„Heiligkeit der Eucharistie fordert uns, rein zu sein“ – Benedikt XVI. über den heiligen Franz von Assisi


Franz von Assisi
Franz von Assi­si stützt die Kirche

(Rom) In sei­ner Gene­ral­au­di­enz vom 27. Janu­ar 2010 sprach Papst Bene­dikt XVI. über einen „mit­tel­al­ter­li­chen Hei­li­gen, der eigent­lich kei­ner Vor­stel­lung bedarf“, über den hei­li­gen Franz von Assi­si. Und doch besteht gera­de bei dem, das jeder meint zu ken­nen, die Gefahr fal­scher Gewich­tun­gen und mehr oder weni­ger aus­ge­präg­ter Ver­zer­run­gen. In sei­ner Kate­che­se bemüh­te sich Bene­dikt XVI. das rich­ti­ge Gleich­ge­wicht herzustellen.

Anzei­ge

Zen­tra­ler Aspekt dabei sind die Eucha­ri­stie und das Prie­ster­tum: in der Gestalt des hei­li­gen Fran­zis­kus von beson­de­rer Bedeu­tung, da er selbst nie das Prie­ster­tum anstreb­te. Die Grün­de dafür sind beach­tens­wert. An die Prie­ster gewandt, sag­te Bene­dikt XVI.: „Die Hei­lig­keit der Eucha­ri­stie for­dert von uns, rein zu sein, in kon­se­quen­ter Über­ein­stim­mung mit dem Geheim­nis zu leben, das wir feiern.“

Die Fra­ge, wie man zur Eucha­ri­stie hin­zu­tre­ten darf, steht der­zeit auch im Mit­tel­punkt der Bischofs­syn­ode über die Fami­lie im Vati­kan. Dort geht es um die Fra­ge, ob wie­der­ver­hei­ra­tet Geschie­de­ne wie­der zur Kom­mu­ni­on zuge­las­sen wer­den dür­fen. Bene­dikt XVI. gibt mit sei­ner Kate­che­se eine Ant­wort von zen­tra­ler Bedeu­tung für das Eucha­ri­stie­ver­ständ­nis und ins­ge­samt das Sakramentenverständnis.

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Hl. Franz von Assisi

Lie­be Brü­der und Schwestern!

[Deut­sche Kurzkatechese]

Bei der heu­ti­gen Audi­enz möch­te ich von einem mit­tel­al­ter­li­chen Hei­li­gen spre­chen, der eigent­lich kei­ner Vor­stel­lung bedarf. Wer kennt nicht den hl. Franz von Assi­si, den Grün­der der Fran­zis­ka­ner? Vie­le Men­schen – auch über die Gren­zen der Kir­che hin­weg – sind davon fas­zi­niert, wie er die Idea­le der Armut, der Hilfs­be­reit­schaft, der Fröh­lich­keit, der Brü­der­lich­keit und der Lie­be zur Schöp­fung gelebt hat. Aber wer Franz von Assi­si ver­ste­hen will, muß nach der Wur­zel von all dem fra­gen: Fran­zis­kus woll­te wie Chri­stus sein; er woll­te Jesus im Evan­ge­li­um betrach­ten, ihn von gan­zem Her­zen lie­ben und sei­ne Tugen­den nach­ah­men. Die Etap­pen sei­ner Bio­gra­phie zei­gen uns, wie Gott die­sen rei­chen Kauf­manns­sohn und ehr­gei­zi­gen Rit­ter all­mäh­lich zur Bekeh­rung führ­te. Nach dem Ver­zicht auf sein Erbe leb­te er zunächst als Ein­sied­ler bei einer klei­nen, ver­fal­le­nen Kir­che außer­halb von Assi­si. 1208, mit 27 Jah­ren, ver­spür­te er den Ruf Chri­sti, das Wort Got­tes zu ver­kün­den. Bald schlos­sen sich ihm Gefähr­ten an, aus denen – mit der wohl­wol­len­den Unter­stüt­zung des Pap­stes – der Fran­zis­ka­ner­or­den her­vor­ging. Der Glau­be des hl. Franz und sein Eifer für das Evan­ge­li­um kann­ten kei­ne Gren­zen, so daß er – trotz der bestehen­den Kon­flik­te – im Jahr 1219 dem mus­li­mi­schen Sul­tan in Ägyp­ten einen Besuch abstat­te­te, wohl auch das Hei­li­ge Land besuch­te und dem bewaff­ne­ten Kampf zwi­schen Chri­sten und Mus­li­men in den Kreuz­zü­gen den Dia­log der Lie­be und der Wahr­heit ent­ge­gen­stell­te und damit eine neue Epo­che eröff­net hat, die wir nun eigent­lich so rich­tig ange­hen soll­ten. Nach­dem er schon zwei Jah­re lang die Zei­chen des Lei­dens Chri­sti in der Form der Stig­ma­ta an Hän­den und Füßen trug, starb Franz am 3. Okto­ber 1226 in Assisi.

