Manfred Scheuer, Verwalter des Niedergangs, wird neuer Bischof von Linz


Manfred Scheuer wird neuer Bischof von Linz
Man­fred Scheu­er wird neu­er Bischof von Linz

von Mar­tha Burger-Weinzl

Anzei­ge

(Wien) In der öster­rei­chi­schen Diö­ze­se Linz herrscht eine ambi­va­len­te Stim­mung, die den Gesamt­zu­stand der katho­li­schen Kir­che Öster­reichs wider­spie­gelt. Die einen freu­en sich, die ande­ren sind nie­der­ge­drückt. Gestern wur­de vom Staats­rund­funk ORF gemel­det, Inns­brucks Bischof, Man­fred Scheu­er (60), wer­de neu­er Diö­ze­san­bi­schof von Linz. Die Tages­zei­tung Ober­öster­rei­chi­sche Nach­rich­ten berich­te­te heu­te tri­um­phie­rend: „Linz bekommt sei­nen ‚Wunsch­bi­schof‘“.

Eile bei der Bekanntgabe

Der Vati­kan bestä­tig­te die Ernen­nungs­ge­rüch­te vor­erst nicht, doch wer­den sie von der katho­li­schen Nach­rich­ten­agen­tur KAP und auf der Inter­net­sei­te der Erz­diö­ze­se Wien als siche­re Tat­sa­che berich­tet. Laut Ober­öster­rei­chi­schen Nach­rich­ten soll die Ernen­nung „in den näch­sten Tagen“ erfol­gen. Trotz die­ses Vor­be­halts, kann kein Zwei­fel dar­an bestehen: Man­fred Scheu­er wird näch­ster Bischof von Linz. Die öster­rei­chi­sche Bun­des­re­gie­rung, die gemäß Kon­kor­dat jeder Bischofs­er­nen­nung zustim­men muß, erteil­te heu­te Scheu­er ihre Einwilligung.

Jemand hat­te es mit der Bekannt­ga­be des Wech­sels von Inns­bruck nach Linz jeden­falls beson­ders eilig. Inner­kirch­lich gilt Schwei­ge­pflicht bis zur offi­zi­el­len Ernen­nung durch den Papst. Indiz dafür, wie froh bestimm­te hohe Kir­chen­krei­se über die Ernen­nung sind. Eine Ernen­nung, die sie wohl­wol­lend geför­dert haben. Die Diö­ze­se Linz gilt als Para­de­bei­spiel für den kirch­li­chen Nie­der­gang. Es gibt daher vie­le inter­es­sier­te Augen für eine Bischofsernennung.

Kriterien für einen österreichischen Bischof anno 2015

Die Kri­te­ri­en für einen Bischofs­kan­di­da­ten sind kirch­lich fest­ge­legt, doch Papier ist gedul­dig. Die tat­säch­li­chen Kri­te­ri­en lau­ten in Öster­reich in etwa wie folgt:

Ein Bischof soll­te ein mög­lichst unauf­fäl­lig und unbe­schrie­be­nes Blatt sein, mehr noch soll­te er nir­gends anecken, jeden­falls nicht bei für die öffent­li­che Mei­nung rele­van­ten Krei­sen in Poli­tik, Medi­en und Wirt­schaft, er soll­te daher mög­lichst in der Mit­te des im Land vor­herr­schen­den All­ge­mein­kli­mas ver­or­tet und kein offe­ner Rebell sein, vor allem aber nie­man­dem „weh­tun“, womit auch die wie­der­ver­hei­ra­te­ten Geschie­de­nen, in wil­der „Ehe“ oder homo­se­xu­el­ler Bezie­hung leben­den Eli­ten in Gesell­schaft und Kir­che gemeint sind, ein­schließ­lich des weib­li­chen Anteils von ihnen, der abge­trie­ben hat. In Sum­me bedeu­tet das: er soll­te nicht zuviel Eigen­in­itia­ti­ve ent­fal­ten, sich gut in das nach­kon­zi­lia­re Räte­we­sen ein­fü­gen, sprich team­fä­hig sein und neu­er­dings auch „Syn­oda­li­tät“ bewei­sen, und vor allem kein ideen­star­ker und ent­schlos­se­ner Ver­kün­der des katho­li­schen Glau­bens sein.

