(Rom) Auf dem Rückflug aus den USA von Journalisten gefragt, bekräftigte Papst Franziskus seinen Vorwurf gegen Bischöfe, die sich schuldig gemacht hatten, Priester zu decken, die Minderjährige sexuell mißbraucht hatten. „Auch einige Bischöfe haben das zugedeckt. Das ist eine ganz häßliche Sache.“ Während Papst Franziskus bei der Absetzung des traditionsverbundenen Opus-Dei-Bischofs Robert Finn sehr schnell war, sieht es bei dem von ihm ernannten Bischof von Osorno in Chile anders aus, wie der Vatikanist Sandro Magister anmerkte.
Der Fall von Bischof Robert Finn
Der Vatikanist erinnerte in diesem Zusammenhang an den Bischof von Kansas City-Saint Joseph, Msgr. Robert Finn, der von Franziskus kurzentschlossen abgesetzt wurde, weil er einen seiner Priester, der später von einem staatlichen Gericht verurteilt wurde, nicht sofort, nachdem er von Vorwürfen hörte, der staatlichen Autorität ausgeliefert hatte. Der progressive National Catholic Reporter (NCR) jubelte, hatte das Blatt doch seit Jahren einen offenen Konflikt mit dem Bischof aus den Reihen des Opus Dei ausgetragen. Von anderer Seite wurde die Absetzung als überzogene Maßnahme gewertet.
Niemand unterstellte dem Bischof, willentlich das kinderpornographische Treiben des Priesters gefördert oder gedeckt zu haben. Allerdings, so die Richter eines US-Gerichts, hätte der Bischof früher die Behörden informieren und damit eine strafrechtliche Verfolgung ermöglichen müssen und verurteilten den Bischof dafür zu zwei Jahren Haft auf Bewährung (siehe Papst emeritiert Bischof Robert Finn von Kansas City – Punktesieg für National Catholic Reporter).
Der Fall von Bischof Juan Barros
„Ganz offensichtlich schließt der Papst den Bischof von Osorno in Chile, Msgr. Juan de la Cruz Barros Madrid nicht unter die Schuldigen mit ein“, so Magister. Franziskus hatte Barros Madrid erst am vergangenen 10. Januar zum Bischof von Osorno ernannt und im Amt belassen, obwohl es heftige Proteste gegen den neuen Diözesanbischof gab, auch von Seiten der Politik. Drei Opfer und zahlreiche Priester und Gläubige werfen dem Bischof vor, „Komplize des vom Priester Fernando Karadima begangenen sexuellen Mißbrauchs“ gewesen zu sein.
Karadima war viele Jahre eine einflußreiche Bekanntheit der chilenischen Kirche. Schließlich wurde er aber wegen seiner nachgewiesenen Verbrechen direkt vom Heiligen Stuhl zu einem Leben „der Zurückgezogenheit, des Gebets und der Buße“ verurteilt.
2004 war der Fall durch Anzeigen von Gläubigen und ehemaligen Priestern der Pfarrei El Bosque, in der Karadima seit 1980 wirkte, ins Rollen gebracht worden. Wegen seiner guten Kontakte wurde jedoch ein staatliches Ermittlungsverfahren zunächst archiviert. Erst nachdem Karadima Anfang 2011 in einem unabhängig davon stattfindenden kirchenrechtlichen Verfahren wegen sexuellen Mißbrauchs von Minderjährigen (Fälle von Pädophilie und Ephebophilie) und Mißbrauchs seines kirchlichen Amtes verurteilt wurde, erfolgte die Wiederaufnahme des Verfahrens durch die weltliche Gerichtsbarkeit. Im Juni 2011 lehnte der Heilige Stuhl in letzter Instanz Karadimas Einspruch ab.
Das Video: Barros-Verteidigung durch Papst Franziskus
Am vergangenen 31. März ließ die Bischofskongregation, wegen der anhaltenden Kritik, wissen, daß sie „die Kandidatur des Oberhirten genau geprüft und keine objektiven Gründe gefunden“ hatte, „die seiner Ernennung im Wege standen“.
