per­sön­lich war es, der Val­le­jo Bal­da und Chaou­qui beauf­trag­te und ihnen im Allein­gang Son­der­voll­mach­ten übertrug.

In Wirk­lich­keit wischt Vati­leaks 2.0 den vom Papst als uner­quick­lich emp­fun­de­nen Syn­oden­aus­gang vom Tisch und läßt ihn wider Erwar­ten in die Rol­le des Opfers schlüp­fen. Das Dreh­buch dazu wird von Vati­leaks 1.0 kopiert. Der Unter­schied: Papst Bene­dikt XVI. war tat­säch­lich das Opfer der „Raben“. Fran­zis­kus hin­ge­gen war vor­ab mehr­fach vor sei­nen „Raben“ gewarnt worden.

Der Ver­gleich des Doku­men­ten­klaus 2015 mit jenem unter Bene­dikt XVI. 2012 hinkt daher. Papst Bene­dikt XVI. soll­te damals gezielt gescha­det wer­den. Obwohl er das Opfer war, ver­such­ten ihm füh­ren­de Welt­me­di­en einen Strick dar­aus zu dre­hen. Ganz anders bei Papst Franziskus. 

Weder Nuz­zi noch sei­ne Gehil­fen – und schon gar nicht die Welt­me­di­en – wen­den sich gegen Papst Fran­zis­kus. Ganz im Gegen­teil. Der Unter­ti­tel zu Nuz­zis neu­em Buch Via Cru­cis hat eine gan­ze ande­re Stoß­rich­tung als sein Buch von 2012: „Ton­band­auf­nah­men und unver­öf­fent­lich­te Doku­men­te. Der schwie­ri­ge Kampf von Papst Fran­zis­kus, um die Kir­che zu ver­än­dern“.  Der Rest ist die Geschich­te vom guten Papst, dem bösen Vati­kan und kor­rup­ten Kar­di­nä­len, die den Papst sabo­tie­ren. Nuz­zi hat sei­ne Art gefun­den, Geld mit dem Vati­kan zu machen.

Opus Dei distanziert sich von Vallejo Balda

Es fällt zudem auf, daß sich das Opus Dei von Msgr. Val­le­jo Bal­da sofort distan­zier­te. In einer offi­zi­el­len Erklä­rung bestä­tig­te das Opus Dei zwar, daß der spa­ni­sche Prie­ster der Prie­ster­ge­mein­schaft vom Hei­li­gen Kreuz ange­hört, daß Val­le­jo Bal­da jedoch in einer Diö­ze­se inkar­di­niert ist und für sei­ne Beauf­tra­gun­gen durch die Diö­ze­se oder durch den Vati­kan allein die­se zustän­dig sei­en. Das Werk Got­tes habe kei­nen Ein­fluß auf die Anstel­lung Val­le­jo Bal­das im Vati­kan gehabt.

In der Tat sind nur etwa die Hälf­te der Prie­ster der Prie­ster­ge­mein­schaft vom Hei­li­gen Her­zen Prie­ster des Opus Dei, wäh­rend die ande­re Hälf­te Diö­ze­san­prie­ster sind, die mit dem Opus Dei ver­bun­den sind, die­sem aber nicht direkt ange­hö­ren und auch nicht der Juris­dik­ti­on der Per­so­nal­prä­la­tur unterstehen.

„Lady Curia“ oder „La Papessa“

Nuzzi Geschäft mit dem Vatikan
Gian­lui­gi Nuz­zi: Sein Geschäft mit dem Vati­kan. Unpas­sen­de Dar­stel­lung von Papst Franziskus

Daß Fran­ce­s­ca Chaou­qui nach ihrer Ver­haf­tung alle Schuld Val­le­jo Bal­da zuschob und durch sofor­ti­ge Bereit­schaft zur Zusam­men­ar­beit mit der vati­ka­ni­schen Justiz ihre eige­ne Posi­ti­on ent­la­ste­te, erstaunt indes kei­nes­wegs, und ver­rät eini­ges über die 33jährige „Lady Curia“ oder „La Papes­sa“ (Lady Kurie oder Die Päp­stin), wie sie sich über Dagos­pia bewer­ben ließ, eine Skan­dal­sei­te, mit der Chaou­qui zusam­men­ar­bei­te­te und es wohl noch immer tut. Die Sei­te hat Par­tei für sie ergrif­fen und dreht an ihrem Rad.