Das aller­wich­tig­ste an einem Bischof aber ist: er soll­te mög­lichst die Kir­chen­aus­tritts­zah­len gering hal­ten, damit die Kir­chen­steu­er wei­ter fließt.

Unterm Strich soll­te er also weit­ge­hend Main­stream-ange­paßt sein oder aus­rei­chend Gewähr bie­ten, sich die­sem anzu­pas­sen. Er wird sich also vor­wie­gend zu jenen The­men zu Wort mel­den, in denen er sei­ne Über­ein­stim­mung mit den Regie­ren­den und der öffent­li­chen, zumin­dest der ver­öf­fent­lich­ten Mei­nung unter Beweis stel­len kann. Und, er wird zu jenen Tei­len der katho­li­schen Glau­bens­leh­re tun­lichst schwei­gen, die nicht Teil des Main­stream sind.

In die­sem Rah­men bewe­gen sich bis­her die Bischofs­er­nen­nun­gen unter Papst Fran­zis­kus für Öster­reich. Die Ver­set­zung von Scheu­er von Inns­bruck nach Linz stellt nach Feld­kirch, Salz­burg, Graz-Seckau und dem Mili­tär­or­di­na­ri­us die fünf­te Ernen­nung des argen­ti­ni­schen Pap­stes dar. Ein Blick auf die Mel­dung der Pres­se­agen­tur der Öster­rei­chi­schen Bischofs­kon­fe­renz KAP läßt erken­nen, wel­che Schlüs­sel­wör­ter zäh­len: „Mann der Mit­te“, „kon­zils­ver­bun­den“, „Öku­me­ne“, „Cari­tas (Orga­ni­sa­ti­on). Vor weni­gen Tagen stell­te Scheu­er sein neue­stes Buch vor, des­sen Titel an Papst Fran­zis­kus erin­nert: „Wider den kirch­li­chen Nar­ziss­mus“. Ein „spi­ri­tu­ell-poli­ti­sches Plä­doy­er“, wie es im Unter­ti­tel heißt.

Diözese im „progressiv“ gelenkten Niedergang

Damit stellt sich die Fra­ge, für wen Msgr. Scheu­er der „Wunsch­bi­schof“ ist und wer die „vie­len“ sind, die sich gera­de ihn an der Spit­ze der Diö­ze­se Linz wünschen.

Die höch­sten Diö­ze­san­gre­mi­en beschäf­tig­ten sich schon seit zwei Jah­ren mit einer Pro­fi­ler­stel­lung für den künf­ti­gen Bischof. Ange­sichts eines links­grün und libe­ral durch­wirk­ten Diö­ze­sa­n­ap­pa­rats kann man sich die gestell­ten Anfor­de­run­gen aus­ma­len. Bischof Scheu­er, ein gebür­ti­ger Ober­öster­rei­cher, wur­de früh als „Ide­al­kan­di­dat“ genannt. Das hat sei­ne Gründe.

Das sub­ver­si­ve, weit­ge­hend aka­tho­li­sche Milieu fürch­te­te um Pfrün­de und Bequem­lich­kei­ten. Der Eifer für „die Sache“ einer „ande­ren Kir­che“ tat das Sei­ne dazu. Zum bes­se­ren Ver­ständ­nis. Linz ist ein zwi­schen „Kir­chen­re­for­mern“ und „Kon­ser­va­ti­ven“ hart umkämpf­tes Pfla­ster, wobei Letz­te­re zwei­fel­los im Nach­teil sind. Sie dür­fen in den unte­ren Eta­gen rackern, wäh­rend es sich die andern in den obe­ren Eta­gen gemüt­lich gemacht haben.

Zauners „Rheinische Allianz“, Aicherns „Priesterin“

Nach Jahr­zehn­ten „libe­ra­ler“ Bischö­fe darf auch kaum mit ande­rem gerech­net wer­den. Unter Bischof Franz Zau­ner, noch 1956 von Papst Pius XII. ernannt (seit 1949 Koad­ju­tor), schwenk­te die Diö­ze­se unter Johan­nes XXIII. mit wehen­den Fah­nen ins Lager der „Opti­mi­sten“ über, in histo­ri­scher Begriff­lich­keit aus­ge­drückt, ins Lager der „Rhei­ni­schen Alli­anz“. Linz gehör­te zu den Diö­ze­sen des deut­schen Sprach­raums, in denen der „Geist des Kon­zils“ beson­ders viru­lent wüte­te. Mit Alo­is Wag­ner erhielt Zau­ner sogar einen noch libe­ra­le­ren Weih­bi­schof zur „Kon­zils­um­set­zung“.

