Beratungen im Vatikan: Heiliges Jahr aus Sicherheitsgründen abgesagen?


Islamist mit schwarzer Fahne auf dem Petersplatz
Isla­mist mit schwar­zer Fah­ne auf dem Petersplatz

(Rom) Papst Fran­zis­kus ver­sam­mel­te vor zwei Tagen alle Dik­aste­ri­en­lei­ter der Römi­schen Kurie. Ein ziem­lich sel­te­nes Ereig­nis, das in die­sem Jahr aller­dings bereits das zwei­te Mal statt­fand. Wie Vati­kan­spre­cher Pater Feder­i­co Lom­bar­di im Anschluß bekannt­gab, habe der Papst mit den Prä­fek­ten der Kon­gre­ga­tio­nen und Sekre­ta­ria­te und den Vor­sit­zen­den der Päpst­li­chen Räte über den Dia­log mit dem Islam gespro­chen. Das Tref­fen stand damit zwangs­läu­fig unter dem Ein­fluß der blu­ti­gen Atten­ta­te von Paris und betraf auch die Fra­ge, ob das Hei­li­ge Jahr der Barm­her­zig­keit aus Sicher­heits­grün­den nicht ver­scho­ben wer­den sollte.

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Bei der ersten Ver­samm­lung aller Dik­aste­ri­en­lei­ter in die­sem Jahr hat­te Papst Fran­zis­kus Details zum von ihm aus­ge­ru­fe­nen Hei­li­gen Jahr der Barm­her­zig­keit bekannt­ge­ge­ben, das am kom­men­den 8. Dezem­ber, dem Hoch­fest Mariä Emp­fäng­nis, eröff­net wer­den soll. Damit stan­den die bei­den Ver­samm­lun­gen the­ma­tisch in einem Zusammenhang.

Attentate von Paris haben Sicherheitsfrage in den Vordergrund gerückt

Seit ver­gan­ge­nem Sams­tag steht im Vati­kan die Fra­ge im Raum, ob die Durch­füh­rung des Hei­li­gen Jah­res der Barm­her­zig­keit unter den gege­be­nen Ter­ro­ris­mus­be­dro­hung ver­ant­wor­tungs­voll sei. Eine Ver­schie­bung auf einen spä­te­ren Zeit­punkt wur­de von ver­schie­de­ner Sei­te an den Hei­li­gen Stuhl her­an­ge­tra­gen. Papst Fran­zis­kus scheint die­sen Vor­schlag nicht zu tei­len. Bei der Gene­ral­au­di­enz am heu­ti­gen Vor­mit­tag sprach er vom nahen­den Beginn des Hei­li­gen Jahres.

Eine Ver­schie­bung des Hei­li­gen Jah­res hie­ße den Ter­ro­ris­mus des isla­mi­schen Extre­mis­mus „ermu­ti­gen“, so der Schwei­zer Vati­ka­nist Giu­sep­pe Rus­co­ni. Er wür­de die „gemä­ßig­ten Mos­lems und den inter­re­li­giö­sen Dia­log schwä­chen“. Vor allem aber hät­te es „ver­hee­ren­de psy­cho­lo­gi­sche Aus­wir­kun­gen auf das katho­li­sche Volk“, so Rusconi.

Die Angst in Rom ist den­noch groß. Gemeint ist damit nicht nur der Vati­kan, son­dern die Stadt Rom. Die Men­schen sind sich bewußt, daß die Ewi­ge Stadt eine Ziel­schei­be der Isla­mi­sten wer­den könn­te. Die gro­ßen Men­schen­an­samm­lun­gen zum Hei­li­gen Jahr könn­ten beson­ders gefähr­det sein.

„Verzicht auf Heiliges Jahr wäre eine Kapitulation“

Wie sich der IS gerne sieht: Der Marsch auf Rom
Wie sich der IS selbst ger­ne sieht: Der Marsch auf Rom

Nicht alle sehen es so. „Wenn wir auf das Jubel­jahr ver­zich­ten, kön­nen wir gleich eine Kapi­tu­la­ti­on unter­schrei­ben. Was wäre Rom, wenn nicht mehr aus aller Welt die Men­schen her­kom­men wür­den? Dann kön­nen wir gleich zusam­men­packen“, sagt ein Restau­rant­be­sit­zer in der Nähe des Peters­plat­zes und mein­te damit nicht nur sei­ne per­sön­li­che Existenz.

Für eine Ver­schie­bung spricht das Sicher­heits­ri­si­ko. Der Isla­mi­sche Staat (IS) hat­te in der Ver­gan­gen­heit bereits Angrif­fe gegen Rom als „Zen­trum der Chri­sten­heit“ ange­kün­digt. Dazu wur­de im Inter­net eine Foto­mon­ta­ge ver­öf­fent­licht: die Peters­kup­pel mit der schwar­zen Fah­ne des Isla­mi­schen Staa­tes. Die Atten­ta­te von Paris haben jeden Zwei­fel besei­tigt, ob der Isla­mi­sche Staat imstan­de sei, Angrif­fe gegen Rom durch­zu­füh­ren. Er ist es.