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[Über­set­zung der voll­stän­di­gen Katechese]

In einer frü­he­ren Kate­che­se habe ich bereits die von der Vor­se­hung bestimm­te Rol­le dar­ge­stellt, die die vom hl. Franz von Assi­si bzw. vom hl. Domi­ni­kus da Guz­man gegrün­de­ten Orden der Min­der­brü­der und der Pre­di­ger­brü­der bei der Erneue­rung der Kir­che ihrer Zeit hat­ten. Heu­te möch­te ich euch die Gestalt des hl. Fran­zis­kus vor­stel­len: Er war ein ech­ter »Gigant« der Hei­lig­keit, der noch immer sehr vie­le Men­schen jeden Alters und jeder Reli­gi­on fasziniert.

„Der Welt ist eine Son­ne auf­ge­gan­gen.“ Mit die­sen Wor­ten spielt in der Gött­li­chen Komö­die (Para­dies, XI. Gesang) der gro­ße ita­lie­ni­sche Dich­ter Dan­te Ali­ghie­ri auf die Geburt des Fran­zis­kus gegen Ende des Jah­res 1181 oder Anfang 1182 in Assi­si an. Fran­zis­kus stamm­te aus einer rei­chen Fami­lie – der Vater war Tuch­händ­ler –, ver­brach­te eine unbe­schwer­te Kind­heit und Jugend und pfleg­te die Rit­ter­idea­le sei­ner Zeit. Als Zwan­zig­jäh­ri­ger nahm er an einem Kriegs­zug teil und geriet in Gefan­gen­schaft. Er erkrank­te und wur­de befreit. Nach der Rück­kehr nach Assi­si begann in ihm ein lang­sa­mer geist­li­cher Bekeh­rungs­pro­zeß, der ihn den auf­wen­di­gen Lebens­stil, den er bis dahin gepflegt hat­te, schritt­wei­se auf­ge­ben ließ. In die­se Zeit fal­len die berühm­ten Epi­so­den der Begeg­nung mit dem Aus­sät­zi­gen, bei der Fran­zis­kus vom Pferd her­ab­stieg und ihm den Frie­dens­kuß gab, sowie der Bot­schaft des Gekreu­zig­ten in dem Kirch­lein „San Dami­a­no“. Drei­mal ließ der gekreu­zig­te Chri­stus sei­ne Stim­me hören und sag­te zu ihm: „Fran­zis­kus, geh und stel­le mei­ne Kir­che wie­der her, die wie du siehst, ganz ver­fal­len ist!“ Die­ses schlich­te Ereig­nis des Wor­tes des Herrn in der Kir­che „San Dami­a­no“ birgt einen tie­fen Sym­bol­ge­halt in sich. Unmit­tel­bar ist der hl. Franz dazu beru­fen, die­ses klei­ne Kirch­lein wie­der auf­zu­bau­en, doch der Ver­falls­zu­stand die­ses Gebäu­des ist Sym­bol für die dra­ma­ti­sche und beun­ru­hi­gen­de Situa­ti­on der Kir­che selbst in jener Zeit: mit einem ober­fläch­li­chen Glau­ben, der das Leben weder formt noch ver­wan­delt, mit einem wenig eif­ri­gen Kle­rus, mit dem Erkal­ten der Lie­be; eine inne­re Zer­stö­rung der Kir­che, die mit der Ent­ste­hung häre­ti­scher Bewe­gun­gen auch eine Zer­set­zung der Ein­heit mit sich bringt. Doch mit­ten in die­ser im Ver­fall befind­li­chen Kir­che steht der Gekreu­zig­te und spricht: Er ruft zur Erneue­rung auf, er beruft Fran­zis­kus, mit sei­ner eige­nen Hän­de Kraft kon­kret die klei­ne Kir­che „San Dami­a­no“ wie­der auf­zu­bau­en, Sym­bol für die tie­fer­ge­hen­de Beru­fung, mit sei­ner Glau­bens­ra­di­ka­li­tät und mit sei­ner begei­ster­ten Lie­be zu Chri­stus die Kir­che Chri­sti selbst zu erneu­ern. Die­se Bege­ben­heit, die sich wahr­schein­lich 1205 zutrug, läßt uns an ein wei­te­res ähn­li­ches Gesche­hen im Jahr 1207 den­ken: den Traum von Papst Inno­zenz III. Die­ser sieht im Traum, daß die Basi­li­ka St. Johann im Late­ran, die Mut­ter­kir­che aller Kir­chen, ein­zu­stür­zen droht und ein klei­ner, unbe­deu­ten­der Ordens­mann mit sei­nen Schul­tern die Kir­che stützt, damit sie nicht zusam­men­fällt. Inter­es­sant ist einer­seits die Fest­stel­lung, daß nicht der Papst zu Hil­fe eilt, um die Kir­che vorm Ein­stür­zen zu bewah­ren, son­dern ein klei­ner und unbe­deu­ten­der Ordens­mann, in dem der Papst Fran­zis­kus erkennt, der ihn auf­ge­sucht hat. Inno­zenz III. war ein mäch­ti­ger Papst, der über eine hohe theo­lo­gi­sche Bil­dung sowie über gro­ße poli­ti­sche Macht ver­füg­te; den­noch ist nicht er es, der die Kir­che erneu­ert, son­dern der klei­ne und unbe­deu­ten­de Ordens­mann: der von Gott dazu beru­fe­ne hl. Fran­zis­kus. Ande­rer­seits ist es jedoch wich­tig anzu­mer­ken, daß der hl. Fran­zis­kus die Kir­che nicht ohne oder gegen den Papst erneu­ert, son­dern nur in Gemein­schaft mit ihm. Die bei­den Wirk­lich­kei­ten gehö­ren zusam­men: der Nach­fol­ger Petri, die Bischö­fe, die auf die Nach­fol­ge der Apo­stel gegrün­de­te Kir­che und das neue Cha­ris­ma, das der Hei­li­ge Geist zu die­sem Zeit­punkt her­vor­bringt, um die Kir­che zu erneu­ern. Zusam­men wächst die wah­re Erneuerung.