Ihm folg­te nach 24 Jah­ren der fide­le Bene­dik­ti­ner Maxi­mi­li­an Aichern. Ein Kom­pro­miß­kan­di­dat, um Alo­is Wag­ner als Kan­di­dat der „Libe­ra­len“ und Kurt Krenn als Kan­di­dat der „Kon­ser­va­ti­ven“ zu ver­hin­dern. Damit stell­te Aichern einen Pro­to­ty­pen des „idea­len“ öster­rei­chi­schen Bischofs dar. Nicht „links“, nicht „rechts“, son­dern in der Mit­te und im Zwei­fel­falls eher „links“, um es in unan­ge­mes­se­ner Anleh­nung an poli­ti­sche Kate­go­rien zu ver­deut­li­chen. Aichern trieb es schließ­lich in Sachen „Frau­en­prie­ster­tum“ der Mayr-Lumetz­ber­ger so bunt, daß er vor­zei­tig eme­ri­tiert wur­de. Das war aller­dings wie­der­um erst nach 24 Jahren.

Für die „Prie­ste­rin“ Chri­sti­ne Mayr-Lumetz­ber­ger fühl­te Aichern viel­leicht des­halb eine gewis­se Schwä­che, weil sie als Bene­dik­ti­ne­rin aus dem­sel­ben Orden stamm­te. Aichern konn­te den Ver­dacht nie wirk­lich aus­räu­men, die „Prie­ste­rin­nen­aus­bil­dung“ für Mayr-Lumetz­ber­ger aus der Diö­ze­san­kas­se gespon­sert zu haben. Jeden­falls begnüg­te sich die Ex-Ordens­frau nicht mit dem Stand des geweih­ten Lebens, son­dern fühl­te sich zu Höhe­rem beru­fen. Sie sprang aus dem Klo­ster aus und hei­ra­te­te. Doch auch der Ehe­stand konn­te ihren Höhen­durst nicht stil­len. So ließ sie sich 2002, auf eben­so zwei­fel­haf­te wie ungül­ti­ge Wei­se, zur „Prie­ste­rin“ wei­hen. Kurz dar­auf pack­te sie nach dem Mot­to wenn schon denn schon, noch eine nicht min­der ungül­ti­ge Wei­he zur „Bischö­fin“ obendrauf.

Dann kam der Bischofs­wech­sel. Aichern wur­de auf gut öster­rei­chisch, also ele­gant, eme­ri­tiert. Obwohl Bene­dik­ti­ner, woll­te er nicht mehr ins Klo­ster zurück­keh­ren. Auch eine Aus­sa­ge. Um Mayr-Lumetz­ber­ger wur­de es stil­ler. Sie soll obsku­re Zere­mo­nien simu­lie­ren, gele­gent­lich auch in katho­li­schen Kir­chen. Ob immer mit Wis­sen der Pfarr­her­ren oder klan­de­stin, sei dahingestellt.

Schönborns „konservativster“ Weihbischof für Linz

Wiens Erz­bi­schof, Kar­di­nal Schön­born, der star­ke Mann in Öster­reichs Kir­che, schick­te damals sei­nen „kon­ser­va­tiv­sten“ Weih­bi­schof nach Linz. Das war im Jahr 2005.

Der Gesand­te hieß Lud­wig Maria Schwarz und stamm­te aus dem Sale­sia­ner­or­den. In den glau­bens­treu­en Kir­chen­krei­sen war das Auf­at­men unüber­hör­bar. Sie waren syste­ma­tisch aus der Kir­chen­lei­tung hin­aus­ge­drängt wor­den. Noch inten­si­ver ver­lief der Umbau im haupt­amt­li­chen Kir­chen­ap­pa­rat, der kräf­tig auf­ge­bläht wur­de. Die Diö­ze­se zählt heu­te mehr haupt­amt­li­che Appa­rat-Mit­ar­bei­ter als Prie­ster. Letz­te­re füh­len sich vom Appa­rat gegän­gelt, bevor­mun­det, genervt und abge­drängt, häu­fig zugun­sten wei­te­rer Laien-Appartschik.

