Die Synode der „Verschwörer“, die am hellichten Tag handeln


Kardinal George Pell
Kar­di­nal Geor­ge Pell

(Rom) Einer der angeb­li­chen „Ver­schwö­rer“, der kei­ner ist, ist Kar­di­nal Timo­thy Dolan, der Erz­bi­schof von New York, einer der drei­zehn Kar­di­nä­le, die den Beschwer­de­brief an Papst Fran­zis­kus unter­zeich­net haben. Der Kar­di­nal erfüllt viel­mehr die Kri­te­ri­en jener vom Papst gefor­der­ten Par­r­he­sia, jener Rede­frei­heit, die der New Yor­ker Erz­bi­schof für sich in Anspruch nimmt. Hat das Beschwer­de­schrei­ben posi­ti­ve Aus­wir­kun­gen gehabt?Vor einer Woche brach durch die Ver­öf­fent­li­chung des Beschwer­de­brie­fes der drei­zehn Kar­di­nä­le an den Papst ein Sturm los. Die Syn­oden- und Medi­en­ver­ant­wort­li­chen des Vati­kans, die den Infor­ma­ti­ons­fluß mehr von San­ta Mar­ta als vom Apo­sto­li­schen Palast aus len­ken, schür­ten die Angrif­fe dabei nicht so sehr gegen den Vati­ka­ni­sten San­dro Magi­ster, son­dern ziem­lich unver­hoh­len gegen die drei­zehn Synodenväter.

Anzei­ge

Dabei han­delt es sich um Kir­chen­ver­tre­ter ersten Ran­ges, dar­un­ter die Erz­bi­schö­fe von Toron­to, New York, Hou­ston, Cara­cas, Bolo­gna, Utrecht, Nai­ro­bi und Dur­ban. Hin­zu kom­men mit den Kar­di­nä­len Mül­ler, Pell und Sarah drei Prä­fek­ten der Römi­schen Kurie, die selbst zuvor Diö­ze­san­bi­schö­fe von Regens­burg, Syd­ney und Kon­a­kry waren.

Mediale Aggression gegen die dreizehn Kardinäle

„Die media­le Aggres­si­on gegen die­se höch­ste und ein­stim­mig sich äußern­de Ver­tre­tung der Welt­hier­ar­chie, die beschul­digt wird, und das schon vor Bekannt­wer­den des Brie­fes, sich gegen den Papst ‚ver­schwo­ren‘ zu haben“, füge zu den im Brief auf­ge­wor­fe­nen Fra­gen noch eine wei­te­re unge­lö­ste Fra­ge hin­zu: die Infor­ma­ti­ons­po­li­tik des Vati­kans zur Syn­ode, so der Vati­ka­nist San­dro Magister.

Trotz der har­ten und ver­zer­ren­den Reak­tio­nen sei der Brief der Drei­zehn nicht ohne Wir­kung geblie­ben. Eine ver­nehm­ba­re Wir­kung erziel­te er aller­dings erst nach sei­ner Ver­öf­fent­li­chung. Damit erst wur­den der Inhalt und das Vor­han­den­sein eines brei­ten Unbe­ha­gens und eines sich orga­ni­sie­ren­den Wider­spruchs bekannt. Vie­le Syn­oden­vä­ter erfuh­ren erst jetzt davon und etli­che erkann­ten sich in der Kri­tik wie­der. Das ermög­licht grö­ße­ren Gegen­druck zum Druck der Syn­oden­lei­tung aus­zu­üben. Ein Gegen­druck, der ande­re, bes­se­re Ant­wor­ten auf die im Schrei­ben auf­ge­wor­fe­nen Fra­gen for­dert, als jene, die bis­her gege­ben wurden.

Die Auswirkungen des Schreibens

Die unmit­tel­ba­re Reak­ti­on von Papst Fran­zis­kus, gleich am Mor­gen nach der Über­rei­chung des Brie­fes, war es, den Unter­zeich­nern, ohne sie oder den Brief zu erwäh­nen, der „Ver­schwö­rung“ zu bezich­ti­gen. Dazu die Ermah­nung an die ande­ren Syn­oden­vä­ter, sich die „kon­spi­ra­ti­ve Her­me­neu­tik“ nicht zu eigen zu machen.

