Wenn in Rom eine der katholischsten Stimmen die des Moskauer Patriarchats ist, sollte das ein Problem sein


Metropolit Hilarion
Metro­po­lit Hilarion

(Rom) Wenn in Rom eine der katho­lisch­sten Stim­men die des Mos­kau­er Patri­ar­chats ist, soll­te das ein Pro­blem sein. Am ver­gan­ge­nen Diens­tag über­brach­te Metro­po­lit Hila­ri­on von Wolo­ko­lamsk dem Papst und der Bischofs­syn­ode die Gruß­bot­schaft des Mos­kau­er Patri­ar­chats. Erz­bi­schof Hila­ri­on ist Lei­ter des Außen­am­tes der rus­sisch-ortho­do­xen Kir­che. Hier die voll­stän­di­ge Rede des Metro­po­li­ten. Die Her­vor­he­bun­gen stam­men von der Redaktion:

Heiligkeit,
Seligkeiten, Eminenzen und Exzellenzen,

Anzei­ge

im Namen Sei­ner Hei­lig­keit Kyrill, des Patri­ar­chen von Mos­kau und der gan­zen Rus, und der gan­zen rus­si­schen ortho­do­xen Kir­che rich­te ich unse­ren brü­der­li­chen Gruß an euch alle anläß­lich der XIV. Gene­ral­ver­samm­lung der Bischofs­syn­ode der katho­li­schen Kir­che, die dem The­ma der Fami­lie gewid­met ist.

In unse­rer tur­bu­len­ten und beun­ru­hi­gen­den Welt, braucht der Mensch soli­de und uner­schüt­ter­li­che Grund­la­gen, auf die er sich stüt­zen kann, um auf ihnen voll Ver­trau­en das eige­ne Leben auf­bau­en zu kön­nen. Die lai­zi­sti­sche Gesell­schaft, die in erster Linie auf die Befrie­di­gung der indi­vi­du­el­len Wün­sche aus­ge­rich­tet ist, kann dem Men­schen kei­ne mora­lisch kla­ren Ori­en­tie­run­gen geben. Die Kri­se der tra­di­tio­nel­len Wer­te, die wir in der Kon­sum­ge­sell­schaft erle­ben, führt zu einem Wider­spruch zwi­schen den ver­schie­de­nen Vor­lie­ben, auch in den fami­liä­ren Bezie­hun­gen. Wenn einer­seits der extre­me Femi­nis­mus in der Mut­ter­schaft ein Hin­der­nis für die Selbst­ver­wirk­li­chung der Frau sieht, wird ande­rer­seits der Kin­der­wunsch immer mehr als Recht betrach­tet, das mit jedem Mit­tel ver­wirk­licht wer­den kann. Immer häu­fi­ger wird die Fami­lie als Ver­bin­dung zwi­schen zwei Per­so­nen unab­hän­gig von ihrem Geschlecht gese­hen, und man ist der Mei­nung, daß das Indi­vi­du­um die Zuge­hö­rig­keit zum einen oder zum ande­ren Geschlecht nach sei­nem per­sön­li­chen Geschmack wäh­len kann.

Ande­rer­seits tre­ten neue Pro­ble­me auf, die direkt die Fun­da­men­te der tra­di­tio­nel­len Fami­lie betref­fen. Die bewaff­ne­ten Kon­flik­te der moder­nen Welt ver­ur­sa­chen einen Mas­sen­ex­odus aus den vom Krieg betrof­fe­nen Regio­nen in Rich­tung den rei­che­ren Län­dern. Die Aus­wan­de­rung führt häu­fig zum Bruch der fami­liä­ren Bin­dun­gen und schafft gleich­zei­tig ein neu­es sozia­les Umfeld, in dem Ver­bin­dun­gen ent­ste­hen, die häu­fig inter­eth­ni­schen und inter­re­li­giö­sen Cha­rak­ter haben.

Die­se Her­aus­for­de­run­gen und Bedro­hun­gen sind für alle christ­li­chen Kir­chen gleich, die die Ant­wor­ten suchen müs­sen, indem sie sich auf den ihnen von Chri­stus anver­trau­ten Auf­trag stüt­zen, jenen, den Men­schen zum Heil zu füh­ren. Lei­der hören wir auch in christ­li­chen Krei­sen häu­fig Stim­men, die eine „Moder­ni­sie­rung“ des kirch­li­chen Gewis­sens for­dern, also die Ableh­nung der christ­li­chen, schein­bar obso­le­ten Leh­re über die Fami­lie. Den­noch, wir dür­fen die Wor­te des Apo­stels Pau­lus an die Chri­sten in Rom nicht ver­ges­sen: „Gleicht euch nicht die­ser Welt an, son­dern wan­delt euch und erneu­ert euer Den­ken, damit ihr prü­fen und erken­nen könnt, was der Wil­le Got­tes ist: was ihm gefällt, was gut und voll­kom­men ist.“