Der Zustand in den Pfar­rei­en ist zum Teil deso­lat. Die guten Prie­ster bil­den Inseln des Glau­bens und des Wider­stan­des. Sie müs­sen sich mit auf­müp­fi­gen, beson­ders mit angeb­lich theo­lo­gisch (aus)gebildeten Lai­en her­um­schla­gen. Von der Diö­ze­san­lei­tung haben die­se Prie­ster kei­ne Hil­fe zu erwar­ten. Das wis­sen sie. Die zahl­rei­chen Zusen­dun­gen der zahl­rei­chen Ämter, Büros und Stel­len des Ordi­na­ri­ats wan­dern bei man­chen unge­öff­net in den Papier­korb. Das sei die ein­zi­ge Form des „direk­ten Schut­zes“ und der „psy­chi­schen Hygiene“.

Um so mehr Rücken­deckung fin­den hin­ge­gen „pro­gres­si­ve“ Kle­ri­ker. Ein Drit­tel des ober­öster­rei­chi­schen Kle­rus unter­zeich­ne­te den 2006 gestar­te­ten „Auf­ruf zum Unge­hor­sam“ der soge­nann­ten Pfar­rer-Initia­ti­ve. Um die­se Rück­deckung geht es auch bei der Bischofsernennung.

Bischof Schwarz gilt als inte­grer, aber unent­schlos­se­ner Mann. „Zu gut“ sei er, was all­ge­mein bestä­tigt wird. Eine Aus­zeich­nung für den Bischof ist das Lob den­noch nicht. Sein „Gut­sein“ hat eine Kehr­sei­te. Er kam die Donau auf­wärts mit dem Auf­trag, die sprich­wört­lich gewor­de­nen „Lin­zer Zustän­de“ zu besei­ti­gen. Dar­um bemüh­te er sich auch: er unter­sag­te die Lai­en­pre­digt und stell­te die Tau­fen durch Pasto­ral­as­si­sten­tIn­nen ab. Doch die Appart­schik kauf­ten ihm die Schneid schnell ab.  Die Fol­ge war eine inne­re Emi­gra­ti­on des Bischofs. Manch­mal hör­te man mona­te­lang in der Öffent­lich­keit nichts mehr von ihm. Nach einer sol­chen Pha­se ließ er sich 2013 in der eige­nen Kir­chen­zei­tung beim Enten­füt­tern abbil­den. War es eine Form, sei­nen Rück­zug nach außen zu kom­mu­ni­zie­ren oder Aus­druck der völ­li­gen Resignation?

Ein Zaungast geblieben

Der Hin­weis auf die „eige­ne“ Kir­chen­zei­tung ist als Euphe­mis­mus zu ver­ste­hen. Dort haben Appart­schik das Sagen, der Bischof jeden­falls nicht. Die Lin­zer Kir­chen­zei­tung gilt seit Jahr­zehn­ten als Platt­form für eine „kirchen‑, glau­bens- und rom-kri­ti­sche Hal­tung“, so der ober­öster­rei­chi­sche katho­li­sche Rund­brief „Die Wahr­heit“ 2009. Die Kir­chen­zei­tung woll­te bereits zehn Jah­re zuvor den von ihr gestif­te­ten Soli­da­ri­täts­preis der Homo­se­xu­el­len­In­itia­ti­ve Linz ver­lei­hen, was nur durch den Pro­test der Bevöl­ke­rung ver­hin­dert wurde.

Zumin­dest eine Per­so­nal­ent­schei­dung von Bischof Schwarz ließ posi­tiv auf­hor­chen: 2006 wur­de an 15.000 ober­öster­rei­chi­sche Jugend­li­che eine CD zum The­ma Sexua­li­tät ver­schickt, mit der Wer­bung für Ver­hü­tung, Abtrei­bung und Homo­se­xua­li­tät betrie­ben wur­de. Der von Aichern ein­ge­setz­te und für die Akti­on ver­ant­wort­li­che „Kom­mu­ni­ka­ti­ons­chef“ der Diö­ze­se muß­te 2009 dafür den Hut neh­men. Er fiel weich und lei­tet heu­te das Medi­en­bü­ro der öster­rei­chi­schen Ordens­ge­mein­schaf­ten. Deren Vor­sit­zen­der, Alt-Abt Chri­sti­an Hai­din­ger, posaunt, daß die katho­li­sche Moral­leh­re „unmensch­lich“ sei und spricht sich für die Kom­mu­ni­on für wie­der­ver­hei­ra­te­te Geschie­de­ne, das Frau­en­prie­ster­tum und die Auf­he­bung des Prie­ster­zö­li­bats aus. Unter Gleich­ge­sinn­ten lebt sich‘s sicher besser.