Am 12. Okto­ber ver­öf­fent­lich­te Magi­ster das Schrei­ben. Der US-Vati­ka­nist John Allen von Crux berich­te­te über ein Gespräch am 16. Okto­ber mit Kar­di­nal Pell, dem Über­brin­ger des Brie­fes. Dar­in nennt Pell erste posi­ti­ve Auswirkungen:

„Unter ande­rem sag­te Pell, daß der ita­lie­ni­sche Kar­di­nal Loren­zo Bal­dis­se­ri, Gene­ral­se­kre­tär der Syn­ode, in der Syn­ode­nau­la erklär­te, daß die Abstim­mung über das Schluß­do­ku­ment ‚Para­graph für Para­graph‘ erfolgt“. Damit wer­de der Wil­len der Syn­oden­vä­ter zu den ein­zel­nen Punk­ten sicht­bar. Im Schrei­ben hat­ten die Kar­di­nä­le die Befürch­tung geäu­ßert, die Syn­oden­vä­ter könn­ten am Ende nur im Block auf das gan­ze Schluß­do­ku­ment abstimmen.

Zudem sag­te Pell, „daß die Mit­glie­der des Redak­ti­ons­ko­mi­tees des Schluß­do­ku­ments fei­er­lich ver­spro­chen haben, daß sie dem Inhalt der Syn­oden­dis­kus­sio­nen treu sein und den Text nicht dazu gebrau­chen wer­den, ihre eige­nen Sicht­wei­sen zu fördern.“

Knackpunkt Redaktionskomitee

Die Zusam­men­set­zung des Redak­ti­ons­ko­mi­tees, das nicht gewählt, son­dern von Papst Fran­zis­kus im Allein­gang ernannt wur­de, wird „von vie­len Syn­oden­vä­tern“ nach wie vor als unzu­rei­chend gese­hen. Vie­le Syn­oda­len erin­nern sich „noch an die Täu­schun­gen, die bei der Syn­ode 2014 statt­fan­den“, so Magi­ster. Die Ver­tre­ter der „neu­en Barm­her­zig­keit“ haben im Redak­ti­ons­ko­mi­tee eine erdrücken­de Mehr­heit. Bei den mei­sten han­delt es sich zudem um per­sön­li­che Ver­trau­te des Papstes.

„Fest­steht, daß die Mit­glie­der des Redak­ti­ons­ko­mi­tees heu­te wis­sen, daß ihre Arbeit viel genau­er beob­ach­tet wird, und das gera­de dank des Alarm­rufs, der von dem Schrei­ben der drei­zehn Kar­di­nä­le aus­ging“, so Magister.

Was die Ver­öf­fent­li­chung oder Nicht­ver­öf­fent­li­chung des Schluß­do­ku­ments anbe­langt, wor­über die Ent­schei­dung dem Papst zukommt, rech­net Kar­di­nal Pell mit einer Ver­öf­fent­li­chung, schon allein des­halb, „weil es ohne­hin durch­sickern würde“.

Der aus Austra­li­en stam­men­de Kar­di­nal macht deut­lich, daß die beschwer­de­füh­ren­den Kar­di­nä­le Trans­pa­renz wol­len. Grund anzu­neh­men, daß sie vom Gegen­teil nichts Gutes erwarten.

Kardinal Dolan: Zuerst kommt Gottes Willen, „viel, viel später“ erst „pastoraler Realismus und Mitleid“

Kardinal Dolan
Kar­di­nal Timo­thy Dolan

Kar­di­nal Pell war der Initia­tor des Beschwer­de­schrei­bens. Dabei fand er, wie inzwi­schen bekannt, sofort die Unter­stüt­zung von Kar­di­nal Dolan. Auf den ersten Blick nicht unbe­dingt eine Selbst­ver­ständ­lich­keit: Die nord­ame­ri­ka­ni­schen Kar­di­nä­le, dar­un­ter auch Dolan, waren es, die letzt­lich den Weg für die Wahl von Jor­ge Mario Berg­o­glio zum Papst freimachten.

Die Diö­ze­san­bi­schö­fe unter den Nord­ame­ri­ka­nern bemüh­ten sich bereits im Vor­kon­kla­ve kom­pakt auf­zu­tre­ten. Schnell nah­men sie sich selbst aus dem Ren­nen und erklär­ten, die Wahl eines US-Ame­ri­ka­ners sei der Kir­che wohl nicht dien­lich. Davon war nicht nur Dolan selbst betrof­fen, der als Spre­cher der Nord­ame­ri­ka­ner auf­trat, son­dern indi­rekt auch der aus den USA stam­men­de Kuri­en­kar­di­nal Ray­mond Bur­ke. Bei­de gal­ten als „Papa­bi­li“, zu denen übri­gens auch Kar­di­nal Pell gehör­te (sie­he Wie das Kon­kla­ve ablief – Dolan neu­er star­ker Mann? – Eine erste Rekon­struk­ti­on gegen fal­sche Mythen­bil­dun­gen).