Val­le­jo Bal­da hat­te die Toch­ter einer Kala­bres­in und eines Ägyp­ters (über den nord­afri­ka­ni­schen Eltern­teil schwan­ken die Anga­ben zwi­schen Atlas­ge­bir­ge und dem Sinai) in eine Posi­ti­on geho­ben, wo sie nie hin­ge­hört hät­te. Mög­lich wur­de dies durch das offen­bar gren­zen­lo­se Ver­trau­en, das Papst Fran­zis­kus in den spa­ni­schen Prie­ster setz­te. Chaou­qui sei es selbst gewe­sen, die auf der Skan­dal­sei­te Dagos­pia die Dach­ter­ras­sen-VIP-Par­ty zur unge­wöhn­li­chen Dop­pel­hei­lig­spre­chung von Johan­nes XXIII. und Johan­nes Paul II. publik mach­te. Jene Par­ty im Wert von 18.000 Euro, die Chaou­qui für betuch­te „Freun­de“ orga­ni­sier­te und bei der ihr Men­tor Val­le­jo Bal­da die Kom­mu­ni­on austeilte.

Chaou­quis Hang für Socie­ty-Geschich­ten und deren Ent­hül­lung dürf­te sie regel­recht über­mannt haben. Der Inhalt der skan­da­lö­sen Tweets, die sie nach ihrem Ein­zug im Vati­kan ver­schick­te, sol­len nicht erwähnt wer­den. Chaou­qui behaup­te­te, jemand müs­se ihren Twit­ter-Zugang gehackt haben.

Val­le­jo Bal­da erhielt trotz VIP-Par­ty, bezahl­ten Son­der­plät­zen und dem Leib Chri­sti im Pla­stik­be­cher in der „armen Kir­che für die Armen“ von Papst Fran­zis­kus kei­ne Abmah­nung, son­dern eine Belo­bi­gung für sei­ne Son­der­kom­mi­si­ons­tä­tig­keit. Den­noch ging Fran­zis­kus danach auf Distanz zu Val­le­jo Bal­da. Die Son­der­kom­mis­si­on been­de­te im spä­ten Früh­jahr 2014 ihre Arbeit, wur­de aber nicht auf­ge­löst. Katho​li​sches​.info schrieb bereits im Som­mer 2013, daß die Son­der­voll­mach­ten Zugang zu Infor­ma­tio­nen gewähr­ten, die „Gold wert“ sind. Wie vie­le die­ser Infor­ma­tio­nen, etwa über Immo­bi­li­en­be­sitz an Immo­bi­li­en­spe­ku­lan­ten, zu Geld gemacht wur­den, läßt sich noch nicht sagen.

Nuzzi und seine Art, mit dem Vatikan ein Geschäft zu machen

Der Jour­na­list Gian­lui­gi Nuz­zi steht im Geruch, „Geheim­do­ku­men­te“ aus dem Vati­kan mit klin­gen­der Mün­ze auf­zu­wie­gen. Chaou­qui, die inzwi­schen auf frei­em Fuß ange­klagt ist, behaup­tet, daß im Vati­kan ein „Kli­ma der gezück­ten Mes­ser“ herr­sche. Es ist Nuz­zis Geschich­te von dunk­len Kräf­ten, die Papst Fran­zis­kus bekämp­fen. Chaou­qui als strah­len­der Pala­din des Pap­stes? Auf ihrer Face­book-Sei­te schrieb sie heu­te: „Ich habe den Papst nie ver­ra­ten“. Sie habe zu Hau­se blei­ben kön­nen, habe jedoch „den Papst allem vorgezogen“.

Im heu­te ver­öf­fent­lich­ten Inter­view der Tages­zei­tung La Stam­pa schrieb sie alle Schuld ihrem Men­tor zu, der sich in Unter­su­chungs­haft befin­det. Mehr noch, Chaou­qui behaup­tet, sie habe „alles ver­sucht“, Val­le­jo Bal­da von sei­nen Absich­ten abzu­hal­ten. Wel­chen auch immer genau.