Zwei­mal weih­te Bischof Schwarz in sei­ner Amts­zeit Dia­ko­ne der Petrus­bru­der­schaft zu Prie­stern, zuletzt am ver­gan­ge­nen 4. Juli. Es läßt erken­nen, zu wel­chen Lei­stun­gen die­ser Bischof fähig gewe­sen wäre, hät­te er geeig­ne­te Mit­ar­bei­ter und ein geeig­ne­tes Umfeld um sich gehabt. Eine Ent­schul­di­gung ist es nicht.

Bischof Schwarz tritt nach zehn Jah­ren an der Spit­ze der Diö­ze­se ab und kann von sich behaup­ten, in gewis­ser Wei­se ein Zaun­gast geblie­ben zu sein.

Der Fall Wagner

Nach der „libe­ra­len“ Wüstung des Lan­des wäre ein Jahr­zehnt ohne­hin nicht aus­rei­chend gewe­sen, der Diö­ze­se wie­der Ori­en­tie­rung zu geben. Das wur­de auch in Rom unter Bene­dikt XVI. so gese­hen. Des­halb soll­te 2009 Bischof Schwarz mit dem intel­lek­tu­ell bril­lan­ten, theo­lo­gisch sat­tel­fe­sten und pasto­ral erfah­re­nen Pfar­rer von Win­disch­gar­sten, dem Dog­ma­ti­ker Ger­hard Maria Wag­ner, ein Weih­bi­schof zur Sei­te gestellt werden.

Was von Bene­dikt XVI. an Wag­ner geschätzt wur­de, wur­de von „libe­ra­len“ Krei­sen an ihm ver­ach­tet: Wag­ner ist für sei­ne Glau­bens­treue bekannt. Gefürch­tet ist vor allem sein Intel­lekt und sei­ne Streit­bar­keit. Die Par­al­le­le zum St. Pöl­te­ner Bischof Kurt Krenn, auch Ober­öster­rei­cher, war schnell gezo­gen. Des­sen Bischofs­stuhl hat­te man 2004 in mühe­vol­ler Arbeit abge­sägt. Nichts woll­ten die „pro­gres­si­ven“, aber auch die „mode­ra­ten“ ton­an­ge­ben­den Kir­chen­krei­se Öster­reichs also weni­ger, als einen zwei­ten Krenn.

So wur­de zur Jagd gebla­sen. Im Hand­um­dre­hen war der ernann­te Weih­bi­schof zum Frei­wild gewor­den. Der Lin­zer Bischof in spe, Man­fred Scheu­er, beeil­te sich auf Distanz zu sei­nem ehe­ma­li­gen Stu­di­en­kol­le­gen Wag­ner zu gehen. Sich im rich­ti­gen Moment rich­tig zu posi­tio­nie­ren, gehört zum klei­nen Ein­mal­eins der Eli­ten. Deren Kunst dar­in besteht, oben zu über­le­ben und – und mög­lichst noch höher zu steigen.

Um es kurz zu machen: Mit ver­ein­ten Kräf­ten von kir­chen­fer­nen Krei­sen, „kir­chen­kri­ti­schen“ Medi­en, pro­gres­si­ven Hard­li­nern und nicht zuletzt dem inner­kirch­li­chen Main­stream um Kar­di­nal Schön­born, wur­de Wag­ner ver­hin­dert. Jeden Tag wur­de mehr Dreck auf ihn geschleu­dert. Dem hät­te er wohl stand­ge­hal­ten, doch schließ­lich kam aus Rom die Bit­te, „des Frie­dens wil­len“ auf das Amt zu ver­zich­ten. Wag­ner gehorch­te und trat zurück, noch ehe er die Bischofs­wei­he emp­fan­gen hat­te. Wie hät­te er auch gegen den Wil­len jenes Pap­stes Bischof sein kön­nen, der ihn ernannt hatte?