Keh­ren wir zum Leben des hl. Fran­zis­kus zurück. Da ihm sein Vater Ber­nar­do­ne sei­ne zu gro­ße Frei­ge­big­keit gegen­über den Armen vor­warf, ent­klei­de­te sich Fran­zis­kus mit einer sym­bo­li­schen Geste vor dem Bischof von Assi­si und bekun­de­te damit den Ver­zicht auf das väter­li­che Erbe: Wie im Augen­blick der Schöp­fung besitzt Fran­zis­kus nichts außer dem Leben, das ihm Gott geschenkt hat, des­sen Hän­den er sich über­läßt. Danach leb­te er als Ere­mit, bis sich im Jahr 1208 ein wei­te­res grund­le­gen­des Ereig­nis auf dem Weg sei­ner Bekeh­rung zutrug. Wäh­rend er einen Abschnitt aus dem Mat­thä­us­evan­ge­li­um hör­te – die Rede Jesu an die Apo­stel, die aus­ge­sandt wur­den –, fühl­te sich Fran­zis­kus dazu beru­fen, in Armut zu leben und sich der Ver­kün­di­gung zu wid­men. Wei­te­re Gefähr­ten schlos­sen sich ihm an, und im Jahr 1209 begab er sich nach Rom, um Papst Inno­zenz III. das Vor­ha­ben einer neu­en Form christ­li­chen Lebens zu unter­brei­ten. Ihm wur­de von jenem gro­ßen Papst väter­lich wohl­wol­len­de Auf­nah­me zuteil; vom Herrn erleuch­tet, begriff die­ser den gött­li­chen Ursprung der von Fran­zis­kus ins Leben geru­fe­nen Bewe­gung. Der Pover­el­lo von Assi­si hat­te ver­stan­den, daß jedes vom Hei­li­gen Geist geschenk­te Cha­ris­ma in den Dienst des Lei­bes Chri­sti, also der Kir­che, gestellt wer­den muß; daher han­del­te er stets in vol­ler Gemein­schaft mit der kirch­li­chen Auto­ri­tät. Im Leben der Hei­li­gen gibt es kei­nen Wider­spruch zwi­schen pro­phe­ti­schem Cha­ris­ma und Lei­tungs­cha­ris­ma, und wenn irgend­wel­che Span­nun­gen ent­ste­hen, ver­ste­hen sie es, gedul­dig auf die Zei­ten des Hei­li­gen Gei­stes zu warten.

