Der Brief der Dreizehn Kardinäle im Wortlaut – Sorge vor „vorgefertigten Ergebnissen“


Die Sorgen der Synodalen
Die (unbe­rück­sich­tig­ten) Sor­gen der Synodalen

(Rom) Am Nach­mit­tag des 5. Okto­ber, dem Tag der Syn­oden­ar­bei­ten, über­gab Kar­di­nal Pell, der Prä­fekt des vati­ka­ni­schen Wirt­schafts­se­kre­ta­ri­ats, Papst Fran­zis­kus per­sön­lich ein Beschwer­de­schrei­ben, das von drei­zehn Kar­di­nä­len, alle­samt Syn­oda­len unter­zeich­net wurde.

Anzei­ge

Als das „ver­trau­li­che“ Schrei­ben, so Vati­kan­spre­cher Lom­bar­di, eine Woche spä­ter, am heu­ti­gen Mon­tag, öffent­lich bekannt wur­de, war das eini­gen Unter­zeich­nern (Sco­la, Vingt-Trois, Erdö und Pia­cen­za) gar nicht recht. Als öffent­li­che Kri­ti­ker des Pap­stes wahr­ge­nom­men zu wer­den, ist gera­de für Kar­di­nä­le etwas ande­res, als intern und ver­trau­lich Kri­tik vor­zu­brin­gen. Durch ihre jewei­li­gen Spre­cher erklär­ten die vier genann­ten Kar­di­nä­le im Lau­fe des heu­ti­gen Tages, das Schrei­ben nicht unter­zeich­net zu haben, von des­sen Inhalt sich aller­dings kei­ner distanzierte.

Die Exi­stenz des Schrei­bens wur­de von Vati­kan­spre­cher Lon­bar­di bestä­tigt, aber nicht kom­men­tiert. Er erwähn­te ledig­lich, daß die Kar­di­nä­le Sco­la und Vingt-Trois mit­ge­teilt hät­ten, das Schrei­ben nicht unter­zeich­net zu haben.

Das Schrei­ben ist ein Sor­gen­ka­ta­log, wie es ihn in die­ser Form im Zusam­men­hang mit einer Bischofs­syn­ode wahr­schein­lich bis­her nicht gege­ben hat.

Die Kar­di­nä­le, die erklä­ren, auch im Namen „vie­ler ande­rer Syn­oden­vä­ter“ zu spre­chen, wer­fen dem Papst vor, die Geschäfts­ord­nung der Syn­ode in der Absicht geän­dert zu haben, dadurch „bestimm­te Ergeb­nis­se“ zu „wich­ti­gen umstrit­te­nen Fra­gen“ zu errei­chen. Die „umstrit­te­nen Fra­gen“ kön­nen nur die Kom­mu­ni­on für wie­der­ver­hei­ra­te­te Geschie­de­ne, Homo­se­xua­li­tät und Ver­hü­tung sein.

Ein Vor­wurf, der umso schwer­wie­gen­der wird, da Papst Fran­zis­kus seit der Über­ga­be des Schrei­bens kei­ne Anstal­ten mach­te, die vor­ge­brach­ten Sor­gen berück­sich­ti­gen zu wol­len. Aller­dings trat er nach Erhalt des Schrei­bens vor die Syn­ode und warn­te vor einer „kon­spi­ra­ti­ven Hermeneutik“.

Hier der voll­stän­di­ge Wort­laut des Schreibens:

Euer Heiligkeit,

wäh­rend die Syn­ode über die Fami­lie beginnt und mit dem Wunsch, daß sie frucht­bar der Kir­che und Ihrem Dienst dient, ersu­chen wir Sie respekt­voll, eine Rei­he von Sor­gen zu berück­sich­ti­gen, die wir von ande­ren Syn­oden­vä­tern gesam­melt haben und die wir teilen.

Das Vor­be­rei­tungs­pa­pier der Syn­ode, das Instru­men­tum labo­ris, das wohl eini­ge bewun­derns­wer­te Hin­wei­se ent­hält, ent­hält aber auch Abschnit­te, für die es von Vor­teil wäre, wenn man sie einem sub­stan­ti­el­len Über­den­ken und einer Über­ar­bei­tung unter­zie­hen wür­de. Die neu­en Pro­ze­du­ren, nach denen die Syn­ode statt­fin­det, schei­nen einen über­zo­ge­nen Ein­fluß auf die Ent­schei­dun­gen der Syn­ode und auf das Syn­oden­schluß­do­ku­ment zu neh­men. Eben­so­we­nig kann das Instru­men­tum, so wie es ist und ange­sichts der von uns von vie­len Syn­oden­vä­tern gesam­mel­ten Beden­ken über ver­schie­de­ne pro­ble­ma­ti­sche Abschnit­te, ange­mes­sen als rich­tungs­wei­sen­der Text oder als Grund­la­ge für das Schluß­do­ku­ment dienen.