Der Fall Wag­ner illu­striert den Ein­fluß des Wie­ner Kar­di­nals, dem es gelang, Bene­dikt XVI. umzu­stim­men. Hart­näckig hält sich das Gerücht, dies sei nur gelun­gen, indem der „Teu­fel an die Wand gemalt“, das heißt, ein Schis­ma vor­her­ge­sagt wur­de, soll­te Wag­ner Weih­bi­schof werden.

Mit Scheuer Risiken minimieren

Ein Weih­bi­schof Wag­ner wäre den Lin­zer Appa­rat­schik schwer erträg­lich gewe­sen. Die­se gin­gen aber davon aus, daß Wag­ner die Nach­fol­ge von Bischof Schwarz antre­ten wer­de. Ein Bischof Wag­ner aber ließ in libe­ra­len Krei­sen alle Alarm­glocken läuten.

Sechs Jah­re sind seit­her ver­gan­gen. Am ver­gan­ge­nen 4. Juni voll­ende­te Bischof Schwarz sein 75. Lebens­jahr. Doch Pfar­rer Wag­ner spiel­te bei der nun­meh­ri­gen Bischofs­er­nen­nung kei­ne Rol­le mehr.

Der Fall erklärt zu einem guten Teil, war­um Scheu­er als „Wunsch­kan­di­dat“ bestimm­ter Krei­se gilt. Jede Ernen­nung birgt Unbe­kann­te und Risi­ken. Die Ernen­nung Scheu­ers mini­miert die­se auf eine über­schau­ba­re Grö­ße. Als amtie­ren­der Bischof besteht zudem eine weit grö­ße­re Aus­sicht, die Per­so­nal­ent­schei­dung in Rom durch­zu­brin­gen, als einen neu­en „libe­ra­len“ Kandidat.

Die guten Kräf­te in der Diö­ze­se Linz, die es in einer gan­zen Rei­he von Initia­ti­ven gibt, kom­men in die­ser Dar­stel­lung zwangs­läu­fig zu kurz. Benannt wer­den die Defi­zi­te, die einer Abhil­fe har­ren, für die aber kei­ne Abhil­fe in Sicht ist. Schließ­lich gilt: Der Appa­rat arbei­tet vor allem für – den Appa­rat. Mit Bischof Scheu­er hat der Appa­rat gute Aus­sich­ten, daß alles bleibt wie es ist. Und das will etwas hei­ßen in Linz.

Die Negativseite der Diözese

Es heißt, daß der das Wesen und den Auf­trag der Diö­ze­se ver­zer­ren­de Appa­rat sei­ne Pfrün­de bewahrt und wei­ter­hin ein Chri­sten­tum Light ver­tre­ten kann.
Es heißt, daß Dom­pfar­rer Stra­sser mit der Zer­trüm­me­rung des Altar­rau­mes fort­fah­ren kann.
Es heißt, daß der Pfar­rer einer Lin­zer Pfar­rei wei­ter­hin statt im Pfarr­haus bei sei­ner Frau und sei­nen Kin­dern in einer Woh­nung leben kann.
Es heißt ins­ge­samt, daß die beweib­ten (und gele­gent­lich auch bemann­ten) Prie­ster in der Diö­ze­se, die es in einem Aus­maß gibt, wie zuletzt nur nach der Refor­ma­ti­on, für die näch­sten 15 Jah­ren beru­higt sein kön­nen, an ihrem Lebens­wan­del nichts ändern zu müssen.
Es heißt zudem, daß wei­ter­hin in man­chen Pfar­rei­en am Sonn­tag, etwa in Linz und Wels, statt des Pfar­rers eine Pasto­ral­as­si­sten­tin mit Albe und Pseu­do­sto­la ein­zieht und „Got­tes­dienst“ fei­ert, singt, pre­digt, am Altar irgend etwas Unde­fi­nier­ba­res herumwerkelt.
Es heißt, daß in der älte­sten Kir­che von Linz, wei­ter­hin an jedem Sonn­tag „Got­tes­dienst“ gefei­ert wird, aber nur einem Sonn­tag davon eine Hei­li­ge Mes­se, an den ande­ren Sonn­ta­gen fei­ert ein „Lit­ur­gi­sches Team“, womit die Kir­chen­be­su­cher aktiv von der Erfül­lung der Sonn­tags­pflicht abge­hal­ten werden.
Es heißt, daß die Kir­chen­zei­tung wei­ter­hin ein Mau­er­blüm­chen­da­sein fri­stet, das sich in poli­tisch kor­rek­ten Plat­ti­tü­den erschöpft.
Es heißt, daß mit Kir­chen­gel­dern wei­ter­hin zwie­lich­ti­ge links­extre­me Ver­ei­ne gespon­sert wer­den und sich die­se kir­chen­feind­li­chen Krei­se in katho­li­schen Bil­dungs­häu­sern der Diö­ze­se ver­sam­meln können.
Es heißt, daß glau­bens­treue Initia­ti­ven wei­ter­hin kei­ne wirk­li­che Unter­stüt­zung erhal­ten und eine ernst­haf­te Evan­ge­li­sie­rung des Lan­des aus­blei­ben wird.
Es heißt, daß das, was in den offi­zi­el­len katho­li­schen Ver­bän­den alles „geglaubt“ wird, kei­ner bischöf­li­chen Prü­fung unter­zo­gen wird. Auch in Linz, wie in den mei­sten Diö­ze­sen, wol­len es die Bischö­fe lie­ber gar nicht wissen.
Die Auf­li­stung ist des­il­lu­sio­nie­rend, wes­halb es damit belas­sen sein soll.