Tat­säch­lich haben im 19. und auch im letz­ten Jahr­hun­dert eini­ge Histo­ri­ker ver­sucht, hin­ter dem Fran­zis­kus der Über­lie­fe­rung einen soge­nann­ten histo­ri­schen Fran­zis­kus zu schaf­fen, so wie man ver­sucht, hin­ter dem Jesus der Evan­ge­li­en einen soge­nann­ten histo­ri­schen Jesu zu schaf­fen. Ein sol­cher histo­ri­scher Fran­zis­kus wäre nicht ein Mann der Kir­che gewe­sen, son­dern ein Mann, der unmit­tel­bar nur mit Chri­stus ver­bun­den gewe­sen wäre, ein Mann, der eine Erneue­rung des Got­tes­vol­kes ohne kir­chen­recht­li­che For­men und ohne Hier­ar­chie hät­te bewir­ken wol­len. Die Wahr­heit ist aber, daß der hl. Fran­zis­kus in Wirk­lich­keit eine ganz unmit­tel­ba­re Bezie­hung zu Jesus und zum Wort Got­tes hat­te, dem er „sine glos­sa“ fol­gen woll­te, also so, wie es ist, in sei­ner gan­zen Radi­ka­li­tät und Wahr­heit. Wahr ist auch, daß er anfangs nicht die Absicht hat­te, einen Orden in der dafür not­wen­di­gen kir­chen­recht­li­chen Form zu grün­den, son­dern ein­fach durch das Wort Got­tes und die Gegen­wart des Herrn das Volk Got­tes erneu­ern und es wie­der zum Hören des Wor­tes und zum treu­en Gehor­sam gegen­über Chri­stus auf­ru­fen woll­te. Außer­dem wuß­te er, daß Chri­stus nie­mals „mein“, son­dern immer »unser« Chri­stus ist, daß nicht »ich« Chri­stus besit­zen und »ich« gegen die Kir­che sei­nen Wil­len und sei­ne Leh­re wie­der­her­stel­len kann, son­dern nur in der Gemein­schaft der Kir­che, die auf der Nach­fol­ge der Apo­stel errich­tet ist, wird auch der Gehor­sam gegen­über dem Wort Got­tes erneuert.

Es ist auch wahr, daß er nicht die Absicht hat­te, einen neu­en Orden zu grün­den, son­dern ledig­lich das Volk Got­tes für den Herrn, der kommt, zu erneu­ern. Aber er hat voll Leid und Schmerz begrif­fen, daß alles sei­ne Ord­nung haben muß, daß auch das Kir­chen­recht not­wen­dig ist, um der Erneue­rung Gestalt zu geben, und daher füg­te er sich voll und ganz, mit dem Her­zen, in die Gemein­schaft der Kir­che, mit dem Papst und den Bischö­fen, ein. Er wuß­te immer, daß die Eucha­ri­stie der Mit­tel­punkt der Kir­che ist, wo der Leib Chri­sti und sein Blut gegen­wär­tig wer­den. Durch das Prie­ster­tum ist die Eucha­ri­stie die Kir­che. Nur dort, wo Prie­ster­tum und Chri­stus und Gemein­schaft der Kir­che zusam­men­ge­hen, wohnt auch das Wort Got­tes. Der wah­re histo­ri­sche Fran­zis­kus ist der hl. Fran­zis­kus der Kir­che, und genau in die­ser Wei­se spricht er auch zu den Nicht­glau­ben­den, zu den Gläu­bi­gen ande­rer Bekennt­nis­se und Religionen.

Fran­zis­kus und sei­ne immer zahl­rei­che­ren Brü­der lie­ßen sich bei der Por­tiunku­la bzw. der Kir­che „San­ta Maria degli Ange­li“ nie­der, die als der hei­li­ge Ort der fran­zis­ka­ni­schen Spi­ri­tua­li­tät schlecht­hin gilt. Auch Kla­ra, eine jun­ge Frau aus Assi­si aus ade­li­ger Fami­lie, begab sich in die Schu­le des Fran­zis­kus. So ent­stand der Zwei­te Fran­zis­ka­ni­sche Orden, der Orden der Kla­ris­sen, eine wei­te­re Erfah­rung, die dazu bestimmt war, her­aus­ra­gen­de Früch­te der Hei­lig­keit in der Kir­che hervorzubringen.