Daß Papst Franziskus von der Unschuld des Beschuldigten überzeugt ist, wurde allgemein angenommen. Öffentlich hatte er sich allerdings nie dazu geäußert.
„Nun aber weiß man, daß Franziskus gesprochen hat“, so Magister. Am 2. Oktober veröffentlichte die chilenische Nachrichtenseite Ahora Noticias im Internet ein Video von einer Minute und 20 Sekunden Länge, das im vergangenen Mai auf dem Petersplatz in Rom aufgenommen wurde. Darauf ist zu hören, wie Papst Franziskus „mit gekränkter Stimme auf die Kritiker des Bischofs einredet“, so Magister.
Am Anfang des Videos hört man die Stimme von Jaime Coiro, einem Mitarbeiter der Chilenischen Bischofskonferenz, der mit Familienangehörigen der Opfer in Rom war, wie er dem Papst sagt, daß die Kirche in Chile für ihn „betet und leidet“.
Wörtlich antwortete der Papst auf Spanisch:
„Es una Iglesia que perdió la libertad dejándose llenar la cabeza por polàticos, juzgando a un obispo sin ninguna prueba después de veinte años de servicio. O sea, que piensen con la cabeza, no se dejen llevar por las narices de todos los zurdos que son los que armaron la cosa.
Además, la única acusación que hubo contra ese obispo fue desacreditada por la corte judicial. O sea, por favor, eh… no pierdan la serenidad. Osorno sufre sà, por tonta, porque no abre su corazón a lo que Dios dice y se deja llevar por las macanas que dice toda esa gente. Yo soy el primero en juzgar y castigar a alguien que tiene acusaciones de ese tipo… Pero en este caso ni una prueba, al contrario… De corazón se lo digo. No se dejen llevar por las narices de estos que buscan lào no más, que buscan calumnias…“
Was übersetzt in etwa soviel heißt, wie:
„Das ist eine Kirche, die die Freiheit verloren hat, weil sie sich den Kopf von den Politikern verdrehen hat lassen, indem sie einen Bischof ohne Beweise nach 20 Jahren des Dienstes verurteilt. Daher sollen sie mit dem Kopf denken und sich nicht von all den Linkischen an der Nase herumführen lassen, die diese Geschichte aufgebauscht haben.
Zudem wurde der einzige Vorwurf gegen diesen Bischof vom Gerichtshof entkräftet. Daher, bitte, ja… sollen sie nicht die Ruhe verlieren. [Das Bistum] Osorno leidet, gewiß, weil es dumm ist, weil es sein Herz nicht dem öffnet, was Gott sagt und sich von den Dummheiten mitreißen läßt, die all diese Leute sagen. Ich bin der Erste, der verurteilt und bestraft, wer solcher Dinge angeklagt wird… Doch in diesem Fall fehlen die Beweise, vielmehr, ganz im Gegenteil… Ich sage es von Herzen. Sie sollen sich nicht an der Nase herumführen lassen von denen, die nur versuchen, Verwirrung zu stiften, die versuchen, zu verleumden…“
Die „Zurdos“, wie die Argentinier sagen, linkische Gestalten, „die den Papst aufregten, schließen wahrscheinlich auch die 51 chilenischen Abgeordneten mit ein“, so Magister. Sie gehören zum Großteil der Sozialistischen Partei von Staatspräsidentin Michelle Bachelet an und haben eine Petition gegen die Ernennung von Barros zum Bischof von Osorno unterschrieben.
Opfer Karadimas reagierten verbittert auf die Veröffentlichung des Videos mit der Verteidigung des Bischofs durch Papst Franziskus.
James Hamilton twitterte: „Wie schrecklich diese Verachtung für die Gläubigen, die der Papst zeigt. Meine ganze Unterstützung und Bewunderung für unsere Sprecher von Osorno“.
„Ich kann gar nicht glauben, daß das Papst Franziskus gesagt hat“, klagte José Andrés Murillo, ein anderes Karadima-Opfer.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Settimo Cielo/Youtube