Die neu­en Syn­oden­pro­ze­du­ren wer­den in eini­gen Krei­sen als Man­gel an Offen­heit und genui­ner Kol­le­gia­li­tät gese­hen wer­den. In der Ver­gan­gen­heit dien­te der Pro­zeß zur Ein­brin­gung von Pro­po­si­tio­nen und ihre Abstim­mung dem wert­vol­len Zweck, die Ori­en­tie­rung der Syn­oden­vä­ter zu mes­sen. Das Feh­len der Pro­po­si­tio­nen und der ent­spre­chen­den Dis­kus­sio­nen und Abstim­mun­gen scheint eine offe­ne Debat­te zu ent­mu­ti­gen und die Dis­kus­si­on in die Cir­culi mino­res zu ver­ban­nen; daher erscheint es uns dring­lich, daß die Redak­ti­on der Pro­po­si­tio­nen, die von der gan­zen Syn­ode abzu­stim­men sind, wie­der­her­ge­stellt wer­den soll­te. Die Abstim­mung über das Schluß­do­ku­ment kommt im Pro­zeß der völ­li­gen Über­ar­bei­tung und Aus­bes­se­rung des Tex­tes zu spät.

Zudem hat das Feh­len einer Betei­li­gung der Syn­oden­vä­ter an der Zusam­men­set­zung der Redak­ti­ons­kom­mis­si­on erheb­li­ches Unbe­ha­gen aus­ge­löst. Ihre Mit­glie­der wur­den ohne Bera­tung ernannt und nicht gewählt. Eben­so soll­te jeder, der Teil der Redak­ti­on irgend­ei­nes Tex­tes auf der Ebe­ne der Cir­culi mino­res ist, gewählt und nicht ernannt werden.

Die­se Tat­sa­chen haben ihrer­seits die Sor­ge ent­ste­hen las­sen, daß die neu­en Pro­ze­du­ren nicht dem tra­di­tio­nel­len Geist und der Ziel­set­zung einer Syn­ode ent­spre­chen. Man ver­steht nicht, war­um die­se Ände­run­gen der Pro­ze­du­ren not­wen­dig sein sol­len. Einer gewis­sen Anzahl von Syn­oden­vä­tern erscheint der neue Pro­zeß dar­auf abge­stimmt, zu wich­ti­gen umstrit­te­nen The­men vor­ge­fer­tig­te Ergeb­nis­se zu erleichtern.

Schließ­lich, und viel­leicht mit größ­tem Nach­druck, haben ver­schie­de­ne Syn­oden­vä­ter die Sor­ge zum Aus­druck gebracht, daß eine Syn­ode, die geplant ist, um eine lebens­wich­ti­ge pasto­ra­le Fra­ge zu behan­deln – näm­lich die Wür­de der Ehe und der Fami­lie zu stär­ken – vom theologisch/​doktrinellen Pro­blem der Kom­mu­ni­on für stan­des­amt­lich wie­der­ver­hei­ra­te­te Geschie­de­ne beherrscht wer­den könn­te. Wenn sich das bewahr­hei­ten soll­te, wür­de das unver­meid­lich noch weit grund­le­gen­de­re Fra­gen auf­wer­fen, wie die Kir­che auf ihrem Weg das Wort Got­tes, ihre Dok­trin und ihre Dis­zi­plin in den Ver­än­de­run­gen der Kul­tur inter­pre­tie­ren und anwen­den soll­te. Der Kol­laps der libe­ra­len pro­te­stan­ti­schen Kir­chen, beschleu­nigt durch das Auf­ge­ben von Schlüs­sel­ele­men­ten des Glau­bens und der christ­li­chen Pra­xis im Namen einer pasto­ra­len Anpas­sung, recht­fer­tigt eine gro­ße Zurück­hal­tung in unse­ren Synodendiskussionen.

Hei­lig­keit, wir brin­gen die­se Gedan­ken in einem Geist der Treue vor und dan­ken Ihnen, daß Sie sie in Betracht ziehen.

In Treue Ihre in Jesus Christus

Kar­di­nal Geor­ge Pell, Prä­fekt des Wirt­schafts­se­kre­ta­ri­ats (Austra­li­en)
Kar­di­nal Ger­hard Mül­ler, Prä­fekt der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on (Deutsch­land)
Kar­di­nal Robert Sarah, Prä­fekt der Got­tes­dienst­kon­gre­ga­ti­on (Gui­nea)
Kar­di­nal Car­lo Caf­farra, Erz­bi­schof von Bolo­gna (Ita­li­en)
Kar­di­nal Tho­mas Coll­ins, Erz­bi­schof von Toron­to (Kana­da)
Kar­di­nal Timo­thy Dolan, Erz­bi­schof von New York (USA)
Kar­di­nal Wil­lem Eijk, Erz­bi­schof von Utrecht (Nie­der­lan­de)
Kar­di­nal Wil­frid Fox Napier, Erz­bi­schof von Dur­ban (Süd­afri­ka) und stell­ver­tre­ten­der Synodenvorsitzender
Kar­di­nal Jor­ge Uro­sa Savi­no, Erz­bi­schof von Cara­cas (Vene­zue­la)

Kar­di­nal Peter Erdö, Erz­bi­schof von Esz­t­er­gom-Buda­pest (Ungarn) und Gene­ral­be­richt­erstat­ter der Bischofssynode*
Kar­di­nal Mau­ro Pia­cen­za, Groß­pö­ni­ten­ti­ar und ehe­ma­li­ger Prä­fekt der Kle­rus­kon­gre­ga­ti­on (Ita­li­en)*
Kar­di­nal Ange­lo Sco­la, Erz­bi­schof von Mai­land (Ita­li­en)*
Kar­di­nal And­re Vingt-Trois, Erz­bi­schof von Paris (Frank­reich)*

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: MiL

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