Auch der Nach­fol­ger Inno­zenz’ III., Papst Hono­ri­us III., unter­stütz­te mit sei­ner Bul­le Cum dil­ec­ti von 1218 die ein­zig­ar­ti­ge Ent­wick­lung der ersten Min­der­brü­der, die in ver­schie­de­nen Län­dern Euro­pas und sogar in Marok­ko ihre Mis­sio­nen eröff­ne­ten. Im Jahr 1219 erhielt Fran­zis­kus die Erlaub­nis, sich nach Ägyp­ten zu bege­ben, um mit dem mus­li­mi­schen Sul­tan Melek-el-Kà¢mel zu spre­chen, damit er auch dort das Evan­ge­li­um Jesu ver­kün­den kön­ne. Ich möch­te die­se Epi­so­de aus dem Leben des hl. Fran­zis­kus her­vor­he­ben, die von gro­ßer Aktua­li­tät ist. In einer Epo­che, in der eine krie­ge­ri­sche Aus­ein­an­der­set­zung zwi­schen dem Chri­sten­tum und dem Islam im Gan­ge war, schlug Fran­zis­kus, ganz bewußt nur mit sei­nem Glau­ben und sei­ner per­sön­li­chen Mil­de gewapp­net, wirk­sam den Weg des Dia­logs ein. Die Chro­ni­ken berich­ten uns von einer wohl­wol­len­den und herz­li­chen Auf­nah­me durch den mus­li­mi­schen Sul­tan. Das ist ein Vor­bild, an dem sich auch heu­te die Bezie­hun­gen zwi­schen Chri­sten und Mus­li­men inspi­rie­ren soll­ten: einen Dia­log in der Wahr­heit, im gegen­sei­ti­gen Respekt und im gegen­sei­ti­gen Ver­ständ­nis zu för­dern (vgl. Nost­ra Aet­a­te, 3). Fran­zis­kus scheint dann 1220 auch das Hei­li­ge Land besucht und damit einen Samen aus­ge­sät zu haben, der rei­che Frucht tra­gen soll­te: Sei­ne geist­li­chen Söh­ne mach­ten näm­lich aus den Orten, an denen Jesus gelebt hat, ein bevor­zug­tes Gebiet ihrer Mis­si­on. Mit Dank­bar­keit den­ke ich heu­te an die gro­ßen Ver­dien­ste der fran­zis­ka­ni­schen Kusto­die des Hei­li­gen Landes.

Nach sei­ner Rück­kehr nach Ita­li­en über­trug Fran­zis­kus die Lei­tung des Ordens sei­nem Vikar, Fra Pie­tro Cat­ta­ni, wäh­rend der Papst den Orden, der immer mehr Anhän­ger sam­mel­te, dem Schutz von Kar­di­nal Ugo­li­no, dem spä­te­ren Papst Gre­gor IX., anver­trau­te. Der Grün­der, der sich ganz der Ver­kün­di­gung wid­me­te, die er mit gro­ßem Erfolg durch­führ­te, ver­faß­te sei­ner­seits eine „Regel“, die dann vom Papst appro­biert wurde.

Im Jahr 1224 sieht Fran­zis­kus in der Ein­sie­de­lei von La Ver­na den Gekreu­zig­ten in der Gestalt eines Sera­phim, und aus der Begeg­nung mit dem gekreu­zig­ten Sera­phim emp­fing er die Stig­ma­ta; so wird er eins mit dem gekreu­zig­ten Chri­stus: ein Geschenk, das sei­ne inni­ge Iden­ti­fi­zie­rung mit dem Herrn zum Aus­druck bringt.

Der Tod des Fran­zis­kus – sein „tran­si­tus“ – geschah am Abend des 3. Okto­ber 1226 bei der Por­tiunku­la. Nach­dem er sei­ne geist­li­chen Kin­der geseg­net hat­te, starb er, auf dem nack­ten Erd­bo­den lie­gend. Zwei Jah­re spä­ter hat ihn Papst Gre­gor IX. in das Ver­zeich­nis der Hei­li­gen ein­ge­schrie­ben. Kur­ze Zeit danach wur­de in Assi­si zu sei­nen Ehren eine gro­ße Basi­li­ka errich­tet, die noch heu­te Ziel sehr vie­ler Pil­ger ist, die das Grab des Hei­li­gen ver­eh­ren und den Anblick der Fres­ken Giot­tos genie­ßen kön­nen, eines Malers, der auf wun­der­ba­re Wei­se das Leben des Fran­zis­kus bild­lich dar­ge­stellt hat.