Der 14. Bischof von Linz

Man­fred Scheu­er wird der 14. Bischof von Linz, einer noch ver­hält­nis­mä­ßig jun­gen Diö­ze­se, die erst 1783/​1785 auf kai­ser­li­che Initia­ti­ve ent­stand. Bis dahin gehör­te Ober­öster­reich kirch­lich zur Diö­ze­se Passau.

Scheu­er, Jahr­gang 1955, lehr­te Dog­ma­tik an der Katho­li­schen Uni­ver­si­tät Linz. Wie­viel die­se taugt, kann man erwä­gen, wenn man weiß, daß Bischof Schwarz sich zwar den Luxus einer eige­nen Uni­ver­si­tät lei­ste­te, sei­ne weni­gen Semi­na­ri­sten aber zum Stu­di­um lie­ber nach Inns­bruck schick­te. Er hät­te sie auch nach Hei­li­gen­kreuz schicken kön­nen, aber das wäre schon wie­der zuviel des Guten gewe­sen und in den Diö­ze­san­gre­mi­en ohne Wider­stän­de nicht durch­setz­bar. Wider­stän­de aber waren Bischof Schwarz ein Greu­el. Wie gesagt, ein „guter Mann“.

Sei­ne aka­de­mi­sche Kar­rie­re führ­te Scheu­er dann nach Trier. Zudem war er Postu­la­tor für den Kriegs­dienst­ver­wei­ge­rer Franz Jäger­stät­ter. Die Hal­tung Jäger­stät­ters ist nicht unum­strit­ten. Scheu­er jeden­falls sam­mel­te sich mit ihm poli­tisch kor­rek­te Meriten.

Er trat nie als offe­ner Rebell auf, gab jedoch geflis­sent­lich zu ver­ste­hen, für „libe­ra­le“ Anlie­gen mehr Gehör zu haben als für die „kon­ser­va­ti­ve“. Die „unge­hor­sa­men“ Kle­ri­ker fin­den in ihm einen wohl­wol­len­den Gesprächs­part­ner. Die For­de­run­gen der „Rebel­len“ ver­warf er kei­nes­wegs, son­dern mein­te ledig­lich in per­fek­tem moder­nem Kir­chen­sprech, eini­ge sei­en auf diö­ze­saner Ebe­ne „nicht umsetzbar“.

In Scheu­ers bis­he­ri­ger Diö­ze­se Inns­bruck simu­lier­te Mar­tha Hei­zer, die Vor­sit­zen­de von „Wir sind Kir­che“, vor Gleich­ge­sinn­ten zu Hau­se Meß­fei­ern. Scheu­er schritt nicht dage­gen ein, wie es sei­ne Pflicht gewe­sen wäre, son­dern ernann­te 2011 eine Unter­su­chungs­kom­mis­si­on. Erst als die Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on im Früh­jahr 2014 die Exkom­mu­ni­ka­ti­on ver­häng­te, über­brach­te Scheu­er das römi­sche Dekret.

