Wandlungsworte: „Für alle“ auf Kuba, „für viele“ in den USA – Papst Franziskus und ein Sowohl-als-auch


(Havanna/​Washington) Hat Chri­stus sein Blut „für alle“ oder „für vie­le“ ver­gos­sen? Papst Fran­zis­kus zele­brier­te am Sonn­tag auf der Pla­za de la Revo­lu­ci­on in Havan­na die erste Hei­li­ge Mes­se sei­ner Pasto­ral­rei­se nach Ame­ri­ka und demon­strier­te dabei, daß er in der Fra­ge der Wand­lungs­wor­te ein Sowohl-als-auch ver­tritt. Damit macht er die Bemü­hun­gen sei­nes Vor­gän­gers Bene­dikts XVI. für eine lit­ur­gi­sche Erneue­rung zwar nicht rück­gän­gig, friert sie jedoch auf hal­bem Weg ein.

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Ins­ge­samt wird der Papst auf Kuba und in den USA sie­ben Hei­li­ge Mes­sen zele­brie­ren. Die Wand­lungs­wor­te wer­den dabei jedoch nicht iden­tisch sein.

Die Zele­bra­tio­nen erfol­gen in spa­ni­scher und eng­li­scher Spra­che sowie – zumin­dest teil­wei­se – das Hoch­ge­bet in der Kir­chen­spra­che Latein.

Wandlungsworte nicht identisch

„Schaut man sich in allen die­sen Mes­sen die Wand­lungs­wor­te an, wird man fest­stel­len, daß sie nicht gleich sind“, so der Vati­ka­nist San­dro Magister.

Die erste Mes­se auf dem Revo­lu­ti­ons­platz mit der über­di­men­sio­na­len Che Gue­va­ra-Dar­stel­lung im Rücken, auf die das Castro-Regime bei Papst-Besu­chen so beson­de­ren Wert legt, zele­brier­te Papst Fran­zis­kus am Sonn­tag voll­stän­dig auf spa­nisch. Vor einer hal­ben Mil­li­on Gläu­bi­gen sprach der Papst bei der Kon­se­kra­ti­on des Wei­nes in das Blut Chri­sti die Wor­te „por voso­tros y por todos los hom­bres para el per­dón de los peca­dos“, wört­lich, „für euch und für alle Men­schen zur Ver­ge­bung der Sünden“.

Voll­stän­dig auf spa­nisch zele­briert Fran­zis­kus auch am Mon­tag, den 21. Sep­tem­ber in Hol­gu­in und am Diens­tag in Sant­ia­go de Cuba. Die Wand­lungs­wor­te wer­den jedoch etwas vari­ie­ren. Statt „por voso­tros“ wird das Kir­chen­ober­haupt „por ustedes“ (Höf­lich­keits­form) sagen, wäh­rend die übri­gen Wand­lungs­wor­te wie in Havan­na gespro­chen werden.

Anderes Land, gleiche Sprache, andere Wandlungsworte

Papstmesse in Havann Viva Cristo Rey
Papst­mes­se in Havan­na: Katho­li­ken mit Trans­pa­ren­ten „Viva Cri­sto Rey“

Dann wird Papst Fran­zis­kus von der Kari­bik­in­sel auf das ame­ri­ka­ni­sche Fest­land wei­ter­rei­sen und in der US-Bun­des­haupt­stadt Washing­ton die erste Hei­li­ge Mes­se in den Ver­ei­nig­ten Staa­ten zele­brie­ren. Trotz des Staa­ten­wech­sels wird er die­ses Meß­op­fer in spa­ni­scher Spra­che fei­ern, der Mut­ter­spra­che einer schnell wach­sen­den Zahl von US-Bür­gern. Die Wand­lungs­wor­te lau­ten – im Gegen­satz zu Kuba – aber nicht mehr „por todos los hom­bres“, son­dern „por muchos“, für viele.