Es wur­de gesagt, Fran­zis­kus sei gleich­sam ein „zwei­ter Chri­stus“, alter Chri­stus; er war wirk­lich eine leben­di­ge Iko­ne Chri­sti. Er wur­de auch „Bru­der Jesu“ genannt. Das war in der Tat sein Ide­al: Wie Jesus sein; den Chri­stus des Evan­ge­li­ums betrach­ten, ihn innig lie­ben, sei­ne Tugen­den nach­ah­men. Vor allem woll­te er der inne­ren und äuße­ren Armut einen grund­le­gen­den Wert ver­lei­hen, indem er sie auch sei­ne geist­li­chen Kin­der lehr­te. Die erste Selig­prei­sung der Berg­pre­digt – „Selig, die arm sind vor Gott, denn ihnen gehört das Him­mel­reich“ (Mt 5,3) – hat im Leben und in den Wor­ten des hl. Fran­zis­kus eine leuch­ten­de Ver­wirk­li­chung gefun­den. So ist es wirk­lich, lie­be Freun­de: Die Hei­li­gen sind die besten Inter­pre­ten der Bibel; dadurch, daß sie das Wort Got­tes in ihrem Leben Fleisch wer­den las­sen, machen sie es mehr denn je anzie­hen­der, so daß es wirk­lich zu uns spricht. Das Zeug­nis des hl. Fran­zis­kus, der die Armut geliebt hat, um Chri­stus mit völ­li­ger Hin­ga­be und Frei­heit zu fol­gen, ist auch für uns eine Auf­for­de­rung, die inne­re Armut zu pfle­gen, um im Ver­trau­en zu Gott zu wach­sen, indem wir damit auch einen nüch­ter­nen Lebens­stil und einen Abstand von den mate­ri­el­len Gütern verbinden.

In Fran­zis­kus kam die Lie­be zu Chri­stus in beson­de­rer Wei­se in der Anbe­tung des Aller­hei­lig­sten Sakra­ments der Eucha­ri­stie zum Aus­druck. In den Fran­zis­ka­ni­schen Quel­len­schrif­ten liest man bewe­gen­de Wor­te wie die­se: „Der gan­ze Mensch erschaue­re, die gan­ze Welt erbe­be, und der Him­mel jub­le, wenn auf dem Altar in der Hand des Prie­sters Chri­stus ist, der Sohn des leben­di­gen Got­tes. O wun­der­ba­re Hoheit und stau­nens­wer­te Her­ab­las­sung! O demü­ti­ge Erha­ben­heit, daß der Herr des Alls, Gott und Got­tes Sohn, sich so ernied­rigt, daß er sich unter der anspruchs­lo­sen Gestalt des Bro­tes ver­birgt!“ (Brief an den gesam­ten Orden).

In die­sem Prie­ster­jahr erin­ne­re ich auch gern an eine Emp­feh­lung, die Fran­zis­kus an die Prie­ster rich­te­te: „Sooft sie die Mes­se fei­ern wol­len, sol­len sie, sel­ber rein und in rei­ner Gesin­nung, mit Ehr­furcht und in hei­li­ger und rei­ner Absicht das wah­re Opfer des hei­lig­sten Lei­bes und Blu­tes unse­res Herrn Jesus Chri­stus dar­brin­gen.“ Fran­zis­kus zeig­te immer eine gro­ße Erge­ben­heit gegen­über den Prie­stern und ermahn­te dazu, sie immer zu respek­tie­ren, auch in dem Fall, daß sie per­sön­lich wenig wür­dig wären. Er führ­te als Begrün­dung für die­se tie­fe Ach­tung die Tat­sa­che an, daß sie das Geschenk emp­fan­gen haben, die Gaben der Eucha­ri­stie zu kon­se­krie­ren. Lie­be Brü­der im Prie­ster­amt, ver­ges­sen wir nie die­se Leh­re: Die Hei­lig­keit der Eucha­ri­stie for­dert von uns, rein zu sein, in kon­se­quen­ter Über­ein­stim­mung mit dem Geheim­nis zu leben, das wir feiern.