Scheuers Spur im Sand

Wel­che Spu­ren hin­ter­läßt also Scheu­er nach zwölf Jah­ren als Bischof von Nord­ti­rol? Auf­fäl­lig wur­de er nur durch sein Nicht­han­deln im Fall Hei­zer; die promp­te Distan­zie­rung von Weih­bi­schof Wag­ner; das eil­fer­ti­ge Selbst­be­kennt­nis als Kas­pe­ria­ner, der sich für „mehr Rech­te“ für wie­der­ver­hei­ra­te­te Geschie­de­ne stark macht; durch die Ent­fer­nung eines Kaplans, der es gewagt hat­te, von Höl­le und Fege­feu­er zu spre­chen; als Sta­tist bei mul­ti­re­li­giö­sen Ver­an­stal­tun­gen der Regie­ren­den; durch die „Anre­gung“, die Lai­en­pre­digt als „pasto­ral not­wen­dig“ zuzulassen.

Scheu­er erwies sich vor allem als ein Ver­wal­ter des schlei­chen­den Nie­der­gangs. Mehr scheint man in der öster­rei­chi­schen Schön­born-Kir­che von einem Diö­ze­san­bi­schof auch nicht zu erwarten.

Und als sol­cher ist Scheu­er der „Wunsch­bi­schof“ Gleich­ge­sinn­ter in Linz. Impul­se zur geist­li­chen Erneue­rung der Kir­che Ober­öster­reichs jen­seits eines weich­ge­spül­ten grün-affi­nen Chri­sten­tums sind von ihm nicht zu erwar­ten. Das Trau­er­spiel geht weiter.

Zum Schluß aber kei­nes­wegs zuletzt soll bedau­ert wer­den, wie sehr die „pro­gres­si­ve“ Agen­da kir­chen­frem­de Kate­go­rien, wie „Kon­ser­va­ti­ve“, „Libe­ra­le“, „Mode­ra­te“ durch­ge­setzt hat, die pro­te­stan­ti­schem Syn­oden­den­ken als Nach­äf­fung par­la­men­ta­ri­scher Struk­tu­ren ent­lehnt ist. Es sug­ge­riert fälsch­li­cher­wei­se eine Gleich­wer­tig­keit und Gleich­be­rech­tung unter­schied­li­cher Posi­tio­nen neben­ein­an­der. Wer mehr Anhän­ger fin­det und wich­ti­ge­re Posi­tio­nen besetzt, kann sich eben durch­set­zen. Die ein­zi­ge Unter­schei­dung in der Kir­che aber soll­te zwi­schen einer recht­gläu­bi­gen und einer häre­ti­schen Posi­ti­on sein. Unter dem Ein­fluß des Rela­ti­vis­mus wer­den hin­ge­gen (fast) alle Posi­tio­nen als gleich gül­tig tole­riert. Mehr noch: was gestern abge­lehnt wur­de, kann mor­gen schon tole­riert wer­den. Die dadurch ver­ur­sach­te Ver­wir­rung und Ori­en­tie­rungs­lo­sig­keit unter Prie­stern und Lai­en liegt vor aller Augen und ver­langt nach Abhilfe.

Text: Mar­tha Burger-Weinzl
Bild: Erz­diö­ze­se Wien (Screen­shot)

Print Friendly, PDF & Email
Anzei­ge

Hel­fen Sie mit! Sichern Sie die Exi­stenz einer unab­hän­gi­gen, kri­ti­schen katho­li­schen Stim­me, der kei­ne Gel­der aus den Töp­fen der Kir­chen­steu­er-Mil­li­ar­den, irgend­wel­cher Orga­ni­sa­tio­nen, Stif­tun­gen oder von Mil­li­ar­dä­ren zuflie­ßen. Die ein­zi­ge Unter­stüt­zung ist Ihre Spen­de. Des­halb ist die­se Stim­me wirk­lich unabhängig.

Katho­li­sches war die erste katho­li­sche Publi­ka­ti­on, die das Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus kri­tisch beleuch­te­te, als ande­re noch mit Schön­re­den die Qua­dra­tur des Krei­ses versuchten.

Die­se Posi­ti­on haben wir uns weder aus­ge­sucht noch sie gewollt, son­dern im Dienst der Kir­che und des Glau­bens als not­wen­dig und fol­ge­rich­tig erkannt. Damit haben wir die Bericht­erstat­tung verändert.

Das ist müh­sam, es ver­langt eini­ges ab, aber es ist mit Ihrer Hil­fe möglich.

Unter­stüt­zen Sie uns bit­te. Hel­fen Sie uns bitte.

Vergelt’s Gott!