Die weit­ge­hend unge­hin­der­te Ein­wan­de­rung von Mos­lems hat Ita­li­en seit 1990 erfaßt. „Lam­pe­du­sa“ ist zum Syn­onym die­ser Inva­si­on gewor­den. Täg­lich kom­men neue Ein­wan­de­rer hin­zu, von denen nie­mand weiß, wer sie sind, woher sie kom­men und was sie wirk­lich wol­len. Die Poli­tik der „Will­kom­mens­kul­tur“ hat alle rechts­staat­li­chen Schran­ken, die Sta­bi­li­tät, Sicher­heit und Ord­nung garan­tie­ren sol­len, auf­ge­ho­ben. Bei den Sicher­heits­kräf­ten wur­de in den ver­gan­ge­nen Jah­ren mas­siv der Spar­stift ange­setzt. Die Ver­ant­wor­tung dafür tra­gen die regie­ren­den Poli­ti­ker, auch der links­de­mo­kra­ti­sche ita­lie­ni­sche Mini­ster­prä­si­dent Matteo Renzi.

Sicherheitskräfte durch Sparzwang und Masseneinwanderung an Belastbarkeitsgrenze

Die Ord­nungs­kräf­te sind damit beschäf­tigt, die Ord­nung im Land eini­ger­ma­ßen auf­recht­zu­er­hal­ten. Die Mas­sen­ein­wan­de­rung brach­te den Aus­nah­me­zu­stand. Die Poli­zei regi­striert zudem auf­merk­sam, von den Regie­ren­den kei­ne Rücken­deckung erwar­ten zu dür­fen. Soll die­se Bela­stung durch das Hei­li­ge Jahr mit sei­nen zusätz­li­chen Erfor­der­nis­sen für Sicher­heit, Ver­kehr und Ord­nung noch erhöht werden?

Gegen eine Ver­schie­bung spricht, daß die radi­ka­len Mos­lems in ihrer Mei­nung bestärkt wer­den könn­ten, der Westen sei schwach und ver­wund­bar. Ihr Gel­tungs­drang könn­te dadurch erst recht ange­sta­chelt wer­den, sich inmit­ten der „christ­li­chen“ Staa­ten, geschützt und getarnt durch die Mul­ti­kul­tu­ra­li­tät, unbe­sieg­bar zu fühlen.

Signal der Schwäche würde Islamisten beflügeln, Katholiken demoralisieren

Polizeipräsenz erhöht
Poli­zei­prä­senz erhöht

Ob es gemä­ßig­te Mos­lems zur Resi­gna­ti­on trei­ben könn­te, kann nicht gesagt wer­den. Sicher ist, daß die Wir­kung auf die Katho­li­ken ver­hee­rend wäre. Die Wahr­neh­mung wäre jene des Isla­mi­schen Staa­tes, nur unter umge­kehr­ten Vor­zei­chen. Die eige­ne Schwä­che wäre für alle fühlbar.

Ein syste­ma­ti­scher Schutz aller Kir­chen ist ohne­hin unrea­li­stisch. Einen siche­ren Schutz vor Angrei­fern, die ihren eige­nen Tod bil­li­gend in Kauf neh­men, gibt es nicht.

Die Ver­schie­bung des Hei­li­gen Jah­res wür­de Mil­lio­nen von Katho­li­ken um Gna­den­mit­tel für ihr See­len­heil brin­gen, ohne daß gleich­zei­tig etwas gewon­nen wäre, außer der Fik­ti­on von Sicherheit.

So gehen aktu­ell die Mei­nun­gen in Rom und im Vati­kan aus­ein­an­der. Die Vor­be­rei­tun­gen für das Hei­li­ge Jahr der Barm­her­zig­keit wer­den unter­des­sen unver­än­dert fort­ge­setzt. Hin­ter den Leo­ni­ni­schen Mau­ern und bei Sicher­heits­gip­feln mit dem ita­lie­ni­schen Innen­mi­ni­ste­ri­um wird jedoch hef­tig dis­ku­tiert. Den Sicher­heits­or­ga­nen steht eini­ges an Arbeit bevor.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: MiL/​CR

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Katho­li­sches war die erste katho­li­sche Publi­ka­ti­on, die das Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus kri­tisch beleuch­te­te, als ande­re noch mit Schön­re­den die Qua­dra­tur des Krei­ses versuchten.

Die­se Posi­ti­on haben wir uns weder aus­ge­sucht noch sie gewollt, son­dern im Dienst der Kir­che und des Glau­bens als not­wen­dig und fol­ge­rich­tig erkannt. Damit haben wir die Bericht­erstat­tung verändert.

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