So wird es auch bei den drei wei­te­ren Hei­li­gen Mes­se in den USA der Fall sein, bei denen der Papst das Hoch­ge­bet auf Latein spre­chen wird: „pro vobis et pro mul­tis effun­de­tur in remis­sio­nem pec­ca­torum“, für euch und für vie­le. In den USA wird kein „für alle“ zu hören sein.

„Was läßt sich aus diesem Schwanken zwischen ‚für alle‘ und ‚für viele‘ schließen?“

„Was läßt sich aus die­sem Schwan­ken zwi­schen dem „für alle“ auf Kuba und dem „für vie­le“ in den USA in den Wand­lungs­wor­ten schlie­ßen?“, frag­te sich am ver­gan­ge­nen Sams­tag San­dro Magister.

Heiliges Meßopfer
Hei­li­ges Meßopfer

„Es läßt sich dar­aus schlie­ßen, daß die lang­jäh­ri­ge Fra­ge, die Bene­dikt XVI. 2012 welt­weit einer end­gül­ti­gen und ein­heit­li­chen Lösung zufüh­ren woll­te, von Papst Fran­zis­kus in der Schwe­be gehal­ten wird“, so der Vatikanist.

Die von Bene­dikt XVI. ange­ord­ne­te ori­gi­nal­ge­treue Über­tra­gung der Wand­lungs­wor­te in die Volks­spra­chen lehnt sich direkt an die offi­zi­el­le latei­ni­sche For­mel an. Wegen anhal­ten­der Wider­stän­de man­cher Bischofs­kon­fe­ren­zen schrieb Bene­dikt XVI. am 14. April 2012 einen Brief an alle Bischö­fe, um die­se zu über­win­den. Das „pro mul­tis“ des Römi­schen Kanons soll­te nach den vor­schnel­len Über­set­zun­gen im Zuge der Lit­ur­gie­re­form 1965/​1969 ein­heit­lich in die Volks­spra­chen über­tra­gen wer­den. Damit woll­te der deut­sche Papst einer miß­ver­ständ­li­chen Aller­lö­sungs­leh­re ent­ge­gen­wir­ken, die sich unter Katho­li­ken breit­macht. Das Schrei­ben ver­faß­te er in deut­scher Spra­che, womit er ver­deut­lich­te, wo er den größ­ten Wider­stand verortete.

„Neue Barmherzigkeit“ versus Wandlungsworte?

Die Anwei­sung Bene­dikts XVI. gilt für die gesam­te Kir­che. Als Papst Bene­dikt zurück­trat, waren eini­ge Bischofs­kon­fe­ren­zen, dar­un­ter die ita­lie­ni­sche und die deut­sche, noch säu­mig und hat­ten kei­ne Neu­aus­ga­be des Mis­sa­le vor­ge­nom­men. Die Kor­rek­tur der For­mel „für alle“, die sich nach dem Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zil ein­bür­gert hat­te, durch das ori­gi­nal­ge­treue „für vie­le“ wird als „Ein­schrän­kung“ der „Barm­her­zig­keit“ gesehen.

„Mit dem Amts­an­tritt von Fran­zis­kus, hat sich die Idee ver­brei­tet, daß die­se Dik­ti­on [für alle] mehr der uni­ver­sa­len Aus­wei­tung der ‚Barm­her­zig­keit‘ ent­spre­che, die vom neu­en Papst unun­ter­bro­chen gepre­digt wird“, so Magister.

Wie es scheint, ver­tritt der argen­ti­ni­sche Papst zu die­sem Punkt „kei­ne stren­ge Posi­ti­on“ (Magi­ster) und scheint auch nicht dar­an inter­es­siert, eine bestimm­te Posi­ti­on durch­set­zen zu wol­len. Sei­ne Posi­ti­on ist viel­mehr ein Sowohl-als-auch, indem er sowohl die eine wie die ande­re Dik­ti­on ver­wen­det „auch bei die­ser Rei­se nach Kuba und in die USA“.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Nuo­va Bus­so­la Quotidiana

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