Die Kir­che ist geru­fen, ein Licht und ein Leucht­turm im Dun­kel die­ser Welt zu sein, und die Chri­sten sind geru­fen, das „Salz der Erde“ und das „Licht der Welt“ zu sein. Wir alle dür­fen nicht die erschüt­tern­de Ermah­nung des Erlö­sers ver­ges­sen: „Wenn das Salz sei­nen Geschmack ver­liert, womit kann man es wie­der sal­zig machen? Es taugt zu nichts mehr; es wird weg­ge­wor­fen und von den Leu­ten zer­tre­ten“ (vgl. Mt. 5,13–14). Ein sol­ches Salz, das die Kraft des eige­nen Geschmacks ver­lo­ren hat, wer­den in die­ser unse­rer Zeit eini­ge pro­te­stan­ti­sche Gemein­schaf­ten, die sich christ­lich nen­nen, aber mora­li­sche Idea­le pre­di­gen, die mit dem Chri­sten­tum unver­ein­bar sind. Wenn eine Gemein­schaft von die­ser Art, den Ritus der Seg­nung homo­se­xu­el­ler Ver­bin­dun­gen ein­führt, und eine les­bi­sche Frau, die sich selbst als „Bischof“ bezeich­net, dazu auf­for­dert, aus den Hafen­kir­chen die Kreu­ze zu ent­fer­nen und sie durch isla­mi­sche Halb­mon­de zu erset­zen, kann eine sol­che Gemein­schaft als „Kir­che“ bezeich­net wer­den? Vor unse­ren Augen wird das Chri­sten­tum ver­ra­ten von jenen, die bereit sind, das Spiel der säku­la­ri­sier­ten, ent­kle­ri­ka­li­sier­ten und gott­lo­sen Gesell­schaft zu spielen.

Die Staats­füh­run­gen ver­schie­de­ner Staa­ten Euro­pas und Ame­ri­kas ver­fol­gen, trotz zahl­rei­cher Pro­te­ste, auch durch katho­li­sche Gläu­bi­ge, wei­ter eine Poli­tik, die mit Absicht auf die Zer­stö­rung des Ver­ständ­nis­ses von Fami­lie abzielt. Nicht nur die homo­se­xu­el­len Ver­bin­dun­gen wer­den legal der Ehe gleich­ge­stellt. Man geht soweit, jene straf­recht­lich zu ver­fol­gen, die wegen ihres christ­li­chen Glau­bens es ableh­nen, die­se Ver­bin­dun­gen zu regi­strie­ren. Gleich nach dem Ende des Besu­ches von Papst Fran­zis­kus, hat der ame­ri­ka­ni­sche Prä­si­dent Barack Oba­ma offen erklärt, daß die Rech­te der Homo­se­xu­el­len wich­ti­ger sind als die Reli­gi­ons­frei­heit. Das zeigt deut­lich die Absicht der säku­la­ri­sier­ten Auto­ri­tät, den Angriff gegen die gesun­den Kräf­te der Gesell­schaft fort­zu­set­zen, die die tra­di­tio­nel­len Wer­te der Fami­lie ver­tei­di­gen. Die Katho­li­ken ste­hen in vor­der­ster Linie in die­sem Kampf, und gera­de gegen die katho­li­sche Kir­che ist eine regel­rech­te Kam­pa­gne der Dis­kre­di­tie­rung und der Lüge im Gan­ge. Daher sind die Kraft im Ver­tei­di­gen der christ­li­chen Über­zeu­gung und die Treue zur Tra­di­ti­on der Kir­che heu­te beson­ders notwendig.

Heu­te wird die Gesell­schaft immer ähn­li­cher dem dum­men Mann, „der sein Haus auf Sand bau­te“ (vgl. Mt 7,26). Es ist Pflicht der Kir­che, die Gesell­schaft an ihren festen Grund zu erin­nern – die Fami­lie als Bund zwi­schen Mann und Frau, der die Geburt und die Erzie­hung der Kin­der zum Ziel hat. Nur eine sol­che Fami­lie, vom Herrn zum Zeit­punkt der Erschaf­fung der Welt selbst fest­ge­legt, ist imstan­de, das Abglei­ten der moder­nen Gesell­schaft in den Abgrund des mora­li­schen Rela­ti­vis­mus zu ver­hin­dern, oder zumin­dest zu verlangsamen. 

Die ortho­do­xe Kir­che, so wie die katho­li­sche, ist in ihrer Leh­re über die Fami­lie immer der Hei­li­gen Schrift und der Hei­li­gen Tra­di­ti­on gefolgt und hat das Prin­zip der Hei­lig­keit der Ehe bekräf­tigt, das auf den Wor­ten des Erlö­sers selbst grün­det (vgl. Mt 19,6; Mk 10,9). In unse­rer Zeit muß die­se Posi­ti­on ver­ein­ter und ein­stim­mi­ger sein. Wir müs­sen gemein­sam ver­tei­di­gen im Dia­log mit den gesetz­ge­ben­den und aus­füh­ren­den Gewal­ten der ein­zel­nen Län­der und auf der Ebe­ne der inter­na­tio­na­len Insti­tu­tio­nen, wie der UNO und dem Euro­pa­rat. Wir kön­nen uns nicht nur auf Ermah­nun­gen beschrän­ken. Wir müs­sen den recht­li­chen Schutz der Fami­lie voll­kom­men sicherstellen.

Die Soli­da­ri­tät der Kir­che und aller Men­schen guten Wil­lens ist uner­läß­lich zum Zweck, die Fami­lie vor den Bedro­hun­gen der lai­zi­sti­schen Welt zu schüt­zen und so unse­re Zukunft zu sichern. Ich hof­fe, daß eine Frucht die­ser Syn­oden­ver­samm­lung eine Wei­ter­ent­wick­lung der katho­lisch-ortho­do­xen Zusam­men­ar­beit in die­ser Rich­tung sein wird.

Ich wün­sche euch den Frie­den, den Segen Got­tes und Erfolg bei eurer Arbeit!

Über­set­zung: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Il Timone

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Katho­li­sches war die erste katho­li­sche Publi­ka­ti­on, die das Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus kri­tisch beleuch­te­te, als ande­re noch mit Schön­re­den die Qua­dra­tur des Krei­ses versuchten.

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