Aus der Lie­be zu Chri­stus ent­steht die Lie­be zu den Men­schen und auch zu allen Geschöp­fen Got­tes. Und da gibt es einen wei­te­ren Wesens­zug der Spi­ri­tua­li­tät des Fran­zis­kus: Der Sinn der uni­ver­sa­len Brü­der­lich­keit und die Lie­be zur Schöp­fung, die ihn zu sei­nem berühm­ten „Son­nen­ge­sang“ inspi­rier­te. Das ist eine sehr aktu­el­le Bot­schaft. Wie ich in mei­ner jüng­sten Enzy­kli­ka Cari­tas in veri­ta­te in Erin­ne­rung geru­fen habe, ist nur eine Ent­wick­lung nach­hal­tig, die die Schöp­fung respek­tiert und die Umwelt nicht schä­digt (vgl. Nr. 48–52), und in der Bot­schaft zum dies­jäh­ri­gen Welt­frie­dens­tag habe ich unter­stri­chen, daß auch der Auf­bau eines gefe­stig­ten Frie­dens an die Ach­tung der Schöp­fung gebun­den ist. Fran­zis­kus erin­nert uns dar­an, daß sich in der Schöp­fung die Weis­heit und das Wohl­wol­len des Schöp­fers ent­fal­tet. Die Natur wird von ihm als eine Spra­che ver­stan­den, in der Gott zu uns spricht, in der die Wirk­lich­keit trans­pa­rent wird und wir „von“ Gott und „mit“ Gott spre­chen können.

Lie­be Freun­de, Fran­zis­kus ist ein gro­ßer Hei­li­ger und ein fro­her Mensch gewe­sen. Sei­ne Ein­fach­heit, sei­ne Demut, sein Glau­be, sei­ne Lie­be zu Chri­stus, sei­ne Güte gegen­über jedem Mann und jeder Frau haben ihn in jeder Situa­ti­on froh gemacht. In der Tat besteht zwi­schen der Hei­lig­keit und der Freu­de eine inni­ge und unauf­lös­li­che Bezie­hung. Ein fran­zö­si­scher Schrift­stel­ler hat gesagt, daß es in der Welt nur eine ein­zi­ge Trau­rig­keit gibt: die Trau­rig­keit dar­über, nicht hei­lig zu sein, das heißt Gott nicht nahe zu sein. Wenn wir auf das Zeug­nis des hl. Fran­zis­kus blicken, ver­ste­hen wir, daß dies das Geheim­nis des wah­ren Glücks ist: hei­lig zu wer­den, nahe bei Gott zu sein!

Möge die von Fran­zis­kus zärt­lich gelieb­te Jung­frau die­ses Geschenk für uns erlan­gen. Ihr ver­trau­en wir uns mit den Wor­ten des Pover­el­lo von Assi­si an: „Hei­li­ge Jung­frau Maria, kei­ne ist dir ähn­lich gebo­ren in der Welt unter den Frau­en, Toch­ter und Magd des erha­ben­sten, höch­sten Königs, des himm­li­schen Vaters, Mut­ter unse­res hei­lig­sten Herrn Jesus Chri­stus, Braut des Hei­li­gen Gei­stes: Bit­te für uns… bei dei­nem hei­lig­sten, gelieb­ten Sohn, dem Herrn und Meister.“

Fres­ko in der Basi­li­ka des hl. Fran­zis­kus in Assisi

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1 Kommentar

  1. Wie so immer soll­ten Wor­ten auch Taten fol­gen. Die­se sehr katho­li­schen Wor­te, kön­nen nicht da- rüber hin­weg­täu­schen, dass die Rea­li­tät eine ande­re ist. Ein abge­wan­del­tes Sprich­wort besagt:
    …Wein pre­di­gen und Was­ser trin­ken… Wenn näm­lich Hei­lig­keit ins Feld geführt wird, war­um wer-
    den dann so vie­le durch die­ses Pon­ti­fi­kat irri­tiert. War­um dann über­haupt eine Syn­ode mit diesen
    unsäg­li­chen The­men. Nein, es wäre zu schön, wenn der katho­li­sche Glau­be end­lich wie­der zum
    Leuch­ten gebracht wür­de. Erst dann wäre die All-Erlö­sung ohne ent­spre­chen­den Wer­ken, wirklich
    Maku­la­tur und der Zeit­geist geschwächt.

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