Sie wer­de ihre Unschuld bewei­sen und habe „ein rei­nes Gewis­sen“. Ihre Zusam­men­ar­beit mit der vati­ka­ni­schen Justiz sei „kein Schuld­ein­ge­ständ­nis“. So weiß Chaou­qui gegen­über der Pres­se zu „ent­hül­len“, daß Val­le­jo Bal­da gehofft hat­te, zum Sekre­tär des neu­errich­te­ten Wirt­schafts­se­kre­ta­ri­ats ernannt zu wer­den. In der Tat, war das eini­ge Zeit im Gespräch. Es ist nicht bekannt, aus wel­chem Grund Papst Fran­zis­kus es sich im letz­ten Moment noch ein­mal überlegte.

Chaou­qui läßt durch­blicken, daß die­se Nicht-Beför­de­rung den Geheim­nis­ver­rat und Doku­men­ten­klau zur Fol­ge gehabt haben könn­te. Ob die umtrie­bi­ge Lob­by­istin unbe­wußt oder absicht­lich ihrem frü­he­ren Men­tor ein Tat­mo­tiv zuschanzt? Man darf davon aus­ge­hen, daß Chaou­qui, wann immer sie den Mund auf­macht, in eige­ner Sache tätig ist.

Chaouquis Welt – Von der „Papessa“ zum „Raben“

Nuzzis neues Buch: Via Crucis
Nuz­zis neu­es Buch: Via Crucis

Chaou­quis Beru­fung in den Vati­kan ver­schaff­te ihr nicht nur in der Kir­che Zugang zu Din­gen, die man vor ihr lie­ber ver­bor­gen gehal­ten hät­te. Mehr noch öff­ne­ten sich ihr plötz­lich die Türen außer­halb des Vati­kans: Kon­tak­te zur ita­lie­ni­schen Regie­rung und zu Unternehmern.

Chaou­qui bleibt sich jeden­falls selbst treu und damit der VIP-Welt. Als Rechts­bei­stand hat sie mit Giu­lia Buon­gior­no eine der renom­mier­te­sten ita­lie­ni­schen Straf­ver­tei­di­ger beauf­tragt. Sie ver­tei­dig­te bereits den Ita­li­ens ehe­ma­li­gen Mini­ster­prä­si­den­ten Giu­lio Andreot­ti und einen Ange­klag­ten im Mord­fall Mer­edith Ker­cher. Man darf anneh­men, daß Chaou­qui bereits an Ver­trä­gen für ihre „Sto­ry“ bastelt, die sie Medi­en und Ver­la­gen anbietet.

Bekannt­lich ist Chaou­qui eine „Ver­eh­re­rin“ des Ent­hül­lungs­jour­na­li­sten Gian­lui­gi Nuz­zi, des­sen neue­stes Buch über den Vati­kan die­se Woche in 23 Län­dern auf den Markt kommt. Dar­in ver­öf­fent­licht er „gehei­me Doku­men­te“ aus dem Vati­kan. Genau um die­se Doku­men­te geht es bei Vati­leaks 2.0. Der Titel Via Cru­cis ist auf einen „Kreuz­weggemünzt, den Papst Fran­zis­kus in der Kir­che erlei­de, die sich gegen sei­nen Reform­weg sperre.

Chaou­qui wehrt sich dage­gen, als „Rabe“ bezeich­net zu wer­den. „Rabe“ wur­de der untreue Kam­mer­die­ner Pao­lo Gabrie­le genannt, der in Vati­leaks 1.0 will­kür­lich Doku­men­te vom Schreib­tisch Bene­dikts XVI. stahl und Nuz­zi weiterreichte.

Es spricht mehr dafür, daß Chaou­qui ein „Rabe“ ist, als Val­le­jo Bal­da, obwohl er und nicht sie im Gefäng­nis sitzt. Wer wen genau hin­ters Licht geführt hat, und bes­ser in die­sem Metier ist als ande­re, wird sich noch zei­gen. Am Ende scheint die „Papes­sa“ doch nur ein „Rabe“ zu sein.

Pro­ble­ma­ti­scher ist, daß Papst Fran­zis­kus in Allein­gän­gen Per­so­nen ver­traut, die die­ses Ver­trau­en nicht ver­die­nen. Der Fall Chaou­qui und Val­le­jo Bal­da bele­gen, daß Ein­rich­tun­gen der Kurie, die die Ent­schei­dung des Pap­stes nicht schmä­lern, aber prü­fen und emp­feh­len, berech­tig­ten Sinn haben.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Redpictures/​InfoVaticana

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