An die­ser Stel­le kann nicht näher auf die Hin­ter­grün­de die­ser nord­ame­ri­ka­ni­schen Wei­chen­stel­lung 2013 ein­ge­gan­gen wer­den und dar­auf, ob Kar­di­nä­le wie Dolan ihre Hoff­nun­gen erfüllt sehen oder viel­leicht doch nicht. Die Vor­ge­hens­wei­se des New Yor­ker Erz­bi­schofs, mit einer gewohnt hohen Medi­en­prä­senz, ent­spricht in der Syn­ode nicht dem, was man in Euro­pa von Erz­bi­schö­fen und Kar­di­nä­len gewohnt ist. In der Syn­ode­nau­la sag­te er ohne Wenn und Aber, daß es zu Ehe und Fami­lie „unse­re Pflicht ist, Jesus nach­zu­fol­gen im Ermah­nen und Wie­der­her­stel­len des­sen, was schon ‘am Anfang’ die Absicht des Vaters war“. Dem­ge­gen­über kämen „pasto­ra­ler Rea­lis­mus und Mit­leid“ erst spä­ter, viel später.

Verwirrung und Chaos „Teil der Ignatianischen Spiritualität“?

Als sich auch Dolan uner­war­tet im Medi­ensturm rund um den Beschwer­de­brief wie­der­fand, erschrak er nicht und ver­such­te sich auch nicht durch eine hal­be Bestä­ti­gung und ein hal­bes Demen­ti in Detail­fra­gen dem als suspekt emp­fun­de­nen ver­öf­fent­lich­ten Raum zu ent­zie­hen, son­dern sprach gelas­sen von „einem Sturm im Was­ser­glas“. Ohne Zau­dern und ohne Scheu bestä­tig­te er, das Papier unter­zeich­net zu haben. „Immer vor­wärts, nie zurück“, wie Mat­tia Fer­ra­re­si Kar­di­nal Dolan in der Tages­zei­tung Il Foglio vor zwei Tagen beschreibt.

In einem Gespräch mit Crux ließ Kar­di­nal Dolan durch­blicken, wie er sich das Den­ken und Han­deln von Papst Fran­zis­kus zu erklä­ren scheint: „Mir scheint, daß das für Fran­zis­kus, und jene die ihn bes­ser ken­nen als ich, bestä­ti­gen es mir, Teil der Igna­tia­ni­schen Spi­ri­tua­li­tät sei: die Ver­wir­rung, das Cha­os, die Fra­gen sind eine gute Sache“, wäh­rend die „vor­her­seh­ba­ren und sehr struk­tu­rier­ten“ Din­ge als ein mög­li­ches „Hin­der­nis für das Wir­ken der Gna­den“ gese­hen werden.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Wikicommons/​MiL

Print Friendly, PDF & Email
Anzei­ge

Hel­fen Sie mit! Sichern Sie die Exi­stenz einer unab­hän­gi­gen, kri­ti­schen katho­li­schen Stim­me, der kei­ne Gel­der aus den Töp­fen der Kir­chen­steu­er-Mil­li­ar­den, irgend­wel­cher Orga­ni­sa­tio­nen, Stif­tun­gen oder von Mil­li­ar­dä­ren zuflie­ßen. Die ein­zi­ge Unter­stüt­zung ist Ihre Spen­de. Des­halb ist die­se Stim­me wirk­lich unabhängig.

Katho­li­sches war die erste katho­li­sche Publi­ka­ti­on, die das Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus kri­tisch beleuch­te­te, als ande­re noch mit Schön­re­den die Qua­dra­tur des Krei­ses versuchten.

Die­se Posi­ti­on haben wir uns weder aus­ge­sucht noch sie gewollt, son­dern im Dienst der Kir­che und des Glau­bens als not­wen­dig und fol­ge­rich­tig erkannt. Damit haben wir die Bericht­erstat­tung verändert.

Das ist müh­sam, es ver­langt eini­ges ab, aber es ist mit Ihrer Hil­fe möglich.

Unter­stüt­zen Sie uns bit­te. Hel­fen Sie uns bitte.

Vergelt’s Gott!